Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.03.2011, Az.: 7 LA 50/10

Abfallrechtliche Zulässigkeit von nur das Ziel festlegenden Verwaltungsakten; Erforderlichkeit einer beispielhaften Aufzählung von Anlagen bzgl. der Beseitigung von gewerblichem Abfall

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.03.2011
Aktenzeichen
7 LA 50/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 12260
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0309.7LA50.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 09.04.2010 - AZ: 2 A 198/09

Fundstellen

  • AbfallR 2011, 149
  • DVBl 2011, 646
  • MuA 2011, 296
  • NVwZ-RR 2011, 400-401

Amtlicher Leitsatz

Verwaltungsakte, die nur das Ziel festlegen, dem Adressaten aber hinsichtlich der einzusetzenden Mittel die Wahl lassen, sind auch im Abfallrecht zulässig. Es bedarf im Hinblick auf § 37 VwVfG keiner beispielhaften Aufzählung von Anlagen, in denen gewerblicher Abfall beseitigt werden kann.

Aus dem Entscheidungstext

1

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung, Abfälle auf einem in seinem Eigentum stehenden, verpachtet gewesenen Gewerbegrundstück zu beseitigen. Die Abfälle ungeklärter Herkunft (Altholz, Altreifen, Kunststoffe, Dämmmaterial, Metalle, Boden, Bauschutt, Hausmüll, Glas) sind zu einem Wall mit einer Länge von etwa 115 m und einer Höhe von etwa 3 m verbaut (Volumen insgesamt etwa 1.900 m3).

2

II.

Der Antrag ist unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 5 VwGO nicht vorliegen.

3

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, der Kläger sei Abfallbesitzer i.S.d. § 3 Abs. 6 und § 11 KrW-/AbfG. Hierzu hat es darauf verwiesen, dass der Kläger die Errichtung des Walles mindestens gefördert und geduldet habe, woraus auf eine tatsächliche Sachherrschaft über die Abfälle geschlossen werde. Die Begründung des Zulassungsantrages stellt dies nicht überzeugend in Frage. Abzustellen ist dabei nicht nur darauf, dass die Abfälle bereits vor dem Mietverhältnis mit der B. GmbH auf dem Grundstück lagerten, oder auf die Errichtung des Walles, sondern auch darauf, dass der Kläger dessen Rückbau (als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Abfallsortierung und -entsorgung) u.a. dadurch verhindert hat, dass er als Grundstückseigentümer das von der damaligen Pächterin erbetene Einverständnis ausdrücklich verweigert hat (Schreiben vom 19.02.2007), um das Ziel einer anderweitig nutzbaren Freifläche nicht zu gefährden (vgl. den Besprechungsvermerk des Beklagten vom 04.09.2006).

4

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es für die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung nicht darauf an, ob die Abfälle gefährlich sind. Abfälle sind, wenn sie nicht verwertet werden können, zu beseitigen (§ 11 Abs. 1 KrW-/AbfG), und zwar in dafür zugelassenen Anlagen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG). Falls der Kläger von dieser Verpflichtung im Wege der Ausnahme gemäß § 27 Abs. 2 KrW-/AbfG hätte (widerruflich) befreit werden wollen, hätte es an ihm gelegen, gegenüber dem Beklagten als Abfallbehörde die Ungefährlichkeit des Abfallgemischs und damit eine fehlende Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nachzuweisen. Im Hinblick auf das im Wall auch verbaute Altholz, das mit Holzschutzmitteln bearbeitet wurde, dürfte dies allerdings ausgeschlossen sein, da es sich dabei um besonders überwachungsbedürftigen Abfall handelt (vgl. BA "A" Bl. 37, 67 - 105).

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Auch die vom Verwaltungsgericht bestätigte Störerauswahl seitens des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Zutreffend ist zwar der Hinweis des Klägers, dass im Urteil § 11 KrW-/AbfG mit der nicht zutreffenden Absatzbezeichnung (Abs. 3 statt Abs. 1) zitiert wird, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Ergebnisrichtigkeit der Entscheidung bestehen jedoch nicht. Das KrW-/AbfG stellt keinen Vorrang zwischen den beiden gemäß § 11 Abs. 1 KrW-/AbfG Verpflichteten - Erzeuger oder Besitzer von Abfällen - auf (Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., § 11 Rn. 9, der i.Ü. bei Personenverschiedenheit die Beseitigungspflicht in der Regel dem Besitzer zuweist; dem folgend Frenz, KrW-/AbfG, 3. Aufl., § 11 Rn. 3). Ebenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte angesichts des Insolvenzverfahrens der Firma C. GmbH den Kläger als Adressaten seiner Beseitigungsanordnung ausgewählt hat. Der damals noch nicht insolvente Kläger war wirtschaftlich leistungsfähiger, so dass dessen Auswahl zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 10.07.2009) erfolgversprechender war. Die vom Kläger vermissten Ermittlungen des Beklagten hätten ausweislich der vom Senat eingesehenen Insolvenzakten nicht zu einem anderen Ergebnis geführt, denn bereits im Zwischenbericht des Insolvenzverwalters vom 29. März 2006 hatte dieser mitgeteilt, dass auf einfache Insolvenzforderungen eine Quote nicht zu erwarten sei, und dies unter dem 09. November 2006 und 03. Juli 2007 wiederholt (AG Gifhorn - 35 IN 34/01 -, Bl. 411 f., 429 f. und 442 f.). Dem Kläger ist dies im Übrigen auch bekannt gewesen, denn er ist Mitglied im Gläubigerausschuss und in dieser Eigenschaft lag seinem Bevollmächtigten der abschließende Kassenbericht des Insolvenzverwalters seit Anfang 2008 vor. Im während des Widerspruchsverfahrens anhängig gemachte Insolvenzverfahren über die Firma D. GmbH ist schon vor Erlass des Widerspruchsbescheids eine Eröffnung des Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden (AG Gifhorn, B. v. 20.05.2009 - 35 IN 84/09 -).

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2.

Die Rechtssache weist besondere Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht auf. Die angefochtene Verfügung ist hinreichend bestimmt. Einer Trennung der Entsorgungsanordnung nach zu verwertenden und zu beseitigenden Abfällen kam offensichtlich nicht in Betracht, weil die Abfälle vermischt lagern und sich der Beklagte nur durch Stichproben Kenntnisse von der Art und der geschätzten Menge einzelner Abfallfraktionen hat verschaffen können. Die Pflicht des Klägers, einer möglichen Verwertung den Vorzug vor einer Beseitigung zu geben, ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG) und bedarf keiner weiteren Konkretisierung. Auch Fragen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit einer Verwertung (§ 5 Abs. 4 KrW-/AbfG) sind vom Kläger nach Trennung der Abfälle zu klären, nicht von dem Beklagten. Gleiches gilt hinsichtlich der zur Beseitigung anfallenden Teile des Abfalls. Da gewerbliche Abfälle in jeder dafür zugelassenen Anlage beseitigt werden dürfen, gibt es keine darüber hinausgehende Konkretisierungsmöglichkeit. Im Gegenteil: die Beklagte darf den gewerblich tätigen Kläger nicht auf eine bestimmte Anlage verweisen. Verwaltungsakte, die nur das Ziel festlegen, dem Adressaten aber hinsichtlich der einzusetzenden Mittel die Wahl lassen, sind zulässig (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. § 37 Rn. 16). Die vom Kläger zur Stützung seiner Ansicht zitierte Kommentarstelle (von Lersner/Wendenburg, Recht der Abfallbeseitigung, § 21 Rn. 18) ist inhaltlich ersichtlich veraltet, wenn sie zum Beleg auf Kommentierungen des VwVfG aus der Zeit vor der Geltung des KrW-/AbfG verweist; zudem ist eine Begründung, weshalb (unverbindliche) "Hinweise" der Behörde für eine Bestimmtheit der Verfügung gemäß § 37 VwVfG notwendig sind, nicht erkennbar. Der Kläger kann sich i. Ü. durch die Abfallbehörde beraten lassen oder gemäß § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG einen Dritten mit der Entsorgung beauftragen.

7

3.

Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnete Frage, "ob die eine Inanspruchnahme des Abfallbesitzers statt des Abfallerzeugers rechtfertigende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit allein mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Abfallerzeugers dargetan ist, ohne dass es auf das Verhältnis von Insolvenzmasse zu den Insolvenzforderungen ankäme und ohne dass hierzu auch nur eine formlose Anfrage an den Insolvenzverwalter erfolgt wäre" ist nicht entscheidungserheblich, da hier die Insolvenzmasse der nach Ansicht des Klägers alternativ heranzuziehenden Firma nicht ausreichend vorhanden ist. Es kommt hinzu, dass das Insolvenzverfahren der Firma C. GmbH allein deshalb zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids noch nicht abgeschlossen war, weil der Kläger seinerseits als Mitglied des Gläubigerausschusses die vom Insolvenzverwalter unentwegt angemahnte Kassenprüfung nicht durchführte und die ihm zu diesem Zweck überlassenen Unterlagen nicht zurückreichte.

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4.

Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht den Einwand des Klägers, die angefochtene Verfügung sei unbestimmt, nicht zur Kenntnis genommen hat. Die Entscheidung beruht jedenfalls nicht auf diesem etwaigen Mangel, denn Zweifel an der Bestimmtheit der Verfügung bestehen, wie unter 2. dargestellt, nicht.