Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.03.2011, Az.: 4 PA 68/11

Für die Gewährung von Ausbildungsförderung nach Ablauf eines vorangegangenen Bewilligungszeitraums bedarf es eines erneuten Antrags; Notwendigkeit eines erneuten Antrags für die Gewährung von Ausbildungsförderung nach Ablauf eines vorangegangenen Bewilligungszeitraums; Möglichkeit der Wahrung des Rechts eines Auszubildenden auf Ausbildungsförderung ab dem Antragsmonat auch für nachfolgende Bewilligungszeiträume

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.03.2011
Aktenzeichen
4 PA 68/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 18593
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0328.4PA68.11.0A

Fundstelle

  • DVBl 2011, 1051

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für die Gewährung von Ausbildungsförderung nach Ablauf eines vorangegangenen Bewilligungszeitraums bedarf es eines erneuten Antrags nach § 46 Abs. 1 BAföG.

  2. 2.

    Der Auszubildende wahrt mit einem Antrag nach § 46 Abs. 1 BAföG sein Recht auf Ausbildungsförderung ab dem Antragsmonat auch für nachfolgende Bewilligungszeiträume, wenn es zugleich um eine Förderung dem Grunde nach geht und der Auszubildende nach bestandskräftigem Obsiegen im Grundlagenstreit seinen Antrag für nachfolgende Bewilligungszeiträume vervollständigt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu Recht abgelehnt hat. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO nicht in Betracht. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

2

Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags maßgeblich (vgl. nur Senatsbeschl. v. 1.9.2010 - 4 PA 236/10 - m.w.N.). Der Kläger hat am 8. Februar 2011 Prozesskostenhilfe beantragt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einem Bescheid des Jobcenters - C. - vom 6. Januar 2011 beim Verwaltungsgericht eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte bereits durch bestandskräftigen Bescheid vom 15. Juni 2009 auf den Antrag des Klägers vom 16. Januar 2009 Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus für den Zeitraum von April 2009 bis März 2010 bewilligt und zugleich den vom Kläger mit seiner Klage angegriffenen Ablehnungsbescheid vom 24. April 2009 aufgehoben. Dadurch war dem vom Kläger mit seiner Klage verfolgten Begehren in der Sache teilweise entsprochen, so dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage insoweit nicht vorgelegen hat.

3

Soweit der Kläger mit seiner Klage Ausbildungsförderungsleistungen für weitere Zeiträume als mit Bescheid vom 15. Juni 2009 bewilligt begehrt, bestehen ebenfalls keine hinreichenden Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens. Eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger auch für den Zeitraum von April 2010 bis September 2010 Ausbildungsförderungsleistungen zu bewilligen, wie es der Kläger in seinem Antrag vom 16. Januar 2009 ausdrücklich beantragt hat, kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger im Sommersemester 2010 vom Studium der Rechtswissenschaften beurlaubt war und daher während dieser Zeit der für die Bewilligung von Ausbildungsförderung erforderliche "Besuch" einer Hochschule im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Nr. 6 und 9 Abs. 2 BAföG nicht gegeben war.

4

Darüber hinaus fehlt es an den erforderlichen Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, soweit der Kläger mit seiner Klage nunmehr Ausbildungsförderung für den "Zeitraum nach Beendigung der Beurlaubung" begehrt (vgl. das Schreiben des Klägers vom 29. Juni 2010). Da sich der Antrag vom 16. Januar 2009 nur auf den Bewilligungszeitraum von April 2009 bis September 2010 bezogen und die Beklagte über diesen Antrag mit Bescheid vom 15. Juni 2009 entschieden hat, bedarf es für die Gewährung von Ausbildungsförderung für einen späteren Bewilligungszeitraum nach § 46 Abs. 1 BAföG eines erneuten Antrags (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.3.1980 - 5 C 40.78 -, Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 3). An einem solchen Antrag des Klägers fehlt es jedoch, so dass eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger nach dem Ende seiner Beurlaubung vom Studium Ausbildungsförderung ab dem Sommersemester 2011 zu gewähren, nicht in Betracht kommt.

5

Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur zeitlichen Reichweite eines Antrags auf Ausbildungsförderung dem Grunde nach ergibt sich nichts anderes. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Auszubildende mit einem Antrag nach § 46 Abs. 1 BAföG sein Recht auf Ausbildungsförderung ab dem Antragsmonat auch für nachfolgende Bewilligungszeiträume wahrt, wenn es hierbei zugleich um eine Förderung dem Grunde nach (§ 50 Abs. 1 Satz 4 BAföG) geht und der Auszubildende nach bestands- oder rechtskräftigem Obsiegen im Grundlagenstreit seinen Antrag auf Ausbildungsförderung für die über den Grundlagenstreit abgelaufenen Ausbildungszeiten durch Nachreichen der konkreten Bewilligungsunterlagen der Höhe nach komplettiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1997 - 5 C 4.97 -, BVerwGE 105, 377). Die Entscheidung, ob die Förderungsvoraussetzungen für eine nach Fachrichtung und Ausbildungsstätte bestimmt bezeichnete weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG, eine andere Ausbildung nach § 7 Abs. 3 BAföG oder eine Ausbildung nach Überschreiten der Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 BAföG vorliegen, ist nämlich für den ganzen Ausbildungsabschnitt zu treffen (vgl. § 46 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 und Satz 2 BAföG). Da die Entscheidung auch für den gesamten Ausbildungsabschnitt gilt (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 4 BAföG), steht die Verneinung der Förderungsfähigkeit dem Grunde nach einer Förderung des Auszubildenden auch in nachfolgenden Bewilligungszeiträumen entgegen. Daher besteht in einem solchen Fall für eine auf nachfolgende Bewilligungszeiträume bezogene Antragstellung vor der bestands- bzw. rechtskräftigen Klärung der Grundlagenfrage kein Anlass. Außerdem legt die Behörde mit der ablehnenden Entscheidung dem Grunde nach die zeitliche Reichweite des dem Grunde nach beschiedenen Förderungsantrag auch auf den gesamten Ausbildungsabschnitt fest (BVerwG, Urt. v. 25.11.1997 - 5 C 4/97 - a.a.O.). Eine derartige Entscheidung über die Förderung dem Grunde nach hat die Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 16. Januar 2009 hier indes nicht getroffen. In dem Bescheid vom 15. Juni 2009 hat die Beklagte vielmehr entschieden, dass dem Kläger Ausbildungsförderung für den Zeitraum von März 2009 bis April 2010 über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet wird, da die Förderungshöchstdauer infolge der Pflege und Erziehung eines Kindes bis zu zehn Jahren überschritten worden ist (vgl.§ 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG). Darin liegt keine Entscheidung über die Förderung der Ausbildung dem Grunde nach i.S.d.§ 50 Abs. 1 Satz 4 BAföG. Abgesehen davon hat die Beklagte auch keine Entscheidung für den gesamten Ausbildungsabschnitt getroffen. Dass die Beklagte abschließend über eine Förderung des Klägers über die Höchstförderungsdauer hinaus im Umfang von zwei Semestern entschieden und damit die Gewährung weiterer Ausbildungsförderung auch für nachfolgende Bewilligungszeiträume ausgeschlossen hat, kann dem Bescheid nicht entnommen werden. Schließlich gilt die Entscheidung der Beklagten anders als die in § 50 Abs.1 Satz 4 BAföG aufgeführten Entscheidungen auch nicht kraft Gesetzes für den ganzen Ausbildungsabschnitt. Daher ist die hier auf der Grundlage des § 15 Abs. 3 BAföG getroffene Entscheidung aus verschiedenen Gründen mit den in § 50 Abs. 1 Satz 4 BAföG genannten Entscheidungen nicht vergleichbar. Die fehlende Vergleichbarkeit ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die in § 50 Abs. 1 Satz 4 BAföG genannten Entscheidungen über die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung für den gesamten Ausbildungsabschnitt und damit auch für nachfolgende Bewilligungszeiträume einheitlich getroffen werden können. Bei einer Entscheidung gemäß § 15 Abs. 3 BAföG verhält es sich jedoch anders, da jedenfalls neu auftretende Verzögerungsgründe zu einer (weiteren) Verlängerung der Förderungsdauer führen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.1981 - 5 C 111.79 -, Buchholz 436.36§ 15 BAföG Nr. 11). Aus den vorgenannten Gründen hat der Kläger mit dem Antrag vom 16. Januar 2009 einen eventuellen Anspruch auf Ausbildungsförderung für nachfolgende Bewilligungszeiträume somit nicht gewahrt.