Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.03.2011, Az.: 11 LB 199/10
Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen im Falle des Bestehens einer Niederlassungserlaubnis im Sinne des § 26 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) beim ausländischen Ehepartner; Ermessenausübung hinsichtlich einer Feststellung der aktuellen Erwerbsfähigkeit bzgl. des Familiennachzugs
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.03.2011
- Aktenzeichen
- 11 LB 199/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 12372
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0315.11LB199.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 18.03.2010 - AZ: 13 A 40/10
Rechtsgrundlagen
- Art. 6 GG
- § 2 Abs. 3 AufenthG
- § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG
- § 25 Abs. 5 AufenthG
- § 27 Abs. 3 S. 1 AufenthG
- § 29 Abs. 2 S. 1, 2 AufenthG
- § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG
- § 60 Abs. 1 AufenthG
- § 104a Abs. 1 AufenthG
- § 51 Abs. 1 AuslG
- § 72 Abs. 1 AsylVfG
- § 24 Abs. 1 VwVfG
Fundstelle
- ZAR 2011, 198
Verfahrensgegenstand
Aufenthaltserlaubnis für Ehefrau eines Flüchtlings (§ 51 Abs. 1 AuslG)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Zur - hier verneinten - entsprechenden Anwendung des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu Gunsten des Ehegatten eines Ausländers, dem Schutz nach § 51 Abs. 1 AuslG gewährt worden ist.
- 2.
Zur Ermessensausübung nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Tatbestand
Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige mit kurdischer Volkszugehörigkeit und begehrt - in Abhängigkeit von der Niederlassungserlaubnis, die ihrem als "Flüchtling" anerkannten türkischen Ehemann erteilt worden ist - die Neubescheidung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen nach §§ 29, 30 AufenthG, hilfsweise aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG bzw. äußerst hilfsweise nach § 104a AufenthG.
Die Klägerin soll nach dem von ihr vorgelegten Nüfus sowie dem vorgelegten türkischen Pass am 4. Januar 1972 geboren sein. Tatsächlich dürfte sie jedoch erheblich, nämlich mindestens 10 Jahre älter sein. Denn das älteste ihrer insgesamt sechs Kinder ist spätestens 1981 geboren worden. Der Aufforderung der Beklagten, sich bei den türkischen Behörden um eine Korrektur ihres offensichtlich unzutreffenden Geburtsjahres zu bemühen, ist die Klägerin bislang nicht nachgekommen. Verlässliche Unterlagen über das Datum der Eheschließung mit ihrem nach Aktenlage 1959 geborenen Ehemann liegen ebenfalls nicht vor. Der Ehemann der Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Eheschließung etwa im Jahr 1974 stattgefunden habe und die Klägerin damals 13 oder 14 Jahre alt gewesen sei. Die Klägerin hat nach eigenen Angaben keine Schule besucht.
Der Ehemann der Klägerin reiste im November 1989, die Klägerin mit ihren damals fünf Kindern im März 1990 in das Bundesgebiet ein; das jüngste, bis heute noch im elterlichen Haushalt lebende Kind (E.) wurde 1991 im Bundesgebiet geboren.
Jeweils kurz nach ihrer Einreise stellten die Ehegatten Asylanträge, die durch gemeinsamen Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Mai 1990 bestandskräftig abgelehnt wurden.
Im März 1992 stellte der Ehemann der Klägerin einen Folgeantrag und berief sich zur Begründung auf eine Betätigung als kurdischer Volksmusiker. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 13. April 1994 lehnte das vorgenannte Bundesamt den Antrag des Ehemannes der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte jedoch zugleich fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Anerkennung in dem erfolgten Umfang auf Nachfluchtaktivitäten und einer daran anknüpfenden begründeten Verfolgungsgefahr beruhe. Eine Asylanerkennung komme hingegen nicht in Betracht, da nicht zur Überzeugung des Bundesamtes feststehe, dass die relevanten exilpolitischen Betätigungen des Ehemanns der Klägerin tatsächlich Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar getätigten festen Überzeugung gewesen seien. Der Ehemann der Klägerin erhielt daraufhin einen Reiseausweis sowie Aufenthaltsbefugnisse, die bis zum Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes verlängert wurden. Ein Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wurde hingegen u.a. wegen fehlender eigenständiger Sicherung des Lebensunterhaltes abgelehnt. Die Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz wurde nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG fortgeführt und verlängert. Mit Bescheid vom 19. Februar 2008 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anerkennung des Ehemanns der Klägerin und stellte im Übrigen das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 - 7 AufenthG fest. Dieser Bescheid wurde jedoch durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 4. September 2008 (- 1 A 1572/08 -) aufgehoben. Der Ehemann der Klägerin erhielt daraufhin gestützt auf§ 26 Abs. 3 AufenthG mit Wirkung ab dem 18. Dezember 2008 eine Niederlassungserlaubnis, die in dem ihm erteilten Reiseausweis (für Flüchtlinge) eingetragen wurde.
Bereits durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom Oktober 1993 war das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge verpflichtet worden, (ursprünglich auch) die Klägerin als Flüchtling im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG anzuerkennen, da eine Verfolgungsgefahr aufgrund exilpolitischer kultureller Aktivitäten der Klägerin und ihres ältesten Sohnes angenommen worden war. Auch die Klägerin erhielt daraufhin zunächst einen Reiseausweis sowie Aufenthaltsbefugnisse. Am 5. Juni 2000 erklärte die anwaltlich vertretene Klägerin jedoch, "ihren Asylantrag zurück zu nehmen". Darüber hinaus ließ sie sich am 8. November 2000 einen türkischen Reisepass ausstellen, mit dem sie nach Aktenlage im Jahr 2001 vorübergehend in die Türkei aus- und nachfolgend wieder einreiste. Die Beteiligten gehen davon aus, dass durch die vorgenannten Handlungen die Flüchtlingsanerkennung der Klägerin nach § 72 Abs. 1 AsylVfG a.F. erloschen sei und eine auf diese vormalige Flüchtlingsanerkennung gestützte Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz nicht mehr habe verlängert werden dürfen. Eine - bereits im November 2000 von der Klägerin beantragte - Verlängerung auf anderer Rechtsgrundlage wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. April 2002 ebenfalls abgelehnt. Insoweit wurde auch das Vorliegen einer Zusicherung verneint.
Der weitere Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet wird jedoch seitdem im Hinblick auf die o. a. aufenthaltsrechtliche Stellung ihres Ehemannes geduldet. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, dass dies bei unveränderten Verhältnissen auch für die Zukunft so beabsichtigt sei.
Im Juli 2003 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung (-befugnis) zur Familienzusammenführung nach Maßgabe des Ausländergesetzes, im Januar 2005 ebenfalls zwecks Familienzusammenführung die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach demAufenthaltsgesetz. Die Beklagte entschied über diese Anträge zunächst nicht, sondern versuchte die wirtschaftlichen und sozialen Lebensumstände der Klägerin und ihrer Familie näher zu ermitteln.
Mit dem hier streitigen Bescheid vom 12. März 2009 lehnte sie dann den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des Aufenthaltsgesetzes ab. Zur Begründung führte sie aus, dass sich die Erteilungsvoraussetzungen für die vorrangig begehrte Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen aus den §§ 2, 5, 27, 29 und 30 AufenthG ergeben. Einem Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe danach vorliegend das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Der familiäre Lebensunterhalt sei nicht gesichert. Vielmehr beziehe die Klägerin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz; ihr Ehemann bedürfe der Unterstützung nach dem SGB II. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Familie sei nicht absehbar. Denn die Klägerin sei auch weiterhin arbeitsunfähig und könne sich nicht einmal in einfacher Weise in deutscher Sprache mündlich verständigen. Bei ihrem Ehemann seien Deutschkenntnisse ebenfalls so gut wie nicht vorhanden. Er sei erwerbsfähig, aber nicht erwerbstätig und habe bisher auch keine hinreichenden Bemühungen um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nachgewiesen. Das Fehlen dieser allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzung nach§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sei vorliegend nicht gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG unerheblich. Denn die Klägerin habe ihren hier maßgeblichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erst 2003 und damit nicht - wie in§ 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ausdrücklich vorgesehen - binnen drei Monaten nach der bereits 1994 erfolgten, bestandskräftigen Flüchtlingsanerkennung ihres Ehemannes gestellt. Im Hinblick auf die Flüchtlingsanerkennung ihres Ehemannes könne zwar gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nach Ermessen vom Nichtvorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abgesehen werden. In Ausübung dieses Ermessens werde der Antrag jedoch abgelehnt. Denn der Ehemann der Klägerin könne bei hinreichendem Bemühen eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und somit zum familiären Lebensunterhalt beitragen, habe dies aber bislang nicht getan. Die hierauf gestützte Versagung eines Aufenthaltstitels (für die Klägerin) stelle ein legitimes Druckmittel zur Aufnahme entsprechender Bemühungen dar. Deshalb werde in Ausübung des Ermessens auf die vorgenannte Regelerteilungsvoraussetzung nicht verzichtet.
Gleiches gelte für die Ermessensausübung nach Maßgabe des § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe gestützt auf § 104 a Abs. 1 AufenthG scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin nicht über die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. Zudem sei im Hinblick auf die langjährige Sozialhilfebedürftigkeit der Familie ein atypischer Fall gegeben, der auch bei etwaiger Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 104 a Abs. 1 AufenthG die Versagung rechtfertigen würde. Assoziationsrechtlich, d.h. nach dem ARB 1/80, berechtigt sei die Klägerin nicht.
Am 9. April 2009 hat die Klägerin den Verwaltungsrechtsweg mit dem Ziel einer Neubescheidung beschritten und zur Begründung vorgetragen, dass sie Analphabetin und ihr Ehemann krankheitsbedingt zurzeit arbeitsunfähig sei. Auf welcher Grundlage ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen und inwieweit insoweit erneut fehlerfrei Ermessen auszuüben sei, hat die Klägerin in erster Instanz nicht näher ausgeführt.
Sie hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2009 aufzuheben und diese zu verpflichten, ermessensfehlerfrei neu über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat insbesondere noch einmal die Begründung ihres angefochtenen Bescheides verteidigt, dass sich die Klägerin vorliegend nicht erfolgreich auf die Privilegierung des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG berufen könne. Denn sie habe ihren hier maßgeblichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht fristgerecht binnen drei Monate nach der Anerkennung ihres Ehemannes, sondern Jahre später gestellt; deshalb sei eher die Altfallregelung des§ 104a AufenthG einschlägig.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit dem angegriffenen Urteil verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (aus familiären Gründen) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zwar stehe einem Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer solchen Erlaubnis nach §§ 29, 30 AufenthG grundsätzlich entgegen, dass die Klägerin und ihr als "Flüchtling" anerkannter Ehemann den Lebensunterhalt nur aus öffentlichen Mitteln finanzieren könnten, also die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AuenthG nicht gegeben sei. Einer Berufung auf diesen Versagungsgrund stehe vorliegend aber die gegenüber § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG speziellere Bestimmung des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entgegen. Danach sei beim hier streitigen Ehegattennachzug von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen, wenn - soweit hier erheblich - der "stammberechtigte" Ehegatte über eine Niederlassungserlaubnis nach§ 26 Abs. 3 AufenthG verfüge - wie der Ehemann der Klägerin - und der "nachziehende" Ehegatte den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels innerhalb von drei Monaten nach unanfechtbarer Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft des "Stammberechtigten" stelle. Diese Frist habe die Klägerin noch gewahrt, da ihr hier maßgeblicher Antrag bei Inkrafttreten des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgelegen habe und erst von diesem Zeitpunkt an die Antragsfrist von drei Monaten (erstmals) angefangen habe zu laufen.
Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 26. Mai 2010 die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts bestünden, § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sei vorliegend zugunsten der Klägerin entsprechend anwendbar. Im Übrigen hat der Senat im Zulassungsbeschluss darauf verwiesen, dass sich aus dem angegriffenen Urteil auch nicht ergebe, welches Ermessen der Beklagten bei der erneuen Entscheidung über den Antrag der Klägerin zustehe und nach welchen Vorgaben sie dieses Ermessen ausüben solle.
Die Beklagte hat ihre Berufung mit Schriftsatz vom 17. Juni 2010 begründet und darin noch einmal ihre Auffassung vertieft, dass § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorliegend nicht zugunsten der Klägerin anwendbar sei. Auf Nachfrage des Gerichts hat sie ergänzend ausgeführt, dass auch einzelfallbezogen im Ermessenswege nicht von dem Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung abzusehen sei. Zwar habe sie (die Beklagte) aufgrund der vorgelegten Atteste akzeptiert, dass die Klägerin selbst vorläufig nicht arbeitsfähig sei, dies gelte jedoch nicht für ihren Ehemann. Er bringe zwar keine idealen Voraussetzungen für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit mit, so dass möglicherweise der glaubwürdige Nachweis ernsthafter Bemühungen ausreichen müsste. Selbst diese seien jedoch niemals unternommen worden. Die ihm vom Jobcenter bescheinigte fehlende positive Prognose habe dementsprechend ihre primäre Ursache in seiner fehlenden Motivation zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und nicht in physischen oder psychischen Einschränkungen. Bei dieser Sachlage bestehe - wie in der mündlichen Verhandlung betont wurde - auch keine Verpflichtung der Ausländerbehörde, von Amts wegen näher aufzuklären, ob jedenfalls der Ehemann der Klägerin bei zumutbaren Bemühungen zumindest eine Teilzeitbeschäftigung finden könne. Auch in Ansehung des § 25 Abs. 5 AufenthG sei insoweit keine abweichende Ermessensausübung geboten. Dass es auf diese Weise auf unabsehbare Zeit zu einer weiteren Duldung des Aufenthalts der Klägerin komme, stehe mit dem Sinn und Zweck von § 25 Abs. 5 AufenthG in Übereinstimmung. Die ursprüngliche Absicht des Normgebers bei Erlass des Aufenthaltsgesetzes, Kettenduldungen abzuschaffen, sei eben nicht konsequent umgesetzt worden. Vielmehr gebe es weiterhin Konstellationen, in denen zwar keine zwangsweise Beendigung des Aufenthaltes eines Ausländers in Betracht komme, gleichwohl aber wegen der fehlenden Mitwirkung des betroffenen Ausländers die Voraussetzungen für die Gewährung eines Aufenthaltstitels nicht gegeben seien. Ein solcher Fall sei aus den vorgenannten Gründen hier zu bejahen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend hat sie auf wiederholte Nachfrage des Berichterstatters vorgetragen, dass sich ihr Antrag auf Neuausübung des Ermessens vorrangig auf einen Anspruch nach § 30 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG und äußerst hilfsweise nach § 104a AufenhtG beziehe. Die Beklagte habe - wie sinngemäß in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist - zu Unrecht von einer entsprechenden Anwendung des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen, jedenfalls aber bei ihrer hilfsweisen nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderlichen Ermessensausübung außer Acht gelassen, dass der Gesetzgeber sog. Kettenduldungen habe verhindern wollen. Eine Kettenduldung auf unabsehbare Zeit sei aber die Folge der von der Beklagten vorgesehenen Verfahrensweise, da die Klägerin ihre Ehe nur im Bundesgebiet führen könne und auch die Beklagte eine Aufenthaltsbeendigung der Klägerin nicht beabsichtige.
Ergänzend hat die Klägerin ärztliche Atteste zum Gesundheitszustand ihres Ehemannes, zuletzt vom 13. Dezember 2010, sowie - nach gerichtlicher Aufforderung hinsichtlich der weiteren allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen - eine Kopie ihres noch bis zum Mai 2011 gültigen türkischen Reisepasses, ihres Mietvertrages über eine 75 qm große Wohnung sowie des aktuellen Bescheides über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II an die aus der Klägerin, ihrem Ehemann und ihrer jüngsten, einen Ausbildungsplatz suchenden Tochter E. bestehenden Bedarfsgemeinschaft vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere nach Zulassung durch den Senat fristgerecht eingelegt und begründet worden. Zwar hat die Beklagte in der Begründung ihrer Berufung den nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO erforderlichen bestimmten Antrag nicht ausdrücklich gestellt. Dies ist aber auch nicht erforderlich. Vielmehr kann sich ein solcher Antrag auch sinngemäß aus der Berufungsbegründung ergeben, wenn aus dieser eindeutig der Umfang zu erkennen ist, in dem das erstinstanzliche Urteil angegriffen wird. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass das erstinstanzliche Urteil vom Berufungsführer in vollem Umfang angefochten wird und die in erster Instanz gestellten Anträge weiter verfolgt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.1.2009 - 5 B 44/08 -, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 39; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl., § 124a, Rn. 30, jeweils m.w.N.). Dementsprechend hat die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 17. Juni 2010 den vorgenannten Begründungsanforderungen noch genügt, da hieraus und aus der in Bezug genommenen Begründung ihres Zulassungsantrages vom 21. April 2010, wonach das Verwaltungsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben habe, hinreichend deutlich wird, dass die Beklagte die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils in vollem Umfang und die Klageabweisung begehrt.
Die demnach zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet, nämlich bezogen auf das Maß, in dem die Beklagte durch die Rechtsauffassung des jeweils entscheidenden Spruchkörpers für eine erneute Ermessensentscheidung belastet ist, und im Übrigen unbegründet, soweit die Beklagte die Abweisung der Bescheidungsklage beantragt hat.
Für den Erfolg eines Bescheidungsbegehrens kommt es nämlich nicht nur darauf an, ob der jeweilige Beklagte überhaupt zu einer Neubescheidung verpflichtet wird, sondern auch auf die Belastungswirkung der Rechtsauffassung, an die die Behörde für eine erneute Entscheidung gebunden wird. Dementsprechend unterliegt ein Kläger teilweise, wenn er zwar nur einen Bescheidungsantrag gestellt hat und diesem dem Grunde nach auch entsprochen wird, das Gericht jedoch in seinem Bescheidungsurteil mit seiner Rechtsauffassung eine geringere Bindung des Beklagten für dessen erneute Entscheidung bewirkt, als der Kläger sie mit seiner Klage angestrebt hat (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 3. Aufl., § 155, Rn. 18). Gleiches gilt im Verhältnis zwischen erst- und zweitinstanzlicher Entscheidung, wenn die Rechtsauffassung des zweitinstanzlichen Gerichts für den Beklagten als Berufungsführer eine geringere Bindung bei einer erneuten Entscheidung bewirkt als dies nach der erstinstanzlichen Entscheidung vorgesehen war. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.
Insoweit ergibt sich zwar die Schwierigkeit, die Rechtsauffassung zu ermitteln, an die die Beklagte nach der erstinstanzlichen Entscheidung für ihre erneute Ermessensentscheidung gebunden gewesen wäre. Denn ausdrückliche Vorgaben benennt das Verwaltungsgericht nicht. Und der Sache nach ergibt sich bei der vom Verwaltungsgericht angenommenen entsprechenden Anwendung des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, die die Klägerin nach ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat für zutreffend erachtet, insoweit, d.h. hinsichtlich des zwischen den Beteiligten allein umstrittenen Merkmals der fehlenden Sicherung des Lebensunterhaltes, auch gar kein Ermessen der Beklagten mehr, so dass ihr danach an sich überhaupt kein Raum für eine erneute Ermessensausübung geblieben wäre. Das Verwaltungsgericht hat daher mutmaßlich nur deshalb der Klage nicht noch weitergehend stattgegeben, weil lediglich eine Neubescheidung beantragt, nicht aber der darüber hinausgehende Verpflichtungsantrag gestellt worden war und es über diesen Antrag nach § 88 VwGO nicht hinausgehen durfte. Im Ergebnis ist also anzunehmen, dass der Beklagten im Falle der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils überhaupt kein Ermessen zugestanden hätte, sondern sie die beantragte Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen nach §§ 29, 30 AufenthG hätte erteilen müssen. Demgegenüber kommt aus den nachfolgenden Gründen richtigerweise nur eine Neubescheidung zur erneuten Ausübung sachgerechten Ermessens in Betracht. Im Verhältnis zu der von der Beklagten angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung ist mit der Entscheidung durch den Senat also eine geringere Bindung der Beklagten verbunden, so dass sie teilweise obsiegt und im Übrigen unterliegt. Im Einzelnen ergibt sich dieses aus folgenden Überlegungen:
Die Beteiligten gehen (unausgesprochen) übereinstimmend davon aus, dass vorliegend nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des Aufenthaltsgesetzes in Betracht kommt. Dies trifft zu. Zwar hat die Klägerin ihren zugrundeliegenden (erneuten) Antrag bei der Beklagten als Ausländerbehörde bereits im Jahr 2003 gestellt, d.h. noch vor dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes im Jahr 2005. Wie sich im Umkehrschluss aus der beschränkten und hier einschlägigen Übergangsregelung in § 104 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergibt, ist aber über die Erteilung vor dem 1. Januar 2005, also noch unter Geltung des Ausländergesetzes gestellter Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis (oder einer befristeten Aufenthaltserlaubnis) nach dem neuen Recht zu entscheiden. Hiervon abzuweichen und auch auf Altanträge, die sich auf die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis oder befristeten Aufenthaltserlaubnis nach dem Ausländergesetz richteten, noch das bisherige Recht, also das Ausländergesetz anzuwenden, besteht im Übrigen auch kein Anlass, da das "Altrecht" insoweit nicht günstiger als das neue Aufenthaltsgesetz war. Insbesondere sahen §§ 17 und 18 AuslG anders als nunmehr §§ 29, 30 AufenthG keine privilegierte Erteilung von Aufenthaltstiteln an die Ehegatten von anerkannten Flüchtlingen, sondern nur von Asylberechtigten vor; ebenso wenig vermittelte § 30 Abs. 3 und 4 AuslG dem Ausländer eine gegenüber § 25 Abs. 5 AufenthG günstigere Rechtsstellung.
Ist somit vorliegend auf das Aufenthaltsgesetz abzustellen und insoweit vorrangig auf die für die Klägerin günstigsten Bestimmungen zum Aufenthalt aus familiären Gründen nach den §§ 27 ff. AufenthG, so steht der Klägerin danach entgegen der sinngemäßen Annahme des Verwaltungsgerichts kein Anspruch auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis zu.
Dem steht jedenfalls entgegen, dass ihr Lebensunterhalt im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG nicht gesichert ist, sondern sie vielmehr dazu auf den Bezug öffentlicher, nicht beitragsfinanzierter Leistungen, zuletzt nach dem SGB II, angewiesen ist. Dieser Regelerteilungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gilt grundsätzlich auch für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach dem 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes. Zwingend davon abzusehen ist - soweit hier erheblich - nur unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Diese sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
Nach Nr. 1 der zuletzt genannten Bestimmung muss dazu nämlich der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck des Familiennachzugs innerhalb von drei Monaten nach unanfechtbarer Anerkennung als Asylberechtigter oder - wie hier erheblich - unanfechtbarer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt worden sein.
An der fristgerechten Antragstellung mangelt es dem Wortlaut nach aber ersichtlich, wie der Senat schon im Zulassungsbeschluss vom 26. Mai 2010 ausgeführt hat. Denn der Ehemann der Klägerin ist bereits im April 1994 anerkannt worden, die Klägerin hat ihren hier maßgeblichen Antrag aber frühestens 2003 und damit nicht binnen drei Monaten gestellt.
Deshalb kann offenbleiben, ob die hier zu Gunsten des Ehemannes der Klägerin erfolgte "Anerkennung" in Form der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG überhaupt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des§ 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG darstellt oder sich Letztere nicht lediglich auf die sich in den Voraussetzungen geringfügig unterscheidende ausdrückliche Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG beschränkt. Dies könnte hier vorliegend insbesondere deshalb von Bedeutung sein, weil die nunmehr nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83 (Qualifikationsrichtlinie = QR) zu erfolgende Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG anders als vormals eine Anerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG nur noch im beschränkten Umfang eine Berücksichtigung von subjektiven Nachfluchtaktivitäten für die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft zulässt (Art. 5 Abs. 2 und 3 QR) und die Anerkennung des Klägers hier gerade auf solchen eigenen Nachfluchtaktivitäten beruhte.
Dem Wortlaut nach sind die Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG also nicht gegeben.
Ebenso wenig kann dem Verwaltungsgericht in der sinngemäßen Annahme gefolgt werden, bei ("Alt")"Anerkennungen", d.h. solchen, die bereits vor der durch das Gesetz vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) mit Wirkung vom 28. August 2007 an erfolgten Einführung des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bestandskräftig geworden sind, habe die Frist von drei Monaten erst ab dem 28. August 2007 zu laufen begonnen. Das Verwaltungsgericht legt nicht dar, warum insoweit eine Übergangsregelung für Altfälle versehentlich fehle, also eine planwidrige Lücke vorliege und diese - wie sinngemäß geschehen - durch umfassende Anwendung des § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch auf solche Altfälle zu schließen sein soll. Unabhängig von den generellen Einwänden gegen die Annahme einer solchen planwidrigen Lücke - wie sie bereits im Zulassungsbeschluss des Senats ausgeführt worden sind - kommt jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung eine solche analoge Anwendung ersichtlich nicht in Betracht. Denn nach dem aktuellen Recht werden die Familienangehörigen von anerkannten Flüchtlingen dadurch geschützt, dass sie bei gleichzeitiger Antragstellung ebenfalls in die vormals auf die Asylanerkennung beschränkte Familienberechtigung mit einbezogen werden, d.h. Familienflüchtlingsschutz genießen (§ 26 Abs. 1 und 4 AsylVfG n.F.), bzw. bei nachträglicher Antragstellung bzw. Einreise unter den Voraussetzungen des§ 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, der Art. 12 Abs. 1 u.a. 3 der "Familienzusammenführungsrichtlinie" 2003/86 EG insoweit umsetzt, unter erleichterten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Auch nach geltendem Recht bedarf jedoch keines besonderen Schutzes als Familienangehöriger, wer noch vor seinem Ehepartner eigenständig als "Flüchtling" anerkannt worden ist und deshalb schon aus eigenem Recht die privilegierte Rechtsstellung als Flüchtling inne hat. So verhält es sich aber in der vorliegenden Fallgestaltung. Denn die Klägerin ist bereits im Dezember 1993, d.h. noch vor ihrem Ehemann bestandskräftig als Flüchtling im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG anerkannt worden und hatte damit seitdem ursprünglich Anspruch auf Erteilung einer eigenständigen, vom Aufenthaltsrecht ihres Ehemannes unabhängigen Aufenthaltsbefugnis gemäß § 70 AsylVfG a.F.. Dass die Klägerin diesen eigenständigen Schutz im Jahr 2000 jedenfalls gemäߧ 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG durch die erneute Annahme eines türkischen Passes und ggf. zusätzlich nach § 72 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 AsylVfG durch ihren sinngemäßen Verzicht auf die Asylanerkennung wieder verloren hat, beruht auf ihrem eigenständigen Handeln, bei dem sie zudem anwaltlich beraten wurde, und rechtfertigt nicht die Annahme, einem solchen Ausländer müsse unter diesen Umständen in entsprechender Anwendung von § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erneut die Möglichkeit zu einer privilegierten Erlangung eines Aufenthaltsrechts nunmehr in Abhängigkeit von der Flüchtlingsanerkennung seines Ehegatten zustehen. Vielmehr ist es insofern ausreichend und sachgerecht, den Ehegatten auf die allgemeinen Bestimmungen zum Familiennachzug zu verweisen, zumal diese - wie nachfolgend im Einzelnen ausgeführt wird - nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ohnehin noch eine Besserstellung der Ehegatten von "Flüchtlingen" gegenüber den Ehegatten von sonstigen Ausländern enthalten, wenn auch diese Besserstellung nicht so weit reicht wie die nach § 29 Abs. 2 Satz 2 AufenthG.
Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann nämlich bei dem Ehegatten eines Ausländers, der eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG besitzt - wie der Ehemann der Klägerin -, von den hier umstrittenen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abgesehen werden, d.h. der Beklagten als Ausländerbehörde steht insoweit Ermessen zu.
Dieses Ermessen ist hier allerdings nicht bereits deshalb zu Gunsten der Klägerin auf Null reduziert, weil es sich bei der Klägerin um die Ehefrau eines "Flüchtlings" handelt. Denn nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist es einer Ausländerbehörde nicht bereits grundsätzlich verwehrt, auch die vom Ehegatten eines Flüchtlings beantragte Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung abzulehnen, der Lebensunterhalt der Ehegatten sei nicht gesichert. Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2009 (- 1 C 3/08 -, NVwZ 2009, 1239 ff. [BVerwG 30.04.2009 - BVerwG 1 C 3.08], [...], Rn. 18) ergibt sich nichts anderes. Denn diese Entscheidung bezieht sich nicht auf die Auslegung des § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, d.h. auf den Inhalt einer Ermessensausübung, sondern auf die abweichenden Voraussetzungen, unter denen aus verfassungsrechtlichen Gründen zu Gunsten des Ehegatten u.a. eines Flüchtlings ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu bejahen sein kann, d.h. von dieser Voraussetzung abgesehen werden kann und nicht muss. Im Übrigen widerspräche die Annahme, dem Ehegatten eines anerkannten Flüchtlings dürfe im Hinblick auf den Schutz der Ehe nach Art. 6 GG allein schon deshalb, weil die Ehe nur im Bundesgebiet geführt werden könne, nicht die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts entgegengehalten werden, erkennbar auch der Systematik des § 29 Abs. 2 AufenthG. In diesem Fall wäre nämlich die o. a., in § 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AufenthG enthaltene und hier nach den vorigen Ausführungen gerade nicht gewahrte Antragsfrist von drei Monaten regelmäßig überflüssig.
Das ihr somit eröffnete Ermessen hat die Beklagte jedoch bislang noch nicht zutreffend ausgeübt, insbesondere hat sie den maßgeblichen Sachverhalt noch nicht hinreichend ermittelt, so dass insoweit ein Ermessensfehler gegeben (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 114 Rn. 12, m.w.N.) und die Beklagte nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zur Neubescheidung zu verpflichten ist.
Denn auch wenn sich die Beklagte als Ausländerbehörde grundsätzlich noch auf das Nicht-Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG berufen kann, so bedarf es dazu doch hinreichend sicherer tatsächlicher Feststellungen, ob und ggf. in welchem Ausmaß die Klägerin oder ihr Ehemann überhaupt realistisch in der Lage sind, durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt zu sichern oder mindestens anteilig dazu einen maßgeblichen Beitrag zu leisten. Entsprechende Bemühungen hat die Beklagte im Verwaltungsverfahren durchaus unternommen, jedoch mit bislang unzureichendem Erfolg. Denn eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit oder gar eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin oder ihres Ehemann stehen nicht fest. Zumindest eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit der Eheleute kann auf der Grundlage der eingereichten privatfachärztlichen Atteste aber auch nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Es stellt für die Ermessensausübung aber einen erheblichen Unterschied dar, ob die Ehegatten arbeits- oder gar erwerbsunfähig sind, also ihren Lebensunterhalt schon krankheitsbedingt nicht durch Erwerbstätigkeit sichern können, oder ob ihnen dies grundsätzlich möglich ist, sie aber diesbezüglich keine hinreichenden Bemühungen unternehmen. Im letztgenannten Fall, d.h. bei Feststellung einer aktuellen Erwerbsfähigkeit zumindest eines der Ehegatten wäre zudem ergänzend zu ermitteln, welche tatsächlichen Chancen der Klägerin oder ihrem Ehemann zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei den gebotenen eigenen Bemühungen überhaupt offen stehen. Da offensichtlich beide gesundheitlichen Einschränkungen unterliegen, der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind und jedenfalls die Klägerin - und ggf. auch ihr Ehemann - zusätzlich noch Analphabetin ist, besteht insoweit weiterer Klärungsbedarf. Eine sachgerechte Ermessensausübung zu der Frage, ob der Klägerin die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts entgegengehalten werden kann, setzt demnach verlässliche Feststellungen zu einer entsprechenden Chance auf dem Arbeitsmarkt für die Klägerin oder zumindest für ihren Ehemann voraus. Kommt die Beklagte auf der Grundlage entsprechend gesicherter Erkenntnisse insoweit zu dem Ergebnis, dass der Klägerin oder zumindest ihrem Ehemann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit mit einem nicht nur geringfügigen Einkommen realistischerweise möglich ist, er dies ggf. - wie dies nach den Verwaltungsvorgängen zwischenzeitlich hinsichtlich der Tätigkeit als Musiker in den Raum gestellt worden, nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung aber nicht der Fall ist - schon gegenwärtig tut, so kann sie sich hierauf nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG grundsätzlich als Versagungsgrund berufen. Anderenfalls bedürfte es schon ganz besonders schwerwiegender und bislang nicht zu erkennender Gründe, warum der Klägerin trotz der sich etwa aus § 61 AufenthG ergebenden allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Beschränkungen sowie der sozialen Folgen des Duldungsstatus weiterhin keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Versagung allein als Druckmittel für wenig erfolgversprechende oder gar aussichtlose Bemühungen um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den anderen Ehegatten einzusetzen - wie dies im Schriftsatz der Beklagten vom 1. November 2010 anklingt - reicht jedenfalls als sachgerechter Ermessensgesichtspunkt in Anbetracht der Schutzwirkungen der Ehe nach Art. 6 GG und der hier fehlenden Möglichkeit, die eheliche Lebensgemeinschaft in einem anderen Staat zu führen, nicht aus, die Versagung eines Aufenthaltstitels nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu rechtfertigen.
Der Beklagten kann auch nicht in der Annahme gefolgt werden, sie sei zu weitergehenden Ermittlungen von Amts wegen gemäߧ 24 Abs. 1 VwVfG nicht verpflichtet (gewesen). Sie weist zwar im Ansatz zutreffend darauf hin, dass der Untersuchungsgrundsatz nach§ 24 VwVfG durch die Mitwirkungspflicht des Ausländers nach § 82 Abs. 1 AufenthG eingeschränkt wird und es danach zunächst Aufgabe des Ausländers ist, nach seinen individuellen Fähigkeiten Gründe dafür vorzutragen und näher zu bezeichnen, warum er sich nicht erfolgreich um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bemüht hat oder entsprechende Bemühungen erfolglos geblieben sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 82 AufenthG, Rn. 10 ff.). Diesen Anforderungen sind die Kläger aber jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung hinreichend nachgekommen, indem sie sich unter Vorlage fachärztlicher Bescheinigungen auf eine jeweils längere Zeit andauernde Arbeitsunfähigkeit berufen haben; ihre weiteren o. a. Hemmnisse für eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt sind offenkundig. Ihnen obliegt hingegen nicht noch weitergehend die Verpflichtung, durch - bislang nicht vorliegende - Gutachten unabhängiger sachverständiger, d.h. insbesondere sozialmedizinischer Stellen ihre aktuelle Arbeits- oder gar Erwerbsunfähigkeit bzw. ihre fehlende Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zu belegen (vgl. zur Abgrenzung BVerwG, Urt. v. 11.9.2007 - 10 C 8/07 -, BVerwGE 129, 251 ff., [...], Rn. 15 f.). Insoweit setzt vielmehr die Amtsermittlungspflicht der Beklagten ein, die die Arbeitsfähigkeit der Klägerin und ihres Ehemannes etwa amtsärztlich untersuchen lassen oder die Bundesagentur für Arbeit im Wege der Amtshilfe um entsprechende sozialmedizinische Feststellungen durch ihren Ärztlichen Dienst (§ 32 SGB III) und ggf. darauf aufbauend ergänzend um eine sachkundige aktuelle Stellungnahme (Potenzialanalyse gemäß § 37 Abs. 1 SGB III) zu den (verbleibenden) Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt bitten kann.
Der daraus folgenden Verpflichtung zu einer erneuten Ermessensausübung nach den vorgenannten Maßgaben stehen auch keine sonstigen zwingenden Versagungsgründe nach §§ 5, 27, 29 oder 30 AufenthG entgegen.
Ob die Klägerin heute über die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG grundsätzlich für den Ehegattennachzug erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt, kann offen bleiben. Von diesem Erfordernis ist sie jedenfalls nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AufenthG befreit, denn ihr Ehegatte besitzt eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG und ihre von den türkischen Behörden anerkannte Ehe bestand ungeachtet des ungeklärten genauen Datums der Eheschließung jedenfalls bereits bei der Einreise beider Ehegatten in das Bundesgebiet.
Die weiteren Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 (a) AufenthG sind erfüllt, da beide Eheleute jedenfalls älter als 18 Jahre sind und der Ehemann der Klägerin eine Niederlassungserlaubnis besitzt.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG muss für den Familiennachzug zu Ausländern zudem ausreichender Wohnraum (§ 2 Abs. 4 AufenthG) zur Verfügung stehen. Dies ist bei einer von drei Personen bewohnten Wohnung mit einer Fläche von 75 qm der Fall (vgl. Senatsbeschl. v. 2.2.2011 - 11 ME 441/10 -, [...], Rn. 22, m.w.N.).
Ebenso wenig steht § 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend entgegen. Danach kann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, vorliegend also der Ehegatte der Klägerin, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem II. oder XII. Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Diese Voraussetzung ist von der Beklagten bei der Neubescheidung nach den dann aktuellen Verhältnissen näher zu klären. Sie könnte im Hinblick auf eine etwaige noch bestehende Unterhaltspflicht des Ehemanns der Klägerin gegenüber ihrer bislang noch im elterlichen Haushalt lebenden jüngsten Tochter E. fehlen. Zwar ist die nach Aktenlage 1991 geborene E. inzwischen volljährig. Nach§§ 1601 ff. BGB (i.V.m. dem Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht,Art. 18 EGBGB, Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention) können Eltern jedoch auch über die Volljährigkeit ihres Kindes hinaus während der Dauer seiner Ausbildung verpflichtet sein. Dieses könnte vorliegend auch gegenüber E., die nach Aktenlage ebenfalls auf öffentliche Unterstützungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angewiesen ist und nach ihren Angaben eine Ausbildung anstrebt, der Fall sein. Dies wäre ebenfalls von der Beklagten näher aufzuklären, stellt aber jedenfalls keinen zwingenden Versagungsgrund dar.
Selbst wenn man auch hinsichtlich der Unterhaltsbedürftigkeit von volljährigen Kindern innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft nicht auf § 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, sondern auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 - 1 C 20/09 -, [...], Rn. 27), gilt insoweit schon deshalb nichts anderes, weil sich aus den bisherigen Feststellungen ein Unterhaltsanspruch von E. nicht sicher ergibt und zudem beim Antrag der Ehefrau nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von der Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abgesehen werden kann.
Die übrigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nrn. 1a ff. AufenthG stehen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin ebenfalls nicht zwingend entgegen.
Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG sind geklärt. Denn unter den von ihr angegebenen Personalangaben wird sie auch in den türkischen Registern geführt, da ihr mit diesen Personalangaben sowohl ein Nüfus als auch ein türkischer Reisepass ausgestellt worden sind. Dass das darin eingetragene Geburtsjahr 1972 offensichtlich unzutreffend ist, da die Klägerin tatsächlich erheblich älter ist, ist insoweit unerheblich.
Es ist auch kein (zusätzlicher) fakultativer Versagungsgrund nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG dadurch gegeben, dass die Klägerin, ihr Ehemann und die jüngste Tochter E. Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen. Denn bei Leistungen nach dem SGB II handelt es sich nicht um "Sozialhilfe" im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG. Die etwa in § 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfolgte Gleichstellung von Leistungen nach dem II. mit solchen nach XII. Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) ist vielmehr in § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG bewusst unterblieben (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 - 1 C 20/09 - Leitsatz 2).
Schließlich ist die Klägerin gegenwärtig auch im Besitz eines nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m.§ 3 AufenthG in der Regel erforderlichen, (noch bis zum Mai 2011 gültigen) türkischen Passes. Sollte die Verlängerung dieses Passes über den Mai 2011 hinaus durch die dann zuständige türkische Auslandsvertretung von der Zusicherung der Erteilung eines Aufenthaltstitels durch die jeweils zuständige Ausländerbehörde abhängen, so wäre die Beklagte, wenn sie sich nach den vorgenannten Kriterien nicht auf das Vorliegen eines anderen (fakultativen) Versagungsgrundes berufen könnte, zwar nicht unmittelbar zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin verpflichtet, wohl aber zur Erteilung einer entsprechenden Zusicherung für den Fall der Ausstellung eines gültigen türkischen Passes. Auch insoweit liegt also kein zwingender Versagungsgrund vor.
Da die Beklagte der Klägerin vor ihrer zwischenzeitlichen Ausreise in die Türkei im September 2001 ausdrücklich schriftlich mitgeteilt hatte, sie sei auf Grund der fortbestehenden Fiktionswirkung ihres im November 2000 gestellten Verlängerungsantrages zur Wiedereinreise berechtigt (vgl. Bl. 367 d. BA D), kann der Klägerin auch nicht entgegengehalten werden, sie sei im Oktober 2001 ohne das (heute) nach§ 5 Abs. 2 AufenthG erforderliche Visum wiedereingereist.
Für die Ermessensausübung bezogen auf einen Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ergibt sich kein anderer, für die Klägerin günstigerer Maßstab. Insoweit kann offenbleiben, ob in der hier maßgeblichen Konstellation neben der spezielleren Regelung der §§ 29, 30 AufenthG überhaupt noch Raum für einen Rückgriff auf § 25 Abs. 5 AufenthG gegeben ist. Geht man hiervon aus, so liegen zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des§ 25 Abs. 5 AufenthG vor. Denn dem Ehemann der Klägerin ist es aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung "rechtlich unmöglich", in sein Heimatland - die Türkei - zurückzureisen und dort mit der Klägerin die eheliche Lebensgemeinschaft fortzuführen. Ein anderer aufnahmebereiter oder -verpflichteter Drittstaat, in dem die Eheleute die Ehe fortführen können, ist nicht zu erkennen. Der Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft nach Art. 6 GG stellt somit im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG auch für die Klägerin ein rechtliches Ausreisehindernis dar, das bereits mehr als 18 Monate andauert, von ihr nicht zu vertreten und mit dessen Wegfall in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Auch für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG sind jedoch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG als fakultative Versagungsgründe zu berücksichtigen, d.h. auch insoweit kann sich die Ausländerbehörde grundsätzlich im Wege des Ermessens auf den Versagungsgrund der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts berufen. Dies gilt jedenfalls unter den zuvor genannten eingeschränkten Voraussetzungen, d.h. dann, wenn der Klägerin oder ihrem Ehemann die Aufnahme einer wirtschaftlich nicht völlig unbedeutenden Erwerbstätigkeit in absehbarer Zeit möglich ist. Der Einwand der Klägerin, dass es dann zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten dauerhaften sog. Kettenduldung käme, greift nicht durch. Die ursprüngliche Absicht bei Erlass desAufenthaltsgesetzes, die Duldung grundsätzlich abzuschaffen, ist nämlich nicht verwirklicht worden. Wie sich aus § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG ergibt, geht der Gesetzgeber vielmehr ausdrücklich davon aus, dass ein Ausländer unabhängig von der Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet keinen Aufenthaltstitel erhält, sondern nur geduldet werden kann, wenn zwar seine Abschiebung unmöglich ist, ihm aber eine freiwillige Ausreise möglich wäre. Dass dem betroffenen Ausländer trotz Vorliegens eines Ausreisehindernisses deshalb keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, weil er bzw. sein Ehegatte, von dem er ein Aufenthaltsrecht ableitet, den Lebensunterhalt zwar (teilweise) sichern könnte, sich hierum aber nicht (hinreichend) bemüht, ist ein gleichwertiger Grund, um die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu versagen. In beiden Fällen haben die Betroffenen es nämlich letztlich selbst (aktuell) zu vertreten, dass sie keinen Aufenthaltstitel erhalten. Sonstige Gründe, aus denen die Klägerin etwa für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder wegen der mit der Erteilung einer Duldung verbundenen rechtlichen Beschränkungen zwingend auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der nicht mit entsprechenden Beschränkungen verbunden ist, angewiesen wäre, sind von ihr nicht dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich.
Ob die Beklagte noch rückwirkend zur Ausübung eines Ermessens hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach§ 104a Abs. 1 AufenthG verpflichtet werden könnte, kann dahinstehen; insoweit lagen im maßgeblichen Zeitpunkt schon die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines etwaigen Ermessens nicht vor. Denn die Klägerin verfügte jedenfalls bis zum 1. Juli 2008 nicht über die nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 4, Abs. 5 Satz 4 AufenthG notwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache. Ein Ausnahmefall im Sinne des § 104a Abs. 1 Satz 5 AufenthG war nicht ersichtlich. Dass die Klägerin wegen einer körperlichen oder seelischen Krankheit, einer Behinderung oder aus Altersgründen im Sinne dieser Bestimmung keine Kenntnisse der deutschen Sprache mehr erlangen könnte, macht sie selbst nicht geltend und drängt sich auch dem Senat nicht auf. Ihr Analphabetismus hat seine Ursache nach Aktenlage in fehlender Bildung, nicht in einer Krankheit oder Behinderung. Die mit einer Erstalphabetisierung im Erwachsenenalter allgemein verbundenen Schwierigkeiten reichen für eine Ausnahme auch nach § 104a Abs. 1 Satz 5 AufenthG nicht aus (vgl. zu der entspr. Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG: BVerwG, Urt. v. 30.3.2010 - 1 C 8/09 -, NVwZ 2010, 964 ff., [...], Rn. 16).
Im Übrigen dürfte der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG auch entgegengestanden haben und weiterhin entgegenstehen, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt weder in der Vergangenheit eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert hat noch konkret absehbar ist, dass ihr dies in naher Zukunft gelingen wird und sie (bislang) auch keine entsprechenden Bemühungen unternommen hat. Ein Ausnahmefall im Sinne des § 104a Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 AufenthG ist schon deshalb nicht gegeben, weil weder die Erwerbsunfähigkeit der Klägerin feststeht noch ihr Lebensunterhalt einschließlich einer erforderlichen Betreuung und Pflege in sonstiger Weise ohne Leistungen der öffentlichen Hand dauerhaft gesichert ist.
Deshalb hätte eine etwaige der Klägerin in der Vergangenheit erteilte Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach § 104a AufentG schließlich auch nicht nach der Bleiberechtsregelung 2009 (Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11. Dezember 2009) verlängert werden können.