Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.06.2011, Az.: 8 LB 199/09

Nichtbestehen des praktischen Teiles der staatlichen Abschlussprüfung in der Physiotherapie; Ordnungsgemäße Besetzung des Prüfungsausschusses bei der staatlichen Abschlussprüfung in der Physiotherapie; Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses für eine Anfechtungsklage gegen eine Prüfungsentscheidung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.06.2011
Aktenzeichen
8 LB 199/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 20858
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0608.8LB199.09.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Soweit gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV die Prüfung von denjenigen Fachprüfern abgenommen wird, die den Prüfling in dem Prüfungsfach überwiegend ausgebildet haben, worunter diejenigen Personen zu verstehen sind, die den Prüfling in dem Fach überwiegend "unterrichtet" haben, handelt es sich um eine Soll-Vorschrift, die Ausnahmen zulässt. Ein solcher Ausnahmefall liegt etwa vor, wenn ein personeller Engpass besteht oder der an sich "zuständige" Prüfer aus persönlichen Gründen die Prüfung nicht abnehmen kann.

  2. 2.

    Im Hinblick auf die Zusammensetzung eines Prüfungsausschusses kann der Prüfling nicht die fehlende Mitwirkung einer bestimmten Person rügen, wenn er diese zuvor wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat.

  3. 3.

    Aus der falschen Besetzung eines Prüfungsausschusses kann der Prüfling keine Ansprüche (mehr) herleiten, wenn er den Fehler kennt, die ihm zumutbare Rüge unterlässt und sich auf das fehlerhafte Verfahren einlässt.
    Einem Prüfling, der vor der Ablegung seiner Prüfung über die Regelungen der ordnungsgemäßen Besetzung des Prüfungsausschusses hinreichend informiert gewesen war, ist es danach zuzumuten, die seiner Ansicht nach fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschusses vor oder zumindest unverzüglich nach Ablegung der Prüfung nachweisbar zu rügen.

  4. 4.

    Für die Befangenheit eines Prüfers genügt nicht die bloß subjektive Besorgnis der Befangenheit, die der Prüfling aufgrund seiner persönlichen Vorstellungen, Ängste oder Mutmaßungen ohne vernünftigen und objektiv fassbaren Grund empfindet. Vielmehr müssen Tatsachen vorliegen, die ohne Rücksicht auf individuelle Empfindlichkeiten den Schluss rechtfertigen, dass dieser Prüfer speziell gegenüber diesem Prüfling nicht die notwendige Distanz und sachliche Neutralität aufbringen wird bzw. in der Prüfung aufgebracht hat.

  5. 5.

    Gegen die Teilnahme des Schulleiters am praktischen Teil einer Physiotherapieprüfung bestehen keine Bedenken, sofern der Schulleiter ein berechtigtes Interesse an der Teilnahme hat und die für die Prüfung zuständigen Prüfer nicht unzulässig beeinflusst.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen das Nichtbestehen des praktischen Teiles der staatlichen Abschlussprüfung in der Physiotherapie.

2

Der am ... 1968 geborene Kläger besuchte im Rahmen seiner Ausbildung zum Physiotherapeuten die staatlich genehmigte Berufsfachschule für Physiotherapie "Schulen Dr. Rohrbach Hannover". Im Anschluss daran nahm er im August 2006 an der staatlichen Prüfung in der Physiotherapie teil. Da eine der Aufsichtsarbeiten im schriftlichen Teil der Prüfung mit "mangelhaft", ein Fach im mündlichen Teil mit "mangelhaft" und zwei Fächergruppen im praktischen Teil jeweils mit "mangelhaft" bewertet wurden, bestand der Kläger keinen der drei Prüfungsteile. Dies teilte der Beklagte ihm mit Bescheid vom 1. September 2006 mit und erklärte die staatliche Prüfung in der Physiotherapie als nicht bestanden.

3

Auf den gegen den Prüfungsbescheid erhobenen Widerspruch schlossen die Beteiligten einen Vergleich darüber, dass die praktische Prüfung nicht gewertet und dem Kläger Gelegenheit gegeben werde, die praktische Prüfung ohne Auflagen unter dem Vorsitz des Beklagten, Herrn Dr. F., erneut durchzuführen. Aufgrund dieses Vergleichs nahm der Beklagte mit Bescheid vom 24. Januar 2007 den Bescheid vom 1. September 2006 bezüglich des praktischen Teils der Prüfung zurück und teilte dem Kläger mit, er sei berechtigt, diesen Teil erneut als Erstprüfung abzulegen. Die Wiederholungsprüfung im schriftlichen und mündlichen Teil könne er nach Ablegung des praktischen Teiles beantragen.

4

Der Schulleiter G. der Schulen Dr. Rohrbach Hannover teilte dem Kläger unter dem 17. April 2007 mit, dass er im August 2007 die praktische Prüfung erneut als Erstprüfung durchführen könne und wies darauf hin, dass er von den Dozenten geprüft werde, die ihn in seiner bisherigen Ausbildung unterrichtet hätten. Mit Schreiben vom 28. Mai 2007 (Bl. 76 f. Beiakte - BA - B) wandte sich der Kläger an Herrn Dr. F. und lehnte die Prüfer G., H., I. und J. sowie die Prüferinnen K., L. und M. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Aufgrund der Vorfälle bei seiner letzten Prüfung könne er von ihnen einen fairen Prüfungsablauf nicht erwarten. So habe sich Herr G. u.a. im letzten Staatsexamen in einer praktischen Prüfung mit einem abwertenden Vorurteil über seinen Wissensstand gegenüber einer anderen Prüferin geäußert. Herr Dr. F. verwies mit Schreiben vom 4. Juni 2007 (Bl. 78 BA B) darauf, dass er zugesagt habe, den Prüfungsvorsitz persönlich zu übernehmen, er aber keine Veranlassung sähe, den von ihm bestellten Prüfungsausschuss zu ändern, weil dem Kläger auch zum Zeitpunkt des Vergleichs bekannt gewesen sei, dass nach § 3 Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten (PhysTh-APrV) dem Prüfungsausschuss diejenigen Fachprüfer angehören sollen, die den Prüfling in dem Prüfungsfach überwiegend ausgebildet haben.

5

Im August 2007 legte der Kläger den praktischen Teil der Physiotherapeuten-Prüfung erneut als Erstprüfung ab. Seine Leistungen in den Fächern "Krankengymnastische Behandlungstechniken" (Fächer 1a.1-3), "Bewegungserziehung" (Fach 1b) und "Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten" (Fach 3.1. "KG-Chirurgie" und Fach 3.2. "KG-Neurologie") wurden jeweils mit der Note "mangelhaft (5)" bewertet. Mit Bescheid vom 30. August 2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er aufgrund mangelhafter Leistungen im Fach Spezielle Krankheitslehre des schriftlichen Prüfungsteils, mangelhafter Leistungen im Fach Physiologie im mündlichen Prüfungsteil und den vorstehend genannten mangelhaften Leistungen in den Fächergruppen des praktischen Teils die staatliche Prüfung in der Physiotherapie nicht bestanden habe. Er wies darauf hin, dass die Wiederholungsprüfung spätestens zwölf Monate nach der letzten Prüfung abgeschlossen sein müsse.

6

Dagegen erhob der Kläger am 14. September 2007 Widerspruch und machte zur Begründung vor allem eine Voreingenommenheit verschiedener Prüfer, eine fehlerhafte Zusammensetzung des Prüfungsausschusses, die dauerhafte Anwesenheit des Schulleiters G. in all seinen Prüfungen, Fehler im Prüfungsprotokoll und eine unzutreffende Benotung seiner Leistungen in den Fächern "KG-Chirurgie", "KG-Neurologie", "Krankengymnastische Behandlungstechniken" und "Bewegungserziehung" geltend.

7

Der Schulleiter G. widersprach in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 25. Februar 2008 dem Vorwurf der Voreingenommenheit und betonte, es habe entgegen der Darstellung des Klägers im Laufe seiner Ausbildung keine Differenzen zwischen ihnen gegeben. Seiner Kenntnis nach sei es auch zwischen dem Kläger und anderen Lehrkräften während der gesamten Ausbildung nicht zu Auseinandersetzungen gekommen. In einem Fall sei der Kläger vertrauensvoll wegen Problemen mit einer Dozentin auf ihn zugekommen und er habe als Vermittler fungiert. Sein Interesse am Ablauf aller Prüfungen beruhe darauf, dass er für deren Organisation zuständig sei. Die anderen Prüfer könne und wolle er nicht beeinflussen. In der Prüfungsniederschrift werde das praktische Handeln des Prüflings protokollierend von beiden Prüfern begleitet, ohne dass diese sich dabei absprächen. Der Kläger sei auch von den Dozenten, die ihn unterrichtet hätten, geprüft worden. Frau L. habe es abgelehnt, den Kläger zu prüfen. Herr Dr. F. habe gewusst, dass bei den Prüfern Bedenken bestanden hätten, weil sie schon nach der ersten Abschlussprüfung der Meinung gewesen seien, dass der Kläger sich selbst nicht richtig eingeschätzt habe.

8

Nach Einholung von schriftlichen Stellungnahmen der Prüfer zur inhaltlichen Bewertung der klägerischen Leistungen wies die Landesschulbehörde Hannover mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2008 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten über das Nichtbestehen der Prüfung als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, dass der Prüfungsausschuss ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Selbst wenn er fehlerhaft besetzt gewesen wäre, könne dies nicht zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen, weil der Kläger diese Rüge vor Beginn der Prüfung hätte erheben müssen. Hinsichtlich der gerügten Benotung der einzelnen Fächer sei die Verletzung allgemein anerkannter Bewertungsgrundsätze ebenso wenig ersichtlich wie sachfremde Erwägungen, Willkür oder Verfahrensfehler.

9

Am 11. April 2008 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er wiederholt, weshalb er die Bewertungen der einzelnen Fächer für fehlerhaft halte. Außerdem hat er darauf hingewiesen, dass er mit Scheiben vom 28. Mai 2007 den Prüferbesetzungsplan sofort und die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses vor Beginn der praktischen Prüfung nochmals mündlich gerügt habe. Die Ergebnisse der praktischen Prüfung seien auch im Vergleich zu den Zeugnissen, die er für abgeleistete Praktika erhalten habe, und in denen ihm durchgängig eine gute bis sehr gute Arbeit bescheinigt worden sei, nicht erklärlich.

10

Nachdem der Kläger zunächst nur die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 30. August 2007 und des Widerspruchsbescheids der Landesschulbehörde vom 10. März 2008 beantragt hat, hat er im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens seinen Antrag erweitert und beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2007 sowie den Widerspruchsbescheid der Landesschulbehörde vom 10. März 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn über das Ergebnis der im August 2007 durchgeführten Prüfung in der Physiotherapie neu zu bescheiden und dabei die mangelhaft bewerteten Leistungen in den Fächern 1a (Krankengymnastische Behandlungstechniken), 1b (Bewegungserziehung), 3.1 (Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten Chirurgie oder Orthopädie) sowie 3.2 (Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten Innere Medizin, Neurologie, Gynäkologie oder Pädiatrie) mindestens mit der Note "ausreichend (4)" zu bewerten sowie im übrigen die Benotung des praktischen Teils im angefochtenen Bescheid vorzunehmen und insgesamt die Prüfung als bestanden zu erklären.

11

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Er hat erwidert: Die Klage sei mit dem neuen Verpflichtungsantrag unzulässig. Bereits mit dem Widerspruch habe der Kläger nur die praktische Prüfung aus dem Jahr 2007 angegriffen. Hinsichtlich des Anfechtungsantrags fehle ihm das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihm die Klage keinen Vorteil bringe. Selbst mit einer Notenverbesserung der praktischen Prüfung habe er die Prüfung insgesamt nicht bestanden, weil auch das Ergebnis der mündlichen und schriftlichen Prüfung mangelhaft gewesen sei und der Kläger eine Wiederholungsprüfung nicht spätestens zwölf Monate nach der letzten Prüfung abgeschlossen habe.

13

Das Verwaltungsgericht hat mit dem auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2009 ergangenen Urteil die Klage abgewiesen. Sowohl die Verpflichtungs- als auch die Anfechtungsklage seien unzulässig. Der Kläger habe bestätigt, dass er sich nach dem Ablauf des praktischen Prüfungsteils im August 2007 beim Beklagten nicht zur Wiederholungsprüfung des schriftlichen sowie des mündlichen Prüfungsteils gemeldet habe, und dass eine Prüfungswiederholung für ihn nicht in Betracht komme. Damit stehe fest, dass er die staatliche Prüfung in der Physiotherapie unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht mehr bestehen könne. Die verlängerte Zwölfmonatsfrist sei spätestens mit Ablegung des praktischen Prüfungsteils in der Zeit vom 20. bis 23. August 2007 erneut in Gang gesetzt worden und mit Ablauf des 23. August 2008 verstrichen. Der Beklagte habe den Kläger im Bescheid vom 30. August 2007 auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Wiederholungsprüfung spätestens zwölf Monate nach der letzten Prüfung abgeschlossen sein müsse.

14

Gegen dieses Urteil hat der Senat auf den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 13. Oktober 2009 (8 LA 135/09) die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen, soweit sich der Kläger gegen die Abweisung seines Anfechtungsantrags wendet. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass auch ein nachträglich wegen fehlerhafter Durchführung als nicht erfolgt eingestufter Prüfungsteil als abgelegte "erste" Prüfung anzusehen sei. Ein solcher Schluss widerspreche eben gerade der Annahme, eine solche Prüfung als nicht erfolgt einzustufen, und zusätzlich dem allgemein für die - rechtlich als Erstprüfung anzusehende - "Wiederholung" von fehlerhaft durchgeführten Prüfungen geltenden "Prinzip des geringstmöglichen Nachteils". Hinsichtlich des Verpflichtungsantrags hat der Senat hiergegen den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

15

Die hinsichtlich des erfolglos gebliebenen Teils des Zulassungsantrags erhobene Gegenvorstellung des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 28. Oktober 2009 als unstatthaft verworfen.

16

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, er habe ein Rechtsschutzbedürfnis für dieses Verfahren. Soweit im angegriffenen Urteil ausgeführt werde, für ihn komme eine Prüfungswiederholung nicht in Betracht, beruhe diese Annahme auf einer Fehlinterpretation, denn er habe nur den Wunsch nach einem unabhängigen, nicht an der Schule Dr. Rohrbach tätigen Prüfungsausschuss geäußert. Die Anwesenheit des Schulleiters G. bei seiner praktischen Prüfung habe gegen den Grundsatz der Nicht-Öffentlichkeit in der Prüfung verstoßen. Zwischen ihm - dem Kläger - und Herrn G. sei es im Laufe der Ausbildung immer wieder zu starken Differenzen gekommen, und Herr G. habe gegenüber den anderen Prüfern geäußert, dafür sorgen zu wollen, dass er die Prüfung nicht bestehe. Außerdem füge er ein Gesprächsprotokoll über eine Auseinandersetzung mit Frau K. am 3. Mai 2005 bei, in der sie ihm ihre Macht als Prüferin angedroht habe. Der Prüfungsausschuss sei fehlerhaft besetzt gewesen, was er noch vor Beginn der Prüfung wegen der Besorgnis der Befangenheit für die Prüfer G., H., K., L., I., J. und M. gerügt habe. Die Landesschulbehörde sei in ihrem Widerspruchsbescheid zu Unrecht davon ausgegangen, dass er dies nicht getan habe und übersehe damit sein Schreiben vom 28. Mai 2007 an den Prüfungsvorsitzenden Dr. F.. Seine Prüfung im Fach 3.2 "KG-Neurologie (Diagnose Zustand nach appoplex links)" verstoße gegen § 3 Abs. 1 PhysTh-APrV, wonach dem Prüfungsausschuss diejenigen Prüfer angehören sollen, die den Prüfling in dem Prüfungsfach überwiegend ausgebildet haben. Er sei von Herrn I. geprüft worden, obwohl das Fach während seiner gesamten Ausbildung von Frau N. unterrichtet worden sei. Inhaltlich habe man ihm vorgehalten, er habe eine Massage des Schultergürtels mit Tiefenfriktion durchgeführt, obgleich dies bei einem derartigen Krankheitsbild kontraindiziert sei. Tatsächlich habe er jedoch eine "oberflächliche Petrisage", die der Entspannung diene, durchgeführt. Soweit kritisiert werde, er habe Trampolinaktivitäten nicht durchgeführt, habe er dadurch dem Patienten eine Stresssituation erspart, die dessen Genesung verhindert hätte. Dieser Prüfungsteil sei aber auch deshalb rechtswidrig, weil er nur im Fach Neurologie geprüft worden sei, obgleich er zusätzlich im Bereich der Inneren Medizin und entweder im Bereich der Gynäkologie oder der Pädiatrie hätte geprüft werden müssen. § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV verlange, dass der Prüfling an einem Patienten aus den medizinischen Fachgebieten Innere Medizin, Neurologie, Gynäkologie oder Pädiatrie "je" eine Befunderhebung durchzuführen habe. Im Prüfungsfach 3.1. "KG-Chirurgie (Diagnose Hüft TEP postoperativ 9. Tag)" sei er auch von einer Fachlehrerin (Frau K.) geprüft worden, die ihn nicht unterrichtet habe. Unterrichtet worden sei das Fach überwiegend von Frau L.. Im Prüfungsprotokoll sei vermerkt worden, dass eine Mobilisation in der Flexion und Extension weder passiv noch aktiv stattgefunden habe. Dies treffe nicht zu, und im Protokoll sei auch nicht vermerkt, was er stattdessen gemacht habe. Im letzten Punkt des Prüfungsprotokolls finde sich die unzutreffende Bemerkung, er habe dem Patienten zur Steigerung der Belastung die Stützen wegnehmen wollen und fahrlässig gehandelt. Das Prüfungsprotokoll sei daher insgesamt falsch. Für das Prüfungsfach 1a.3 "Atemtherapie" fehle im Protokoll eine Diagnose, so dass fraglich sei, welches Krankheitsbild überhaupt habe behandelt werden sollen. Die Protokollführung des Prüfers O. sei für eine Notengebung nicht ausreichend. Fremdwörter wie "nicht adäquat", "nur passiv gezeigt", "keine adäquate Reihenfolge", "auf Nachfrage korrigiert" und "theoretische Erläuterung nicht flüssig und vollständig" ließen nicht erkennen, wie die Note "mangelhaft" zustande gekommen sei. Beim Prüfungsfach 1a.2 "Manuelle Therapie", Diagnose: Beweglichkeitseinschränkung im Handgelenk, ergebe sich aus dem Prüfungsprotokoll nur, dass die Prüfer M. und I. kritisiert hätten, seine Grifftechnik sei nicht richtig gewesen. Eine mittelbare oder unmittelbare Patientengefährdung sei damit nicht verbunden, so dass die Benotung mit "mangelhaft" nicht zutreffend sei. Außerdem sei er vom Protokollanten I. mit Zwischenfragen "bombardiert" worden. Da er am Tag zuvor in der Prüfung "KG-Neurologie" einen Streit mit Herrn I. gehabt habe, habe er sich bei dieser Prüfung nicht konzentrieren können und die Prüfung unter erhöhtem Druck durchführen müssen. Zwar sei das Prüfungsfach 1a.1 "Brügger-Therapie mit "ausreichend" bewertet worden, aber auch aus dem darüber geführten, oberflächlichen Protokoll, das eine schwache Leistung erwähne, lasse sich die Bewertung nicht nachvollziehen. Im Prüfungsprotokoll zum Fach 1.b "Bewegungserziehung", Diagnose Morbus Parkinson, finde sich sogar ein Widerspruch zwischen der Prüferin P. und dem Prüfer G.. Die Prüferin P. habe protokolliert, dass er die Behandlungskeulen erst nach ihrer Aufforderung eingesetzt habe, während der Prüfer G. notiert habe: "Zu Beginn Behandlungskeulen nicht genügend vorbereitet". Soweit Herr G. protokolliert habe, die Behandlungskeulen seien als Schläger für Luftballons benutzt worden, könne dies fehlinterpretiert werden. Er habe die Patienten sich gegenüber sitzen lassen und die Luftballons mit den Behandlungskeulen einander zuspielen lassen. Ausschlaggebend für die Bewertung mit "mangelhaft" sei wohl gewesen, dass er auf die Frage, wie man bei einer Parkinson-Gruppe den sogenannten "Kick-Start", den die Patienten benötigen, um in die Gangbewegung hineinzukommen, auslösen könne, geantwortet habe, wenn er keine anderen Hindernisse zur Verfügung habe, könne er sein Bein sichtbar in den Weg stellen.

17

Der Kläger hat zunächst beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2007 sowie den Widerspruchsbescheid der Landesschulbehörde vom 10. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn über das Ergebnis der im August 2007 durchgeführten Prüfung im praktischen Teil der staatlichen Prüfung in der Physiotherapie neu zu bescheiden und insgesamt die Prüfung als bestanden zu erklären. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seine Berufung hinsichtlich des Verpflichtungsantrags zurückgenommen. Er beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil zu ändern, soweit es den erstinstanzlich gestellten Anfechtungsantrag abgewiesen hat, und den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2007 sowie den Widerspruchsbescheid der Landesschulbehörde vom 10. März 2008 aufzuheben.

18

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

19

Er hält das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers weiterhin für zweifelhaft, weil ihm die Klage keinen Vorteil bringe. Der Kläger habe die Zwölfmonatsfrist für die Anmeldung zur Wiederholungsprüfung überschritten. Diese Frist habe unabhängig von Widerspruch und Klage gegen das Nichtbestehen der praktischen Prüfung spätestens ab September 2007 zu laufen begonnen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A und B) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

21

Das Verfahren ist gemäß §§ 125 Abs. 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit der Kläger das im Berufungsverfahren zunächst noch aufrecht erhaltene Verpflichtungsbegehren auf Neubewertung und Bestehen der Prüfung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen hat.

22

Die im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

23

Allerdings hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses schon unzulässig.

24

Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Anfechtungsklage gegen die Prüfungsentscheidung. Entgegen der Auffassung des Beklagten bringt ihm die Klage einen Vorteil. Insoweit hat der Senat im Zulassungsbeschluss vom 13. Oktober 2009 (8 LA 135/09) bereits ausdrücklich festgestellt, es stehe außer Frage, dass dem Kläger bei einem Erfolg seiner Anfechtungsklage erneut die Ablegung der praktischen Prüfung als "Erstprüfung" zu ermöglichen sei und es insoweit keines weiteren (Leistungs-)An-trages bedurft habe (so auch Niehues, Schul- und Prüfungsrecht Band 2, Prüfungsrecht, 4. Aufl. Rn. 811). Dies gilt sowohl für einen Erfolg der Klage in Bezug auf die gerügten Verfahrensfehler als auch auf die geltend gemachten Bewertungsfehler. Die Anfechtungsklage eröffnet zwar über die Aufhebung der Prüfungsentscheidung nur den Weg für eine erneute Prüfungsmöglichkeit und nicht für eine bessere Bewertung. Deshalb wird sie üblicherweise dann erhoben, wenn Fehler im Prüfungsverfahren gerügt werden (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 811). Ist - so wie hier - eine Verpflichtungsklage, mit der ein Anspruch auf Neubewertung verfolgt werden könnte, nicht mehr zulässig, kann aber auch bei inhaltlichen Mängeln der Bewertung zumindest eine Aufhebung der Prüfungsentscheidung und erneute Ableistung der Prüfung im Interesse des Prüflings liegen (so auch bei mündlichen Prüfungen, wenn wegen Zeitablaufs ein Anspruch auf Neubewertung ausgeschlossen ist, vgl.BVerwG, Beschl. v. 11.4.1996 - 6 B 13/96 -, NVwZ 1997, 502 f.; Niehues, a.a.O., Rn. 808 ff.).

25

Soweit der Beklagte darauf verweist, dass der Kläger in seinem Schriftsatz vom 9. Oktober 2008 erklärt habe, eine Wiederholungsprüfung komme für ihn nicht in Betracht, hat der Kläger in der Begründung des Berufungszulassungsantrags ausdrücklich und nachvollziehbar erklärt, diese Annahme beruhe auf einer Fehlinterpretation seiner Ausführungen. Dies hat den Senat auch dazu bewogen, in seinem Zulassungsbeschluss vom 13. Oktober 2009 auf Seite 6 darauf hinzuweisen, der Kläger habe hinreichend klargestellt, dass er zu einer Wiederholung der Prüfung im schriftlichen (§ 12 PhysTh-APrV) und mündlichen (§ 13 PhysTh-APrV) Teil antreten werde.

26

Entgegen den die Begründung des erstinstanzlichen Urteils wiederholenden Ausführungen des Beklagten kommt es für das Rechtsschutzbedürfnis auch nicht darauf an, dass seit der letzten Prüfung im August 2007 mehr als zwölf Monate verstrichen sind. Eine Überschreitung der Frist des § 7 Abs. 4 Satz 4 PhysTh-APrV ist damit nicht verbunden, weil diese Frist durch die Erhebung der Klage bislang noch gar nicht zu laufen begonnen hat. Der Senat hat auch dazu in seinem Zulassungsbeschluss vom 13. Oktober 2009 bereits ausgeführt, dass ein nachträglich wegen fehlerhafter Durchführung als nicht erfolgt eingestufter Prüfungsteil nicht als Prüfung i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 4 PhysTh-APrV anzusehen sei. Dies entspreche dem allgemein geltenden Prinzip des geringstmöglichen Nachteils (vgl. Niehues, a.a.O. Rn. 502). Daran ist festzuhalten.

27

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

28

Der Bescheid des Beklagten vom 30. August 2007 und der Widerspruchsbescheid der Landesschulbehörde vom 10. März 2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

29

Die praktische Erstprüfung zum Physiotherapeuten, an der der Kläger im August 2007 teilgenommen hat, ist nach der auf der Grundlage des§ 13 Masseur- und Physiotherapeutengesetzes - MPhG - vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1084) erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten (PhysTh-APrV) vom 6. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3786), in der hier maßgeblichen, zuletzt durch Gesetz vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) geänderten Fassung, durchgeführt und bewertet worden. Der Beklagte hat dem Kläger zu Recht gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 PhysTh-APrV mitgeteilt, dass er die (Erst-)Prüfung in der Physiotherapie nicht bestanden habe. Gemäß § 7 Abs. 1 PhysTh-APrV ist die Prüfung nur dann bestanden, wenn jeder der nach § 2 Abs. 1 PhysTh-APrV vorgeschriebenen Prüfungsteile (schriftlicher, mündlicher und praktischer Teil) bestanden ist. Dies war hier nicht der Fall. Dass der Kläger den schriftlichen und mündlichen Teil der Prüfung nicht bestanden hat, ist unstreitig. Durch Abschluss des Vergleichs mit dem Beklagten, der zur Teilrücknahme seines Bescheides vom 1. September 2006 über das Nichtbestehen der Prüfung hinsichtlich des praktischen Prüfungsteiles geführt hat, hat der Kläger zugleich die Ergebnisse des schriftlichen und mündlichen Teiles anerkannt. Insoweit ist der Bescheid vom 1. September 2006 bestandskräftig geworden. Die Ergebnisse sind lediglich aus Klarstellungsgründen in den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 30. August 2007 übertragen worden.

30

Der Kläger hat darüber hinaus auch den praktischen Teil der Prüfung im August 2007 gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 PhysTh-APrV nicht bestanden, weil er in zwei von drei Fächergruppen (Fächergruppen 1 und 3, vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 3 PhysTh-APrV) mit "mangelhaft" (5) bewertet worden ist.

31

Die Bewertung beider Fächergruppen ist nicht in Folge eines fehlerhaften Prüfungsverfahrens zustande gekommen.

32

Ein Prüfungsverfahren ist u.a. dann verfahrensfehlerhaft, wenn ein Prüfungsausschuss mit Prüfern besetzt ist, die nach der Prüfungsordnung an der Prüfung nicht mitwirken dürfen oder die wegen Befangenheit ausgeschlossen sind. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die vorschriftswidrige Besetzung eines Prüfungsausschusses einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt. Die vorschriftsmäßige Besetzung des Prüfungsausschusses ist von erheblicher Bedeutung, weil die Wertung der Leistung im Zusammenwirken der Prüfungsausschussmitglieder erfolgt, die sich in der Beratung gegenseitig beeinflussen und kontrollieren sollen. Einen unzulässigen Einfluss auf diese Wertungen nimmt derjenige vor, der dem Prüfungsausschuss nach den vorgegebenen Regelungen nicht angehören soll (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 25.7.1994 - 3 L 585/92 - [...] Rn. 6 m.w.N., veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit unter www.dbovg.niedersachsen.de; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl., Rn. 1206 f.). Aufgrund der dem Prüfling obliegenden Mitwirkungspflichten, die dem Schutz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren dienen, sind Verfahrensmängel aber rechtzeitig zu rügen. Der Anspruch des Prüflings auf Beseitigung des Mangels und dessen Folgen erlischt, wenn der Prüfling den Fehler kennt, die ihm zumutbare Rüge unterlässt und sich auf das fehlerhafte Verfahren (z.B. auf die falsche Besetzung des Prüfungsausschusses) einlässt (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 513 m.w.N.). Für die Entscheidung darüber, ob eine Rüge "unverzüglich" (d.h. ohne schuldhaftes Zögern) erhoben worden ist, kommt es auch darauf an, ob und ab welchem Zeitpunkt es dem Prüfling in der Prüfungssituation zugemutet werden kann, auf den ihm bekannten Verfahrensfehler hinzuweisen. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 514 m.w.N.).

33

Ob die Besetzung des Prüfungsausschusses bei den Prüfungen des Klägers am 21. und 23. August 2007 in den Fächern "KG-Chirurgie (Fach Nr. 3.1)" und "KG-Neurologie (Fach Nr. 3.2)" rechtsfehlerfrei war, lässt sich anhand der dem erkennenden Senat vorliegenden Unterlagen nicht vollständig aufklären. Selbst wenn Prüfer mitgewirkt haben sollten, die den Kläger nicht überwiegend ausgebildet haben, hat sich der Kläger aber auf die Prüfungen eingelassen und die fehlerhafte Besetzung erst sehr viel später in seiner Widerspruchsbegründung, die per Fax am 3. Januar 2008 (über vier Monate nach der Prüfung; Bl. 74 BA A) beim Beklagten eingegangen ist, gerügt. Dazu im Einzelnen:

34

Dass dem Prüfungsausschuss diejenigen Fachprüfer angehören sollen, die den Prüfling in dem Prüfungsfach überwiegend ausgebildet haben, regelt § 3 Abs. 1 Nr. 3, letzter Halbsatz PhysTh-APrV. § 14 Abs. 2 Satz 1 PhysTh-APrV schreibt als Spezialregelung für den praktischen Teil der Prüfung außerdem vor, dass dieser Prüfungsteil in jedem einzelnen Fach von zwei Fachprüfern, darunter mindestens einem Fachprüfer nach § 3 Abs. 1 Nr. 3b PhysTh-APrV, d.h. einem an der Schule unterrichtenden Physiotherapeuten oder Krankengymnasten oder einem Diplom-Medizinpädagogen oder Medizinpädagogen mit einer abgeschlossenen Ausbildung als Physiotherapeut, abgenommen und benotet wird. Auch wenn § 14 Abs. 2 Satz 1 PhysTh-APrV ausdrücklich nur § 3 Abs. 1 Nr. 3b PhysTh-APrV nennt, ist § 3 Abs. 1 Nr. 3, letzter Halbsatz PhysTh-APrV als allgemeine Vorschrift für alle Prüfungsteile auch auf die praktische Prüfung anwendbar.§ 3 Abs. 1 Nr. 3, letzter Halbsatz PhysTh-APrV bezieht sich auf den vorangegangenen Halbsatz und damit auch auf den Buchstaben b), so dass unter "Fachprüfer, die den Prüfling in dem Prüfungsfach überwiegend ausgebildet haben", diejenigen Personen zu verstehen sind, die den Prüfling in dem Fach überwiegend "unterrichtet" haben. Dass der Prüfer, der den Prüfling überwiegend im jeweiligen Fach ausgebildet hat, derjenige ist, der ihn unterrichtet hat, folgt auch aus dem Schwergewicht der dreijährigen Ausbildung der Physiotherapeuten im theoretischen und praktischen Unterricht von 2.900 Stunden gegenüber einer praktischen Ausbildung von (nur) 1.600 Stunden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PhysTh-APrV). Der Einsatz der Prüferin K. im Fach Chirurgie, das nach dem Vortrag des Klägers überwiegend von Frau L. unterrichtet worden ist, und der Einsatz des Prüfers I. im Fach Neurologie, das während der gesamten Ausbildung von Frau N. unterrichtet worden ist, verstößt deshalb zunächst gegen § 3 Abs. 1 Nr. 3, letzter Halbsatz PhysTh-APrV.

35

Allerdings lässt der Umstand, dass die Prüfer K. und I. den Kläger nicht überwiegend unterrichtet haben, für sich allein noch nicht auf eine fehlerhafte Zusammensetzung des Prüfungsausschusses schließen. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 3, letzter Halbsatz PhysTh-APrV enthält eine Soll-Vorschrift, die Ausnahmen zulässt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 20.7.1994 - 13 L 1680/93 -, [...] Rn. 19). Dies bedeutet, dass im Ausnahmefall Prüfer eingesetzt werden können, die den Prüfling in dem Prüfungsfach nicht (überwiegend) unterrichtet haben. Ein solcher Ausnahmefall liegt z.B. vor, wenn ein personeller Engpass besteht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 20.7.1994, a.a.O., [...] Rn. 20), oder der an sich "zuständige" Prüfer aus persönlichen Gründen die Prüfung nicht abnehmen kann.

36

Bei der Prüferin L. liegt eine solche Ausnahme vor, die es rechtfertigt, eines der stellvertretenden Mitglieder des Prüfungsausschusses als Vertreter heranzuziehen. Dazu, dass Frau L. die Prüfung nicht abgenommen hat, hat der Schulleiter G. während des Widerspruchsverfahrens in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2008 mitgeteilt, Frau L. habe es abgelehnt, den Kläger erneut zu prüfen. Auch wenn der Beklagte auf die richterliche Verfügung vom 18. August 2008 im erstinstanzlichen Verfahren, in der er aufgefordert wurde, den Selbstablehnungsvorgang von Frau L. zu übersenden und mitzuteilen, ob dem Kläger die Selbstablehnung vor Eintritt in die Prüfung bekannt gegeben wurde, nicht reagiert hat, besteht kein Grund daran zu zweifeln, dass Frau L. sich tatsächlich selbst abgelehnt hat. Hinzu kommt, dass auch der Kläger mit Schreiben vom 28. Mai 2007 u.a. Frau L. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Zwar hat Herr Dr. F. dem Kläger daraufhin mitgeteilt, er sehe keinen Anlass, den bestellten Prüfungsausschuss zu ändern. Gleichwohl ist der Kläger nach dem auch im Prüfungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (entsprechend § 242 BGB; vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 114) damit ausgeschlossen, die fehlende Mitwirkung von Frau L. zu rügen, nachdem er sie zuvor wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat.

37

Hinsichtlich der Teilnahme von Herrn I. anstelle von Frau N. in der Prüfung im Fach "KG-Neurologie" sind die Gründe für das Abweichen von der Sollvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 3, letzter Halbsatz PhysTh-APrV nicht bekannt. Herr I. hat in seiner Stellungnahme vom 10. Februar 2008 (Bl. 93 BA A) lediglich ausgeführt, er würde seit mehreren Jahren im Rahmen seiner Tätigkeit als Physiotherapeut primär neurologische und pädiatrisch-neurologische Patienten behandeln und habe sich intensiv in diesem Bereich fortgebildet. Frau N. und Herr G. könnten diese Fortbildungen gleichen Standards und eine entsprechende Berufserfahrung nachweisen. Daher sei es "fachlich vollkommen irrelevant", dass er mit Herrn G. zusammen die Prüfung abgenommen habe. Hierfür seien allein die Erfahrung und das fachliche Wissen in dem Fachbereich ausschlaggebend. Nach dem mutmaßlichen Sinn der Regelung in§ 3 Abs. 1 Nr. 3, letzter Halbsatz PhysTh-APrV soll indes nicht nur sicher gestellt werden, dass fachlich geeignete Prüfer die Prüfungsleistungen der Prüflinge beurteilen, sondern auch, dass die Prüflinge die Anforderungen der Prüfer aus dem Unterricht kennen und der Stoff geprüft wird, der Gegenstand des Unterrichts in der Ausbildung war. Auch wenn Herr I. fachlich genauso qualifiziert ist wie Frau N., gestattet dies allein aufgrund der vorgenannten Verordnungsregelung keinen beliebigen Austausch der Prüfer.

38

Letztlich kann aber dahinstehen, ob Herr I. nach § 3 Abs. 1 Nr. 3, letzter Halbsatz PhysTh-APrV an der Prüfung "KG-Neurologie" (Fach 3.2) des Klägers hätte mitwirken dürfen. Denn der Kläger kann sich auf eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Prüfungsausschusses nicht mehr berufen.

39

Soweit der Kläger vorträgt, er habe bereits in dem Brief an Herrn Dr. F. vom 28. Mai 2007 die fehlerhafte Zusammensetzung des Prüfungsausschusses gerügt, trifft dies nicht zu. Der Kläger hat in diesem Schreiben lediglich die Besorgnis der Befangenheit hinsichtlich verschiedener Prüfer geäußert und teilweise begründet. Seine Rüge betraf gerade nur den Umstand, dass ihn Dozenten prüfen, die ihn in der bisherigen Ausbildung unterrichtet und bereits einmal geprüft hätten. Eine gegen § 3 Abs. 1 Nr. 3, letzter Halbsatz PhysTh-APrV verstoßende Besetzung des Prüfungsausschusses hat er dagegen schriftlich nicht gerügt. Dafür, dass er die Besetzung direkt vor der Prüfung mündlich gerügt hat, gibt es keine Anhaltspunkte. Weder findet sich ein entsprechender Vermerk in der Prüfungsakte, noch gibt es einen Anlass, davon auszugehen, dass der Beklagte von der üblichen Praxis, jeden Prüfling vor jeder einzelnen Prüfung seine Bereitschaft bestätigen zu lassen, an der Prüfung teilzunehmen, im Fall des Klägers abgewichen ist.

40

Ob der Kläger vorab über die Besetzung des Prüfungsausschusses im Fach 3.1 mit Frau K. (statt Frau L.) und im Fach 3.2 mit Herrn I. (statt Frau N.) informiert war, ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Beteiligten. Weder Frau K. noch Herr I. sind aufgrund einer gerichtlich nachprüfbaren Vertretungsregelung eingesetzt worden. Im Verwaltungsvorgang findet sich der an den Kläger mit Schreiben vom 17. April 2007 übersandte Prüfungsplan ebenso wenig wie die in diesem Schreiben erwähnten, in der Schule ausgehängten Prüfungspläne mit den Namen der prüfenden Dozenten. In der Bestellung des Prüfungsausschusses vom 7. Mai 2007 ist für das Fach "Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV" als Mitglied des Prüfungsausschusses lediglich Herr G. genannt worden. Anstelle des Namens eines weiteren Prüfers heißt es: "Nennung durch die Schulleitung, je nach Fachrichtung gem. des Prüfer- und Vertreterplanes unter Punkt 2". Was mit Punkt 2) gemeint ist, ist nicht klar. Hierauf wurde der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren mit richterlicher Verfügung vom 18. August 2008 bereits hingewiesen, reagierte jedoch auch insoweit nicht. Im ersten Widerspruchsverfahren hatte Herr G. zur Prüfung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV erläutert, dass die Patienten der verschiedenen Fachgebietsgruppen erst kurz vorher, manchmal erst am Tag der Prüfung, festgelegt werden könnten. Dies sei abhängig von der jeweiligen Klinik und der Verfügbarkeit von Patienten. Die Ziehung der insgesamt zwei von sechs Prüfungsfächern (für die Prüfungen 3.1 und 3.2) erfolge öffentlich vor allen Prüflingen. Daraus würden sich dann auch die jeweiligen Prüfer, die vorher den Fächern zugeordnet worden seien, ergeben. Innerhalb seiner Prüfungsgruppe ziehe der Prüfling den von ihm zu behandelnden Prüfungspatienten.

41

Danach ist davon auszugehen, dass der bereits seit dem ersten Widerspruchsverfahren anwaltlich vertretene Kläger vor der Ablegung seiner praktischen Prüfung im August 2007 über die Regelungen der ordnungsgemäßen Besetzung des Prüfungsausschusses hinreichend informiert gewesen ist. Ihm wäre deshalb zuzumuten gewesen, die seiner Ansicht nach fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschusses vor oder zumindest unverzüglich nach Ablegung der Prüfung nachweisbar zu rügen. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei einer fehlerhaften Besetzung des Prüfungsausschusses um einen Mangel handelt, der nicht in die Sphäre des Prüflings fällt, sondern nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften von der Prüfungsbehörde zu beachten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.2.2003 - 6 C 22/02 -, [...] Rn. 22; Niehues, a.a.O. Rn. 513; offen gelassen vom VG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2007 - 18 K 3336/07 -, [...] Rn. 25. ).

42

Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus der Besetzung des Prüfungsausschusses mit gegenüber dem Kläger befangenen Prüfern. Die Rüge der Befangenheit erweist sich gegenüber keinem der vom Kläger genannten Prüfer als begründet. Die vom Kläger in seinem Schreiben vom 28. Mai 2007 an Herrn Dr. F. aufgeführten Gründe, aus denen er einzelne Prüfer wegen Befangenheit ablehnt, führen ebenso wenig wie ihr Verhalten in der praktischen Prüfung des Klägers im August 2007 zur Besorgnis der Befangenheit.

43

Eine Besorgnis der Befangenheit ist dann berechtigt, wenn nach den Umständen des Einzelfalles ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen (vgl. § 21 VwVfG). Dies ist objektiv, aus dem Blickwinkel eines Prüflings zu beurteilen. Entscheidend ist, wie ein "verständiger Prüfling" in der gegebenen Situation das Verhalten oder die Bemerkung des Prüfers verstehen darf. Insoweit genügt nicht die bloß subjektive Besorgnis der Befangenheit, die der Prüfling aufgrund seiner persönlichen Vorstellungen, Ängste oder Mutmaßungen ohne vernünftigen und objektiv fassbaren Grund empfindet. Vielmehr müssen Tatsachen vorliegen, die ohne Rücksicht auf individuelle Empfindlichkeiten den Schluss rechtfertigen, dass dieser Prüfer speziell gegenüber diesem Prüfling nicht die notwendige Distanz und sachliche Neutralität aufbringen wird bzw. in der Prüfung aufgebracht hat. "Befangen" ist der Prüfer, wenn er nicht mehr offen ist für eine (nur) an der wirklichen Leistung des Prüflings orientierte Bewertung und von vornherein - etwa aufgrund persönlicher Vorurteile - und ohne hinreichende Ermittlung der Fähigkeiten des Prüflings auf eine (bestimmte) negative Bewertung des Prüflings festgelegt ist (vgl. Niehues, a.a.O. Rn. 196 m.w.N.). Die Befangenheitsrüge muss hinreichend substantiiert sein, so dass erkennbar wird, welchen Prüfer und welchen Vorgang im Rahmen des Prüfungsgeschehens der Prüfling meint.

44

Soweit der Kläger im Schreiben vom 28. Mai 2007 die Besorgnis der Befangenheit der Prüfer H., L. und J. geäußert hat, braucht hierauf nicht mehr eingegangen zu werden. Die Prüferin L. und der Prüfer J. sind an der praktischen Prüfung des Klägers im August 2007 nicht beteiligt gewesen. Der Prüfer H. hat lediglich das Fach Elektrotherapie der Fächergruppe 2 geprüft und die Leistung des Klägers mit "befriedigend (3)" bewertet. Diesen Prüfungsteil hat der Kläger nicht angegriffen und seine Befangenheitsrüge nicht weiterverfolgt.

45

Hinsichtlich der Prüfer G., K., I. und M. liegen Anhaltspunkte für eine Befangenheit nicht vor. Soweit der Kläger seine Besorgnis auf Umstände stützt, die sich in seiner ersten praktischen Prüfung im August 2006 ereignet haben, ist er auf den mit dem Beklagten geschlossenen Vergleich zu verweisen. Die Zusicherung des Prüfungsausschussvorsitzenden Dr. F., bei der erneuten praktischen Erstprüfung des Klägers in allen Prüfungen persönlich anwesend zu sein, war Gegenstand des Vergleichs und auch als "Ausgleich" dafür zu verstehen, dass der Kläger mit Rügen bezüglich dieser Prüfung - wie er sie jetzt erhebt - künftig ausgeschlossen sein sollte.

46

Der Kläger hat unabhängig davon auch keine konkreten Tatsachen vortragen, aus denen sich bei den genannten Prüfern eine ihm gegenüber (fort-)bestehende Befangenheit ergibt. Ein Prüfer, der den (die Prüfung wiederholenden) Prüfling bereits bei dessen Erstversuch geprüft hat, ist nicht ohne weiteres als Prüfer in der nächsten Prüfung wegen Befangenheit ausgeschlossen. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein Prüfer, dem ein Verfahrens- oder Bewertungsfehler angelastet wird, schon deshalb grundsätzlich seine innere Distanz zu dem Prüfungsvorgang verliert, besteht nicht (vgl. Niehues, a.a.O. Rn. 199, 201).

47

Bezogen auf den Schulleiter G. hat der Kläger im Schreiben vom 28. Mai 2007 seine Besorgnis der Befangenheit damit begründet, er habe sich bei der letzten praktischen Prüfung "mit einem ablehnenden Vorurteil" über seinen - des Klägers - "Wissensstand gegenüber einer anderen Prüferin geäußert." Diese Rüge ist nicht hinreichend substantiiert, weil sich aus ihr weder der Inhalt der Äußerung noch deren Adressat ergibt. Einer derart allgemein gehaltenen Behauptung braucht nicht nachgegangen zu werden. Sollte der Kläger gemeint haben - so wie er es in seinem Gedächtnis-Protokoll vom 26. August 2006 für das Fach Bewegungserziehung notiert hatte -, dass Herr G. auf eine Frage der Prüferin P. gesagt habe, er - der Kläger - komme da nie drauf, rechtfertigt eine solche Bemerkung den Schluss auf eine Voreingenommenheit des Prüfers nicht. Selbst wenn die vom Kläger erwähnte Äußerung gegenüber der Prüferin P. am Ende der Prüfung gefallen ist, kann sie keineswegs automatisch als unsachlich und herabsetzend, sondern ebenso auch als Hinweis an die Mitprüferin verstanden werden, eine andere und ggf. leichtere Frage zu stellen (vgl. die Aufzählung von noch hinzunehmendem Prüferverhalten nach Auslegung der jeweiligen Bemerkung bei Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rn. 284 m.w.N.).

48

Dass der Kläger den Prüfer G. persönlich kritisiert hatte und dieser die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten über das nochmalige Ableisten der praktischen Prüfung als Erstprüfung nicht für richtig hält, rechtfertigt ebenfalls nicht den Schluss auf eine Befangenheit des Prüfers. Zwar hat Herr G. mit Schreiben vom 20. Februar 2007 an den Beklagten Vorbehalte geäußert und u.a. angeführt, die Anschuldigungen des Klägers würden dessen falsche Wahrnehmung zeigen, und er werde die Prüfer befragen, ob sie bereit seien, "nach den massiven und ungerechtfertigten Anschuldigungen" den Kläger noch zu prüfen. Auch hat er in seiner Stellungnahme, die er im Widerspruchsverfahren abgegeben hat, nochmals erwähnt, dass die anderen Dozenten und er Bedenken gehabt hätten, weil sie der Meinung gewesen seien, dass der Kläger schon nach der ersten Prüfung einer falschen Selbsteinschätzung unterlegen sei. Derartige Vorbehalte und Bedenken ergeben jedoch keine Hinweise darauf, dass ein Prüfer nicht mehr hinreichend offen für eine nur an den wirklichen Leistungen des Klägers orientierte Bewertung ist. Zudem hat Herr G. ausdrücklich betont, der Kläger würde, falls er nochmals geprüft werde, "nach seinen erbrachten inhaltlichen Leistungen und niemals nach anderen Gesichtspunkten bewertet werden".

49

Entgegen der Auffassung des Klägers zeigt sich eine Befangenheit von Herrn G. nicht daran, dass er im August 2007 auch an den Prüfungen des Klägers teilgenommen hat, in denen er ihn nicht selbst geprüft hat. Herr G. hat dazu erläutert, sein Interesse am Ablauf der Prüfung resultiere daraus, dass er sämtliche Prüfungen organisiere und für die Bereitstellung von Materialien, Prüfungsniederschriften usw. bei allen Prüflingen zuständig sei. Selbst wenn Herr G. beim Kläger an mehr Prüfungen teilgenommen hat als bei anderen Prüflingen, so erscheint dies im vorliegenden Fall plausibel und nachvollziehbar. Angesichts der Vorgeschichte war die Prüfung des Klägers für den Schulleiter eben keine Prüfung wie jede andere. Ein solches Interesse bietet dann aber keinen Anhaltspunkt für eine Befangenheit, sondern beruht auf sachlichen Gründen (vgl. dazu auch unten S. 23 des Urt.).

50

Die Besorgnis der Befangenheit ist auch nicht begründet, weil zwischen dem Kläger und Herrn G. "starke Differenzen im Laufe der Ausbildung" bestanden haben. Abgesehen davon, dass der Kläger mit diesem Vorbringen ausgeschlossen ist, weil er sich hierauf erstmals in der Begründung des Widerspruchs gegen den streitgegenständlichen Prüfungsbescheid vom 30. August 2007 berufen hat, spricht gegen die Besorgnis der Befangenheit auch, dass er in seiner ersten praktischen Prüfung am 14. August 2006 im Fach "Massagetherapie" von Herrn G. sogar die Note "gut (2)" bekommen hat. Sollte er unter "im Laufe der Ausbildung" erst den Zeitraum ab August 2006 verstehen, so hat der Kläger nicht ansatzweise konkretisiert, was er unter "Differenzen" versteht.

51

Schließlich ergibt sich die Besorgnis der Befangenheit auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, Herr G. habe gegenüber den Kollegen H., K., L., I., J., M. und P. geäußert, er werde dafür sorgen, dass der Kläger die Prüfung nicht bestehe. Dieser Vortrag ist insgesamt unsubstantiiert und lässt auch nicht erkennen, dass Herr G. mit einer derartigen Bemerkung Einfluss auf die Bewertungen der anderen Dozenten, die eigenständig prüfen und bewerten, genommen haben könnte. Aus diesem Grund besteht keine Veranlassung, der schriftsätzlichen Beweisanregung zu folgen und die vom Kläger benannte Frau Q. R. sowie Herrn S. T. zu hören. Frau R. ist im August 2006 gemeinsam mit dem Kläger geprüft worden (Bl. 37 BA B), und Herr T. hat mit dem Kläger die Ausbildung bis zur Prüfung im August 2006 durchlaufen (Bl. 77 BA B). Dass beide im Zusammenhang mit der praktischen Prüfung des Klägers im August 2007 Gespräche des Schulleiters mit seinen Prüferkollegen gehört haben, hat der Kläger nicht vorgetragen und ist auch nicht anzunehmen. Sollten die beiden benannten Zeugen im Zusammenhang mit der ersten praktischen Prüfung des Klägers im August 2006 diese Bemerkung gehört haben, hätte der Kläger dies zu einem früheren Zeitpunkt rügen müssen.

52

Auch wird die behauptete Äußerung nicht durch die Bewertung der beiden von Herrn G. selbst geprüften und jeweils mit "mangelhaft (5)" bewerteten Fächer bestätigt. Die Bewertung des Faches Bewegungserziehung mit "mangelhaft (5)" durch ihn und Frau P. lässt Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit nicht erkennen. Die Bewertung ist sachlich gehalten, enthält auch positive Aspekte, stützt sich dann aber vor allem auf den erst späten und untypischen Einsatz der Bewegungskeulen bei Parkinson-Patienten sowie die Bemerkung des Klägers, dass er zur Auslösung einer Bewegung (sog. "Kickstart") notfalls dem Patienten ein Bein stellen könne. Auch wenn der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung zutreffend darauf verwiesen hat, dass zum sog. "Kickstart" ein Hindernis vor das Bein des Parkinson-Patienten gestellt wird, hat er während der Prüfung nach den übereinstimmenden Protokollierungen vom "Bein stellen" gesprochen. Beanstandet der Prüfer daraufhin, dies sei eine Kontraindikation, weil der Therapeut dem Patienten niemals ein Hindernis durch das eigene Bein stellen dürfe, ist dies eine sachliche Kritik, die im Hinblick auf allgemein bekannte Sturzgefahren für Parkinson-Kranke aufgrund ihrer Muskelsteifheit und Bewegungsarmut und das Vertrauensverhältnis zum behandelnden Physiotherapeuten gerechtfertigt ist.

53

Der Umstand, dass beide Prüfer die zunächst erteilte Note "4" durchgestrichen und mit einer "5" überschrieben haben, ist nach den vorgenannten Ausführungen sachlich begründet und kein Ausdruck von Befangenheit, zumal sie die Abänderung noch am Tag der Prüfung (21.8.2007) und nicht im Hinblick auf die Benotung der anderen Fächer in der Fächergruppe 1, die erst am nächsten Tag geprüft wurden (22.8.2007), vorgenommen haben.

54

Dass die Benotung des Prüfungsfaches "KG-Neurologie" mit der Note "mangelhaft" Ausdruck einer Voreingenommenheit des Prüfers G. ist, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Die Benotung mit "mangelhaft" wegen der Durchführung einer kontraindizierten Massageart (Tiefenfriktion anstelle einer entspannenden Massage) und des Abweichens vom Behandlungsplan (Trampolinaktivitäten), obgleich der Zustand des Patienten zwischen dem Zeitpunkt der Befunderhebung und der Behandlung unverändert war, lässt nicht erkennen, dass der Prüfer G. dem Kläger von vornherein keine bessere Note geben wollte.

55

Bezogen auf die Prüferin K. lässt sich eine Voreingenommenheit ebenfalls nicht feststellen. Der Kläger hat in seinem Schreiben an Herrn Dr. F. vom 28. Mai 2007 seine Besorgnis der Befangenheit damit begründet, sie habe aus der praktischen Prüfung im letzten Staatsexamen eine mündliche Prüfung gemacht und sei von den "gezogenen Prüfungsfragen abgewichen". Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätten sich daraus nicht Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit, sondern allenfalls für das Abfragen eines falschen Prüfungsstoffes ergeben. Dass in der praktischen Prüfung der Physiotherapie auch theoretisches Wissen abgefragt wird, ergibt sich für die von Frau K. am 9. August 2006 abgenommene Prüfung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1a PhysTh-APrV zur "Brügger"-Technik allerdings schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach der Prüfling spezifische krankengymnastische Behandlungstechniken am Probanden auszuführen und zu "erklären" hat.

56

Soweit der Kläger erstmals in seiner Berufungsbegründung vom 18. Januar 2010 eine Auseinandersetzung am 3. März 2005 mit der Ausbilderin K. im Rahmen einer Praktikumsbetreuung erwähnt und ein Gedächtnisprotokoll dazu beigefügt hat, ist er mit dieser Rüge nach den o.g. Grundsätzen ausgeschlossen. Der Prüfling muss die Voreingenommenheit eines Prüfers nicht nur rechtzeitig behaupten, sondern auch begründen (vgl. Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rn. 292 m.w.N.). Im Schreiben vom 28. Mai 2007 hat der Kläger diese Auseinandersetzung nicht erwähnt, so dass es keiner Erörterung bedarf, ob sich aus dem Vorfall, in dem sich der Kläger - wie er selbst einräumt - "im Ton vergriffen" hatte und der Schulleiter mit den Beteiligten am 11. Mai 2005 ein klärendes Gespräch geführt hat, die Besorgnis der Befangenheit ergibt.

57

Aus der Bewertung des Prüfungsfaches nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV (Fach 3.1 - "KG-Chirurgie") ergeben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine fehlende Neutralität der Prüferin K. gegenüber dem Kläger bei der praktischen Prüfung am 23. August 2007. So findet sich im Protokoll über diese Prüfung der Vermerk "freundlicher Umgang/ konzentr. Fragestellung". Hinsichtlich der Behandlung hat die Prüferin notiert, ein Hauptschwerpunkt sei nicht zu erkennen gewesen, Ganganalyse und Stützenhöhe seien falsch gewesen und der Kläger habe dem Patienten zur Steigerung der Belastung die Stützen wegnehmen wollen (Bl. 15 BA A). Befund und Plan, die der Kläger bei diesem Prüfungsfach nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV zu erstellen hat, hat sie ebenfalls mit "5" bewertet, weil der Befund zu unübersichtlich und zu wenig spezifisch gewesen sei sowie Messungen gefehlt hätten und der Plan zu ungenau gewesen sei. Selbst wenn es sich bei dem Vorwurf, der Kläger habe in fahrlässiger Weise die Stützen wegnehmen wollen, um ein Missverständnis gehandelt haben sollte, ergibt sich aus dem Prüfungsprotokoll kein Anzeichen dafür, dass der Kläger bei der Prüferin K. von vornherein nicht die Chance hatte, eine bessere Bewertung zu erzielen.

58

Bezogen auf den Prüfer I. lässt sich eine Befangenheit ebenfalls nicht feststellen. Im Schreiben vom 28. Mai 2007 hat der Kläger seine Besorgnis der Befangenheit damit begründet, dass Herr I. während einer schriftlichen Klausur ihm und einem Mitschüler die Klausur weggenommen und ihn beschuldigt habe, abgeschrieben zu haben. Sein "Generalverdacht" sei auch bestehen geblieben, nachdem der Mitschüler hinterher - in einem vom Kläger geforderten klärenden Gespräch - eingeräumt habe, dass er bei ihm (dem Kläger) abgeschrieben habe. Was der Kläger unter "Generalverdacht" versteht, hat er nicht erläutert. Soweit er angegeben hat, bei der praktischen Prüfung im Fach 3.2. "KG-Neurologie" habe ein Streit zwischen ihm und Herrn I. stattgefunden, und dieser habe ihn am Tag darauf im Prüfungsfach Nr. 1a.2 "Manuelle Therapie" mit Zwischenfragen "bombardiert", hat er diesen Vortrag ebenfalls nicht konkretisiert. Der Prüfer I. hat in seiner Stellungnahme vom 10. Februar 2008 nachvollziehbar angegeben, die von ihm gestellten Fragen hätten dem Kläger die Möglichkeit geben sollen, seine Demonstration noch eigenständig zu korrigieren.

59

Schließlich ergeben sich auch für die Prüferin Kusch keine Hinweise auf eine Befangenheit. Soweit der Kläger in seinem Schreiben vom 28. Mai 2007 pauschal darauf verweist, dass dem Prüfungsprotokoll über die Prüfung im August 2006 gut zu entnehmen sei, wie er verunsichert worden sei, fehlen diesem Vortrag bereits konkrete Tatsachen für eine Voreingenommenheit. Frau M. hat in der Erstprüfung des Klägers im Fach "krankengymnastische Behandlungstechniken" die "Manuelle Therapie" geprüft und die Leistung des Klägers mit "5" bewertet. Aus dem dazu von ihr gefertigten Protokoll (Bl. 10 BA B) ergab sich u.a., dass der Untersuchungsgang mangelhaft war, der Kläger viel Hilfe brauchte, seine Technik falsch war, er die Theorie nicht wusste und die "Biomechanik" unklar war. Die Auffassung des Klägers, Frau M. habe ihn unzulässigerweise den theoretischen Hintergrund zu seiner praktischen Prüfung abgefragt, ist nicht geeignet, Zweifel an ihrer Neutralität zu begründen.

60

Die weiteren vom Kläger erhobenen Rügen begründen ebenfalls nicht die Annahme eines fehlerhaften Prüfungsverfahrens.

61

Ein Verfahrensfehler folgt nicht aus der Anwesenheit des Schulleiters in den Fächern, in denen er nicht als Prüfer bestellt war. Ein Verstoß gegen eine für praktische Prüfungen nicht gestattete Öffentlichkeit liegt nicht vor.

62

Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus dem Fehlen einer Regelung für die praktische Prüfung, wonach die Anwesenheit von Zuhörern - wie in § 13 Abs. 3 PhysTh-APrV für die mündliche Prüfung - gestattet werden kann, keine strenge Nichtöffentlichkeit dieses Prüfungsteils. Die Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 1 PhysTh-APrV, wonach jedes einzelne Fach der praktischen Prüfung von zwei Fachprüfern abgenommen und benotet wird, verbietet nicht die Teilnahme weiterer Personen. So ergibt sich etwa aus § 14 Abs. 2 Satz 2 PhysTh-APrV die nicht ausdrücklich geregelte zusätzliche Anwesenheit des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses. § 3 Abs. 4 PhysTh-APrV erlaubt außerdem das Entsenden von Sachverständigen oder Beobachtern zur Teilnahme an allen Prüfungsvorgängen und lässt damit eine Teil-Öffentlichkeit zu. Vergleichbar mit Schülern oder Studenten, die als Zuhörer in einer mündlichen Prüfung eine "beschränkte Öffentlichkeit" darstellen (vgl. Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rn. 371, 374), führt auch die Teilnahme des Schulleiters allenfalls dazu, dass eine beschränkte Öffentlichkeit hergestellt wird. Hiergegen bestehen keine Bedenken, sofern der Schulleiter ein berechtigtes Interesse an der Teilnahme hat und die für die Prüfung zuständigen Prüfer nicht unzulässig beeinflusst.

63

Ein berechtigtes Interesse des Schulleiters an seiner Teilnahme ergab sich hier, weil er für die Organisation des gesamten Prüfungsablaufes verantwortlich war, es sich um eine erneute Erstprüfung des Klägers handelte und voraussehbar war, dass es im Falle des Nichtbestehens zu einem Rechtsstreit kommen würde. Anhaltspunkte für eine Einflussnahme des Schulleiters auf die Bewertung der zuständigen Prüfer bestehen nicht und werden vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen. Allein der Umstand, dass ihm die Anwesenheit von Herrn G. unangenehm war, lässt nicht auf einen dadurch verursachten veränderten Prüfungsablauf und eine schlechtere Bewertung des Klägers in den einzelnen Fächern schließen.

64

Ein Verfahrensfehler ist auch nicht darin zu sehen, dass die Niederschriften über die Prüfungen in den beiden Fächergruppen teilweise nur aus Stichworten bestehen und nicht jede einzelne Prüfungsleistung sowie dazu gestellten Fragen und die Antworten des Klägers wiedergeben.

65

Prüfungsprotokolle sollen den Gang des Prüfungsverfahrens darstellen, um im Bedarfsfall Beweiszwecken dienen zu können. Mängel des Prüfungsprotokolls haben keinen selbständigen Einfluss auf das Prüfungsergebnis, weil die Bewertung der Prüfungsleistungen auf der Grundlage des tatsächlichen Prüfungsgeschehens und nicht anhand des Prüfungsprotokolls erfolgt (vgl. Niehues, a.a.O. Rn. 491). Ein fehlerhaftes und/oder unvollständiges Protokoll kann den Beweis des Prüfungshergangs beeinträchtigten. Ob ein Prüfungsprotokoll zu führen ist und welchen Mindestinhalt es haben muss, ergibt sich aus der jeweiligen Prüfungsordnung (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 25.7.1994, a.a.O., [...] Rn. 11).

66

Nach § 5 PhysTh-APrV ist über die Prüfung eine Niederschrift zu fertigen, aus der Gegenstand, Ablauf und Ergebnisse der Prüfung und etwa vorkommende Unregelmäßigkeiten hervorgehen. Diesen Anforderungen genügen die über die Prüfungen des Klägers gefertigten Niederschriften. Der allgemeine Grundsatz, dass das Rechtsstaatsgebot die Protokollierung von Fragen und Antworten in mündlichen Prüfungen nicht fordere (st. Rspr. seit BVerwG, Urt. v. 7.5.1971 - VII C 51.70 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 43), muss gleichermaßen für praktische Prüfungen gelten. Soweit der Kläger inhaltliche Mängel und die Unvollständigkeit des Prüfungsprotokolls beanstandet, kann dies allenfalls Auswirkungen bei der Überprüfung der Richtigkeit der Bewertung der Prüfungsleistungen haben.

67

Schließlich steht auch der abgefragte Prüfungsstoff entgegen der Auffassung des Klägers nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der Prüfungsordnung.

68

Ein Verfahrensfehler, der in der Regel für das Prüfungsergebnis erheblich ist und daher zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führt, ist anzunehmen, wenn der durch Gesetz oder Rechtsverordnung vorgegebene Rahmen des zugelassenen Prüfungsstoffs verlassen worden ist, und auch dann, wenn die Auswahl einzelner Themen oder Prüfungsinhalte den Zweck der Prüfung verfehlt, die Chancengleichheit verletzt oder die Prüfungsaufgabe aus anderen rechtlichen Gründen nicht oder jedenfalls so nicht zulässig ist (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 307).

69

Die Abfrage von theoretischem Hintergrundwissen als solche steht nicht im Widerspruch zum Inhalt einer praktischen Prüfung nach§ 14 PhysTh-APrV. Dass eine strikte Trennung schwer möglich ist, zeigt sich schon an der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 PhysTh-APrV, in der der "Theoretische und praktische Unterricht für Physiotherapeuten" unter Buchstabe A. gemeinsam aufgelistet ist. Während für die Fächergruppe nach § 14 Abs. 1 Nr. 1a PhysTh-APrV ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass drei spezifische Behandlungstechniken auszuführen und zu "erklären" sind, ergibt sich auch für das Fach "Bewegungserziehung" (§ 14 Abs. 1 Nr. 1b PhysTh-APrV: "anzuleiten") und für die Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV: "bewerten", "dokumentieren"), dass eine praktische Prüfung in der Physiotherapie ohne theoretische Erläuterungen nicht denkbar ist. Erläuterungen können aber nur gegeben werden, wenn theoretisches Hintergrundwissen vorhanden ist. Dieses Wissen muss gerade bei Prüfungen im medizinischen Bereich im Hinblick auf die zu schützende körperliche Unversehrtheit der künftigen Patienten hinreichend vorhanden sein (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.4.1996, a.a.O.). Ohne Kenntnis der Theorie ist die erfolgreiche und gefahrlose praktische Tätigkeit des Physiotherapeuten nicht möglich. Wenn ein Prüfling - wie der Kläger - in der praktischen Prüfung Schwächen zeigt, ist es gerade auch in seinem Interesse, wenn nachgefragt wird, um zu klären, ob bei ihm die erforderlichen theoretischen Kenntnisse vorhanden sind, und er sie ggf. nur durch die Aufregung in der Prüfungssituation nicht richtig umsetzen kann.

70

Soweit der Kläger außerdem hinsichtlich der Fächergruppe 3 beanstandet, es sei fehlerhaft, dass er im Fach 3.2 nur in Neurologie geprüft worden ist, hat er den Wortlaut von § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV nicht zutreffend erfasst. Nach dieser Vorschrift soll der Prüfling "an einem Patienten aus den medizinischen Fachgebieten Chirurgie oder Orthopädie sowie an einem Patienten aus den medizinischen Fachgebieten Innere Medizin, Neurologie, Gynäkologie oder Pädiatrie je eine Befunderhebung" durchführen. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Kommata zwischen "Innere Medizin" und "Neurologie" sowie zwischen "Neurologie" und "Gynäkologie" nicht als Ersatz für das Bindewort (Konjunktion) "und", sondern als Ersatz für das Bindewort "oder" zu verstehen. Hierfür ist maßgeblich, dass sich ein "oder" zwischen "Gynäkologie" und "Pädiatrie" befindet. Hätte der Verordnungsgeber eine zwingende Prüfung in jedem der drei erstgenannten medizinischen Fachgebieten gewollt und das "oder" nur auf Gynäkologie und Pädiatrie beziehen wollen, hätte er zwischen die Aufzählung der anderen Fächer statt der Kommata ein "und" oder "sowie" gesetzt. Die Formulierung "je" bezieht sich nicht auf die einzelnen in § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV genannten medizinischen Fachgebiete, sondern auf die Prüfungsfächer 3.1 und 3.2.

71

Die Bewertungen der Leistungen des Klägers in den Fächergruppen 1 und 3 der praktischen Erstprüfung im August 2007 mit "mangelhaft (5)" sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Benotung lässt Rechtsmängel nicht erkennen.

72

Hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte in prüfungsrechtlichen Streitverfahren ist zwischen Fachfragen und prüfungsspezifischen Wertungen zu unterscheiden. Bei Fachfragen hat das Gericht darüber zu befinden, ob die von dem Prüfer als falsch bewertete Lösung im Gegenteil richtig oder jedenfalls vertretbar ist. Unter Fachfragen sind alle Fragen zu verstehen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich sind. Dagegen steht den Prüfern ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum zu, soweit sie prüfungsspezifische Wertungen treffen müssen. Dem liegt das Gebot der vergleichenden Beurteilung von Prüfungsleistungen zugrunde, das letztlich aus dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit herzuleiten ist. Prüfer müssen bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Prüfungspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben. Prüfungsnoten dürfen daher nicht isoliert gesehen werden. Ihre Festsetzung erfolgt in einem Bezugssystem, das von den persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird. Die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegen, lassen sich nicht regelhaft erfassen. Eine gerichtliche Kontrolle würde insoweit die Maßstäbe verzerren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 -, BVerfGE 84, 34, 50 ff.).

73

Soweit den Prüfern danach ein Bewertungsspielraum verbleibt, hat das Gericht lediglich zu überprüfen, ob die Grenzen dieses Spielraums überschritten worden sind, weil die Prüfer etwa von falschen Tatsachen ausgegangen sind, allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.10.1993 - 6 C 12/92 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320). Zu diesen prüfungsspezifischen Fragen, die der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen bleiben, gehören insbesondere die Benotung, die Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung und die Würdigung der Qualität der Darstellung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.12.1997 - 6 B 55/97 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 385).

74

Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die getroffene Bewertung der Leistungen des Klägers in den Fächergruppen 1 und 3 nicht als fehlerhaft. Der Kläger kann mit seinen im Widerspruchsverfahren nach Einsicht in das Prüfungsprotokoll erhobenen Einwendungen, die er im gerichtlichen Verfahren überwiegend nur wiederholt, aber nicht weiter vertieft hat, nicht durchdringen. Die Prüfer sind in ihren im Februar 2008 abgegebenen Stellungnahmen, die die Landesschulbehörde in den Gründen ihres Widerspruchsbescheids vom 10. März 2008 zusammengefasst hat, auf die Rügen des Klägers eingegangen und haben erläutert, weshalb sie die Leistungen des Klägers nicht besser benotet haben. Danach sind die Prüfer bei der Bewertung weder von falschen Tatsachen ausgegangen, noch haben sie allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze verletzt oder sachfremde Erwägungen angestellt. Sie haben auch richtige oder vertretbare Leistungen des Klägers nicht als falsch bewertet.

75

Die Benotung der Prüfung im Fach 3.2 "KG-Neurologie (Diagnose: Zustand nach appoplex links)" mit "mangelhaft (5)" ist rechtsfehlerfrei.

76

Der Kläger hat bei dem Patienten, der einen Schlaganfall erlitten hatte, statt einer entspannenden Massage eine profunde Massage mit Tiefenfriktion ausgeführt. Dies ergibt sich aus dem Prüfungsprotokoll und aus der Stellungnahme des Prüfers I. im Widerspruchsverfahren vom 10. Februar 2008. Her I. hat darin ausgeführt, dass an der Hand- und Fingerhaltung zu erkennen ist, ob eine Tiefenfriktion (kreisende Bewegungen mit dem Daumen und den Fingerkuppen) oder eine entspannende Massage (Streichen und Kneten mit großflächigem Handeinsatz) durchgeführt wird. Diese Erläuterung von Herrn I., nach der sowohl die Handhaltung als auch die "sichtbare Intensität inkl. der Durchführungsgeschwindigkeit" die Tiefenfriktion erkennen ließen, hat der Kläger lediglich pauschal damit bestritten, dass eine Intensität niemals sichtbar sein könne, sondern nur für den Patienten spürbar sei. Dem Argument, dass die jeweilige Massageart durch einen bestimmten Hand- und Fingereinsatz optisch zu unterscheiden ist, hat er sachlich nichts entgegengesetzt. Dass zumindest ein erfahrener Physiotherapeut - zu denen die beiden Prüfer I. und G. unstreitig gehören - in einer Prüfung erkennt, welche Art der Massage der Prüfling durchführt, ist plausibel.

77

Der Anregung des Klägers, den damals behandelten Patienten als Zeugen dazu zu hören, dass er keine Tiefenfriktion, sondern eine oberflächliche Petrisage durchgeführt hat, ist deshalb nicht nachzugehen. Es handelt sich insoweit um nicht mehr als einen "Beweisermittlungsantrag", weil das Vorbringen dazu dienen soll, eine unsubstantiierte Behauptung zu stützen, die erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und auf sie entkräftende Gegenbehauptungen nicht eingeht (vgl. Senatsbeschl. v. 3.11.2006 - 8 LA 105/06 -).

78

Die Prüfer haben die mangelhafte Bewertung des Fachs "KG-Neurologie" außerdem in nicht zu beanstandender Weise damit begründet, dass der Kläger entgegen seinem Behandlungsplan das Trampolin nicht eingesetzt hat. § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV schreibt vor, dass der Prüfling eine Befunderhebung durchzuführen, zu bewerten, zu dokumentieren und den Therapieplan mit Behandlungsziel und Behandlungsschwerpunkt zu erstellen sowie auf dieser Grundlage geeignete Behandlungstechniken durchzuführen hat. Der Kläger hat in seinem Behandlungsplan als eine von drei Maßnahmen das Trampolin "zur Koordination und Kräftigung" (Bl. 26 BA A) gewählt. Er hat dieses Gerät dann aber doch nicht eingesetzt, weil der Patient geäußert hat, er wolle nicht auf das Trampolin und der Kläger die Genesung des Patienten durch eine Stressituation nicht gefährden wollte. Der Prüfer I. hat dazu nachvollziehbar ausgeführt, der Allgemein- sowie der Krankheitszustand des Patienten habe sich zwischen Befund- und Behandlungszeitpunkt nicht verändert; vielmehr habe der Kläger den Trampolineinsatz von vornherein nicht patientengerecht gewählt. Nach den Aufzeichnungen im Verwaltungsvorgang hat der Kläger erst am Tag der Prüfung, dem 21. August 2007, den Befund erhoben und den Behandlungsplan erstellt (Bl. 22-35 BA A), so dass die Kritik des Prüfers sachlich gerechtfertigt ist. Damit hat der Kläger die Vorgaben und das Ziel der Aufgabe nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV nicht erfüllt. In Verbindung mit der kontraindizierten Tiefenfriktion lässt die Benotung mit "5" keinen Bewertungsfehler erkennen.

79

Die Bewertung des Prüfungsfachs Nr. 3.1 "KG-Chirurgie" (Diagnose: HüftTEP postoperativ 9. Tag) mit der Note "mangelhaft (5)" ist ebenfalls nicht fehlerhaft.

80

Der Kläger hat im Widerspruchsverfahren vorgetragen, die Bemerkung der Prüferin K. im Prüfungsprotokoll, dass eine Mobilisation in der Flexion und Extension weder passiv noch aktiv stattgefunden hat, treffe nicht zu. Er habe die Mobilisation des Hüftgelenks durchgeführt, wobei denkbar sei, dass er "konsensuell" gearbeitet habe, indem das nicht betroffene Hüftgelenk mobilisiert werde, um eine Regeneration des betroffenen Hüftgelenks zu erreichen. Entgegen der Bemerkungen im Protokoll habe er auch eine Gangschule durchgeführt und diese mit Korrekturen versehen. Er habe die Patientin beim Treppenhinaufsteigen dorsolateral und beim Hinabsteigen ventrolateral gesichert. Auch bestreite er, dass er - wie es im Prüfungsprotokoll vermerkt sei - der Patientin zur Steigerung der Belastung die Stützen habe wegnehmen wollen.

81

Die Prüferin K. hat hierzu in ihrer Stellungnahme ausgeführt, Ziel der Prüfung sei es gewesen, einen aussagekräftigen, vollständigen Langbefund mit nachfolgender Behandlung zu erstellen und auszuführen. Der Befund des Klägers sei unvollständig gewesen, und Messwerte, die wesentlich seien, hätten gefehlt. Der Kläger habe keinen Hauptschwerpunkt gesetzt und bei der anschließenden Übungssequenz auf der Treppe die Patientin nicht ventral beim Hinabgehen gesichert, sondern seitlich gestanden. Herr Dr. F. und sie hätten dem Kläger noch die Möglichkeit gegeben, die fehlenden Messwerte zu ermitteln. Diese Möglichkeit habe er ungenutzt gelassen und der Patientin stattdessen Informationen zu Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) gegeben. Die Aussage zur Wegnahme der Stützen sei so wie im Protokoll vermerkt gefallen und habe auch nicht anders interpretiert werden können.

82

Die Zweitprüferin U. hat in ihrer Stellungnahme vom 13. Februar 2008 ausführlich dargestellt, dass in der Befunderhebung des Klägers wichtige Details für die Behandlung einer HüftTEP (künstliches Hüftgelenk) am 9. postoperativen Tag gefehlt hätten. Zu diesen Details hätten die Ganganalyse, die Winkelmessung zur Ermittlung der Gelenkbeweglichkeit am operierten und nicht operierten Bein sowie eine Kraftermittlung gehört. Die Antwort des Klägers, er habe die Messungen nicht durchgeführt, weil sie für die Patientin nicht wichtig gewesen seien, sei aus fachlicher Sicht falsch. Auch die Zweitprüferin beanstandet, dass der Kläger als Hauptschwerpunkt nicht die Mobilisation und Stabilisation des operierten Beines und Schulung eines normalen Gangbildes herausgearbeitet habe. Hüftextension und Mobilisierung des nicht operierten Beines hätten eine unklare Zielsetzung gehabt. Dass die operierte Extremität mobilisiert werden musste, hätte der Kläger erkannt, wenn er im Rahmen der Befunderhebung das Bewegungsausmaß der Patientin gemessen hätte. Die Korrekturen des Klägers im Rahmen der Gangschule seien nicht richtig gewesen, was auf die in der Befunderhebung fehlende Ganganalyse zurückzuführen sei. Außerdem seien die Stützen zu hoch und damit falsch eingestellt gewesen. Der Kläger habe die Höhe auch auf Nachfrage nicht geändert. Beim Treppensteigen habe der Kläger die Patientin mangelhaft gesichert sowie auf- und abwärts jeweils zu weit entfernt und in der falschen Position gestanden. Bei der Frage nach den Nahzielen in der Gangschule habe er geantwortet, dass die Stützen, wenn es am nächsten Tag gut klappen würde, komplett weggenommen werden könnten.

83

Nach diesen übereinstimmenden Stellungnahmen lässt die Benotung des Klägers im Fach 3.1. "KG-Chirurgie" mit "5" die Verletzung allgemein anerkannter Bewertungsgrundsätze nicht erkennen. Die Prüferinnen haben nicht nur Befund und Behandlungsplan als mangelhaft eingestuft, weil wichtige Messungen fehlten die für eine patienten- und krankheitsbildbezogene Behandlung erforderlich gewesen wären, sondern auch die zusätzlich genannten Fehler für gravierend gehalten. Entgegen der Auffassung des Klägers sind sie dabei nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.

84

Soweit er meint, er habe das nicht betroffene Hüftgelenk mobilisiert, um eine Regeneration im Bereich des betroffenen Hüftgelenks zu erreichen, und hierzu anregt, die damalige Patientin als Zeugin zu vernehmen, handelt es sich um ein ungeeignetes Beweismittel. Dass der Kläger das nicht operierte Bein mobilisiert hat, ist unstreitig. Die entscheidende Frage, ob diese Behandlung medizinisch indiziert war, ist dem Zeugenbeweis nicht zugänglich. Der Kläger hat nur pauschal ausgeführt, das "konsensuelle" Arbeiten sei "denkbar" und für dieses Krankheitsbild nicht "abwegig". Demgegenüber haben beide Prüferinnen darauf verwiesen, bei vorheriger Messung hätte der Kläger erkannt, dass hier die operierte Extremität mobilisiert werden musste. Da der Kläger unstreitig diese Messungen nicht durchgeführt hat, weil er sie bei dieser Patientin für nicht erforderlich hielt, stellt sich auch nicht die Frage, ob seine Behandlung noch vertretbar war.

85

Soweit der Kläger anregt, die behandelte Patientin als Zeugin für die Durchführung einer Gangschule mit Korrekturen und für die korrekte Sicherung beim Treppensteigen zu hören, ist der Zeugenbeweis auch ungeeignet. Ob der Kläger die Gangschule korrekt durchgeführt hat, kann die Patientin nicht beurteilen. Sie kann lediglich wiedergeben, dass der Kläger mit ihr eine Gangschulung gemacht hat. Dass diese nach den Ausführungen der Prüferinnen mangels vorheriger Ganganalyse nicht richtig durchgeführt worden ist, konnte nur von den Prüferinnen aufgrund ihrer Fachkunde erkannt werden. Ob der Kläger sie beim Treppensteigen ausreichend gesichert hat, kann die Zeugin ebenfalls nicht beurteilen. Sie kann allenfalls angeben, ob der Kläger vor, hinter oder seitlich von ihr gegangen ist und sie sich von ihm ausreichend gesichert "gefühlt" hat. Ob er tatsächlich aus fachlicher Sicht zu weit von ihr entfernt war, um sie ausreichend zu sichern, können wiederum nur die Prüferinnen aufgrund ihrer Fachkenntnisse und Erfahrungen beurteilen.

86

Auch ein Zeugenbeweis dazu, dass der Kläger der Patientin in der Prüfung nicht die Stützen wegnehmen wollte, ist nicht einzuholen, denn diese Behauptung kann als wahr unterstellt werden. Im Protokoll und in ihrer Stellungnahme im Verwaltungsverfahren hat die Prüferin U. die Aussage des Klägers jeweils wörtlich wiedergegeben: "Wenn es morgen gut klappt, kann man auch die Stützen komplett wegnehmen." Dass der Kläger diese Aussage auf den nächsten Tag bezogen hat, hat er selbst nicht bestritten. Da seine Antwort der von Frau U. aufgezeigten Regel widerspricht, dass die Patienten während der gesamten Zeit ihrer Rehabilitation mit Stützen versorgt sein und diese benutzen müssen, ist die Antwort falsch und macht den Vorwurf der Prüferinnen, der Kläger handele fahrlässig, ebenso wie die Gesamtnote mit "mangelhaft (5)" nachvollziehbar.

87

Die Bewertung des Prüfungsfachs 1a.3 "Atemtherapie" als eine von drei krankengymnastischen Behandlungstechniken (§ 14 Abs. 1 Nr. 1a PhysTh-APrV) ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

88

Soweit der Kläger für dieses Fach hauptsächlich beanstandet, aus dem Protokoll gehe keine Diagnose hervor und der Fachprüfer O. habe statt einer Protokollführung nur Wörter wie "nicht adäquat" und "nur passiv gezeigt" notiert, hat Herr O. in seiner Stellungnahme im Verwaltungsverfahren vom 6. Februar 2008 den Verlauf der Prüfung im Einzelnen dargestellt und dabei auch auf die ausführlicheren Mitschriften der Zweitprüferin U. verwiesen. So hat er zunächst klargestellt, dass der Kläger kein Krankheitsbild behandeln musste, und die Prüfungsaufgabe, die der Kläger für das Fach aus einem verdeckt vor ihm liegenden Stapel mit Prüfungsaufgaben gezogen hatte, vorgelegt (Bl. 116 BA A). Die Aufgabe bestand darin, die Rückendrehlage, die Bauchdrehlage und die C-Lage zu zeigen. Insgesamt habe der Kläger wesentliche theoretische Inhalte dazu nicht gewusst, die Rückendrehlage falsch umgesetzt und alle drei praktischen Aufgaben nicht korrekt, selbständig und in angemessener Zeit lösen können. Da er den Patienten nicht aktiviert, sondern passiv gelagert habe, habe der Kläger den Sinn der Drehdehnlagerungen nicht erfasst. Die Zweitprüferin U. hat in ihrer Stellungnahme vom 13. Februar 2008 ebenfalls die drei Aufgabenteile beschrieben, wonach der Kläger die nachgefragten Drehdehnlagen nur zögernd, mit viel Hilfe und überwiegend nicht korrekt gezeigt habe. Nach diesen in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Stellungnahmen ist nicht verständlich, dass der Kläger auch weiterhin das Fehlen einer Diagnose beanstandet. Dies lässt den Schluss zu, dass er die Aufgabe sowie Sinn und Zweck der Drehdehnlagerungen nicht richtig verstanden hat und zu Recht dafür mit "mangelhaft (5)" bewertet worden ist.

89

Die Bewertung des Prüfungsfachs 1a.2 "Manuelle Therapie" (Diagnose: Beweglichkeitseinschränkung im Handgelenk) nach § 14 Abs. 1 Nr. 1a PhysTh-APrV ist ebenfalls rechtsfehlerfrei.

90

Der Kläger meint, im Protokoll komme allein zum Ausdruck, dass seine Grifftechnik nicht richtig gewesen sei. Eine unkorrekte Grifftechnik mache die Durchführung der manuellen Therapie aber nicht unmöglich, sondern führe nur dazu, dass sie unsauber durchgeführt werde. Da sich hieraus keine Patientengefährdung ergebe, sei die Bewertung mit "mangelhaft" unzutreffend.

91

Unstreitig ist damit, dass der Kläger eine falsche Grifftechnik angewandt hat. Soweit der Prüfer I. in seiner Stellungnahme vom 10. Februar 2008 betont hat, eine unkorrekte Grifftechnik mache die manuelle Therapie unmöglich, erscheint dies plausibel und rechtfertigt die Note "mangelhaft". Darauf, dass eine unkorrekte Grifftechnik nicht zu einer Patientengefährdung führt, kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Der Anregung des Klägers, hierüber ein Sachverständigengutachten einzuholen, braucht nicht nachgegangen zu werden, weil das Beweisthema sich auf nicht entscheidungserhebliche Tatsachen bezöge. Wie eine falsche Grifftechnik im Rahmen einer Prüfung, die nach § 14 Abs. 1 Nr. 1a PhysTh-APrV gerade zum Gegenstand hat, spezifische krankengymnastische Behandlungstechniken am Probanden auszuführen und zu erklären, bewertet wird, unterliegt dem Entscheidungsspielraum der Prüfer. Einen allgemeinen Bewertungsgrundsatz, dass bei Prüfungen im medizinischen Bereich die Note "mangelhaft" nur bei Leistungen des Prüflings erteilt werden darf, die eine Patientengefährdung zur Folge haben, gibt es schon deshalb nicht, weil Fehler bei der medizinischen Behandlung von Patienten grundsätzlich nicht tolerierbar sind und dem Erfordernis einer hinreichenden Qualifikation für die Berufsausübung im medizinischen Bereich widersprechen (BVerwG, Beschl. v. 11.4.1996, a.a.O.). Dass die Prüferin M. eine Stellungnahme im Widerspruchsverfahren nicht verfasst und ihre Bewertung damit nicht nochmals überdacht hat, ist angesichts des Umstands, dass der Kläger die unkorrekte Grifftechnik selbst eingeräumt hat, unschädlich, zumal es zwischen ihrem und dem Protokoll von Herrn I. sowie dessen Stellungnahme keine inhaltlichen Unterschiede gibt.

92

Auch bei der Bewertung des Prüfungsfachs 1a.1 "Brügger-Therapie" nach § 14 Abs. 1 Nr. 1a PhysTh-APrV finden sich keine Rechtsfehler.

93

Der Kläger meint, die Bewertung mit "ausreichend (4)" sei anhand des Protokolls nicht nachvollziehbar. Dort sei nur notiert, dass die Theorie mit sehr viel Hilfe und zum Teil schleppend erklärt worden sei; die Praxis sei besser gewesen, im Wesentlichen aber schwach. Die Zweitprüferin V. hat in ihrer Stellungnahme vom 19. Februar 2008 (Bl. 101 BA A) dazu erläutert, Teil 1 der Prüfung habe daraus bestanden, die AKH (aufrechte Körperhaltung) im Rahmen der Brügger-Therapie zu erklären und praktisch an einem Probanden zu demonstrieren. Für die Beantwortung seien 10 Bausteine zu benennen, welche den jeweiligen Körperabschnitt in einer bestimmten Stellung beschreiben. Der Kläger habe nur die Hälfte aller Bausteine - und auch nicht chronologisch - benennen können. Trotz Hilfe durch die Prüferin K. sei bei der praktischen Ausführung am Probanden deutlich geworden, dass das Basiswissen nicht sicher abrufbar sei. Teil 2 der Prüfung habe daraus bestanden, die "globale Dekontraktion" zu erläutern und zu demonstrieren. Der Kläger habe die Grundzüge falsch wiedergegeben; das fehlende Wissen habe sich auch in der Anwendung am Probanden gezeigt. Die Stellungnahme der Prüferin K. vom 13.02.2008 (Bl. 99 BA A) enthält vergleichbare Erläuterungen, die ebenfalls erkennen lassen, dass die Bewertung mit "4" sogar wohlwollend getroffen worden ist.

94

Schließlich ist auch die Bewertung des Fachs 1.b "Bewegungserziehung" (§ 14 Abs. 1 Nr. 1b PhysTh-APrV), Diagnose: Morbus Parkinson, Schwerpunkt: Keulen, nicht rechtsfehlerhaft. Insbesondere sind die Prüfer nicht von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen.

95

Entgegen der Auffassung des Klägers findet sich in den Protokollen beider Prüfer kein Widerspruch, der die Benotung mit "5" in Frage stellen kann. Die Erstprüferin P. hat protokolliert, dass die Behandlungskeulen erst nach Aufforderung eingesetzt wurden. Diese Bemerkung steht nicht im Widerspruch dazu, dass die Keulen nach Auffassung des Zweitprüfers G. nicht genügend vorbereitet waren (bei genügender Vorbereitung wären sie möglicherweise ohne Aufforderung zum Einsatz gekommen). Aus der ergänzenden Stellungnahme von Frau P. vom 14. Februar 2008 folgt, dass sie die Leistung des Klägers mit "mangelhaft" bewertet hat, weil der Kläger die Behandlungskeulen nicht in einer für das Krankheitsbild typischen Form eingesetzt sowie auch auf Nachfrage die Behandlung der Patienten in ungeeigneter Weise fortgeführt habe und weder ein strukturierter Aufbau noch eine adäquate Übungsauswahl zu erkennen gewesen sei. Hinzu kämen noch Bemerkungen wie "ich könnte denen ein Bein stellen" oder "sonst kippen die Patienten um". Dass er die Formulierung "Bein stellen" im Zusammenhang mit der Frage nach der Auslösung einer Bewegung bei Parkinson-Patienten verwendet hat, bestreitet der Kläger nicht, er meint nur, die Prüfer hätten nicht berücksichtigt, dass er ausdrücklich gesagt habe, dies beziehe sich auf den Fall, dass er kein anderes Hindernis zur Verfügung habe. Dazu hat der Prüfer G. in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2008 ausgeführt, das Therapeutenbein als Hindernis auch zur Auslösung eines "Kick-Starts" vor das Bein eines Parkinson-Patienten zu stellen, sei durch nichts gerechtfertigt und deshalb kontraindiziert. Wie bereits oben im Zusammenhang mit der gerügten Befangenheit des Prüfers G. ausgeführt, ist auch für einen medizinischen Laien nachvollziehbar, dass ein Therapeutenbein als Hindernis nicht nur einen Sturz auslösen, sondern auch Vertrauen zerstören kann. Eine kontraindizierte Behandlung rechtfertigt eine Bewertung mit "mangelhaft".

96

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Prüfer die praktischen Leistungen des Klägers zutreffend bewertet haben. Die vom Kläger hervorgehobenen guten Noten in seinen Praktika sind für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich und deshalb nicht geeignet, Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Bewertungen der praktischen Prüfungen mit "mangelhaft" und "ausreichend" zu begründen.

97

Der Kläger ist deshalb darauf zu verweisen, nicht nur im schriftlichen und mündlichen Teil, sondern auch im praktischen Teil der Physiotherapeutenprüfung eine Wiederholungsprüfung (vgl. § 7 Abs. 3 PhysTh-APrV) durchzuführen. Die Frist von zwölf Monaten nach § 7 Abs. 4 Satz 4 PhysTh-APrV, innerhalb derer die Wiederholungsprüfung abgeschlossen sein muss, beginnt mit der Rechtskraft dieses Urteils zu laufen.