Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.06.2002, Az.: 13 Sa 56/02
Sicherung von tariflichen Rechten bei Wiedereinstellung in ein Unternehmen des DB-Konzerns
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 18.06.2002
- Aktenzeichen
- 13 Sa 56/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 10770
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2002:0618.13SA56.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 05.09.2001 - AZ: 1 Ca 131/01
- nachfolgend
- BAG - 10.03.2005 - AZ: 6 AZR 428/04
Rechtsgrundlage
- § 4 SiTV-Bahntrans
Amtlicher Leitsatz
Bei Wiedereinstellung in ein Unternehmen des DB-Konzerns leben nach § 4 SiTV-Bahntrans nicht alle tariflichen Rechte wieder auf, die beim Wechsel zur Bahntrans bestanden haben. Gesichert sind nur die tariflichen Rechte, die bei lückenlosem Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Unternehmen des DB-Konzerns im Zeitpunkt der Wiedereinstellung noch bestanden hätten.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.09.2001, 1 Ca 131/01, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Der Kläger begehrt für April 2000 bis Juli 2001 eine monatliche Ausgleichszahlung in Höhe von 671,00 DM für Gedingeverdienst.
Der Kläger, der tarifgebunden ist, war von November 1973 bis September 1995 bei der Deutschen Bundesbahn/DB AG beschäftigt aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 01.11.1973 (Bl. 7 d.A.). Mit Arbeitsvertrag vom 13.09.1995 (Bl. 8 ff. d.A.) begründete er ein Arbeitsverhältnis mit der Firma B GmbH, die inzwischen als A GmbH firmiert (im Folgenden: B ). B kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31.08.1999 zum 31.03.2000 aus dringenden betrieblichen Gründen. Der Kläger begründete sodann gemäß Arbeitsvertrag vom 15.03.2000 zum 01.04.2000 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, der DB A GmbH. Dieses Arbeitsverhältnis endete zum 31.07.2001, die Beklagte befindet sich derzeit in Liquidation. Seit August 2001 ist der Kläger Arbeitnehmer der DB V GmbH.
Im Arbeitsverhältnis mit der B, für das die Tarifverträge des privaten Verkehrsgewerbes vereinbart waren, hatte der Kläger einen Bruttomonatslohn von anfänglich 4.185,00 DM vereinbart, darin enthalten waren als Abgeltung für Gedinge 677,00 DM. Die Beklagte zahlte keinen Ausgleich für Gedinge.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf B habe er einen tariflichen Anspruch auf Lohnsicherungszulage gemäß § 17 Abs. 3 LTV-Deutsche Bundesbahn gehabt. Nach § 4 des Tarifvertrages zur Sicherung der nach § 613 a BGB zur B GmbH übergehenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (SiTV-B ) habe er Anspruch auf Wiedereinstellung bei einem Unternehmen des DB-Konzerns gehabt. Nach Absatz 2 der Vorschrift würden bei Wiedereinstellung im DB-Konzern, hier bei der Beklagten, die im Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses bestehenden tariflichen Rechte wieder aufleben. Damit habe er gegen die Beklagte zum Ausgleich des Gedingeverdienstes Anspruch auf die Lohnsicherungszulage. Andere Arbeitnehmer, die zur DB C. gewechselt seien, hätten diesen Anspruch für die Dauer von 3 Jahren bekommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 10.832,00 brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf DM 4.739,00 seit dem 30.10.2000, auf DM 677,00 brutto seit Rechtshängigkeit sowie auf DM 5.416,00 seit heute.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, für den geltend gemachten Anspruch bestehe keine Anspruchsgrundlage, im Übrigen hat sie den Anspruch der Höhe nach bestritten. Für andere Arbeitnehmer, die nicht zwischenzeitlich zur B gewechselt seien, sondern zu anderen Gesellschaften des DB-Konzerns, bestehe kein Anspruch auf Gedingezulage mehr, diese hätten die Zulage nur für 36 Monate erhalten. Über den Umweg der Beschäftigung bei B könne deshalb der Anspruch nicht neu entstehen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt der Kläger vor, nach § 4 Abs. 2 SiTV-B solle er im Falle der Wiedereinstellung so gestellt werden wie zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der ursprünglichen DB AG. Die Rechte der Arbeitnehmer sollten gesichert werden und bei Wiedereinstellung wieder aufleben. Die nachfolgende tarifliche Entwicklung könne nicht zum Wegfall dieses Anspruches führen.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.09.2001 - Az.: 1 Ca 131/01 - aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.832,00 DM/ 5.538,31 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG auf einen Betrag in Höhe von 4.739,00 DM/2.423,01 EUR seit dem 30.10.2000, auf einen Betrag in Höhe von 677,00 DM/346,14 6 brutto seit Rechtshängigkeit sowie auf einen Betrag in Höhe von 5.416,00 DM/ 2.769,16 EUR seit dem 05.09.2001 zu zahlen.
Die Beklagte wiederholt ihre erstinstanzlich geäußerte Rechtsauffassung und verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Auf den Inhalt der Berufungserwiderung wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Gedinge-Ausgleichszulage gegen die Beklagte ab 01.04.2000 besteht nicht.
Der Arbeitsvertrag und der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB A GmbH begründen einen solchen Anspruch nicht, so dass als Anspruchsgrundlage nur § 4 Abs. 2 SiTV-B in Betracht kommt. § 4 Abs. 1 SiTV-B, gewährt den zur B GmbH gewechselten Arbeitnehmern bei betriebsbedingten Kündigungen für die Zeit vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2003 einen Anspruch auf Wiedereinstellung in den DB-Konzern. Zu den Arbeitsbedingungen, die bei Wiedereinstellung tarifvertraglich abgesichert sind, bestimmt Abs. 2:
Bei Wiedereinstellung leben die zum Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer bestehenden tariflichen Rechte - in der dann geltenden Fassung - wieder auf.
Diese tarifliche Vorschrift ist nach Wortlaut und Sinn und Zweck auszulegen. Bereits der Wortlaut ("in der dann geltenden Fassung") ergibt, dass die im Zeitpunkt des Übergangs zu B bestehenden Rechte bei Wiedereinstellung nicht unverändert wieder aufleben, sondern nur in der dann bestehenden tariflichen Fassung. Der Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, dass erworbene tarifliche Rechte erhalten bleiben und gesichert werden nach Maßgabe der zwischenzeitlich erfolgten Tarifentwicklung. Für das Entgelt bedeutet diese Vorschrift, dass eine Entgeltsicherung für den Fall der Wiedereinstellung eintreten soll. Durch den zwischenzeitlich erfolgten Wechsel zu B sollen erworbene tarifliche Rechte nicht entfallen, sondern im Falle der Wiedereinstellung wieder aufleben. Die Wiedereinstellung wird damit nicht als Neueinstellung behandelt, sondern als Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses mit Absicherung gegen finanzielle Nachteile (BAG vom 10.08.2000, 6 AZR 134/99, AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Deutsche Bahn, zu § 3 ÜTV).
§ 4 Abs. 2 SiTV-B sichert nicht das Entgelt für den Übergang zur B, dieser Arbeitgeberwechsel war abgesichert nach § 3 SiTV-B, § 4 Abs. 2 SiTV-B regelt die Wiedereinstellung und sichert die tariflichen Rechte "in der dann geltenden Fassung". Daraus folgt, dass nicht alle tariflichen Rechte, die beim Wechsel zur B bestanden haben, wieder aufleben. Gesichert sind nur die Rechte, die auch bei lückenlosem Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Unternehmen des DB-Konzerns im Zeitpunkt der Wiedereinstellung noch bestanden hätten.
Ein tariflicher Anspruch des Klägers auf eine Gedinge-Ausgleichszulage bestand am 01.04.2000 aber nicht mehr.
Der Kläger war ursprünglich im Gedingelohn und damit im Leistungslohn gemäß §§ 6 Abs. 2, 14 LTV-Deutsche Bundesbahn beschäftigt. Er hat mit Wegfall des Gedingelohnes gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 2 LTV-Deutsche Bundesbahn einen Anspruch auf die Leistungslohnausgleichszulage, Zulage L, erworben. Dieser Anspruch bestand gemäß § 23 ÜTV auch nach dem erfolgten Wechsel von der Deutschen Bundesbahn zur DB AG. Bei der Zulage L handelte es sich jedoch nicht um eine zeitlich unbefristet zu zahlende Zulage, sondern um eine zeitlich begrenzte Zulage. Im Falle des Klägers war die Zulage gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 4 c LTV-Deutsche Bundesbahn begrenzt auf 36 Monate. Dieser Zeitraum war am 01.04.2000 bereits lange abgelaufen, weil er spätestens mit Wechsel zur B am 01.10.1995 begann.
B hat im Übrigen diese Zulage als Teil des arbeitsvertraglich vereinbarten Bruttolohnes gemäß § 2 des Arbeitsvertrages gezahlt.
Auch durch die nachfolgenden, den LTV-Deutsche Bundesbahn ablösenden Tarifverträge ist kein Zulagenanspruch Gedingelohnausgleich entstanden, der am 01.04.2000 noch begründet war. In dem ab 01.07.1995 gültigen Zulagentarifvertrag (ZTV) findet sich in § 10 Abs. 2 ZTV eine Nachfolgeregelung für § 17 Abs. 3 Nr. 2 LTV-Deutsche Bundesbahn, wie sich aus der Protokollnotiz ergibt. Auch diese Zulage RP ist zeitlich begrenzt auf 28 Monate. Dieser Entgeltsicherungszeitraum nach § 10 Abs. 2 ZTV war am. 01.04.2000 bereits seit langem abgelaufen.
Schließlich ergibt sich kein Anspruch aus der Übergangsregelung des § 10 a ZTV. Hätte das Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen des DB-Konzerns fortbestanden, hätte der Kläger möglicherweise die Anspruchsvoraussetzungen der Zulage ZÜL gemäß Abs. 1 erfüllt, er hätte Anspruch auf die Zulage RP gehabt. Allerdings greift hier die Ausnahmevorschrift des § 10 a Abs. 1 Nr. 4 ZTV. Nach dieser Vorschrift wird bei nicht nur vorübergehendem, also bei auf Dauer angelegtem Wechsel des Arbeitsplatzes nur die zeitlich begrenzte Zulage RP gemäß § 10 Abs. 2 ZTV gewährt, berechnet in Höhe der Zulage ZÜL. Mit dem Halbsatz "es sei denn ..." formuliert der Tarifvertrag die Gegenausnahme: Anspruch auf die Zulage ZÜL besteht, wenn der neue Arbeitsplatz ein solcher ist, für den am 31.10.1997 ein Leistungslohnverfahren nach § 10 Abs. 1 a ZTV gegolten hat. Zur Auslegung des § 10 a Abs. 1 Nr. 4 ZTV wird ergänzend verwiesen auf BAG vom 16.05.2001, 10 AZR 492/00; www.Bundesarbeitsgericht.de. Der Kläger war am 31.10.1997 umgesetzt zur B, und zwar nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer. Die Gegenausnahme greift nicht, er hatte am 31.10.1997 und am 01.11.1997 einen Arbeitsplatz inne, für den ein Leistungslohnverfahren nach § 10 Abs. 1 a ZTV nicht gegolten hat. Nach § 10 a Abs. 1 Nr. 4 ZTV hatte er damit nur Anspruch auf die zeitlich befristete Zulage RP.
Dieser Anspruch bestand aber am 01.04.2000 nicht mehr.
Da die Berufung zurückzuweisen war, trägt der Kläger die Kosten des Rechtsmittels, § 97 ZPO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 3 ZPO. Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.538,31 EUR festgesetzt.