Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.06.2013, Az.: 8 LA 155/12

Schwerer Verstoß gegen eine wesentliche Berufspflicht bei Ausnutzung eines bestehenden Vertrauensverhältnisses zum Nachteil eines zu pflegenden Menschen durch einen Krankenpfleger oder eine Krankenschwester

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.06.2013
Aktenzeichen
8 LA 155/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 39201
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0617.8LA155.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 13.06.2012 - AZ: 5 A 3/12

Fundstellen

  • DÖV 2013, 740
  • GesR 2013, 530
  • GewArch 2013, 451-453
  • NJW 2013, 3462-3464

Amtlicher Leitsatz

Nutzt ein Krankenpfleger oder eine Krankenschwester ein bestehendes Vertrauensverhältnis zum Nachteil eines zu pflegenden Menschen aus oder verletzt dieses in erheblicher Weise, liegt hierin regelmäßig ein schwerer Verstoß gegen eine wesentliche Berufspflicht.

Gründe

Die Anträge der Klägerin auf

Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses ihre Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 26. Januar 2011 über den Widerruf der der Klägerin erteilten Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenschwester" abgewiesen hat,

und auf

Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren

haben keinen Erfolg.

Die Klägerin hat ihren Antrag auf Zulassung der Berufung auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützt. Diese Zulassungsgründe sind zum Teil schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden und liegen im Übrigen nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (vgl. Senatsbeschl. v. 11.2.2011 - 8 LA 259/10 -, [...] Rn. 3). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543).

Die Klägerin wendet gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ein, das Verwaltungsgericht sei unter Berücksichtigung des dem Strafurteil des Landgerichts Lüneburg vom 7. Oktober 2010 zugrunde liegenden Fehlverhaltens der Klägerin zu Unrecht davon ausgegangen, sie biete auch künftig nicht die hinreichende Gewähr für eine ordentliche Erfüllung der berufsbezogenen Pflichten. Eine solche Prognose sei nach dem einmaligen Fehlverhalten und der zu würdigenden gesamten Persönlichkeit und der Lebensumstände der Klägerin nicht gerechtfertigt.

Bei dem strafrechtlich geahndeten Fehlverhalten handele es sich um eine einmalige Tat, die nur berufliche Nebenpflichten der Klägerin berührt habe. Die Tat sei aus einer besonderen, einmaligen Konstellation heraus geschehen und nicht von einer Schädigungsabsicht getragen gewesen. Der betroffenen Patientin sei ein Schaden nicht entstanden; die Klägerin habe letztlich alle Forderungen der Patientin erfüllt. Die Verwahrung des Geldbetrages der Patientin sei durch diese der Klägerin angetragen worden. Die Klägerin habe das Geld nicht aus eigenem Antrieb an sich genommen. Dabei habe sie sich auch grundsätzlich sorgfältig und ohne eine Absicht der Bereicherung verhalten. Denn über die Höhe des noch in der Verwahrung befindlichen Geldbetrages habe sie stets Buch geführt, ohne dass gegen die Richtigkeit der Buchführung Einwände erhoben worden seien, und die Patientin nie im Unklaren gelassen, welcher Geldbetrag ihr noch zustand. Durch die anderweitige Verwendung der verwahrten Geldscheine habe die Klägerin sich zwar strafrechtlich relevant fehlverhalten. Ihre Rückzahlungsabsicht sei durch ihr Verhalten jedoch nicht in Frage gestellt worden. Ein aus einem übersteigerten Erwerbssinn resultierendes Fehlverhalten, wie es Gegenstand verschiedener, vom Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung benannter bundes- und obergerichtlicher Entscheidungen gewesen sei, könne der Klägerin gerade nicht vorgeworfen werden. Das Verwaltungsgericht habe anders als noch im Eilverfahren auch die Hintergründe der Tat nicht hinreichend berücksichtigt. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass es durch das Eingreifen der Verwandten der Patientin zu einer Verunsicherung bezüglich des Inhabers des Auszahlungsanspruchs und damit letztlich zu der Unterschlagung gekommen sei. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts habe die Klägerin auch das Vertrauen der Patientin nicht missbraucht. Denn sie habe sich nicht auf Kosten der Patientin bereichern wollen und auch die Höhe der Forderung der Patientin nie bestritten oder verschleiert.

Die darüber hinausgehenden und strafrechtlich nicht geahndeten Vorgänge um die Gewährung des Darlehens in Höhe von 50.000 EUR durch die Patientin an die Klägerin habe das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit der Klägerin zur Ausübung des Berufs der Krankenschwester gar nicht berücksichtigen dürfen. Der Abschluss des Darlehensvertrages sei rechtlich zulässig. Die Patientin sei nach den Feststellungen des Strafgerichts bei Abschluss des Darlehensvertrages voll orientiert gewesen und habe um ihr Tun gewusst. Der Nachweis, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, die Darlehensverbindlichkeit zu erfüllen, habe durch das Strafgericht nicht geführt werden können. Auch der vom Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung aller Umstände angenommene Verstoß gegen berufliche Nebenpflichten sei in diesem Verhalten der Klägerin nicht zu sehen. Das Verhalten sei für die Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit der Klägerin unbeachtlich.

Das Verwaltungsgericht habe für die zu treffende Prognose auch weder die Lebensumstände der Klägerin hinreichend gewürdigt noch konkret festgestellt, ob und, wenn ja, welche Gefahren aus einer Tätigkeit der Klägerin als Krankenschwester erwachsen könnten. Das Verwaltungsgericht habe selbst hervorgehoben, dass die Klägerin das Fehlverhalten in ihrer Eigenschaft als Betreiberin und Leiterin des ambulanten Pflegedienstes begangen und diese Eigenschaft sie deutlich stärker in die Lage versetzt habe, Kenntnisse über die Eigentums- und Vermögensverhältnisse ihrer Patienten zu erlangen und gegebenenfalls Fragen in diesem Zusammenhang mit betreuten Personen zu erörtern, als dies bei einer einfachen Pflegekraft üblich sei. Konkrete Gefahren einer erneuten Verfehlung seien auch vom Verwaltungsgericht nur im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Betreiberin oder Leiterin eines Pflegedienstes benannt worden. Dabei habe das Verwaltungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass für eine solche Betätigung neben der Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenschwester" unter anderem auch vertragliche Vereinbarungen mit den Pflegekassen erforderlich seien. Letztere seien der Klägerin nach der strafgerichtlichen Verurteilung aber gekündigt worden, so dass der Klägerin derzeit der selbständige Betrieb einer Pflegeeinrichtung nicht möglich sei. Ob die Klägerin in Zukunft solche Verträge wieder abschließen könne, dürfe hier nicht berücksichtigt werden. Denn die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefährdung knüpfe nicht an die hier streitgegenständliche Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung an, sondern den Abschluss der vertraglichen Vereinbarungen mit den Pflegekassen. Eine etwaige Gefahrenlage könne daher von den Pflegekassen hinreichend berücksichtigt werden. Eine solche Vorgehensweise sei auch zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes und im Sinne einer Resozialisierung geboten. Denn so könnte die Klägerin jedenfalls weiter als angestellte Krankenschwester tätig werden. In Bezug auf diese Betätigung liege eine Gefahrenlage auch nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht vor, habe es doch der Klägerin sogar die, wenn auch eingeschränkte Möglichkeit einer Beschäftigung als Angestellte im Bereich der Alten- und Krankenpflege aufgezeigt. Die Klägerin habe bereits 1986 die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenschwester" erlangt. Über den gesamten Zeitraum ihrer Berufstätigkeit habe sie nur eine Verfehlung im Jahre 2006 begangen und sich seitdem auch wieder einwandfrei verhalten.

Diese Einwände sind nach dem eingangs dargestellten Maßstab nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen.

Rechtsgrundlage des Widerrufs der der Klägerin am 5. Dezember 1986 erteilten Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenschwester", die nach § 23 Abs. 1 Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege - Krankenpflegegesetz (KrPflG) - vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442) in der hier maßgeblichen Fassung der Änderung durch das Gesetz vom 24. Juli 2010 (BGBl. I S. 983) als Erlaubnis im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrPflG gilt, ist § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG. Danach ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KrPflG weggefallen ist, mithin sich der Inhaber der Erlaubnis nach Erteilung eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes ergibt. Dies setzt nach der Rechtsprechung des Senats ein Verhalten voraus, das nach Art, Schwere und Zahl der Verstöße insbesondere gegen Berufspflichten die zu begründende Prognose rechtfertigt, der Betroffene biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten (vgl. Senatsbeschl. v. 27.5.2009 - 8 ME 62/09 -, NJW 2009, 3467; v. 23.12.2004 - 8 ME 169/04 -, DVBl. 2005, 596). Dabei sind die gesamte Persönlichkeit des Betroffenen und seine Lebensumstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens zu würdigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2002 - 3 C 37.01 -, NJW 2003, 913, 914), so dass auch nicht berufsbezogene Verfehlungen die Unzuverlässigkeit begründen können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.1995 - 3 B 7.95 -, NVwZ-RR 1996, 477 f.).

Eine normativ verbindliche Regelung der berufsspezifischen Pflichten von Krankenpflegern oder Krankenschwestern - im Folgenden einheitlich als Krankenpfleger bezeichnet - besteht zwar nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats können diese Pflichten aber mittelbar aus den Regelungen zur Ausbildung der Krankenpfleger entnommen werden (vgl. Senatsbeschl. v. 27.5.2009, a.a.O.).

Schon nach dem Europäischen Übereinkommen vom 25. Oktober 1967 über die theoretische und praktische Ausbildung von Krankenschwestern und Krankenpflegern (vgl. Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 25.10.1967 über die theoretische und praktische Ausbildung von Krankenschwestern und Krankenpflegern vom 13.6.1972, BGBl. II S. 629 f.) gehört die sachkundige Pflege von Kranken unter Berücksichtigung der körperlichen, seelischen und geistigen Bedürfnisse des Patienten etwa in Krankenanstalten, zu Hause oder am Arbeitsplatz ebenso zum Tätigkeitsbereich der Krankenpfleger wie die Beobachtung der körperlichen und seelischen Verfassung und der Umstände, die einen bedeutenden Einfluss auf die Gesundheit der Patienten ausüben (Anlage I Kapitel I Nr. 1 Buchst. a und b des Europäischen Übereinkommens). Hiermit übereinstimmend ordnet § 3 KrPflG an, dass die Ausbildung zum Krankenpfleger auch fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur verantwortlichen Mitwirkung insbesondere bei der Heilung, Erkennung und Verhütung von Krankheiten vermitteln soll (§ 3 Abs. 1 Satz 1 KrPflG). Dabei sind die unterschiedlichen Pflege- und Lebenssituationen sowie Lebensphasen und die Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Menschen zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 KrPflG). Die Ausbildung soll den Krankenpfleger insbesondere auch dazu befähigen, die zu pflegenden Menschen und ihre Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit zu beraten, anzuleiten und zu unterstützen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c KrPflG). Diese Ausbildungsziele konkretisierend bestimmen §§ 13 f. Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege - APrV KrPfl - vom 10. November 2003 (BGBl. I S. 2263), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2515), dass ein Krankenpfleger Pflegesituationen bei Menschen aller Altersgruppen erkennen, erfassen und bewerten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 APrV KrPfl), Pflegemaßnahmen auswählen, durchführen und auswerten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 APrV KrPfl), Pflegehandeln an pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen, Qualitätskriterien, rechtlichen Rahmenbestimmungen sowie wirtschaftlichen und ökologischen Prinzipien ausrichten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 APrV KrPfl), Unterstützung, Beratung und Anleitung in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen fachkundig gewährleisten (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 APrV KrPfl), berufliches Selbstverständnis entwickeln und lernen, berufliche Anforderungen bewältigen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 APrV KrPfl), alle anfallenden Aufgaben einer prozessorientierten Pflege einschließlich der Dokumentation und Übergabe erfüllen, sein Pflegehandeln erläutern und begründen und auch sonst die Aufgaben der Gesundheits- und Krankenpflege nach § 3 Abs. 1 KrPflG eigenverantwortlich ausführen (§ 15 Abs. 1 APrV KrPfl) können muss.

Nach diesem Aufgabenkanon wird von dem Krankenpfleger bei Ausübung seines Berufs offensichtlich mehr erwartet als die bloße eigenverantwortliche und fachkundige Erbringung gesundheits- und krankenpflegerischer Leistungen. Der zu pflegende Mensch soll von dem Krankenpfleger nicht als bloßes Objekt pflegerischer Leistungen behandelt werden. Gefordert ist vielmehr ein individueller, die subjektive Pflege- und Lebenssituation, die Lebensphase und die konkreten Möglichkeiten der Selbständigkeit und Selbstbestimmung des Patienten berücksichtigender Umgang. Der Krankenpfleger soll den Patienten bei der individuellen Auseinandersetzung mit der Krankheit beraten und in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen anleiten und unterstützen. Die Erfüllung dieser Aufgaben durch den Krankenpfleger setzt nahezu zwingend ein Vertrauensverhältnis zum Patienten voraus. Krankenpflegekräfte haben mit den engsten Kontakt zum Patienten; diese Beziehung bestimmt maßgeblich das Pflegeergebnis mit (vgl. Stache, Beitrag von Verträgen zur Steuerung von Pflegequalität - empirische Untersuchung am Beispiel der vollstationären Pflege, 2008, S. 32, 94 und 105 m.w.N.). Die Berufe in der Krankenpflege genießen daher sowohl bei den zu pflegenden Menschen als auch in der Bevölkerung allgemein ein sehr großes Vertrauen (vgl. Reader's Digest, European Trusted Brands, 2013, S. 26). Auch das Verwaltungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass der Patient gerade in einer mit gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen seiner Selbständigkeit und Selbstbestimmung verbundenen Situation darauf vertrauen können muss und auch darauf vertrauen darf, dass eine ihn pflegende und zur Führung der Berufsbezeichnung "Krankenschwester" oder nunmehr "Krankenpfleger" berechtigte Person zuverlässig ist und diese Situation nicht zu seinem Nachteil verletzt oder gar ausnutzt. Handelt ein Krankenpfleger dem zuwider und nutzt er das bestehende Vertrauensverhältnis zum Nachteil des zu pflegenden Menschen aus oder verletzt dieses in erheblicher Weise, liegt hierin regelmäßig ein schwerer Verstoß gegen eine wesentliche Berufspflicht. Hierfür ist es entgegen der Annahme der Klägerin unerheblich, ob das Verhalten des Krankenpflegers auch strafrechtlich relevant oder gar strafrechtlich geahndet worden ist.

In Anwendung dieser Grundsätze sind der Klägerin schwere Verstöße gegen wesentliche Berufspflichten vorzuwerfen. Sie hat in zwei Fällen das zu einer Patientin bestehende Vertrauensverhältnis zu deren Nachteil ausgenutzt.

Die Klägerin hat sich zum einen einer Unterschlagung zu Lasten einer Patientin schuldig gemacht und ist wegen dieser Tat zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden (vgl. LG Lüneburg, Urt. v. 7.10.2010 - 39 Ns 4103 Js 4739/08 (60/09) -; AG Celle, Urt. v. 16.7.2009 - 20b Ds 4103 Js 4739/08 (101/08) -). Nach den Feststellungen in den rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteilen hatte die von der Klägerin betreute Patientin, Frau B., aus unerfindlichen Gründen einen Bargeldbetrag von 21.860 EUR von ihrem Konto abgehoben und bei sich zu Hause verwahrt. Im August 2006 nahm die Klägerin im Einverständnis mit der Patientin diesen Betrag an sich und verbrachte ihn in den Tresor ihrer Geschäftsräume. Weitere Vereinbarungen zum Umgang mit diesem verwahrten Geld vermochte das Amtsgericht Celle nicht festzustellen. Zugunsten der Klägerin ging es von einer Einigung zwischen dieser und der Patientin aus, wonach die Klägerin "von diesem Betrag Zahlungen für die Frau B., etwa für Fahrtkosten zum Arzt, Pflegemittel, Praxisgebühren etc. leisten oder auch Verrechnungen mit erbrachten Pflegeleistungen vornehmen durfte" (AG Celle, Urt. v. 16.7.2009, a.a.O., S. 3). Nachdem Verwandte der Patientin die Klägerin nach dem Verbleib des verwahrten Geldes befragt hatten, legte diese zunächst eine Liste der Entnahmen vor. Hiernach hätte zum 6. November 2007 noch ein verwahrter Betrag in Höhe von 13.326,51 EUR vorhanden sein müssen. Tatsächlich hatte die Klägerin das in Verwahrung genommene Geld bereits zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten vollständig ausgegeben (AG Celle, Urt. v. 16.7.2009, a.a.O., S. 6). Das Landgericht Lüneburg hat im Berufungsverfahren eine "empfindliche Geldstrafe" verhängt und dabei nicht nur den seinerzeit entstandenen hohen Schaden und die nur sehr verzögerte Rückzahlung berücksichtigt, sondern ebenso wie das Amtsgericht Celle eine Ausnutzung und Verletzung des bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen Klägerin und Patientin ausdrücklich festgestellt (LG Lüneburg, Urt. v. 7.10.2010, a.a.O., S. 9; AG Celle, Urt. v. 16.7.2009, a.a.O., S. 14). Soweit die Klägerin dem allein entgegen hält, sie habe nicht aus einem übersteigerten Erwerbssinn gehandelt, sich nicht auf Kosten der Patientin bereichern wollen und auch die Höhe der Forderung der Patientin nie bestritten oder verschleiert, stellt dies die offensichtliche Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses zum Nachteil einer Patientin nicht ansatzweise in Frage.

Zum anderen hat die Klägerin ausweislich der Feststellungen in den rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteilen von der Patientin Frau B. auch ein Darlehen über 50.000 EUR aufgenommen und dieses nicht vereinbarungsgemäß getilgt. Auch mit diesem Verhalten hat die Klägerin ein bestehendes Vertrauensverhältnis zum Nachteil einer Patientin ausgenutzt und so gegen eine wesentliche Berufspflicht verstoßen, ohne dass es darauf ankommt, ob dieses Verhalten auch strafrechtlich - als Betrug - zu ahnden gewesen wäre. Der Einwand der Klägerin, der Abschluss des Darlehensvertrages sei rechtlich zulässig gewesen, ist für sich zwar zutreffend. Er lässt indes außer Betracht, dass zum einen die Klägerin den Darlehensvertrag nur aufgrund des bestehenden Vertrauensverhältnisses mit der Patientin abschließen konnte und zum anderen sie ihre Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag zunächst gar nicht und auch in der Folge nicht freiwillig erfüllt hat, obwohl sie hierzu in der Lage gewesen ist bzw. gewesen sein will. So sollte die Klägerin nach dem Formulardarlehensvertrag und dem Tilgungsplan beginnend im Dezember 2006 bei einer fünfprozentigen Verzinsung monatlich 1.000 EUR zurückzahlen (AG Celle, Urt. v. 16.7.2009, a.a.O., S. 5). Tatsächlich nahm die Klägerin die Rückzahlung im Dezember 2006 indes gar nicht erst auf. Erst ein Jahr später und auch nur auf Druck der Verwandten der Patientin leistete sie im Dezember 2007 eine Zahlung in Höhe von 3.000 EUR und im Februar 2008 eine Zahlung in Höhe von 2.000 EUR und dies nicht aus eigenen Mitteln, sondern aus den unterschlagenen Mitteln der Patientin (AG Celle, Urt. v. 16.7.2009, a.a.O., S. 5). Eine weitere freiwillige Tilgung des Darlehens erfolgte nicht. Die Klägerin musste vielmehr von der Patientin gerichtlich auf Rückzahlung in Anspruch genommen werden. Vor dem Landgericht Lüneburg kam es zum Erlass eines Versäumnisurteils. Erst in der Folge schlossen die Klägerin und die Patientin im September 2008 einen Vergleich, in dem sich die Klägerin zur Rückzahlung der Restforderung von 59.814,20 EUR nebst 5 % Zinsen verpflichtete. Während das Amtsgericht Celle in diesem Verhalten noch einen Betrug gesehen hat, vermochte das Landgericht Lüneburg im Berufungsverfahren den "Nachweis, dass die Angeklagte (scil.: die Klägerin) bereits bei der Eingehung des Darlehensvertrages einen Betrug begangen hat, nur möglicherweise und nur unter einem unverhältnismäßigen weiteren Ermittlungsaufwand zu erbringen" (LG Lüneburg, Urt. v. 7.10.2010, a.a.O., S. 7). Eine Rückzahlungsunfähigkeit der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses könne nicht nachgewiesen werden, da die "Angeklagte in weiten, für den Vorwurf erheblichen Zeiträumen fähig war, die im Darlehensvertrag vereinbarten Raten zu zahlen" (LG Lüneburg, Urt. v. 7.10.2010, a.a.O., S. 8). Für eine Rückzahlungsunwilligkeit der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses spreche zwar, dass diese schon die ersten vereinbarten Tilgungsraten nicht geleistet habe. Ob nach einer weiteren umfangreichen Beweisaufnahme aber ein entsprechender Vorsatz nachgewiesen werden könne, sei zweifelhaft (LG Lüneburg, Urt. v. 7.10.2010, a.a.O., S. 7 f.). Hinsichtlich des Vorwurfs des Betruges durch Abschluss des Darlehensvertrages hat das Landgericht Lüneburg die Verfolgung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt (LG Lüneburg, Urt. v. 7.10.2010, a.a.O., S. 2 und 9). Unberührt von diesen strafgerichtlichen Annahmen bleibt die hier relevante Feststellung, dass der Abschluss des Darlehensvertrages und die nicht vereinbarungsgemäße Tilgung nur aufgrund und unter Verletzung eines bestehenden Vertrauensverhältnisses zum Nachteil einer Patientin möglich gewesen sind.

Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung der gesamten Persönlichkeit der Klägerin und ihrer Lebensumstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens auch zu Recht darauf geschlossen, die Klägerin biete nicht die erforderliche Gewähr für die zukünftige Beachtung der berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten.

Dieser Schluss ist schon aufgrund der beschriebenen Unterschlagung zu Lasten einer Patientin gerechtfertigt, ohne dass die Klägerin sich insoweit mit Erfolg auf ein nur einmaliges, auf die eigene schwierige finanzielle Situation zurückzuführendes Fehlverhalten berufen könnte. Auch ein nur einmaliges, zumal strafrechtlich geahndetes Fehlverhalten kann den Schluss auf eine Unzuverlässigkeit rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.8.1993 - 3 B 5.93 -, NVwZ-RR 1994, 388). Dies gilt auch hier, wo die Klägerin gravierend das Vertrauensverhältnis zum Nachteil der Patientin verletzt und ausgenutzt und so schwerwiegend gegen eine Berufspflicht verstoßen hat. Dass sie sich dabei selbst in einer schwierigen finanziellen Situation befunden hat, zeigt lediglich ihre mangelnde Bereitschaft oder auch ihr mangelndes Vermögen, die eigenen und die Belange der Patienten voneinander abzugrenzen und letzteren bei Ausübung des Berufs den gebotenen Vorrang zu geben.

Auch ihr Verhalten bei der Erfüllung der vertraglichen Pflichten aus dem Darlehensvertrag mit der Patientin und ihre Ausführungen zur rechtlichen Zulässigkeit des Abschlusses eines Darlehensvertrages mit der Patientin sowie die deutliche Verharmlosung des der Patientin sowohl bei der Unterschlagung des verwahrten Geldbetrages als auch bei der deutlich verzögerten, unfreiwilligen Tilgung des Darlehens entstandenen finanziellen Nachteils deuten auf ein mangelndes Bewusstsein hinsichtlich bestehender Berufspflichten hin und bestätigen die vom Verwaltungsgericht festgestellte erhebliche Sorg- und Bedenkenlosigkeit der Klägerin im Hinblick auf das Vermögen der Patientin. Neben dem strafrechtlich geahndeten Fehlverhalten begründen diese Umstände die Gefahr, die Klägerin werde erneut das ihr von zu pflegenden Personen entgegen gebrachte Vertrauen verletzen und zu deren Nachteil ausnutzen. Hierfür ist es entgegen der Annahme der Klägerin ohne Belang, ob sie zukünftig wieder als Betreiberin und Leiterin eines ambulanten Pflegedienstes tätig wird oder als (angestellte) Krankenschwester. Zwar mag die Gefahr eines Zugriffs auf das Vermögen von Patienten in erstgenannter Konstellation größer sein. Auch die Betätigung als Krankenschwester eröffnet der Klägerin indes den Kontakt und die Möglichkeit der Einwirkung auf Patienten unter Inanspruchnahme des mit der Berufsbezeichnung "Krankenschwester" verbundenen Vertrauens. Das hier der Klägerin vorgeworfene Fehlverhalten hätte sie ebenso als (angestellte) Krankenschwester verwirklichen können.

Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf ihr Wohlverhalten seit Aufdeckung der Taten und die Wiedergutmachung des finanziellen Schadens gegenüber der Patientin berufen. Einem solchen Wohlverhalten, das maßgeblich unter dem Druck eines schwebenden behördlichen Verfahrens an den Tag gelegt wird, kann regelmäßig kein besonderer Wert beigemessen werden (vgl. Senatsbeschl. v. 21.5.2013 - 8 LA 54/13 -, [...] Rn. 14; OVG Saarland, Urt. v. 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, [...] Rn. 166; Bayerischer VGH, Beschl. v. 15.6.1993 - 21 B 92.226 -, [...] Rn. 34). Anlass, von diesem Grundsatz im vorliegenden Fall ausnahmsweise abzuweichen, besteht nach dem Zulassungsvorbringen nicht, zumal weder eine umfassende Einsicht in das verwirklichte Unrecht noch eine ernsthafte Reue der Klägerin erkennbar sind.

Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen. Solche Schwierigkeiten sind nur dann anzunehmen, wenn die Beantwortung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder die Klärung einer entscheidungserheblichen Tatsache in qualitativer Hinsicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 26.1.2011 - 8 LA 103/10 -, [...] Rn. 44). Daher erfordert die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes eine konkrete Bezeichnung der Rechts- oder Tatsachenfragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und Erläuterungen dazu, worin diese besonderen Schwierigkeiten bestehen (vgl. Senatsbeschl. v. 11.10.2010 - 8 LA 65/10 -, [...] Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 124a Rn. 53).

Diesen Darlegungsanforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Die Klägerin hat eine für die Entscheidung des Rechtsstreits erhebliche Tatsachen- oder Rechtsfrage, deren Beantwortung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein soll, nicht aufgezeigt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO unbegründet, weil der Berufungszulassungsantrag, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, keine Aussicht auf Erfolg hat.