Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.06.2013, Az.: 1 LB 40/10

Planungsrechtliche Zulassung eines Vorhabens unter Ausklammerung einzelner Zulässigkeitshindernisse als Gegenstand einer Bauvoranfrage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.06.2013
Aktenzeichen
1 LB 40/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 41776
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0626.1LB40.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 26.05.2009 - AZ: 4 A 1484/08

Fundstellen

  • BauR 2013, 1666-1668
  • DÖV 2013, 822
  • FStNds 2014, 157-161
  • NVwZ-RR 2013, 5
  • NVwZ-RR 2013, 915-916
  • NZBau 2013, 564
  • NordÖR 2013, 493-494

Amtlicher Leitsatz

Gegenstand einer Bauvoranfrage kann auch die planungsrechtliche Zulassung eines Vorhabens unter Ausklammerung einzelner Zulässigkeitshindernisse (hier: des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3) sein. § 73 Abs. 1 Satz 2 NBauO 2012 steht dem nicht entgegen. Zum Sachbescheidungsinteresse für eine Bauvoranfrage

Tatbestand

Die Kläger begehren die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Umnutzung eines Stallgebäudes in immissionsträchtiger Nachbarschaft unter Ausklammerung einer Prüfung der Immissionssituation.

Die Kläger sind Eigentümer des im Außenbereich der beigeladenen Gemeinde gelegenen Grundstücks H. 2, auf dem sie noch zwei genehmigte Schweinemastställe mit insgesamt 432 Mastschwein- und 967 Ferkelplätzen betreiben. Das streitgegenständliche, 10 m südlich der beiden Ställe gelegene Gebäude, ist als Stall für 6.912 Legehennen genehmigt und steht seit dem 1.1.2007 leer. Unmittelbar östlich dieses Gebäudes stehen Stallgebäude des Betriebs I. mit 364 Mastschweineplätzen, ca. 80 m nördlich des klägerischen Gebäudes liegt der Betrieb J. mit 456 Mastschweine- und 10.560 Legehennenplätzen (nach Umbau: 604 Mastschweine-, 6.080 Legehennenplätze), 130 m westlich des Gebäudes der Betrieb K. mit 955 Mastschwein- und 1.160 Ferkelaufzuchtplätzen.

Mit Schreiben vom 28. August 2007 beantragten die Kläger die Erteilung eines Bauvorbescheids mit der Frage: "Ist die Umnutzung der landwirtschaftlichen Stallanlage Legehennenstall in eine gewerbliche Lager- und Produktionshalle auf dem [streitgegenständlichen] Grundstück [...] planungsrechtlich zulässig?" Zur Erläuterung gaben sie an, sie benötigten die Halle für die künftige Lagerhaltung und Produktion der Firma des Klägers zu 1., L. GmbH, die schwerpunktmäßig Ernährungs- und Pflegeprodukte für Tiere herstellen solle. Der vorhandene Baukörper solle erhalten, es sollten jedoch Fenster und Belüftungen eingebaut werden.

Unter dem 27. November 2007 teilte der Beklagte dem Kläger seine Absicht mit, die Bauvoranfrage negativ zu bescheiden; angesichts der umliegenden Tierhaltung sei davon auszugehen, dass Geruchshäufigkeiten von über 20 % der Jahresgeruchsstunden aufträten. Daher seien gesunde Arbeitsverhältnisse nicht gewährleistet.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2007, auf Hinweis des Beklagten vom 6. Dezember 2007 präzisiert durch Schreiben vom 14. Dezember 2007 erklärten die Kläger, sie hätten eine immissionsschutzrechtliche Prüfung nicht zum Gegenstand ihrer Bauvoranfrage gemacht und seien damit einverstanden, dass auch die bauplanungsrechtliche Prüfung unter Ausschluss immissionsschutzrechtlicher Aspekte vorgenommen werde. Es sei unsinnig, am Anfang des Verfahrens teure Immissionsgutachten einzuholen, wenn das Vorhaben schon aus anderen Gründen am gewünschten Standort unzulässig sei.

Nach weiterem ergebnislosem Schriftverkehr lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2008 die Erteilung des begehrten Bauvorbescheides ab. Eine planungsrechtliche Prüfung unter Ausschluss immissionsschutzrechtlicher Aspekte sei nicht möglich. Möglicherweise sei die Bauvoranfrage deshalb schon unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, da das Außenbereichsvorhaben nicht nur dem Flächennutzungsplan widerspreche und die Verfestigung einer Splittersiedlung bedeute (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 7 BauGB), sondern auch schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt werde (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Der letztere Belang könne auch nicht über die Teilprivilegierung des § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB überwunden werden.

Am 6. März 2008 erhoben die Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung sie insbesondere vortrugen, die beabsichtigte Produktion und Lagerhaltung solle ausschließlich durch die Bewohner des vorhandenen Hofes, die Kläger und ihre Eltern, erfolgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. April 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, vertiefte zur Begründung seinen bisherigen Rechtsstandpunkt und führte aus, das Vorhaben beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).

Auf die am 19. Mai 2008 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Mai 2009 Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte zur Erteilung des begehrten Bauvorbescheids verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bauvoranfrage sei zulässig. Grundsätzlich bestimme der Bauherr bei einer Bauvoranfrage das Prüfprogramm; so könnten beispielsweise nach der Rechtsprechung auch die Frage der ausreichenden Erschließung oder naturschutzrechtlicher Fragen aus diesem ausgeklammert werden. Nur dann, wenn die nicht zur Prüfung gestellten Fragen Hindernisse darstellten, die sich schlechthin nicht ausräumen ließen, fehle dieser das Sachbescheidungsinteresse. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Der Bauvorbescheid gelte drei, bei Verlängerung sogar sechs Jahre. In dieser Zeit könne sich die Immissionssituation verändern. Die Kläger könnten aktive Filteranlagen in ihren Ställen oder Zuluftfilter in der geplanten Halle einsetzen; auch Betriebsaufgaben seien denkbar. Der Beklagte habe zwar in der mündlichen Verhandlung eine überschlägige Berechnung nach der GIRL vom 25. Mai 2009 vorgelegt, wonach die Geruchsbelastung auf dem Grundstück 100 % der Jahresgeruchsstunden betrage. Dies sei indes kein aussagekräftiges Gutachten. Im Ortstermin habe man keine nennenswerte Geruchsbelastung festgestellt. Fraglich sei auch, ob der Grenzwert für die Geruchsbelastung nicht 20 % der Jahresgeruchsstunden übersteigen könne. Der begehrte Bauvorbescheid sei zu erteilen. Zwar handle es sich bei dem Vorhaben um ein nicht privilegiertes Außenbereichsvorhaben. Dass diesem Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 5 und 7 BauGB entgegenstünden, könne dem Vorhaben jedoch gemäß § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB nicht entgegengehalten werden. Die Prüfung des Belangs nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB (schädliche Umwelteinwirkungen) sei nicht Gegenstand der Bauvoranfrage.

Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 24. Februar 2010 - 1 LA 141/09 - zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor: § 74 Abs. 1 Satz 2 NBauO lasse eine Bauvoranfrage nur zur planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens insgesamt, nicht aber beschränkt auf einzelne planungsrechtliche Normen bzw. Tatbestandsmerkmale zu. Jedenfalls könne nicht gerade der Teil der planungsrechtlichen Zulässigkeit ausgeklammert werden, der problematisch sei. Selbst wenn man eine auf einzelne planungsrechtliche Fragen beschränkte Bauvoranfrage grundsätzlich zulassen wolle, komme diese dann nicht in Betracht, wenn nicht absehbar sei, dass die ausgeklammerten Fragen im Genehmigungsverfahren zugunsten des Antragstellers beantwortet werden könnten. Das sei hier der Fall; § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB stehe dem Vorhaben entgegen. Entgegen der Prognose des Verwaltungsgerichts habe sich die Immissionssituation in der Nachbarschaft des Vorhabens nicht geändert. Die Kläger hätten die Errichtung eines neuen Mastschweinestalls (Ziel: 1.108 Mastschweine statt der bisherigen 432 Mastschweine und 967 Ferkel) beantragt und nicht zu erkennen gegeben, dass sie ihre Pläne aufgäben. Selbst wenn sie dies aber täten und sogar ihre bestehenden Ställe räumten, reduziere sich nach überschlägiger Berechnung die Geruchsstundenhäufigkeit von 100 % nur auf 40,3 - 68,5 %. Mit einer Stilllegung auch der Nachbarbetriebe sei nicht zu rechnen, da diese in jüngerer Vergangenheit modernisiert worden seien. Abluftreinigungsanlagen seien nach wie vor nicht Stand der Technik und könnten den Nachbarn daher nicht aufgezwungen werden; dass sie sie freiwillig einführen würden, sei nicht erkennbar, zumal solche Filter sehr teuer und ihre Wirksamkeit fraglich sei. Diese überschlägige Berechnung ersetze zwar kein detailliertes Gutachten, es sei aber nicht denkbar, dass ein Gutachten von ihr so stark abwiche, dass gesunde Arbeitsverhältnisse im geplanten Betrieb bestätigt werden könnten; das gelte auch, wenn im Betrieb nur Hofbewohner arbeiteten. Auch eine Zuluftfilteranlage im Betrieb könne keine Lösung sein, sonst sei Wohnbebauung im Außenbereich stets unproblematisch.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

unter Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 26.5.2009 die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie treten dem Berufungsvorbringen entgegen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO über die Berufung ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 24. Juni (Kläger und Beigeladene) und 25. Juni (Beklagter) auf mündliche Verhandlung verzichtet haben.

Die zulässige Berufung ist überwiegend unbegründet; das Verwaltungsgericht hat der Klage - von der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung abgesehen - zu Recht stattgegeben, da die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 VwGO vorliegen. Die Kläger haben mit dieser Einschränkung einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheides.

Die Bauvoranfrage ist zulässig. Sie beinhaltet weder eine von vornherein einer Bauvoranfrage nicht zugängliche Fragestellung, noch fehlt ihr das Sachbescheidungsinteresse.

Eine Bauvoranfrage kann grundsätzlich auf die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens unter Ausklammerung der Frage, ob ihm - als nichtprivilegiertem Vorhaben im Außenbereich - der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB entgegengehalten werden kann, beschränkt werden.

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 der hier anwendbaren NBauO 2012, der inhaltlich § 74 Abs. 1 Satz 1 NBauO a.F. entspricht, ist für eine Baumaßnahme auf Antrag über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Die von den Klägern zur Überprüfung gestellte Frage erfüllt diese Bedingungen, insbesondere kann sie selbständig beurteilt werden. Daran fehlt es nicht schon dann, wenn nur einzelne Tatbestandsmerkmale einer Norm wie des § 35 BauGB zur Prüfung gestellt werden (OVG Lüneburg, Urteile v. 29.4.2008 - 12 LC 20/07 -, BauR 2009, 623 ff. = [...]Rn. 44, und v. 11.7.2007 - 12 LC 18/07 -, [...]Rn. 38; Schmaltz, BauR 2007, 975 <979 f.> unter Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 8.12.1982 - 5 S 892/82 -, VBlBW 1983, 371, und OVG Lüneburg, Urt. v. 4.9.1980 - 6 A 39/79 -, BRS 36 Nr. 170). Eine selbständige Prüfung ist nur dann nicht möglich, wenn ausgeklammerte Prüfungspunkte ihrerseits "Rückwirkungen" auf die in die Bauvoranfrage einbezogenen Prüfungspunkte haben, wenn beispielsweise die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens unter Ausschluss der Einstufung seiner Umgebung als Außen- oder Innenbereich oder ein zusätzlicher Stellplatzbedarf einer geänderten Nutzung - und damit die Wesentlichkeit einer Nutzungsänderung - ohne die planungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens (OVG Münster, Urt. v. 16.5.1995 - 11 A 4066/93 -, BRS 57 Nr. 195) zur Prüfung gestellt wird. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Die Frage, ob ein Außenbereichsvorhaben schädlichen Immissionen ausgesetzt wäre, ist der Beurteilung seiner sonstigen planungsrechtlichen Zulässigkeit nicht vorgreiflich, vermischt sich insbesondere nicht mit sonstigen ggf. für und gegen das Vorhaben sprechenden Belangen zu einer einheitlichen Abwägungsentscheidung (OVG Münster, Urt. v. 28.2.2008 - 10 A 1060/06 -, [...]Rn. 42-46).

Die Ansicht des Beklagten, § 74 Abs. 1 Satz 2 NBauO ("Dies gilt auch für die Frage, ob eine Baugenehmigung nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist") lasse als niedersächsische Besonderheit nur eine Überprüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens insgesamt, nicht aber einzelner planungsrechtlicher Fragen zu, ist unzutreffend (vgl. schon OVG Lüneburg, Urt. v. 29.4.2008 a.a.O. und Urt. v. 11.7.2007 a.a.O.). Schon der Wortlaut erfordert eine solche Lesart nicht. Die Verwendung des Wortes "auch" deutet darauf hin, dass hier nur eine - in der Praxis besonders häufige - denkbare Fragestellung herausgestellt, außerdem an die Formulierung des Satzes 1 ("einzelne Fragen") angeknüpft wird. Der Grund hierfür wird aus der Entstehungsgeschichte der Norm deutlich. Dieser Satz wurde - in etwas anderer Formulierung - erstmals in der 82. Sitzung des Bauausschusses in den Regierungsentwurf für die NBauO 1973 vom 18. Mai 1973 eingefügt. Zur Begründung hieß es:

"Neu ist in Abs. 1 der Satz 2. Dabei handelt es sich aber nicht um eine sachliche Änderung; vielmehr dient dieser Satz nur der Klarstellung dessen, was in der Rechtsprechung unklar geworden war, nämlich daß die Frage, ob ein Grundstück nach städtebaulichem Planungsrecht bebaubar ist, verfahrenstechnisch ebenso zu behandeln ist wie sonstige Voranfragen." (Niederschrift S. 8)

Anhaltspunkte für einen abschließenden Alles- oder-Nichts-Charakter mit Blick auf eine planungsrechtliche Vorprüfung ergeben sich daraus nicht. Der Gesetzgeber wollte lediglich klarstellen, dass die sog. Bebauungsgenehmigung lediglich ein Unterfall der Bauvoranfrage ist, aber nicht anders gestaltete Bauvoranfragen ausschließen. Auch Sinn und Zweck des Bauvorbescheids, dem Bauherrn verhältnismäßig schnell und kostengünstig Rechtssicherheit zu einzelnen aus seiner Sicht kritischen Aspekten seines Vorhabens zu verschaffen, bevor er einen kostspieligen Bauantrag stellt, sprechen dafür, ihm die Ausklammerung auch planungsrechtlicher Teilfragen zu ermöglichen, die u.U. ein teures Gutachten erfordern.

Die von der Beklagten geäußerte Sorge, Bauherren könnten den Aussagegehalt eines beschränkten Bauvorbescheides missverstehen und mit Unverständnis auf die Ablehnung einer Baugenehmigung aus den ausgeklammerten Gründen reagieren, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise. Es steht der Beklagten frei, im Bauvorbescheid auf dessen beschränkte Reichweite und mögliche Folgen für das Genehmigungsverfahren deutlich hinzuweisen.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch das Sachbescheidungsinteresse der Kläger bejaht. Mit Blick darauf, dass auch eine Bauvoranfrage nicht kostenlos ist, sind hier keine übermäßig strengen Maßstäbe anzulegen. Ein Antragsteller, der bereit ist, für einen Bauvorbescheid zu zahlen, wird in der Regel selbst am besten wissen, ob eine Bauvoranfrage für ihn sinnvoll ist, während die Behörde nicht umsonst arbeiten muss. Einer Bauvoranfrage fehlt das Sachbescheidungsinteresse daher nur, wenn offensichtlich ist, dass der Antragsteller von einem positiven Bauvorbescheid aufgrund von Hindernissen, die außerhalb des Gegenstands der Voranfrage liegen, keinen Gebrauch wird machen können, d.h. wenn er aus der Voranfrage Tatbestandsmerkmale ausklammert, die offensichtlich zur Ablehnung einer Baugenehmigung führen würden (OVG Lüneburg, Urteile vom 29.4.2008 und 11.7.2007, jeweils a.a.O.; angedeutet auch in BVerwG, Beschl. v. 27.9.2000 - 4 B 61.00 -, [...]Rn. 4). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass das Hindernis des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB im Genehmigungsverfahren wird ausgeräumt werden können.

Dabei begegnet der Ansatzpunkt des Beklagten keinen Bedenken, die Frage, ab wann schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB vorliegen, anhand der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL; Gem.RdErl. d. MU, d. MS, d. ML u. d. MW v. 23.7.2009, MBl. 2009, 794) zu beurteilen. Zu streng dürfte aber seine Annahme sein, schädlichen Umwelteinwirkungen sei das Vorhaben im vorliegenden Fall bereits ab Geruchshäufigkeiten von 20 % der Jahresgeruchsstunden ausgesetzt. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 6. März 2013 - 1 ME 205/12 -, n.v., unter Analyse der einschlägigen Rechtsprechung begründet, dass landwirtschaftsbezogenes Wohnen in Anwendung der Nr. 5 der GIRL u.U. Geruchshäufigkeiten von mehr als 50 % der Jahresstunden hinnehmen muss, und dass eine Wohnnutzung nach Aufgabe der zugehörigen landwirtschaftlichen Nutzung nachwirkend mit einer vergleichbaren Rücksichtnahmepflicht belastet sein kann. Für eine vom Hofinhaber als Nachfolgenutzung der landwirtschaftlichen Nutzung eines Hofgebäudes beabsichtigte gewerbliche Nutzung, die zudem, anders als in dem genannten Fall, nicht im Dorfgebiet, sondern sogar im Außenbereich ausgeübt würde, könnte dies ebenfalls gelten. Ob und in welchem Umfang nach Maßgabe dessen eine Geruchsbelastung letztlich noch zumutbar wäre, muss angesichts des hier anzulegenden Offensichtlichkeitsmaßstabs nicht abschließend entschieden werden. Es ist aber jedenfalls vertretbar, dass eine Geruchsstundenhäufigkeit von um die 40 % noch keine schädliche Umwelteinwirkung darstellte.

Hinzu kommt, dass die Schädlichkeitsschwelle sich nach Maßgabe des jeweiligen Betriebskonzepts der Antragsteller noch erheblich erhöhen könnte. Offen ist zwar, ob den Klägern insoweit ihre Absicht zugute kommt, ihr Gewerbe ausschließlich selbst, ohne Angestellte, zu betreiben. Es ist fraglich, ob dies im Genehmigungsverfahrenen praktikabel abgesichert werden kann. Zu berücksichtigen ist aber, dass die nach der GIRL ermittelten Geruchshäufigkeiten Außenwerte sind. Halten sich die Beschäftigten des klägerischen Betriebs überwiegend im Gebäudeinneren auf und wird dieses - wie das Verwaltungsgericht es für möglich hält - durch geeignete Filtertechniken gegen von außen eindringende Gerüche abgeschirmt, so könnte dies eine andere Beurteilung rechtfertigen, als sie bei einem "Standardvorhaben" wie einer Wohnnutzung, die regelmäßig mit natürlicher Lüftung und einer Inanspruchnahme des Außenwohnbereichs einhergeht, angebracht wäre. Der Beklagte hat die Möglichkeit, das Gebäude durch Zuluftfilter zu schützen, nicht substantiiert in Abrede gestellt, sondern lediglich pauschal behauptet, eine solche Vorgehensweise widerspreche gesunden Arbeits- und Betriebsverhältnissen. Diese Annahme bedürfte indes einer Begründung, die nicht im Rahmen der Prüfung des Sachbescheidungsinteresses zu untersuchen wäre.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Immissionen bei Genehmigung des Vorhabens den vom Beklagten errechneten Wert von 100 % der Jahresgeruchsstunden deutlich unterschreiten werden:

Dem Beklagten ist zuzugeben, dass einige der vom Verwaltungsgericht angedachten Szenarien zur Geruchsreduktion nach dem Erkenntnisstand des Berufungsverfahrens eher fernliegend sind. Mit einer wesentlichen Reduktion der Immissionen von den Nachbarhöfen können die Kläger nicht rechnen. Der Beklagte hat in seiner "Immissionsbetrachtung zur Bauvoranfrage B. - E." vom 29.6.2009 überzeugend dargelegt, dass sämtliche Nachbarn ihre Stallanlagen vor relativ kurzer Zeit modernisiert oder dies beantragt haben und dass auch der Einbau von Abluftreinigungsanlagen bei den Nachbarn nicht zu erwarten ist. Die Kläger, die die Verhältnisse kennen, haben dem nicht substantiiert widersprochen.

Zu berücksichtigen dürfte aber sein, dass die Kläger selbst die Immissionsbelastung im geplanten Vorhaben spürbar reduzieren können. Die "Immissionsbetrachtung" der Antragsgegnerin geht davon aus, dass bei Aufgabe des klägerischen Betriebes noch eine Immissionsbelastung von 40,3 % der Jahresgeruchsstunden verbliebe (Szenario 2; der vom Beklagten auch genannte Wert von 68,5 % bezieht sich auf den Planquadranten nördlich des umzunutzenden Stalls, der hier nicht maßgeblich ist). Ob die Kläger tatsächlich bereit sind, ihren landwirtschaftlichen Betrieb zugunsten der - offensichtlich bisher erst im Projektstadium befindlichen - Pharmafirma völlig aufzugeben oder selbst seine Auswirkungen durch teure Filter massiv zu reduzieren, ist zwar zweifelhaft; dies ist aber eine wirtschaftliche Entscheidung, die die Kläger selbst treffen müssen und für die ihnen ein Interesse, zunächst über die ohne Gutachten zu klärenden Fragen des Gewerbevorhabens Gewissheit zu erlangen, nicht abzusprechen ist. Eine Emissionsreduktion würde jedenfalls dadurch erleichtert, dass die Kläger offenbar ohnehin ihre vorhandenen Schweine- und Ferkelställe durch einen Neubau ersetzen wollen. Die Umplanung eines solchen Neubaus dürfte einfacher sein als die Nachrüstung vorhandener Ställe.

Die damit zulässig beschränkte Bauvoranfrage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang positiv zu bescheiden. Das Vorhaben ist, vorbehaltlich der Prüfung seiner Immissionsexposition (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3) und vorbehaltlich der Übernahme einer Verpflichtung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g), planungsrechtlich zulässig.

Da das Vorhaben unstreitig im Außenbereich gelegen, vom Verwaltungsgericht zutreffend als nicht privilegiert eingestuft ist, ist das Vorhaben zulässig, wenn seine Ausführung die Benutzung öffentlicher Belange nicht beeinträchtigte und seine Erschließung gesichert wäre. Letzteres ist unstreitig der Fall, ist doch auch der vorhandene landwirtschaftliche Betrieb erschlossen.

Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange dürfte hier zwar auch abgesehen von der Gefahr, dass das Vorhaben schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt wird (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB), vorliegen. Das Vorhaben steht unstreitig im Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), und dürfte ferner eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) und die Gefahr der Verfestigung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) mit sich bringen. Diese Belange, können dem Vorhaben freilich gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB der Änderung der Nutzung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 unter den in den Buchstaben a) bis g) aufgeführten weiteren Voraussetzungen nicht entgegengehalten werden. Die Merkmale dieses Ausnahmetatbestandes sind überwiegend erfüllt. Bei dem Geflügelstall handelt es sich um ein Gebäude i.S.d. Abs. 1 Nr. 1, d.h. ein landwirtschaftliches Gebäude. Die darin betriebene Legehennenhaltung unterfällt gemäß § 201 BauGB dem Begriff der Landwirtschaft, wenn das Futter für sie überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann. Dies hat der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 20. Juni 2013 nachgewiesen, der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten. Auch die Voraussetzungen der Nr. 1, Buchst. a) bis f) sind erfüllt. Lediglich eine Verpflichtung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g) BauGB, keinen Ersatzbau für den weggefallenen Hühnerstall zu errichten, hat der Kläger noch nicht übernommen. Dies rechtfertigt aber keine vollständige Ablehnung seines Bauvorbescheides. Da die Verpflichtung erst im Rahmen des Genehmigungsverfahrens übernommen werden muss, reicht es aus, den Bauvorbescheid mit einem entsprechenden Vorbehalt - wie aus dem Tenor ersichtlich - zu versehen.

Die Kostenregelung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Anlass, die Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO), besteht nicht, da die Beigeladene, die sich im gerichtlichen Verfahren nicht positioniert hat, im Verwaltungsverfahren ihr Einvernehmen nicht erteilt hat und daher eher dem unterliegenden Lager des Beklagten zuzurechnen ist. Da sie keinen Antrag gestellt und kein Rechtsmittel eingelegt hat, sind ihr allerdings auch keine Kosten aufzuerlegen (§ 154 Abs. 3 VwGO).