Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.06.2013, Az.: 4 LC 240/11

Teilen des ständigen Wohnsitzes der sorgeberechtigten Eltern durch einen minderjährigen Auszubildenden

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.06.2013
Aktenzeichen
4 LC 240/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 46779
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0620.4LC240.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 27.06.2011 - AZ: 4 A 310/09

Fundstelle

  • DÖV 2014, 47

Amtlicher Leitsatz

Ein minderjähriger Auszubildender teilt regelmäßig den ständigen Wohnsitz der sorgeberechtigten Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils, sofern nicht für das Kind ein anderweitiger ständiger Wohnsitz begründet worden ist.

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.

Die am 5. August 1989 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie besuchte ab Februar 1999 eine Schule in Spanien und schloss ihre schulische Ausbildung im Juli 2008 dort ab. Am 28. Juli 2008 nahm sie ein Studium an der International School of Hotel Management in der Fachrichtung Bachelor in Business Administration (BBA) in Marbella auf. Auf ihren Antrag bewilligte der Beklagte ihr für diese Ausbildung Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für den Zeitraum von Juli 2008 bis Juni 2009.

Am 23. Februar 2009 beantragte die Klägerin eine weitere Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für den Zeitraum von Juli 2009 bis Juni 2010. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 27. Mai 2009 mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für eine vollständige Förderung der Auslandsausbildung nicht vorlägen. Einer Förderung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BAföG i. V. m. § 16 Abs. 3 BAföG stehe entgegen, dass die Klägerin ihren ständigen Wohnsitz nicht im Inland habe. Sie lebe seit Februar 1999 in Spanien, habe dort die Schule besucht und unmittelbar danach die Ausbildung an der International School of Hotel Management in Marbella aufgenommen. Dass sie sich in den Ferienzeiten in Deutschland aufgehalten habe, rechtfertige nicht die Annahme, dass sie dort ihren ständigen Wohnsitz habe.

Die Klägerin erhob am 23. Juni 2009 gegen den o. g. Bescheid Widerspruch mit der Bitte um nochmalige Überprüfung. Der Beklagte wies diesen Widerspruch durch Bescheid vom 16. September 2009 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass eine Förderung einer Ausbildung im Ausland eine Ausnahme darstelle. Ein Auszubildender mit ständigem Wohnsitz im Inland habe einen Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung, wenn die im Bundesausbildungsförderungsgesetz genannten Voraussetzungen für die Förderung einer Inlandsausbildung und die darüber hinaus notwendigen Bedingungen für eine Auslandsausbildung erfüllt seien. Für den Bewilligungszeitraum von Juli 2008 bis Juni 2009 seien der Klägerin für die Ausbildung an der International School of Hotel Management Leistungen nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BAföG zugesprochen worden. Eine weitere Förderung käme nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BAföG i. V. m. § 16 Abs. 3 Halbs. 2 BAföG nur dann in Betracht, wenn die Klägerin bei Beginn des nach dem 31. Dezember 2007 aufgenommenen Auslandsaufenthalts bereits seit mindestens drei Jahren ihren ständigen Wohnsitz im Inland gehabt hätte. Das sei jedoch nicht der Fall. Die Klägerin sei mit der Mutter im Februar 1999 im Alter von zehn Jahren nach Südspanien gezogen. Demzufolge habe sich ihr ständiger Wohnsitz bei ihrer Mutter in Spanien befunden. Diese Wohnsitznahme sei nicht dadurch beendet worden, dass sich die Mutter der Klägerin entschlossen habe, nach Deutschland zurückzukehren, da die Klägerin in Spanien verblieben sei, dort die allgemeine Hochschulreife erworben und die weitere Ausbildung an der International School of Hotel Management aufgenommen habe. Daher habe die Klägerin auch nach der Rückkehr ihrer Mutter aus Spanien ihren ständigen Wohnsitz in Spanien gehabt.

Die Klägerin hat daraufhin am 12. Oktober 2009 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie halte sich lediglich zu Lern- und Studienzwecken im Ausland auf. Ihr ständiger Wohnsitz sei in Deutschland. Ihr Lebensmittelpunkt habe sich auch während der Zeit ihrer Minderjährigkeit bei ihrer in Deutschland lebenden Familie befunden. Ihr ständiger Wohnsitz sei auch damals im Inland gewesen. Die Abwesenheit von diesem sei allein durch ihre Ausbildung in Spanien begründet gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 27. Mai 2009 und 16. September 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr für den Bewilligungszeitraum von Juli 2009 bis Juni 2010 Leistungen nach Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen und die dortigen Ausführungen vertieft.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 27. Juni 2011 die Bescheide des Beklagten vom 27. Mai 2009 und 16.September 2009 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für den Bewilligungszeitraum von Juli 2009 bis Juni 2010 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Ablehnung der Ausbildungsförderung durch die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Die Klägerin habe einen Anspruch auf die begehrte Ausbildungsförderung. Ob sich ein dahingehender Anspruch bereits aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG ergebe, könne allerdings offen bleiben. Nach § 5 Abs. 1 BAföG sei der ständige Wohnsitz im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes an dem Ort begründet, der nicht nur vorübergehend Mittelpunkt der Lebensbeziehungen sei, ohne dass es auf den Willen zur ständigen Niederlassung ankomme; wer sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung an einem Ort aufhalte, habe dort nicht seinen ständigen Wohnsitz begründet. Für die Annahme eines ständigen Wohnsitzes der Klägerin bei ihrer Mutter in Deutschland könne angeführt werden, dass sich die Klägerin in Spanien zur Ausbildung aufgehalten und die Ferienzeiten weit überwiegend in Deutschland verbracht habe. Dagegen spreche allerdings, dass die dauerhafte Unterbringung der Klägerin in dem Internat in Spanien gerade nicht nur zu Ausbildungszwecken erfolgt sei, es ihrer Mutter vielmehr wesentlich auch darum gegangen sein, der Klägerin eine möglichst unbeschwerte und von ihren Problemen nicht tangierte Kindheit zu ermöglichen. Die Klägerin habe indessen unter der Annahme, dass ihr Wohnsitz sich nicht seit mindestens drei Jahren vor Ausbildungsbeginn im Inland, sondern in Spanien befunden habe, einen Anspruch auf die gewährte Förderung als "Auslandsdeutsche" im Sinne des § 6 BAföG. Zwar erfülle die Klägerin die weitere Voraussetzung des § 6 BAföG, dass besondere Umstände des Einzelfalls die Leistung von Ausbildungsförderung rechtfertigten, nicht. Sie könne die begehrte Förderung aber dennoch beanspruchen, weil die Einschränkung der Förderung in § 6 Satz 1 BAföG dahingehend, dass Deutschen mit ständigem Wohnsitz in einem ausländischen Staat, die dort eine Ausbildungsstätte besuchen, Ausbildungsförderung nur dann geleistet werden könne, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigten, in den Fällen des Besuchs einer Ausbildungsstätte in einen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft wegen Verstoßes gegen Art. 18 Abs. 1 EGV nicht anzuwenden sei. Nach dieser Vorschrift habe jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Ein Mitgliedstaat habe daher, wenn er ein Ausbildungsförderungssystem vorsehe, wonach Auszubildende bei einer Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat eine Ausbildungsförderung in Anspruch nehmen können, dafür Sorge zu tragen, dass die Modalitäten der Bewilligung dieser Förderung das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, nicht ungerechtfertigt beschränken. Nach dieser Maßgabe greife das Erfordernis besonderer Umstände des Einzelfalls in § 6 Satz 1 BAföG in das Recht der Klägerin nach Art. 18 Abs. 1 EGV ein, sich in Spanien weiterhin aufzuhalten. Die darin liegende Beschränkung des Rechts nach Art. 18 Abs. 1 EGV sei auch gemeinschaftsrechtlich nicht gerechtfertigt. Ein legitimer Zweck für die einschränkende Regelung des § 6 BAföG sei nicht ersichtlich. Das Erfordernis besonderer Umstände des Einzelfalls nach § 6 Satz 1 BAföG diene dazu, die Ausbildungsförderung im Grundsatz auf die Fälle zu beschränken, in denen ein Auszubildender eine im Geltungsbereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes gelegene Ausbildungsstätte besuche, und den Besuch einer Ausbildungsstätte im Ausland nur in derartigen Härtefällen zu fördern, in denen dem Auszubildenden der Besuch einer Ausbildungsstätte im Geltungsbereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes nicht möglich oder zuzumuten sei. Dieser Zweck der Begrenzung der Ausbildungsförderung beim Besuch im Ausland gelegener Ausbildungsstätten auf Härtefälle stelle indessen keine Rechtfertigung der Beschränkung des durch Art. 18 Abs. 1 EGV verliehenen Rechts dar.

Gegen dieses ihm am 24. August 2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte am 8. September 2011 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt.

Zur Begründung der Berufung führt der Beklagte aus, dass das Verwaltungsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben habe. Zunächst sei zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht offen gelassen habe, ob die Klägerin bei Beginn des nach dem 31. Dezember 2007 aufgenommenen Auslandsaufenthaltes seit mindestens drei Jahren ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe, was Voraussetzung für einen Anspruch nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 1. Alt. BAföG gewesen wäre. Denn der Anwendungsbereich des § 6 BAföG sei schon gar nicht eröffnet, wenn die Klägerin nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BAföG gefördert werden könnte, weil beide Vorschriften sich sowohl nach den Anspruchsvoraussetzungen als auch nach den Rechtsfolgen gegenseitig ausschlössen. Aber selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin zu dem Personenkreis gehöre, der nach § 6 BAföG grundsätzlich förderungsfähig sei, könne der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die weiteren Voraussetzungen für eine Förderung nach § 6 Satz 1 BAföG wegen Verstoßes gegen Art. 18 Abs. 1 EGV nicht vorliegen müssten, nicht nachvollzogen werden. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) es in dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Urteil vom 23. Oktober 2007 in der Sache Morgan/Bucher als legitim bezeichnet habe, wenn ein Mitgliedstaat als Voraussetzung für die Gewährung von Förderung an eine Person einen ausreichenden Grad an gesellschaftlicher Integration von dieser Person verlangt. Dabei sei in der genannten Entscheidung explizit als ausreichend angesehen worden, dass die Klägerin im dortigen Fall - anders als im vorliegenden Fall - in Deutschland aufgewachsen und dort auch ihre Schulzeit verbracht hätten. Das Erfordernis der ausreichenden gesellschaftlichen Integration habe der EuGH auch in seiner Entscheidung vom 15. März 2005 (- C -209/03 - "Bidar") thematisiert und dabei festgestellt, dass sich im Rahmen einer nationalen Regelung wie der Student Support Regulations die Garantie einer ausreichenden Integration in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats aus dem Erfordernis eines zuvor bestehenden Wohnsitzes im Hoheitsgebiet dieses Staates ergebe. Eine entsprechende Regelung finde sich nunmehr in § 16 Abs. 3 Halbs. 2 BAföG, wonach in den Fällen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG nur dann über ein Jahr hinaus gefordert werde, wenn der Auszubildende bei Beginn eines nach dem 31. Dezember 2007 aufgenommenen Auslandsaufenthaltes bereits seit mindestens drei Jahren seinen ständigen Wohnsitz im Inland gehabt habe. Diese Regelung solle zielgerichtet sicherstellen, dass finanzielle Leistungen aus steuerfinanzierten öffentlichen Haushalten auf einen Personenkreis beschränkt werden, der ein Mindestmaß an Nähe zu dem leistenden Staat aufweise, und beruhe daher auf von der Staatsangehörigkeit des Betroffenen unabhängigen Erwägungen. Seien aber bereits diese Einschränkungen rechtmäßig, müsse dies erst recht für diejenigen Voraussetzungen des § 6 BAföG gelten, die Ausnahmen in Härtefällen für einen bestimmten Personenkreis treffen. So habe das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 10. Juli 1992 (5 B 88.92) festgestellt, dass es im Rahmen der speziellen Härtefallregelung des § 6 BAföG nicht auf die Regelung über die Freizügigkeit im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ankomme. Nicht zuletzt stelle die Einschränkung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BAföG i. V. m. § 16 Abs. 3 Halbs. 2 BAföG bzw. die Beschränkung der Förderung des § 6 BAföG auf spezielle Härtefälle ein sachgerechtes Mittel dar, die Kumulation von Ausbildungsförderung nach Antragsverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verhindern, was auch nach der Auffassung des EuGH zu verhindern sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass nicht feststehe, dass die Mutter der Klägerin seit November 2000 ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Außerdem sei die Regelung des § 11 BGB, wonach ein minderjähriges Kind den Wohnsitz des sorgeberechtigten Elternteils teile, nicht zwingend, da anstelle des gesetzlichen Wohnsitzes ein gewillkürter Wohnsitz nach den § 7 f. BGB begründet werden könne, der Vorrang vor dem gesetzlichen Wohnsitz genieße. Für einen in Spanien begründeten gewillkürten Wohnsitz der Klägerin spreche seines Erachtens, dass es der Mutter der Klägerin bei der dauerhaften Unterbringung der Klägerin im Internat in Spanien wesentlich darum gegangen sei, der Klägerin eine möglichst unbeschwerte und von den Problemen ihrer Mutter nicht tangierte Kindheit zu ermöglichen. Somit sei die Unterbringung der Klägerin in dem Internat in Malaga gerade nicht nur zu Ausbildungszwecken erfolgt.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 4. Kammer - vom 27. Juni 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und teilt mit, dass ihre Mutter im November 2000 von Spanien nach Deutschland zurückgezogen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Gründe

II.

Die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist unbegründet.

Diese Entscheidung trifft der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten nach § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung des Beklagten einstimmig für nicht begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht als notwendig erachtet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Denn der Klägerin steht die beantragte Ausbildungsförderung zu, so dass der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Der Anspruch der Klägerin auf Ausbildungsförderung ergibt sich allerdings entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht aus § 6 BAföG, sondern aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG wird Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, Ausbildungsförderung für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte geleistet, wenn eine Ausbildung an einer Ausbildungsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in der Schweiz aufgenommen oder fortgesetzt wird und ausreichende Sprachkenntnisse vorhanden sind.

Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung sind hier erfüllt.

Die Klägerin hat eine Ausbildung an einer Ausbildungsstätte in Spanien und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufgenommen und in dem hier relevanten Zeitraum von Juli 2009 bis Juni 2010 fortgesetzt. Sie verfügt aufgrund ihres langjährigen Aufenthalts in Spanien zudem über ausreichende Sprachkenntnisse. Schließlich hat die Klägerin ihren ständigen Wohnsitz auch in Deutschland gehabt.

Nach § 5 Abs. 1 BAföG ist der ständige Wohnsitz im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes an dem Ort begründet, der nicht nur vorübergehend Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ist, ohne dass es auf den Willen zur ständigen Niederlassung ankommt; wer sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung an einem Ort aufhält, hat dort nicht seinen ständigen Wohnsitz begründet. Diese Legaldefinition lehnt sich an den zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff der §§ 7 ff. BGB an (OVG Saarland, Beschl. v. 29.10.2012 - 3 A 238/12 -; Rothe/Blanke, BAföG, Stand: März 2010, § 5 Rn. 6 und § 6 Rn. 6), der seinerseits an die ständige Niederlassung an einem Ort in dem Sinne, dass dort der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen begründet wird, anknüpft (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.5.2002 - 5 C 59/01 -, BVerwGE 116, 291). Daher teilt ein minderjähriger Auszubildender in entsprechender Anwendung des § 11 Satz 1 BGB regelmäßig den ständigen Wohnsitz der personensorgeberechtigten Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils (OVG Saarland, Beschl. v. 29.10.2012 - 3 A 238/12 -; Rothe/Blanke, BAföG, Stand: März 2010, § 6 Rn. 6), sofern nicht für das Kind ein anderweitiger ständiger Wohnsitz begründet worden ist (OVG Saarland, Beschl. v. 29.10.2012 - 3 A 238/12 -).

Ausgehend davon hat die Klägerin nach ihrem Umzug mit ihrer allein personensorgeberechtigten Mutter von Deutschland nach Spanien im Februar 1999 ihren ständigen Wohnsitz zunächst in Spanien gehabt. Denn die Mutter der Klägerin hat damals sowohl ihren Wohnsitz i.S.d § 7 BGB als auch ihren ständigen Wohnsitz i.S.d. § 5 Abs. 1 BAföG in Spanien begründet, da sie den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen nach Spanien verlegt und sich dort nicht nur vorübergehend niedergelassen hat. Damit befand sich seinerzeit auch der ständige Wohnsitz der Klägerin in Spanien.

Im November 2000 ist die Mutter der Klägerin allerdings nach Deutschland zurückgekehrt. Dies hat die Klägerin auf Anfrage des Senats nach dem Zeitpunkt der Rückkehr ihrer Mutter mitgeteilt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Mitteilung unzutreffend ist, bestehen nicht. Das gilt umso mehr, als Dr. D. E. ausweislich der Verwaltungsvorgänge des Beklagten unter dem 9. November 2008 bestätigt hat, dass die Mutter der Klägerin von November 2000 bis zum 15. Februar 2007 in seinem Haus in Bremen wohnhaft gewesen sei. Außerdem hat F. G. unter dem 22. Oktober 2009 bekundet, dass die Mutter der Klägerin in den Jahren 2000 bis 2007 in Bremen ihren Wohnsitz gehabt habe. Schließlich lässt sich die Erklärung der Klägerin, dass ihre Mutter im November 2000 nach Deutschland zurückgekehrt sei, auch anhand der Angaben der Mutter der Klägerin in ihrem Schreiben vom 24. April 2009 an den Beklagten nachvollziehen. Daher steht die Rückkehr der Mutter der Klägerin von Spanien nach Deutschland im November 2000 zur Überzeugung des Senats fest.

Mit dem damaligen Umzug von Spanien nach Deutschland hat die Mutter der Klägerin den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen wieder nach Deutschland verlegt und damit im Inland sowohl einen Wohnsitz i.S.d § 7 BGB als auch einen ständigen Wohnsitz i.S.d. § 5 Abs. 1 BAföG begründet. Damit hat sich auch der ständige Wohnsitz der Klägerin nach Deutschland verlagert, da ein minderjähriges Kind in entsprechender Anwendung des § 11 Satz 1 BGB regelmäßig den ständigen Wohnsitz seiner allein personensorgeberechtigten Mutter teilt und keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass damals ein anderweitiger ständiger Wohnsitz für die Klägerin in Spanien begründet worden ist.

Dem Schreiben der Mutter der Klägerin an den Beklagten vom 24. April 2009 ist zu entnehmen, dass die Klägerin in Spanien verblieben ist, um dort unbelastet von den persönlichen Problemen ihrer Mutter weiterhin die Schule besuchen zu können. Die Mutter der Klägerin hat in diesem Schreiben betont, dass sie bei ihrer Rückkehr nach Deutschland ihre Tochter an sich habe mitnehmen wollen, jedoch befürchtet habe, ihr durch eine Herausnahme aus der Schule mitten im Schuljahr zu schaden. Daher habe sie bis zum nächsten Sommer gewartet, um die Klägerin wieder ganz nach Deutschland zurück zu holen. In den Sommerferien sei ihre Tochter dann aber so fröhlich und ausgeglichen gewesen, dass sie schweren Herzens entschieden habe, sie wieder in die Gemeinschaft im Internat in Spanien zurückkehren zu lassen. Sie habe das Internat für einen besseren Ort für ihren seelischen und persönlichen Werdegang gehalten. Seit dem Tag, an dem sie ihre Tochter in das Internat gegeben habe, sei sie aber entschlossen gewesen, sie dort nur vorübergehend unterzubringen. Daraus ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass sich die Klägerin sowohl objektiv, als auch nach dem Willen ihrer Mutter allein oder jedenfalls in erster Linie in Spanien aufgehalten hat, um dort weiterhin das Internat zu besuchen. Dass es der Mutter der Klägerin bei dem Internatsbesuch in Spanien auch darum ging, ihrer Tochter eine möglichst unbeschwerte, von ihren Problemen nicht tangierte Kindheit zu ermöglichen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass der Aufenthalt der Klägerin in Spanien auch nach dem Willen ihrer Mutter allein oder jedenfalls in erster Linie der Fortsetzung ihrer Schulausbildung gedient hat und damit durch den Ausbildungszweck geprägt gewesen ist. Den weiteren Angaben der Mutter der Klägerin lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass zu dem Ausbildungszweck ein anderer Aufenthaltszweck von vergleichbarem Gewicht hinzugetreten ist. Dafür gibt es auch keine ausreichenden Indizien.

Bei dieser Sachlage besteht kein hinreichender Grund für die Annahme, dass die damals minderjährige Klägerin nach dem Umzug ihrer Mutter nach Deutschland deren ständigen Wohnsitz im Inland nicht geteilt hat, sondern ein anderweitiger ständiger Wohnsitz der Klägerin in Spanien begründet worden ist. Denn der weitere Aufenthalt der Klägerin in Spanien hat sowohl objektiv, als auch nach dem Willen ihrer Mutter allein oder jedenfalls in erster Linie der Ausbildung der Klägerin gedient, was nach § 5 Abs. 1 Halbs. 2 BAföG zu keiner Begründung eines ständigen Wohnsitzes am Aufenthaltsort führt, da ein Auszubildender sich nur dann nicht lediglich zum Zwecke der Ausbildung an einem Ort i.S.d. § 5 Abs. 1 Halbs. 2 BAföG aufhält, wenn der Aufenthalt dort nicht durch den Ausbildungszweck geprägt ist, sondern - in objektiven Indizien nachweisbar - ein anderer Aufenthaltszweck von vergleichbarem Gewicht hinzutritt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.5.2002 - 5 C 59/01 -, BVerwGE 116, 291). Gegen die Annahme, dass die Klägerin nach der Rückkehr ihrer Mutter nach Deutschland deren Wohnsitz in Deutschland nicht geteilt, sondern einen ständigen Wohnsitz in Spanien gehabt hat, lässt sich des Weiteren anführen, dass die Klägerin nach den Angaben ihrer Mutter im erstinstanzlichen Verfahren die Ferien von immerhin ca. fünf Monaten im Jahr im Wesentlichen bei ihr in Deutschland verbracht hat. Schließlich spricht gegen die Begründung eines ständigen Wohnsitzes in Spanien auch die eindeutige und glaubhafte Erklärung der Klägerin in ihrer Klagebegründung, dass sich ihr Lebensmittelpunkt auch während der Zeit ihrer Minderjährigkeit bei ihrer in Deutschland lebenden Familie befunden habe, dass ihr ständiger Wohnsitz in Deutschland gewesen sei und dass sie sich lediglich zur Ausbildung im Ausland aufgehalten habe und noch aufhalte.

Die Klägerin hat ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland auch nach der Erlangung der Volljährigkeit im Jahr 2007 beibehalten. Denn sie hat glaubhaft vorgetragen, dass sie sich weiterhin nur zum Zwecke ihrer Ausbildung in Spanien aufgehalten hat und ihr Lebensmittelpunkt in Deutschland gewesen ist. Dementsprechend ist die Klägerin ausweislich der Meldebestätigung der Freien Hansestadt Bremen vom 2. Februar 2009 seit dem 15. Februar 2007 auch in Deutschland mit erstem Wohnsitz gemeldet.

Hat die Klägerin ihren ständigen Wohnsitz demnach seit November 2000 in Deutschland, liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG für die Gewährung der beantragten Ausbildungsförderung vor. Somit gelangt § 6 BAföG, der die Gewährung von Ausbildungsförderung an Deutsche, die ihren ständigen Wohnsitz in einem ausländischen Staat haben und dort oder von dort aus in einem Nachbarstaat eine Ausbildungsstätte besuchen, regelt, nicht zur Anwendung. Daher kann dahin stehen, ob die von dem Beklagten gerügte Auffassung der Vorinstanz, dass das in § 6 Satz 1 BAföG enthaltene Erfordernis der Rechtfertigung der Leistung der Ausbildungsförderung durch besondere Umstände des Einzelfalls wegen Verstoßes gegen Art. 18 Abs. 1 EGV nicht zur Anwendung gelangt, zutreffend ist.

Da sich der ständige Wohnsitz der Klägerin schon seit November 2000 im Inland befindet, scheitert die Bewilligung der beantragten Ausbildungsförderung für den hier relevanten Zeitraum von Juli 2009 bis Juni 2010 auch nicht an § 16 Abs. 3 Halbs. 2 BAföG, demzufolge Ausbildungsförderung in den Fällen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BAföG nur dann über ein Jahr hinaus geleistet wird, wenn der Auszubildende bei Beginn eines nach dem 31. Dezember 2007 aufgenommenen Auslandsaufenthalts bereits seit mindestens drei Jahren seinen ständigen Wohnsitz im Inland gehabt hat. Denn auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

Schließlich ist davon auszugehen, dass auch die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Ausbildungsförderung gegeben sind, insbesondere die besuchte Ausbildungsstätte in Spanien den im Inland gelegenen Ausbildungsstätten in Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 BAföG gleichwertig ist. Denn zum einen sind gegenteilige Anhaltspunkte weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Zum anderen hat der Beklagte der Klägerin für das erste Jahr des Besuchs der International School of Hotel Management in Marbella Ausbildungsförderung gewährt, was darauf schließen lässt, dass die im vorliegenden Verfahren nicht streitigen Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Ausbildungsförderung erfüllt sind. Davon ist auch die Vorinstanz ausgegangen.