Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.05.2023, Az.: 4 ME 11/23

Baumfällarbeiten; Bestimmtheit; Forstwirtschaft; Freistellungsregelung; Gute fachliche Praxis; Landschaftsschutzgebietsverordnung; Natura 2000-Gebiet; Strategische Umweltprüfung; Verbotstatbestände; Verkehrssicherungsgründe; Verkehrssicherungspflicht; Verschlechterungsverbot; Waldflächen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.05.2023
Aktenzeichen
4 ME 11/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 19568
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0512.4ME11.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 19.01.2023 - AZ: 3 B 123/22

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2023, 762-767
  • NordÖR 2023, 429-434

Amtlicher Leitsatz

Im Falle der Betroffenheit eines Natura 2000-Gebiets zählt ein auf die Einhaltung des allgemeinen Verschlechterungsverbots i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG abzielendes Verbot einer Schutzgebietsverordnung zu den Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 19. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (3 A 222/22) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. Juli 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2022, mit dem auf der Grundlage des § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG die Wiederherstellung des früheren Zustands auf Waldflächen, die den FFH-Lebensraumtypen H. (I.) und J. (K.) zuzuordnen sind, anhand anliegender Karte und Pflanzpläne sofort vollziehbar verfügt wurde.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin von Waldflächen, die in dem FFH-Gebiet Nr. L. "M. Wald" und dem gleichnamigen Landschaftsschutzgebiet liegen.

Mit E-Mail vom 18. November 2021 zeigte die Antragstellerin dem Antragsgegner an, dass sie im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht Holzeinschlagsmaßnahmen entlang der Bundesstraße N. (B N.) beabsichtige, um eine dort und am angrenzenden Radweg bestehende, durch die Wetterextreme der letzten Jahre bedingte Gefährdungssituation zu minimieren. Im Rahmen der Holzerntemaßnahme würden verkehrsgefährdende Bäume entnommen. Dazu werde parallel zu der Straße eine Rückegasse errichtet. Der E-Mail war eine Karte mit der Maßnahmenfläche beigefügt.

Unter dem 25. November 2021 wies der Antragsgegner darauf hin, dass der Eingriff so gering wie möglich zu halten sei. Die vorhandenen Lebensräume J. und H. sowie mögliche Habitate seien nach Möglichkeit zu erhalten, um die FFH-Verträglichkeit zu sichern. Gegebenenfalls seien bei besonders wertvollen, aber verkehrsgefährdenden Habitatbäumen nur die Kronen zu entfernen oder andere Verkehrssicherungsmaßnahmen zu treffen. Hierauf erwiderte die Antragstellerin mit E-Mail vom selben Tag, dass der Eingriff schon aus Kostengründen so gering wie möglich gehalten werde und die in der Schutzgebietsverordnung ausgewiesenen und kartierten Habitaträume sowie Wochenstubenquartiersbäume außen vor blieben.

Nach Durchführung der angekündigten Maßnahmen führte der Antragsgegner eine Besichtigung der von den Baumfällarbeiten betroffenen Waldflächen durch.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2022 gab der Antragsgegner der Antragstellerin unter Ziff. 1 die Wiederherstellung der durch die Baumfällarbeiten/Verkehrssicherungsmaßnahmen zerstörten FFH-Lebensraumtypen H. und J. auf. Bestandteil der Wiederherstellung sei die Anpflanzung der aus den anliegenden Pflanzplänen zu entnehmenden Gehölze. Die Anpflanzungsflächen seien in der beigefügten Karte dargestellt. Die sich aus den Pflanzplänen ergebenen Anpflanzungen und beschriebenen Schutzmaßnahmen für die Neuanpflanzungen seien spätestens bis zum 30. April 2023 vorzunehmen. Unter Ziff. 2 des Bescheids ordnete er die sofortige Vollziehung der Wiederherstellungsverfügung an. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte er unter Ziff. 3 die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro an.

Dagegen legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15. August 2022 Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2022 zurückwies.

Am 30. November 2022 erhob die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht Klage (3 A 222/22) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. Juli 2022 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10. November 2022. Unter demselben Datum beantragte die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners wiederherzustellen.

Den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid vom 13. Juli 2022 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10. November 2022 lehnte das Verwaltungsgericht mit dem erstinstanzlichen Beschluss vom 19. Januar 2023 () im Wesentlichen unter Verweisung auf die Gründe des angefochtenen Bescheids ab.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. Januar 2023 hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, auf dessen Überprüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, vermag eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht zu rechtfertigen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 13. Juli 2022 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10. November 2022 zu Recht abgelehnt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen dürfte sich die Wiederherstellungsverfügung in Ziffer 1 der angegriffenen Verfügung nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweisen.

1. Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, dass die Wiederherstellungsverfügung bereits nicht den Anforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten genüge. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Unklarheiten über den Umfang der von der Wiederherstellungsverfügung erfassten Flächen liegen nicht vor. Ziffer 1 Satz 1 des Bescheides vom 13. Juli 2022 regelt, dass die durch Baumfällarbeiten/Verkehrssicherungsmaßnahmen beseitigten FFH-Lebensraumtypenflächen H. und J. wiederherzustellen sind. Dem ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass die der Antragstellerin aufgegebenen Anpflanzungen auf den betroffenen Waldflächen mit den FFH-Lebensraumtypen H. und J. vorzunehmen sind. Aus der getroffenen Regelung geht auch eindeutig hervor, dass - insoweit - die gesamte von den Fällarbeiten der Antragstellerin betroffene Fläche wiederherzustellen ist, unabhängig davon, ob Bäume im Wege etwaiger Verkehrssicherungsmaßnahmen oder sonstiger Baumfällarbeiten beseitigt worden sind. Damit steht entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin außer Frage, dass auf den erfassten Flächen auch durch Fällarbeiten entstandene Rückegassen aufzuforsten sind. Die Anpflanzungsflächen sind in der dem Bescheid als Anlage 2 beigefügten Karte (Beiakte 001, Bl. 91) zudem näher dargestellt. In dieser Karte werden die betroffenen Waldflächen mit den FFH-Lebensraumtypen H. und J. eindeutig gekennzeichnet. Dass in dem Kartenmaterial über die in Ziffer 1 Satz 1 des Bescheids angesprochenen FFH-Lebensraumtypenflächen H. und J. hinaus noch weitere Flächen dargestellt sind (schraffierte Flächen mit der Bezeichnung "kein LRT" und "Einzelbäume"), deutet entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin nicht in unauflösbarem Widerspruch zu dem Wortlaut von Ziffer 1 Satz 1 des Bescheids darauf hin, dass diese kartografisch dargestellten Flächen ebenfalls von der Wiederherstellungsverfügung mitumfasst sein könnten. Denn aus der Beschreibung in der Kartenlegende geht eindeutig hervor, dass es sich bei den in der Karte dargestellten schraffierten "betroffenen" Flächen um die "Rodungsflächen, welche weit über die Verkehrssicherungspflicht hinausgehen", handelt, nicht aber um die Flächen, die sämtlich wiederherzustellen sind. Auf der Karte sind innerhalb der schraffierten Flächen diejenigen Flächen, auf denen sich die beiden Lebensraumtypen H. und J. befinden, noch gesondert gekennzeichnet. Daraus ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass sich die Wiederherstellungsanordnung nur auf diese Teilbereiche der in der Karte schraffiert dargestellten Flächen bezieht.

2. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG hier vorliegen, hat die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend infrage gestellt.

Nach § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG soll die Behörde, wenn ein Eingriff ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommen wird, die weitere Durchführung des Eingriffs untersagen. Ist - wie vorliegend - der Eingriff im Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Behörde bereits vollständig durchgeführt worden, gilt § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG: In diesem Fall soll die Behörde, soweit nicht auf andere Weise ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden kann, entweder Maßnahmen nach § 15 oder die Wiederherstellung des früheren Zustandes anordnen.

a. Die von der Antragstellerin durchgeführten Baumfällarbeiten auf den FFH-Lebensraumtypenflächen H. und J. sind Veränderungen der Gestalt von Grundflächen und stellen einen Eingriff in Natur und Landschaft i.S.v. § 17 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. Dem setzt die Beschwerde nichts entgegen.

b. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Eingriffsqualität der in Rede stehenden Baumfällarbeiten nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG entfallen. Nach dieser Vorschrift ist die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung nicht als Eingriff anzusehen, soweit dabei die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. § 14 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG bestimmt, dass die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung, die den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis entspricht, in der Regel nicht den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege widerspricht. Ist den Anforderungen an die gute fachliche Praxis nicht entsprochen, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Senat folgt, ein Eingriff vor (BVerwG, Urt. v. 1.9.2016 - 4 C 4.15 -, juris Rn. 21; Senatsbeschl. v. 2.2.2022 - 4 ME 231/21 -, juris Rn. 39).

Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen einer der guten fachlichen Praxis entsprechenden forstwirtschaftlichen Bodennutzung durch Inbezugnahme der Ausführungen im angegriffenen Bescheid mit der Begründung verneint, dass es sich bei Fällarbeiten aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht schon nicht um Maßnahmen "der täglichen Wirtschaftsweise eines Forstwirts" und damit um privilegierungsfähige Maßnahmen i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG handele (Bescheidabdruck, S. 3), hier aber jedenfalls gegen das Verbot in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "M. Wald" (LSG O.) im Landkreis E., Stadt P., Stadt Q., Gemeinde R. und Gemeinde S. vom 06. Dezember 2018 (im Folgenden: LSG-VO) verstoßen worden sei und angesichts dessen nicht von einer der guten fachlichen Praxis entsprechenden Maßnahme ausgegangen werden könne (Bescheidabdruck, S. 3 f.). Es kann dahinstehen, ob - wie die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde einwendet - auch forstliche Maßnahmen aus Gründen der Verkehrssicherung zu den nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG privilegierten Tätigkeiten der "täglichen Wirtschaftsweise" (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 13.6.2019 - 4 C 4.18 -, juris Rn. 20) gehören, wenn sich die Maßnahmen ihrem Erscheinungsbild nach nicht von einer typischen forstwirtschaftlichen Bodennutzung in Form einer Holzernte unterscheiden. Denn nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung stellen sich die von der Antragstellerin durchgeführten Maßnahmen ihrem Umfang nach nicht als Maßnahmen der Verkehrssicherung dar und die hier erfolgte forstwirtschaftlliche Nutzung der Waldflächen widerspricht einer guten fachlichen Praxis i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG, da sie gegen die Verbote der LSG-VO verstößt.

aa. Entgegen dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin gehört das Verbot in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LSG-VO zu den nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG zu beachtenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis. Die Regelvermutung des § 14 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG greift nämlich nicht, wenn Besonderheiten der forstwirtschaftlichen Nutzung im konkreten Fall mit den naturschutzfachlichen Gegebenheiten nicht zu vereinbaren sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.2021 - 7 C 6.20 -, juris Rn. 42 sowie v. 6.11.2012 - 9 A 17.11 -, juris Rn. 89). Ist - wie hier - ein Natura 2000-Gebiet betroffen, hat die zuständige Behörde insoweit sicherzustellen, dass es nicht zu Veränderungen und Störungen kommt, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG - vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25.11.2021 - 7 C 6.20 -, juris Rn. 42 sowie v. 6.11.2012 - 9 A 17.11 -, juris Rn. 89). Die Frage, ob von einer konkreten forstwirtschaftlichen Nutzung eine solche Beeinträchtigung droht, ist hierbei zuvörderst eine naturschutzfachliche Frage, die der für die Unterschutzstellung zuständige Normgeber durch die Schutzgebietsausweisung und die Schutzgebietspflege zu regeln hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.2021 - 7 C 6.20 -, juris Rn. 42, sowie v. 6.11.2012 - 9 A 17.11 -, juris Rn. 89). Entsprechende Regelungen hat der Antragsgegner als zuständiger Landkreis hier mit den Verbotstatbeständen des § 3 LSG-VO und deren näherer Ausgestaltung in § 4 LSG-VO formuliert. Ausweislich des Verweises in § 3 Abs. 1 Satz 1 LSG-VO auf § 32 Abs. 3 Satz 3 BNatSchG zielen die Verbotstatbestände u.a. auf die Sicherstellung ab, dass den Anforderungen des Art. 6 der FFH-Richtlinie zum Schutz des von seinem Geltungsbereich umfassten FFH-Gebiets L. "M. Wald" (vgl. § 1 Abs. 4 LSG-VO) entsprochen wird, mithin auch auf die Einhaltung des in Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie europarechtlich verankerten und in § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG in nationales Recht umgesetzten allgemeinen Verschlechterungsverbots, dessen Verletzung der Regelvermutung des § 14 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG entgegensteht.

bb. Dass das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bescheid in den von der Antragstellerin durchgeführten Baumfällmaßnahmen einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LSG-VO erblickt hat, ist nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift ist es u.a. untersagt, wildwachsende Pflanzen zu zerstören oder zu entnehmen. Ohne Erfolg macht die Antragstellerin in diesem Zusammenhang geltend, dass zu ihren Gunsten ein Freistellungstatbestand i.S.v. § 4 Abs. 2 LSG-VO eingreife.

(1) Dies gilt zunächst, soweit das Verwaltungsgericht durch Bezugnahme auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen ist, dass die Freistellungsregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 5 LSG-VO vorliegend nicht zum Tragen kommt (Bescheidabdruck, S. 4). Freigestellt von den Verboten des § 3 LSG-VO sind nach Satz 1 dieser Vorschrift die Nutzung und Unterhaltung der bestehenden rechtmäßigen Anlagen und Einrichtungen sowie deren Instandsetzung, wenn die beabsichtigten Maßnahmen mindestens vier Wochen vor der Umsetzung der Naturschutzbehörde angezeigt worden sind. Zur Nutzung und Unterhaltung der Straßen und Straßenseitenräume gehört gem. Satz 4 auch die Gehölzpflege sowie die Entnahme von Gehölzen und Bäumen aus dem Bestand aus Verkehrssicherungsgründen für den Straßenverkehr unter Beachtung der §§ 39 Abs. 5 und 44 BNatSchG.

Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen von Maßnahmen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit mit der Begründung abgelehnt, es sei aufgrund der Lichtbilder in den Verwaltungsvorgängen offensichtlich, dass die Antragstellerin keine Verkehrssicherungsmaßnahmen, sondern offensichtlich und eindeutig Abholzungen aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt habe (Beschlussabdruck, S. 2). In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht durch Inbezugnahme der Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die östlich der B N. liegenden, den Lebensraumtypen H. und J. entsprechen Waldflächen auf einer Fläche von rund 4.000 qm vollständig von Gehölzen geräumt worden seien und die Antragstellerin entgegen ihrer Anzeige nicht nur einzelne verkehrsgefährdende Bäume entnommen habe (Bescheidabdruck, S. 2). Die Antragstellerin hat mit ihrer Beschwerdebegründung keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die dem Senat nach summarischer Prüfung Anlass geben könnten, diese Bewertung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen.

(a) Nach Aktenlage kann davon ausgegangen werden, dass die östlich der B N. gelegenen Waldflächen der FFH-Lebensraumtypen H. und J. auf einer Fläche von 4.000 qm vollständig von Baumbestand geräumt worden sind. Auch der Senat erkennt auf den im Verwaltungsvorgang vorhandenen Lichtbildern (Beiakte 001, Blatt 16 ff.) vollständig von Baumbestand geräumte Freiflächen entlang der B N.. Ein entsprechendes Gepräge weist das im Beschwerdeverfahren vorgelegte Lichtbild (Gerichtsakte, Blatt 110) auf. Soweit sich die Antragstellerin auf das Vorhandensein einzelner Bäume beruft, lässt sich dies - wie dargelegt - anhand des vorliegenden Bildmaterials nicht nachvollziehen. Im Übrigen stünde der Umstand, dass auf den von den Fällarbeiten betroffene Flächen vereinzelt Bäume stehen geblieben sind, der Annahme einer großflächigen Räumung nicht entgegen. Auch der Hinweis der Antragstellerin auf die Reichweite des Baggers von "nur 5 bis 10 Metern" entkräftet die getroffene Feststellung, es sei ein ca. 20 Meter breiter Streifen von Bäumen freigeräumt worden, ersichtlich nicht. Schließlich ist der Einwand der Antragstellerin, dass der Antragsgegner unzutreffend von einer Entfernung der Forstpflanzen im Wege der Rodung ausgegangen sei, unbeachtlich. Denn auf die Art und Weise der Baumentnahme - sei es durch Rodung oder Fällen - stellt weder die in Rede stehende Freistellungsregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 5 LSG-VO ab, noch haben der Antragsgegner oder das Verwaltungsgericht diesen Umstand ihrer Begründung im vorliegenden Zusammenhang tragend zugrunde gelegt.

(b) Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass das Ausmaß der von den gefällten Bäumen ausgehenden Gefahr im Nachhinein nicht mehr rekonstruierbar sei, es sei insoweit Sache des Antragsgegners, Überschreitungen der Verkehrssicherungspflicht konkret darzulegen. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, welches durch seine Eilbedürftigkeit geprägt ist, erfolgt die Sachverhaltsermittlung grundsätzlich aufgrund glaubhafter Tatsachen und überwiegender Wahrscheinlichkeiten (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.6.2006 - 11 S 2135/05 -, juris Rn. 18; Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., § 80 Rn. 125 m.w.N.). Mit Blick auf die Größe der geräumten Waldfläche wäre es danach Sache der Antragstellerin gewesen, substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, dass die Beseitigung sämtlicher von ihr gefällter Bäume zur Wahrung der Verkehrssicherheit an der B N. erforderlich war. Gegenteiliges kann die Antragstellerin auch nicht aus der von ihr angeführten Entscheidung des Verwaltungsgericht Augsburg vom 17. Oktober 2022 (- Au 9 K 21.1549 -, juris Rn. 42) ableiten. Die von der Antragstellerin zitierten gerichtlichen Ausführungen erschöpfen sich in der Feststellung, dass der dortige Kläger mit der naturschutzrechtlich im Vorfeld nicht abgestimmten Beseitigung der Bäume eine Prüfung von deren Standsicherheit im Hinblick auf etwaige Verkehrssicherungspflichten unmöglich gemacht habe. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Rechtssatz, dass Unklarheiten über den Umfang von Verkehrssicherungspflichten dann nicht zu Lasten des Pflichtigen gehen, wenn die in der LSG-VO vorgesehenen Anzeigepflichten erfüllt worden sind, wird in der Entscheidung nicht formuliert. Hinzu kommt, dass die von der Antragstellerin vorgenommene Anzeige nicht das Ausmaß der beabsichtigten Maßnahme hat erkennen lassen und sie damit ihrer Anzeigepflicht nicht hinreichend nachgekommen ist. Die Antragstellerin hat per E-mail vom 18. November 2021 zwar angezeigt, "im Rahmen der Holzerntemaßnahmen wird, wie in den letzten Jahren auch, eine Rückegasse parallel zur Straße angelegt und es werden verkehrsgefährdende Bäume entnommen". Aus dieser Anzeige war für den Antragsgegner jedoch nicht zu ersehen, dass östlich der B N. Waldflächen auf einer Fläche von rund 4.000 qm vollständig von Gehölzen geräumt werden sollten.

(c) Die Ausführungen der Antragstellerin zu Art und Umfang des von den gefällten Bäumen ausgehenden Verkehrssicherheitsrisikos sind insoweit nicht hinreichend. Allein mit ihrem pauschalen Hinweis auf die "Extremwetterereignisse der letzten Jahre" hat die Antragstellerin keine hinreichenden sachlichen Anhaltspunkte dargelegt, die darauf schließen ließen, dass von nahezu dem gesamten Baumbestand auf den streitgegenständlichen Flächen Risiken für den Straßenverkehr an der B N. ausgegangen wären. Gleiches gilt für den Einwand der Antragstellerin, dass die für die Verkehrssicherungsmaßnahmen aufgewendeten Kosten die Annahme des Verwaltungsgerichts widerlegten, es seien "offensichtlich und eindeutig Abholzungen aus wirtschaftlichen Gründen" vorgenommen worden. Selbst wenn nach den Angaben der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Kosten für die durchgeführten Maßnahmen kein oder nur ein unwesentlicher rechnerischer Gewinn verbleibe, lässt dies nicht darauf schließen, dass alle Bäume aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht entfernt werden mussten. Im Übrigen hat die Antragstellerin die vorgetragenen Kosten und Erlöse der Baumfällmaßnahmen nicht glaubhaft gemacht.

(2) Auch der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Begründung des angegriffenen Bescheids, die Baumfällmaßnahmen seien nicht gem. § 4 Abs. 4 Nr. 2 LSG-VO von den Verboten der Verordnung freigestellt (Bescheidabdruck, S. 4), ist die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht mit Erfolg entgegengetreten. Nach dieser Vorschrift ist die Nutzung der forstwirtschaftlichen Waldflächen mit wertbestimmenden Lebensraumtypen nur insoweit untersagt, als die Nutzung nicht unter Berücksichtigung der unter a) bis k) genannten Vorgaben erfolgt. Der Antragsgegner und ihm folgend das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass entgegen der Vorgabe unter a) die Holzentnahme nicht nur einzelstammweise oder durch Femel- oder Lochhieb i.S.d. Unterschutzstellungserlasses des MU und ML vollzogen worden sei (Bescheidabdruck, S. 4). Dem hat die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegengesetzt.

(a) Der von der Antragstellerin angeführte Widerspruch zwischen den in § 4 Abs. 4 Nr. 2 LSG-VO bezeichneten Anforderungen und der Freistellungsregelung für Verkehrssicherungsmaßnahmen in § 4 Abs. 2 Nr. 5 LSG-VO liegt hier bereits nicht vor. Denn das Verwaltungsgericht hat die dafür erforderliche Freistellung der Baumfällmaßnahmen gem. § 4 Abs. 2 Nr. 5 LSG-VO in Ermangelung eines erkennbaren Verkehrssicherungscharakters vorliegend verneint und die Antragstellerin hat die diesbezügliche Begründung mit ihrem Beschwerdevorbringen - wie bereits ausgeführt - auch nicht entkräftet.

(b) Soweit die Antragstellerin die gerichtliche Annahme bestreitet, dass auf einer Fläche von ca. 4.000 qm der Holzbestand nicht einzelstammweise, sondern vollständig entnommen wurde, kann sie ebenso wenig durchdringen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter 2. b. bb. (1) (a) verwiesen, die hier entsprechend gelten.

(c) Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei kein Femel- oder Lochhieb i.S.d. gemeinsamen Runderlasses des MU und des ML vom 21. Oktober 2015 - 27a/22002 07 - "Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten im Wald durch Naturschutzgebietsverordnung" (Nds. MBl. 2015 Nr. 40, S. 1300) (im Folgenden: Unterschutzstellungserlass) erkennbar, hat die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend infrage gestellt. Femelhieb meint die Entnahme von Bäumen auf einer Fläche von Gruppengröße (Ø 10 bis 20 m) bis Horstgröße (Ø 20 bis 40 m) in unregelmäßiger Verteilung über die Bestandsfläche einschließlich deren sukzessiver Vergrößerung (Rändelung) mit dem Ziel der Verjüngung des Bestandes (Unterschutzstellungserlass, S. 10). Lochhieb ist eine Hiebform zur Einleitung der Walderneuerung nach einer Mast oder vor einer Pflanzung, bei der in der Regel meist kreisförmige Freiflächen mit einem Durchmesser mindestens einer Baumlänge, maximal 50 m, geschaffen werden, die im Abstand von ungefähr einer Baumlänge zueinander liegen können (Unterschutzstellungserlass, S. 11). Die hier erfolgte Entnahme von Bäumen auf einer Fläche von ca. 4.000 qm stellt ersichtlich keinen Loch- oder Femelhieb im vorgenannten Sinne dar. Soweit die Antragstellerin unter Bezugnahme auf den Leitfaden des MU und ML "NATURA 2000" vom 19. Juli 2019 (S. 35 f.) darauf hinweist, dass der zur Eichenverjüngung laut Unterschutzstellungserlass maximal zulässige Lochhieb von ungefähr 0,2 ha innerhalb eines ansonsten geschlossenen Bestandes im Einzelfall zu klein sein könne, um unter den (licht-) klimatischen Voraussetzungen Niedersachsens eine Eichenverjüngung erfolgversprechend umsetzen zu können, wird damit weder die Heranziehung der Begriffsbestimmungen des Unterschutzstellungserlasses als Prüfungsmaßstab oder deren Subsumtion durchgreifend infrage gestellt, noch sind damit sachliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines entsprechenden Einzelfalls dargetan.

(d) Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass die in § 4 Abs. 4 Nr. 2 LSG-VO unter b) genannten Anforderungen an den Mindestabstand von Feinerschließungslinien vorliegend eingehalten worden seien, ist damit nichts über die Erfüllung der Vorgaben über den zulässigen Umfang der Nutzung unter a) gesagt, auf die der Antragsgegner und ihm folgend das Verwaltungsgericht bei der Annahme eines Verordnungsverstoßes tragend abgestellt hat (Bescheidabdruck, S. 4).

3) Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin darauf, dass der Antragsgegner gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 LSG-VO seine Zustimmung zu einer Abweichung von dem Verbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LSG-VO erteilt habe. Nach dieser Vorschrift kann mit Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde in begründeten Einzelfällen von den Bestimmungen und Verboten des § 3 Abs. 1 der Verordnung abgewichen werden. Insoweit legt die Antragstellerin bereits nicht dar, worin hier konkret die Zustimmung des Antragsgegners zu einer Abweichung von den Bestimmungen und Verboten der LSG-VO zu erblicken sein soll. Allein die Erwähnung der E-Mail des Antragsgegners vom 25. November 2021 (Beiakte 001, Bl. 6) reicht insoweit nicht aus. Darüber hinaus lässt sich der E-Mail vom 25. November 2021 auch nicht ansatzweise entnehmen, dass eine Abweichung von den Bestimmungen und Verboten der LSG-VO in irgendeiner Weise zwischen den Beteiligten thematisiert worden wäre. Ebenso wenig legt die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen dar, dass sie einen Antrag i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 5 LSG-VO auf aus Ausnahme von den Verboten des § 3 Abs. 1 der Verordnung gestellt hätte.

cc. Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, die Regelungen in der LSG-VO könnten nicht im Rahmen der Anforderungen der guten fachlichen Praxis herangezogen werden, da erhebliche Zweifel an ihrer Wirksamkeit bestünden. Der Senat vermag im Rahmen der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht festzustellen, dass die Verordnung voraussichtlich an einem formellen Mangel leidet, weil vor ihrem Erlass eine strategische Umweltprüfung (SUP) durchzuführen gewesen ist. Die LSG-VO unterliegt keiner SUP-Pflicht nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2001/42/EG, da die Verordnung allgemeine Verbote nach § 3 VO sowie (Bewirtschaftungs-) Vorgaben für bestimmte von den Verboten freigestellte Handlungen oder Nutzungen nach § 4 VO, nicht jedoch hinreichend detaillierte Regelungen über den Inhalt, die Ausarbeitung und die Durchführung von in den Anhängen I und II der Richtlinie 2011/92/EU aufgeführten Projekten enthält (zur SUP-Pflicht nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2001/42/EG vgl. EuGH, Urt. v. 22.2.2022 - C-300/20 -, juris Rn. 62 f.; ferner Senatsurt. v. 22.3.2022 - 4 KN 252/19 -, juris Rn. 60). Nach bisheriger Senatsrechtsprechung unterliegt eine Verordnung, mit der ein Natura 2000-Gebiet unter Schutz gestellt wird, auch keiner Pflicht zur SUP nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2001/42/EG (Senatsurt. v. 22.3.2022 - 4 KN 252/19 -, juris Rn. 61 f.; ferner Bay. VGH, Urt. v. 25.4.2018 - 14 N 14.878 -, juris Rn. 59 ff.). Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht ein Rechtsakt, mit dem ein Mitgliedstaat ein Gebiet gemäß der FFH-Richtlinie als besonderes Schutzgebiet ausweist, unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung oder ist hierfür notwendig mit der Folge, dass ein solcher Rechtsakt von einer "Verträglichkeitsprüfung" im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie und damit von einer "Umweltprüfung" im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/42/EG freigestellt sein kann (EuGH, Urt. v. 12.6.2019 - C-43/18 -, juris Rn. 49 f.). Aus Sicht des Senats ist mit dieser Entscheidung des EuGH allerdings nicht abschließend geklärt, ob die Freistellung von einer "Umweltprüfung" im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/42/EG auch dann greift, wenn der Rechtsakt zur Unterschutzstellung wie hier Freistellungsregelungen für die Ausübung der Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder Fischerei trifft, welche hinreichend detaillierte Regelungen über den Inhalt, die Ausarbeitung und die Durchführung von Projekten enthalten, die dem erweiterten Projektbegriff nach der FFH-Richtlinie unterliegen. Auch wenn der Senat in einem bei ihm anhängigen Normenkontrollverfahren hierzu eine Vorlage an den EuGH erwägt, sieht der Senat in dem hier vorliegenden Verfahren bei summarischer Prüfung keinen Anlass, in Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung anzunehmen, dass die LSG-VO im Ganzen oder hinsichtlich der in ihr enthaltenen Freistellungsregelungen nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/42/EG einer SUP hätte unterzogen werden müssen und daher die LSG-VO im Ganzen bzw. in Teilen voraussichtlich unwirksam sein dürfte.

3. Die Rüge der Antragstellerin, der Antragsgegner habe eine erforderliche Ermessensentscheidung unterlassen, verhilft ihrer Beschwerde ebenso wenig zum Erfolg. § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG eröffnet der Behörde ein Auswahlermessen, ob sie Maßnahmen nach § 15 BNatSchG oder die Wiederherstellung des früheren Zustands anordnet. Der Antragsteller hat im angegriffenen Bescheid ausgeführt, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gem. § 15 Abs. 2 bis 4 BNatSchG nach Lage der Dinge nicht in Betracht kämen und dies näher begründet (Bescheidabdruck, Bl. 4 f.). Damit hat er unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass er das in § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG eröffnete Auswahlermessen erkannt und betätigt hat.

4. Auch auf Rechtsfehler hinsichtlich der Entscheidung des Antragsgegners, nicht Maßnahmen nach § 15 BNatSchG, sondern die Wiederherstellung des früheren Zustands anzuordnen, kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg berufen. Dass entgegen der Auffassung des Antragsgegners vorrangig eine Maßnahme im Sinne von § 15 BNatSchG in Betracht gekommen wäre, zeigt die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht auf. Mit den in § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG genannten "Maßnahmen nach § 15 BNatSchG" sind nur die in § 15 Abs. 2 BNatSchG bezeichneten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gemeint, nicht jedoch auch die Ersatzzahlung nach § 15 Abs. 6 BNatSchG ( Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 3. Aufl., § 17 Rn. 55; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2022, § 17 Rn. 25). Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG). Ersetzt ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG). Die Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangt demgegenüber, einen in naturschutzrechtlicher Hinsicht möglichst vergleichbaren Zustand auf der betroffenen Fläche wiederherzustellen ( Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 3. Aufl., § 17 Rn. 57; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: September 2022, § 17 Rn. 25). Wie die Antragstellerin die durch den Antragsgegner festgestellte Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts (Verlust des Lebensraums für verschiedene Specht- und Fledermausarten und xyliobionte Käferarten; Schädigung des freigestellten Waldrandes durch Hitze und Trockenstress; negative Auswirkungen auf den Übrigen Bestand der FFH-Lebensraumtypen) (Bescheidabdruck, Bl. 3) auf andere Weise als durch Wiederherstellung des lebensraumtypischen Pflanzenbestandes auf den FFH-Lebensraumtypenflächen H. und J. ausgleichen oder ersetzen könnte, ist indes nicht ersichtlich. Auch benennt die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen keine Kompensationsmaßnahmen, die anstelle der verfügten Wiederherstellung durchgeführt werden könnten. Soweit die Antragstellerin einwendet, es komme vorliegend auch ein "Sich-Entwickeln-Lassen" oder eine "natürlichen Sukzession", mithin ein schlichtes Unterlassen weiterer Handlungen in Betracht, verkennt die Antragstellerin, dass damit ebenfalls die Wiederherstellung des früheren Zustandes angesprochen ist, nur nicht - wie hier - im Wege der Anpflanzung, sondern durch natürliche Sukzession (zu einer entsprechenden Konstellation vgl. Senatsbeschl. v. 2.2.2022 - 4 ME 231/21 -, juris).

5. Soweit die Antragstellerin mit ihrem Hinweis auf die Möglichkeit einer natürlichen Sukzession sinngemäß geltend macht, dass die angeordnete Maßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, kann sie damit ebenso wenig durchdringen. Dass ein schlichtes "Sich-Entwickeln-Lassen" des Bewuchses auf den betroffenen Flächen ein ebenso geeignetes Mittel zur Wiederherstellung des lebensraumtypischen Pflanzenbestandes auf den FFH-Lebensraumtypenflächen H. und J. wäre wie die vom Antragsgegner angeordneten Anpflanzungen, legt die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen weder dar, noch ist dies sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11). Der Senat folgt im Ausgangspunkt der Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren durch das Verwaltungsgericht; geht allerdings anders als das Verwaltungsgericht nicht von einer Vorwegnahme der Hauptsache aus und legt daher wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens eine Halbierung des in der Hauptsache anzusetzenden Streitwerts zugrunde.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).