Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.05.2023, Az.: 1 ME 48/23
Streitwert; Zwangsgeld; Streitwert bei Eilrechtsschutz in Streitigkeiten um Zwangsgeld
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 31.05.2023
- Aktenzeichen
- 1 ME 48/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 21413
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:0531.1ME48.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 31.03.2023 - AZ: 4 B 3526/22
Rechtsgrundlagen
- GKG § 52 Abs. 1
Amtlicher Leitsatz
Streiten die Beteiligten um die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldfestsetzung oder -androhung, so ist der Hauptsachestreitwert für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren, nicht zu vierteln.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer (Einzelrichter) - vom 31. März 2023 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf 750 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Zwangsgeldfestsetzung und -androhung zur Durchsetzung einer Beseitigungsanordnung.
Der Antragsteller friedete im Jahr 2004 in einem Gebiet, in dem dies durch örtliche Bauvorschrift ausgeschlossen ist, sein Grundstück durch einen 1,30 m hohen Stabmattenzaun ein. Unter dem 28. April 2016 erließ der Antragsgegner eine Beseitigungsanordnung und drohte ein Zwangsgeld i.H.v. 500 EUR an. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel des Antragstellers - Widerspruch, Klage und Antrag auf Zulassung der Berufung - blieben erfolglos. Nachdem der Antragsteller die Beseitigungsanordnung auch nach Rechtskraft der Verfügung nicht befolgte, setzte der Antragsgegner mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 4. Juli 2022 das angedrohte Zwangsgeld i.H.v. 500 EUR fest und drohte ein weiteres Zwangsgeld i.H.v. 2.000 EUR an.
Den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen diesen Bescheid hat das Verwaltungsgericht abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Bescheid erweise sich bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig. Nach § 70 NVwVG i.V.m. § 64 Abs. 5 NPOG könne der Antragsteller Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der der Vollstreckung zugrundeliegenden Beseitigungsanordnung - auch wenn sie nach Eintritt von deren Unanfechtbarkeit entstanden seien - nur außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geltend machen. Unabhängig davon sei die Beseitigungsanordnung rechtmäßig; ihr könne weder entgegengehalten werden, dass der zu beseitigende Zaun mittlerweile Teil einer als Biotop geschützten Wallhecke geworden, noch, dass die Beseitigungsanordnung zu unbestimmt sei. Gleiches gelte für seinen Vortrag, er benötige den Zaun zum Schutz gegen einen Nachbarn. Der Vortrag des Antragstellers zur Entstehung eines Biotops begründe auch kein rechtliches Vollstreckungshindernis. Der ebenerdig errichtete Zaun könne ohne Zerstörung des hinter ihm gelegenen Wallkörpers demontiert werden; ob dieser eine Wallhecke sei, lasse das Gericht daher offen. Die Auswahl des festgesetzten Zwangsmittels sei bereits durch die Androhung determiniert und grundsätzlich im Festsetzungsverfahren nicht mehr zu prüfen. Weder die Möglichkeit eines Dispenses von den Festsetzungen des Bebauungsplans, noch die Möglichkeit einer Planänderung hätten den Antragsgegner veranlassen müssen, im Ermessenswege von der Fortführung des Vollstreckungsverfahrens abzusehen, zumal auch insoweit § 64 Abs. 5 NPOG greife. Der Antragsteller müsse sich insoweit daran festhalten lassen, dass er die genannten Punkte nicht im Streit um die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsverfügung geltend gemacht habe. Alter und Gesundheitszustand des Antragstellers rechtfertigten ebenfalls kein Absehen von der Vollstreckung, da von ihm keine unvertretbaren Handlungen gefordert würden. Die Höhe des angedrohten weiteren Zwangsgeldes sei unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der Rechtsordnung und des Interesses des Antragstellers, möglichst gering in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt zu werden, nicht zu beanstanden.
II.
Die dagegen gerichtete Beschwerde, auf deren fristgemäß vorgetragene Gründe sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, hat keinen Erfolg.
Ohne Erfolg wiederholt der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Vortrag, in der Zeit zwischen der Beseitigungsanordnung und der Zwangsgeldfestsetzung seien Zaun und Wallanlage zu einem schutzwürdigen Biotop (gemeint offenbar: eine Wallhecke als geschützter Landschaftsbestandteil i.S.d. § 22 Abs. 3 NNatSchG) herangewachsen. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich dabei nicht um einen in der Sache gegen die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung gerichteten und daher gemäß § 64 Abs. 5 NPOG unabhängig von der Entstehung des Biotops außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geltend zu machenden Einwand handelte, würde der Vortrag die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung nicht in Frage stellen: Bei summarischer Prüfung spricht nichts dafür, dass eine Beseitigung des ebenerdig am Fuße des Wallkörpers gelegenen Zauns einen der Verbotstatbestände des § 22 Abs. 3 Satz 2 oder 3 NNatSchG (Beseitigung der angeblichen Wallhecke, Beeinträchtigung des Wachstums der auf der Wallhecke aufstehenden Bäume und Sträucher) erfüllen müsste. Der Antragsteller spricht insoweit nur einen Efeubewuchs an, dessen Rückschnitt indes nicht unter die Verbotstatbestände fällt. Soweit der Kläger weiter auf ein - nicht glaubhaft gemachtes - Vorkommen von Erdkröten im Bereich des Walls verweist, ist damit nicht ansatzweise substantiiert, dass die Beseitigung einer Horizontalstruktur mit verhältnismäßig kleinen Punktfundamenten in Abständen von mehreren Metern (vgl. die Lichtbilder BA 001 Bl. 21 f., GA Bl. 68) einen artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand (§ 44 Abs. 1, 2 BNatSchG) erfüllen würde.
Soweit der Antragsteller rügt, der angefochtene Bescheid überlasse dem Antragsteller "ohne Rücksicht auf den Biotop und die Grenzverhältnisse die Entscheidung, ob, wo und wie ein Zaun als Ersatz errichtet" werde, ist nicht einmal ein Bezug zur Rechtmäßigkeit der Beseitigungsverfügung, die die Errichtung eines Ersatzzauns nicht zum Gegenstand hat, erkennbar, geschweige denn zur Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme. Nicht dargelegt ist auch, in welchem Zusammenhang die These, der Antragsteller könne nicht an der - angeblich in der Vergangenheit erfolgten - Bereitstellung eines Grundstücksstreifens zur Herstellung der Erschließungsstraße an die Gemeinde festgehalten werden, mit der Rechtmäßigkeit der Vollstreckung stehen soll.
Soweit der Antragsteller erneut rügt, es sei unverhältnismäßig bzw. "unmenschlich", ihm angesichts seines Alters und seines Schutzbedarfs bzw. des Schutzbedarfs seiner Lebensgefährtin vor einem mit ihnen verfeindeten Nachbarn eine Beseitigung des Zauns aufzugeben, hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Umstände nach § 64 Abs. 5 NPolG der Vollstreckungsmaßnahme nicht entgegengehalten werden können, da sie die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsverfügung betreffen; die bloße Behauptung im Beschwerdevorbringen, die Unverhältnismäßigkeit betreffe auch die Zwangsvollstreckung, stellt dies nicht in Frage. Jeder Einwand gegen die Verhältnismäßigkeit der Grundverfügung ist mittelbar auch ein Einwand gegen die Verhältnismäßigkeit der Vollstreckung. § 64 Abs. 5 NPolG mutet dem Adressaten jedoch in rechtsstaatlich unbedenklicher Weise zu, nach Ausschöpfung des gegen die Grundverfügung eröffneten Rechtswegs auch eine aus seiner Sicht rechtswidrige, etwa unverhältnismäßige Verfügung gegen sich gelten zu lassen und zu befolgen. Soweit der Antragsteller auf sein Alter verweist, ist ihm zudem der nicht mit Beschwerdegründen angegriffene Einwand des Verwaltungsgerichts entgegenzuhalten, dass die Beauftragung eines Unternehmens mit der Zaunbeseitigung auch einem über Achtzigjährigen noch zumutbar ist, zumal ihn sein Alter und Gesundheitszustand offenbar nicht daran hindern, seine Beseitigungspflicht umfangreich juristisch zu bekämpfen.
Ohne Erfolg wendet sich der Antragsteller schließlich gegen die Verhältnismäßigkeit der Androhung eines weiteren Zwangsgeldes i.H.v. 2.000 EUR. Die Höhe des Zwangsgeldes steht zu den Vorteilen, die der Antragsteller durch eine weitere Nichtbefolgung der Beseitigungsanordnung - Vermeidung der Beseitigungskosten und Erhalt der Gebrauchsvorteile seines Zauns - erkennbar nicht außer Verhältnis. Der bisherige Verfahrensablauf hat gezeigt, dass die Androhung eines Zwangsgeldes von 500,- EUR die nötige Beugewirkung nicht erzielen konnte. Der Antragsgegner musste auch nicht die Ersatzvornahme als milderes Mittel gegenüber der Zwangsgeldandrohung in Betracht ziehen; die Auswahl zwischen beiden Zwangsmitteln liegt vielmehr regelmäßig in ihrem Ermessen (Senatsbeschl. v. 22.11.2022 - 1 ME 86/22 -, juris Rn. 23), in das namentlich das Risiko der Uneinbringlichkeit der bei Ersatzvornahme von der Verwaltung vorzustreckenden Beseitigungskosten einfließen kann. Gerade bei Maßnahmen wie dem Abbruch einer Zaunanlage, die kein besonderes handwerkliches Geschick verlangen, spricht zudem auch mit Blick auf die Interessenlage des Pflichtigen einiges für die Durchsetzung mittels Zwangsgeld, da über eine Beseitigung in Eigenarbeit bzw. - angesichts des Alters des Antragstellers wohl realistischer - mit Hilfe von Freunden, Nachbarn oder dem Pflichtigen bekannten günstigen Unternehmen oft erhebliche Einsparungen gegenüber den bei der Ersatzvornahme durch ein von der Behörde ausgewähltes Fachunternehmen entstehenden Kosten zu erzielen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 1 Nr. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. den auf der Internetseite des Gerichts auffindbaren Streitwertannahmen des Senats für ab dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren. Abweichend vom Verwaltungsgericht trägt der Senat dem vorläufigen Charakter des begehrten Rechtsschutzes hier nicht durch eine Viertelung nach Nr. 17 a, sondern durch eine Halbierung nach Nr. 17 b des nach Nrn. 12 b, c des Katalogs ermittelten Hauptsachestreitwerts Rechnung, da die antragstellende Partei mit dem Eilrechtsschutz weniger die vorübergehende Zuordnung einer Geldsumme als den Druck zur Vornahme der erzwungenen Handlung abwenden möchte (i.E. ebenso Senatsbeschl. v. 16.11.2022 - 1 ME 106/22 -, juris; v. 24.11.2021 - 1 ME 136/21 -, juris). Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war dem gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG anzupassen. Eine Bemessung nach dem Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts statt nach der Bedeutung der Sache für den Antragsteller, wie sie dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vorschwebt, sieht § 52 GKG hingegen nicht vor.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).