Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.05.2023, Az.: 13 FEK 496/21

asylrechtliches Klageverfahren; durchschnittliche Bedeutung; Entschädigungsklage; durchschnittliche Schwierigkeit; überlange Verfahrensdauer; Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.05.2023
Aktenzeichen
13 FEK 496/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 19816
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0525.13FEK496.21.00

Amtlicher Leitsatz

Zur angemessenen Verfahrensdauer eines asylrechtlichen Klageverfahrens mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und noch durchschnittlicher Bedeutung für die Kläger und ohne ein zu einer relevanten Verzögerung des Rechtsstreits beitragendes Prozessverhalten der Beteiligten.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger jeweils zu 1/18 und der Beklagte zu 8/9.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehren eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg (13 A 2687/19; im Folgenden: Ausgangsverfahren).

Im Ausgangsverfahren, dessen Überlänge die Kläger rügen, begehrten sie, die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), zu verpflichten, ihnen mit Blick auf eine Konversion vom Islam zum Christentum sowie eine exilpolitische Betätigung die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz, zuzuerkennen, weiter hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) festzustellen und den dies ablehnenden Bescheid des Bundesamts vom 2. Februar 2018 aufzuheben.

Der 1980 geborene Kläger zu 1. und seine Tochter, die 2007 geborene Klägerin zu 2., sind iranische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten Anfang 2018 in das Bundesgebiet ein und stellten am 9. Januar 2018 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 2. Februar 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab, erkannte die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zu, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, drohte den Klägern die Abschiebung in die Islamische Republik Iran an und ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 30 Monaten ab dem Tag einer Abschiebung an.

Die Kläger persönlich erhoben gegen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg am 15. Februar 2018 Klage und beantragten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Unter dem 16. Februar 2018 verfügte die Vorsitzende der zunächst zuständigen 13. Kammer des Verwaltungsgerichts (gerichtliches Aktenzeichen: 13 A 872/18) die Zustellung der Klage an das Bundesamt und forderte dieses zur Erwiderung binnen vier Wochen und zur Vorlage der Verwaltungsvorgänge auf. Zugleich forderte sie die Kläger zur Begründung der Klage binnen eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Bundesamts und zur Benennung eines Prozessbevollmächtigten auf. Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2018 zeigte Rechtsanwalt B. aus B-Stadt dem Verwaltungsgericht an, die Kläger zu vertreten, und beantragte Akteneinsicht sowie angemessene Verlängerung der Klagebegründungsfrist. Nachdem das Bundesamt am 8. März 2018 dem Verwaltungsgericht seine Verwaltungsvorgänge übersandt hatte, gewährte das Verwaltungsgericht dem Prozessbevollmächtigten der Kläger unter dem 12. März 2018 Akteneinsicht. Das Bundesamt beantragte mit Schriftsatz vom 20. März 2018 die Klageabweisung und bezog sich zur Begründung auf seinen Bescheid. Die Kläger begründeten ihre Klage mit Schriftsatz vom 20. April 2018, der auch über die am 16. Februar 2018 erfolgte Taufe des Klägers zu 1. unterrichtete. Die Begründung wurde mit weiteren Schriftsätzen vom 2. Mai 2018, vom 16. Mai 2018, vom 19. Juni 2018 und vom 24. Juli 2019 ergänzt, die sich vor allem mit der Taufe der Klägerin zu 2., mit der kirchengemeindlichen Aktivität sowie mit dem politischen Engagement des Klägers zu 1. für die Komala-Partei innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes befassten. Der Berichterstatter der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts veranlasste die Übersendung der klägerischen Schriftsätze an das Bundesamt zur Kenntnis und notierte jeweils kurze Wiedervorlagefristen.

Unter dem 5. Juni 2018 informierte das Verwaltungsgericht die Beteiligten darüber, dass die bisher bei der 13. Kammer anhängige Sache aufgrund Präsidiumsbeschlusses mit Wirkung vom 1. Juni 2018 in die Zuständigkeit der 7. Kammer (gerichtliches Aktenzeichen: 7 A 2346/18) übergegangen sei. Mit Schreiben vom 16. September 2019 teilte es den Beteiligten mit, dass die Sache aufgrund eines weiteren Präsidiumsbeschlusses mit Wirkung vom 15. September 2019 wieder in die Zuständigkeit der 13. Kammer übergegangen sei (gerichtliches Aktenzeichen: 13 A 2687/19).

Die Kläger wiesen mit Schriftsätzen vom 27. Februar 2020 und vom 18. Januar 2021 auf die bereits verstrichene Verfahrensdauer hin und baten um Terminierung. Das Verwaltungsgericht teilte ihnen unter dem 28. Februar 2020 und unter dem 20. Januar 2021 mit, dass die zuständige Kammer auch mit einer Vielzahl älterer Asylhauptsacheverfahren belastet sei und dass deshalb eine Terminierung noch nicht absehbar sei.

Hierauf erhoben die Kläger mit Schriftsatz vom 15. Juni 2021 Verzögerungsrüge und machten geltend, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit bearbeitet und abgeschlossen worden sei und sie auch hierdurch psychischen Belastungen ausgesetzt seien. In diesem Zusammenhang teilten sie auch mit, dass zwischenzeitlich die Ehefrau des Klägers zu 1. und Mutter der Klägerin zu 2., Frau F., sowie die weitere Tochter des Klägers zu 1. und Schwester der Klägerin zu 2., G., am 22. Mai 2021 im Iran jeweils durch einen "Stoß gegen harte Gegenstände" zu Tode gekommen seien.

Das Verwaltungsgericht reagierte auf telefonische Nachfrage der Kläger vom 7. Oktober 2021 mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 und teilte mit, dass aufgrund anhängiger älterer Asylhauptsacheverfahren iranischer Staatsangehöriger weiterhin eine Terminierung nicht absehbar sei. Nachdem die Kläger durch Schriftsatz vom 15. Dezember 2021 die alsbaldige Erhebung einer Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer angekündigt hatten, verwies das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom selben Tage neben den allgemeinen (oft sozialrechtlichen) Verfahren der Kammer, die vielmals besonders dringlich seien, erneut auf die große Zahl dort seit 2017/18 anhängiger Verfahren iranischer Asylbewerber, die erst allmählich abgearbeitet werden könnten. Diese Verfahren, in denen sich rund 90% der Asylbewerber auf Konversion beriefen, seien aufwändig im Einzelfall zu verhandeln. Die Kammer sei nicht bereit, eine Entscheidung zugunsten der Asylbewerber lediglich auf der Basis einer Taufurkunde zu treffen. Auf die erneute Bitte der Kläger um Terminierung vom 30. September 2022 stellte das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom 4. Oktober 2022 eine solche für Ende des Jahres 2022 in Aussicht.

Mit Beschluss vom 15. November 2022 übertrug die zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts den Rechtsstreit auf die Berichterstatterin (Kammervorsitzende) als Einzelrichterin zur Entscheidung. Diese bestimmte mit Verfügung vom 16. November 2022 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 5. Dezember 2022 und setzte den Klägern eine Frist zur Beibringung neuer Tatsachen und Beweismittel bis zum 28. November 2022. Mit Beschluss vom 17. November 2022 lehnte sie den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Unterlagen zu deren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ab.

Mit Schriftsatz vom 26. November 2022 ergänzten und aktualisierten die Kläger ihre Klagebegründung durch Vortrag zu ihren politischen, religiösen und ehrenamtlichen Aktivitäten, zu ihrer Erwerbstätigkeit sowie zu ihren Sprachkenntnissen.

In der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2022 (Beginn: 9.15 Uhr) hörte die Einzelrichterin die Kläger persönlich an und erörterte mit diesen - mangels Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Kläger - die Sach- und Rechtslage. Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Wiederaufruf der Sache um 10.45 Uhr verkündete die Einzelrichterin ihr Urteil, nach dem die beklagte Bundesrepublik Deutschland verpflichtet wird, den Klägern wegen drohender politischer Verfolgung aufgrund des Engagements für die regimekritische Komala-Partei (Kläger zu 1.) bzw. wegen drohender Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur bestimmten sozialen Gruppe derjenigen iranischen Frauen, deren Identität aufgrund eines längeren Aufenthalts in Europa westlich geprägt ist (Klägerin zu 2.), die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 des Asylgesetzes (AsylG) zuzuerkennen, und der dem entgegenstehende Bescheid des Bundesamts vom 2. Februar 2018 aufgehoben wird. Das vollständig abgesetzte Urteil gelangte am 6. Dezember 2022 zur Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts, wurde beiden Beteiligten noch am selben Tage (elektronisch) zugestellt und ist seit dem 7. Januar 2023 rechtskräftig.

Am 20. Dezember 2021 haben die Kläger bei dem Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für ein beabsichtigtes Entschädigungsklageverfahren wegen unangemessener Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg gestellt. Nachdem der Senat diesem Antrag mit Beschluss vom 30. März 2022 stattgegeben hatte, haben die Kläger am 4. April 2022 Entschädigungsklage erhoben, die dem Beklagten am 6. April 2022 zugestellt worden ist.

Die Kläger machen zur Begründung ihrer Klage geltend, das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg sei unangemessen verzögert bearbeitet worden. Richtwert für eine angemessene Verfahrensdauer sei ein Jahr für jede Instanz. Hier müsse zudem berücksichtigt werden, dass die Klägerin zu 2. zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Verwaltungsgericht noch ein Kind und als solches durch die UN-Kinderrechtskonvention besonders geschützt gewesen sei. Die Ursachen für die unangemessene Verfahrensverzögerung lägen zudem allein im gerichtlichen Bereich. Das Verwaltungsgericht habe sich bei der Bearbeitung auf Formalitäten wie die Übersendung von Schriftsätzen der Beteiligten beschränkt, aber weder den Beklagten zu einer inhaltlichen Erwiderung angehalten noch das Verfahren sonstwie inhaltlich gefördert. Die Zuständigkeit für die Entscheidung sei vom Präsidium des Verwaltungsgerichts mehrfach geändert worden, ohne dass dies einen positiven Einfluss auf die Verfahrensdauer gehabt habe.

Das Verfahren sei "schon ohne den ersten die Klage begründenden Schriftsatz entscheidungsreif gewesen". Das Verwaltungsgericht habe binnen eines halben Jahres nach Klageerhebung mündlich verhandeln, die Kläger persönlich anhören und auf der Grundlage der für von ihm selbst für relevant erachteten und in der Erkenntnismittelliste bezeichneten Erkenntnismittel auch entscheiden können. Dieser Zeitraum beinhalte den gebotenen richterlichen Spielraum. Diese Betrachtung sei auch nicht praxisfern. Eine dahingehende Praxis gebe es beispielsweise bei dem Verwaltungsgericht Lüneburg in Asylhauptsacheverfahren irakischer Staatsangehöriger. Eine unangemessene Verfahrensverzögerung sei danach hier bereits ab August, spätestens aber ab Ende Dezember 2018, mithin für 46 Monate, eingetreten und entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erst mit dem letzten klagebegründenden Schriftsatz vom 24. Juli 2019. Dieser habe nur der Aktualisierung der bereits begründeten Klage gedient. Jede andere Betrachtung würde einen engagierten und um die Verfahrensförderung bemühten Verfahrensbeteiligten bestrafen.

Die Kläger haben zunächst sinngemäß beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an jeden von ihnen eine Entschädigung in Höhe von 1.200 EUR für jedes Jahr ungemessener Verzögerung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg (13 A 2687/19), beginnend ab dem August 2018, zu zahlen.

Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 22. Februar 2023 die Klageforderung in Höhe von 8.200 EUR bezogen auf eine unangemessene Verfahrensdauer im Zeitraum zwischen Juli 2019 bis November 2022 (= 41 Monate x 100 EUR Entschädigung/Monat/Kläger x 2 Kläger) teilweise anerkannt hat, haben die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 28. Februar 2023 und vom 16. März 2023 das Klageverfahren insoweit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt, und die Kläger beantragen zuletzt noch sinngemäß,

den Beklagten zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in Höhe von weiteren 1.000 EUR für die ungemessene Verzögerung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg (13 A 2687/19) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entgegen der klägerischen Ansicht sei eine unangemessene Verfahrensverzögerung nicht bereits ein halbes Jahr nach Klageerhebung, mithin im August 2018, eingetreten. Das Verwaltungsgericht habe eine mögliche Stellungnahme des Bundesamts zu den klagebegründenden Schriftsätzen der Kläger, zuletzt vom 24. Juli 2019, abwarten dürfen. Hinzu komme ein richterlicher Spielraum für die Entscheidungsfindung.

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 20. März 2023 und der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31. März 2023 das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Entschädigungsklageverfahrens und die Beiakten 1 und 2 verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I. Soweit die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich eines Teils der Klageforderung in Höhe von 8.200 EUR bezogen auf eine unangemessene Verfahrensdauer im Zeitraum zwischen Juli 2019 bis November 2022 (= 41 Monate x 100 EUR Entschädigung/Monat/Kläger x 2 Kläger) übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

II. Im Übrigen ist die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig.

Die Klage wahrt die Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gemäß § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG. Die Verzögerungsrüge wurde von den Klägern mit Schriftsatz vom 15. Juni 2021 und die Entschädigungsklage wurde am 4. April 2022 erhoben.

Die Kläger haben auch die Klagefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der das Hauptsacheverfahren beendenden Entscheidung im Sinne des § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG gewahrt. Bei Klageerhebung am 4. April 2022 war das erstinstanzliche Klageverfahren noch nicht abgeschlossen. Dieses endete erst mit dem klagestattgebenden Urteil des Verwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2022, das seit dem 7. Januar 2023 rechtskräftig ist. Die Erhebung der Entschädigungsklage trotz des noch laufenden Hauptsacheverfahrens ist zulässig. Der früheste Zeitpunkt für die Erhebung der Klage ist allein in § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG geregelt, wonach die Klage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann. Aus § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG folgt zudem, dass die Entschädigungsklage bereits vor Beendigung des der Klage zugrundeliegenden Verfahrens erhoben werden darf, da nach dieser Vorschrift das Entschädigungsgericht das Verfahren aussetzen kann, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 GVG abhängt, noch andauert.

2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Kläger haben gegen den Beklagten über den bereits anerkannten Teil der Klageforderung in Höhe von 8.200 EUR bezogen auf eine unangemessene Verfahrensdauer im Zeitraum zwischen Juli 2019 bis November 2022 hinaus keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 1 GVG in Höhe von weiteren 1.000 EUR wegen einer unangemessenen Verfahrensdauer auch im davor liegenden, am 15. Februar 2018 (Klageerhebung) beginnenden Verfahrenszeitraum.

Nach § 198 Abs. 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu die folgenden Grundsätze aufgestellt (BVerwG, Urt. v. 11.7.2013 - BVerwG 5 C 23.12 D -, BVerwGE 147, 146, 157 ff. - juris Rn. 37 ff.):

"bb) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraumes sachlich gerechtfertigt sind. Dieser Maßstab erschließt sich aus dem allgemeinen Wertungsrahmen, der für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unangemessenheit vorgegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 ff.), und wird durch diesen weiter konkretisiert.

(1) Der unbestimmte Rechtsbegriff der ,unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens' (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) wie auch die zu seiner Ausfüllung heranzuziehenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sind unter Rückgriff auf die Grundsätze näher zu bestimmen, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und zum Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entwickelt worden sind. Diese Rechtsprechung diente dem Gesetzgeber bereits bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 GVG als Vorbild (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Insgesamt stellt sich die Schaffung des Gesetzes als innerstaatlicher Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar (vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Nr. 46344/06, Rumpf/Deutschland - NJW 2010, 3355). Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).

(2) Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs aus § 198 Abs. 1 GVG an den aus Art. 19 Abs. 4 GG, dem verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch sowie dem Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt; es reicht also nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 26). Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 [BVerfG 28.01.2013 - 2 BvR 1912/12] <791 f.>). Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790> jeweils m.w.N.).

(3) Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind.

Ist infolge unzureichender Verfahrensführung eine nicht gerechtfertigte Verzögerung eingetreten, spricht dies für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Dabei ist die Verfahrensführung zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen. Zu prüfen ist also, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie das Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 81 und 127).

Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 27). Ebenso fordert Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar, dass Gerichtsverfahren zügig betrieben werden, betont aber auch den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 - Nr. 29357/95, Gast und Popp/Deutschland - NJW 2001, 211 Rn. 75). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345> und vom 26. April 1999 - 1 BvR 467/99 - NJW 1999, 2582 <2583>; ebenso BGH, Urteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10 - BGHZ 187, 286 Rn. 14 m.w.N.). Um den verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juli 2009 - 1 BvR 2662/06 - NJW-RR 2010, 207 <208> und vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 - WM 2012, 76 <77>). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009 a.a.O.). Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. März 2005 - 2 BvR 1610/03 - NJW 2005, 3488 <3489> und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <791> jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. November 2010 a.a.O.). Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. m.w.N.).

Im Hinblick auf die Rechtfertigung von Verzögerungen ist der auch in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 17/3802 S. 18) deutlich zum Ausdruck gekommene Grundsatz zu berücksichtigen, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann (stRspr des BVerfG, vgl. Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11 - NVwZ-RR 2011, 625 <626>, vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 - EuGRZ 2009, 699 Rn.14 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>; vgl. auch BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 = juris Rn. 43). Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (vgl. EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 - Nr. 30210/96, Kudla/Polen - NJW 2001, 2694 Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 - Nr. 37591/97, Metzger/Deutschland - NJW 2002, 2856 Rn. 41). Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 a.a.O. Rn. 78). Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen; eine überlange Verfahrensdauer lässt sich damit nicht rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>).

Sind in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten Verzögerungen eingetreten, bewirkt dies nicht zwingend die Unangemessenheit der Gesamtverfahrensdauer. Es ist vielmehr - wie aufgezeigt - im Rahmen einer Gesamtabwägung zu untersuchen, ob die Verzögerung innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens ausgeglichen wurde."

Der Senat folgt diesen - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fortgeführten (vgl. bspw. BVerwG, Beschl. v. 12.3.2018 - BVerwG 5 B 26.17 D -, juris Rn. 6) - Grundsätzen in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. bspw. Senatsurt. v. 14.4.2021 - 13 F 73/20 -, NJW 2021, 2525, 2526 f. [BGH 21.01.2021 - 4 StR 83/20] - juris Rn. 38 ff.; Gerichtsbescheid d. Senats v. 3.4.2020 - 13 F 315/19 -, V.n.b., Umdruck S. 5 ff.) aus eigener Überzeugung.

Für die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es zudem nicht darauf an, ob sich der zuständige Spruchkörper pflichtwidrig verhalten hat, so dass die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer dementsprechend für sich allein keinen Schuldvorwurf für die mit der Sache befassten Richter impliziert (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drs. 17/3802, S. 19). Da es für die Frage der Unangemessenheit der Verfahrensdauer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt und eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist, benennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nur beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drs. 17/3802, S. 18). Der Senat ist aufgrund der dargelegten Grundsätze der Auffassung, dass nicht jede gerichtliche Handlung und jeder Zeitraum, in dem keine nach außen dokumentierten Aktionen des Gerichts stattgefunden haben, im Einzelnen daraufhin überprüft werden müssen, ob hierin eine unangemessene Verzögerung lag oder ob hierin ein gerechtfertigter Zeitraum zur Entscheidungsfindung gesehen werden kann. Dies würde gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit des Richters verstoßen, da die Gewichtung der vielfältigen Verfahren in einem Dezernat und die Frage, wie und zu welchem Zeitpunkt ein konkretes Verfahren gefördert werden soll, grundsätzlich einem Entscheidungsspielraum des Richters unterliegt. Es ist vielmehr unter Berücksichtigung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls dahingehend vorzunehmen, ob es unangemessene Verzögerungen des Verfahrens gegeben hat, die in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Spruchkörpers fallen, wobei einzelne Abschnitte des Verfahrens in den Blick genommen werden können (vgl. Senatsurt. v. 14.4.2021 - 13 F 73/20 -, NJW 2021, 2525, 2527 [BGH 21.01.2021 - 4 StR 83/20] - juris Rn. 47).

Mit § 198 Abs. 1 GVG ist weder die Zugrundelegung fester Zeitvorgaben vereinbar, noch lässt es die Vorschrift grundsätzlich zu, für die Beurteilung der Angemessenheit von bestimmten Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.7.2013 - BVerwG 5 C 23.12 D -, BVerwGE 147, 146, 153 ff. - juris Rn. 28 ff.). Jedenfalls ist bei einer Betrachtung und Bewertung der dem jeweiligen Gericht obliegenden Verfahrenshandlungen eine Überlänge des gerichtlichen Verfahrens nicht jeweils bereits ab Entscheidungsreife zu bejahen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass das Gericht vor einer verfahrensfördernden Handlung oder Entscheidung zur Sache Zeit zur rechtlichen Durchdringung benötigt, um dem rechtsstaatlichen Anliegen zu genügen, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes vorzunehmen. Der ab Eintritt der Entscheidungsreife zugestandene Zeitraum ist im Einzelfall in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie die Gerichte im Ausgangsverfahren die Lage aus ihrer Ex-ante-Sicht einschätzen durften. Bereits aus dem Wortlaut "unangemessen" lang folgt, dass nicht die optimale oder "richtige" Länge des Gerichtsverfahrens zu bestimmen ist, sondern eine solche, die den Rahmen des noch Angemessenen überschreitet (vgl. Senatsurt. v. 14.4.2021 - 13 F 73/20 -, NJW 2021, 2525, 2527 f. [BGH 21.01.2021 - 4 StR 83/20] - juris Rn. 48).

Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben weist das erstinstanzliche Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg, das insgesamt etwa 58 Monate (15.2.2018 - 5.12.2022) lief, in dem - aufgrund der vom Beklagten bereits anerkannten und entschädigten unangemessenen Verfahrensdauer im Zeitraum zwischen Juli 2019 bis November 2022 (41 Monate) - hier für den Ausgang des Entschädigungsklageverfahrens vom Senat allein noch zu beurteilenden Zeitraum zwischen Februar 2018 und Juni 2019 (17 Monate) noch keine unangemessene Verfahrensdauer auf.

a) Das erstinstanzliche Klageverfahren weist einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad auf.

Streitgegenstand war die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes, weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG und damit verbunden die Rechtmäßigkeit des dies ablehnenden Bescheides des Bundesamts vom 2. Februar 2018. Das Verwaltungsgericht hatte hierzu die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Schutzansprüche zu prüfen, insbesondere die allgemeine asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsland der Kläger, dem Iran, anhand verschiedener bei dem Verwaltungsgericht bereits vorhandener und ausweislich der Gerichtsakte (vgl. Blatt 128 der Beiakte 1) im konkreten Verfahren auch nicht erweiterungsbedürftiger Erkenntnismittel aufzuklären, die Kläger zu dem von ihnen geltend gemachten individuellen Verfolgungsschicksal anzuhören und die Glaubwürdigkeit der Kläger und die Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens zu bewerten. Der Kläger zu 1. hatte unter anderem eine Verfolgung im Heimatland wegen seiner Aktivitäten für die Komala-Partei behauptet, die auch vom Verwaltungsgericht nach Prüfung bejaht worden ist (Urt. v. 5.12.2022, S. 6 ff.). Die Klägerin zu 2. hatte eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftsstaats, hier der Gruppe der iranischen Frauen, deren Identität aufgrund eines längeren Aufenthalts in Europa westlich geprägt ist, geltend gemacht, die auch das Verwaltungsgericht nach eingehender Prüfung und persönlicher Anhörung der Klägerin zu 2. in der mündlichen Verhandlung für gegeben erachtet hat (Urt. v. 5.12.2022, S. 10 ff., und Prot. v. 5.12.2022, S. 2 ff.).

Dies ist nach dem Dafürhalten des Senats eine bei den für das Asylrecht iranischer Staatsangehöriger zuständigen Kammern der Verwaltungsgerichte regelmäßig vorkommende Streitigkeit. Auch der Beklagte hat einen herausgehobenen Bearbeitungsaufwand, der auf einen erhöhten Schwierigkeitsgrad hindeuten könnte, nicht aufgezeigt. Die gebotene amtswegige Klärung des Sachverhalts und die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Kläger und der Glaubhaftigkeit deren Vorbringens erhöht den Schwierigkeitsgrad ebenfalls nicht maßgeblich.

b) Die Bedeutung des Verfahrens für die Kläger ist als gehoben, aber noch als durchschnittlich einzuschätzen. Entscheidend ist dabei eine objektive, nicht aber die subjektive Beurteilung des jeweiligen Klägers, es kommt vielmehr auf den verständigen Betroffenen an (Niedersächsisches OVG, Gerichtsbescheid v. 24.6.2016 - 21 F 1/16 -, juris Rn. 46 m.w.N.).

Verfahren, die für die wirtschaftliche, berufliche oder persönliche Existenz eines Beteiligten von maßgeblicher Bedeutung sind, kommt regelmäßig eine hohe Bedeutung zu, und die Beteiligten können aus diesem Grunde ein gerechtfertigtes Interesse an einem zügigen Abschluss des Verfahrens haben (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 27.4.2022 - 13 D 170/20.EK -, juris Rn. 53). Hiernach kam dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht für die Kläger, welche die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes, weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrten, eine hohe Bedeutung zu, ging es doch um die für sie durchaus existenzielle Frage, ob sie sich weiterhin legal im Bundesgebiet aufhalten dürfen und den staatlichen Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor den von ihnen geltend gemachten verfolgungsbedingten Gefahren beanspruchen können (vgl. dahingehend auch: Sächsisches OVG, Urt. v. 5.12.2022 - 11 F 5/20.EK -, juris Rn. 24 f.; Bayerischer VGH, Urt. v. 10.12.2015 - 23 A 14.2252 -, juris Rn. 44). Das Gewicht dieses Interesses der Kläger an einer raschen Klärung ihrer Legalisierungsperspektive mag sich auch bei objektiver Betrachtung durch die während des Asylklageverfahrens am 22. Mai 2021 im Iran eingetretenen, die Kläger nachvollziehbar äußerst belastenden Ereignisse des Todes sowohl der Ehefrau des Klägers zu 1. bzw. Mutter der Klägerin zu 2., Frau F., als auch der weiteren Tochter des Klägers zu 1. bzw. Schwester der Klägerin zu 2., G., verstärkt haben.

Der Senat berücksichtigt allerdings auch, dass die Kläger während des laufenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht eine verfahrensbezogene Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG innehatten, sie sich mithin trotz der ablehnenden Entscheidung des Bundesamts und gerade wegen des laufenden gerichtlichen Verfahrens für dessen gesamte Dauer legal im Bundesgebiet aufhalten durften (vgl. zu den Auswirkungen eines verfahrensbezogen gesicherten Aufenthalts auf die Bedeutung des Verfahrens für die Klägerpartei in aufenthaltsrechtlichen Verfahren auch das Senatsurt. v. 23.2.2023 - 13 FEK 201/22 -, juris Rn. 43). Denn ihre Klage hatte gemäß § 75 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung. Auch nach dem Bescheid des Bundesamts vom 2. Februar 2018 wäre die Ausreisepflicht der Kläger erst "30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens" entstanden. Bei objektiver Betrachtung auch aus Ex-ante-Sicht dürfte sich einem Verwaltungsgericht die Erforderlichkeit einer baldigen Entscheidung über eine solche Klage, deren Lauf die Klagepartei verfahrensbezogen gerade vor dem schützt, was sie durch das gerichtliche Verfahren abwehren will, regelmäßig nicht erschließen oder gar aufdrängen, dass der Klagepartei durch eine zeitliche Verzögerung der Entscheidung ein immaterieller Nachteil mit der erforderlichen Schwere der Belastung zugefügt wird (vgl. Bayerischer VGH, Urt. v. 10.12.2015 - 23 A 14.2252 -, juris Rn. 45 f.; vgl. zur Ambivalenz des klägerischen Interesses am zügigen Abschluss eines Asylhauptsacheverfahrens auch: Sächsisches OVG, Urt. v. 5.12.2022 - 11 F 5/20.EK -, juris Rn. 24 f.). Dass im hier zu beurteilenden Fall ausnahmsweise eine andere Betrachtung geboten sein könnte, haben die Kläger für den Senat nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Der Senat bewertet daher die Bedeutung des Verfahrens für die Kläger zwar als gehoben, aber noch als durchschnittlich.

c) Das Verhalten der Verfahrensbeteiligten trug nicht zu einer relevanten Verzögerung des Rechtsstreits bei.

Die Kläger haben die am 15. Februar 2018 erhobene Klage nach der Gewährung von Akteneinsicht unter dem 12. März 2018 mit Schriftsatz vom 20. April 2018 begründet. Diese Begründung wurde mit weiteren Schriftsätzen vom 2. Mai 2018, vom 16. Mai 2018, vom 19. Juni 2018 und vom 24. Juli 2019 ergänzt. Insbesondere der letzte Schriftsatz diente dabei maßgeblich der Aktualisierung des klägerischen Vorbringens und der Vorlage aktueller Erkenntnismittel zu der bereits geltend gemachten politischen Betätigung des Klägers zu 1. (vgl. bspw. die Anlagen zum Schriftsatz v. 24.7.2019 auf Blatt 70 bis 99 der Beiakte 1 zu Geschehnissen im Zeitraum bis Februar 2019).

Das Bundesamt beantragte mit Schriftsatz vom 20. März 2018 die Klageabweisung und bezog sich zur Begründung auf seinen Bescheid. Dass das Bundesamt über diese bloß formelhafte Klageerwiderung hinaus nicht weiter inhaltlich auf die Klage erwidert hat, ist für die Dauer des hier zu beurteilenden Klageverfahrens ersichtlich ohne Einfluss geblieben. Das Verwaltungsgericht hat eine weitere inhaltliche Erwiderung offenbar nicht für erforderlich erachtet, jedenfalls eine solche vor der Urteilsfindung nicht nachdrücklich eingefordert.

d) Unter Berücksichtigung der zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Gesichtspunkten angestellten Bewertungen und der richterlichen Gestaltungsfreiheit erreichte das erstinstanzliche Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg, das insgesamt etwa 58 Monate (15.2.2018 - 5.12.2022) lief, in dem hier für den Ausgang des Entschädigungsklageverfahrens vom Senat allein noch zu beurteilenden Zeitraum zwischen Februar 2018 und Juni 2019 noch keine unangemessene Verfahrensdauer.

Dies ergibt sich aber nicht bereits daraus, dass innerhalb dieses Zeitraums noch keine Verzögerungsrüge erhoben worden war, diese von den Klägern vielmehr erst mit Schriftsatz vom 15. Juni 2021 erhoben worden ist. Denn einen Zeitpunkt, zu dem die Rüge spätestens erhoben sein muss, legt das Gesetz nicht fest. Auf die Entschädigung bleibt ein Zuwarten deshalb grundsätzlich ohne Einfluss. Aus § 198 Abs. 3 GVG ergibt sich, dass der vor einer wirksam bei dem mit dem Verfahren befassten Gericht erhobenen Verzögerungsrüge verstrichene Zeitraum des Verfahrens vor diesem Gericht in die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer grundsätzlich zeitlich unbefristet einzustellen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.2.2016 - BVerwG 5 C 31.15 D -, juris Rn. 33 unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes; BGH, Urt. v. 26.11.2020 - III ZR 61/20 -, juris Rn. 23 ff.; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 198 Rn. 20; a.A. für den Bereich der Finanzgerichtsbarkeit: BFH, Urt. v. 6.4.2016 - X K 1/15 -, juris Rn. 40 ff.). Die Geduld eines Verfahrensbeteiligten darf nicht bestraft werden, nur weil eine Verzögerungsrüge nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt erhoben wurde (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drs. 17/3802, S. 21). Ausnahmsweise kann eine verspätet erhobene Verzögerungsrüge aber bei der Angemessenheit der Verfahrensdauer oder bei der Frage, ob Wiedergutmachung auf andere Weise durch Feststellung der Überlänge gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreicht, berücksichtigt werden, wenn sich das Verhalten des Betroffenen bei Würdigung der Gesamtumstände als ein rechtsmissbräuchliches "Dulde und Liquidiere" darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.2020 - III ZR 61/20 -, juris Rn. 23; Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drs. 17/3802, S. 21; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 198 Rn. 20). Hinweise dafür, dass die Kläger die Verzögerungsrüge hier bewusst verspätet erhoben, um einen hohen Entschädigungsanspruch zu erlangen, sind für den Senat im hier allein zu beurteilenden Zeitraum bis Juni 2019 aber nicht ersichtlich.

Das erstinstanzliche Klageverfahren war zunächst ausgeschrieben, nachdem die Kläger ihre Klage nach der Gewährung von Akteneinsicht unter dem 12. März 2018 mit Schriftsätzen vom 20. April 2018, vom 2. Mai 2018, vom 16. Mai 2018 und vom 19. Juni 2018 abschließend und umfassend begründet hatten und auch das Bundesamt mit Schriftsatz vom 20. März 2018 die Klageabweisung beantragt und sich zur Begründung auf seinen Bescheid bezogen hatte. Ab Ende Juni 2018 war dem Verwaltungsgericht Oldenburg im hier zu beurteilenden Einzelfall ein Spielraum für die Gestaltung des Verfahrens und für die Entscheidungsfindung von jedenfalls nicht weniger als 12 Monaten zuzugestehen. Dieser Zeitraum trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gestaltung des Verfahrens in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht obliegt und diesem für die rechtliche Durchdringung des Streitstoffes, derer es für eine Förderung des Verfahrens bis hin zu einer Sachentscheidung bedarf, eine angemessene Zeit einzuräumen ist. Der Umfang des Zeitraums ist im Einzelfall in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit die Ex-ante-Sicht des mit dem Ausgangsverfahren befassten Gerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.8.2017 - BVerwG 5 A 2.17 D -, juris Rn. 34). Angesichts der noch durchschnittlichen Bedeutung des Verfahrens für die Kläger (siehe oben II.2.b)) und dem daraus abgeleiteten nur mittelgewichtigen Interesse der Kläger, Rechtsschutz in einer angemessenen Zeit zu erlangen, der durchschnittlichen Schwierigkeit des Verfahrens (siehe oben II.2.a)) und der im Juni 2018 erst verstrichenen sehr kurzen Verfahrensdauer von weniger als vier Monaten geht der Senat davon aus, dass der von den Klägern erwartete Zeitraum für einen Verfahrensabschluss von sechs Monaten deutlich zu kurz bemessen ist und dass der Kammer des Verwaltungsgerichts vielmehr ein richterlicher Überdenkens- und Entscheidungszeit- und zugleich -spielraum von jedenfalls nicht weniger als 12 Monaten, mithin mindestens bis Juni 2019, zuzugestehen war, innerhalb derer die Kammer zu beurteilen hatte, wie das Verfahren zu fördern und letztlich zu entscheiden ist (vgl. zum angemessenen richterlichen Überdenkens- und Entscheidungszeit- und zugleich -spielraum in asylrechtlichen Hauptsacheverfahren auch: Sächsisches OVG, Urt. v. 5.12.2022 - 11 F 5/20.EK -, juris Rn. 27 f. (12 Monate bei überdurchschnittlicher Bedeutung und durchschnittlicher Schwierigkeit nach bereits abgelaufener Verfahrensdauer von 4 Monaten); Senatsurt. v. 14.4.2021 - 13 FEK 306/20 -, juris Rn. 49 ff. (6 Monate bei durchschnittlicher Bedeutung und Schwierigkeit nach bereits abgelaufener Verfahrensdauer von 16 Monaten)).

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Beschleunigungsgrundsatz für asylrechtliche Verfahren, der sich aus Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180/60) - Verfahrensrichtlinie - ergibt. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass das Prüfungsverfahren so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird. Unabhängig davon, dass dieser Grundsatz nur für das Prüfungsverfahren und somit das Verwaltungsverfahren gilt, nicht hingegen für das Rechtsbehelfsverfahren, für das lediglich Art. 46 Abs. 10 der Verfahrensrichtlinie vorsieht, dass die Mitgliedstaaten für die Gerichte Fristen für die Prüfung der Entscheidung der Asylbehörde vorsehen können, wirkt sich der Beschleunigungsgrundsatz nicht darauf aus, ob ein Gerichtsverfahren eine unangemessene Dauer hat. Denn die Einschätzung über die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist anhand der Kriterien des § 198 Abs. 1 GVG und in Abwägung mit der Unabhängigkeit des Richters vorzunehmen. Eine pauschalierte Verkürzung des richterlichen Spielraums durch ein Beschleunigungsgebot erscheint im entschädigungsrechtlichen Kontext nicht angezeigt (vgl. Senatsurt. v. 14.4.2021 - 13 FEK 306/20 -, juris Rn. 51).

Hiernach steht für den Senat fest, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg, das insgesamt etwa 58 Monate (15.2.2018 - 5.12.2022) lief, in dem - aufgrund der vom Beklagten bereits anerkannten und entschädigten unangemessenen Verfahrensdauer im Zeitraum zwischen Juli 2019 bis November 2022 (41 Monate) - hier für den Ausgang des Entschädigungsklageverfahrens allein noch zu beurteilenden Zeitraum zwischen Februar 2018 und Juni 2019 (17 Monate) noch keine unangemessene Verfahrensdauer aufwies. Die Kläger haben folglich gegen den Beklagten über den bereits anerkannten Teil der Klageforderung in Höhe von 8.200 EUR bezogen auf eine unangemessene Verfahrensdauer im Zeitraum zwischen Juli 2019 bis November 2022 hinaus keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 1 GVG in Höhe von weiteren 1.000 EUR wegen einer unangemessenen Verfahrensdauer auch im davor liegenden, am 15. Februar 2018 (Klageerhebung) beginnenden Verfahrenszeitraum. Ihre allein darauf noch gerichtete Klage ist als unbegründet abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 161 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt die unterschiedlichen Obsiegens- und Unterliegensanteile der Verfahrensbeteiligten. Hinsichtlich des vom Beklagten mit Schriftsatz vom 22. Februar 2023 erklärten Teilanerkenntnisses und daraufhin übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrensteils ist es ermessensgerecht, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Durch sein Anerkenntnis hat er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben (vgl. zur Relevanz dieses Aspekts für die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO: BVerwG, Beschl. v. 28.10.2011 - BVerwG 1 C 9.10 -, NVwZ 2012, 61, 62 - juris Rn. 3; Beschl. v. 18.10.2002 - BVerwG 1 B 149.02 -, juris Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 9.6.2011 - 10 S 2636/10 -, juris Rn. 2). Raum für eine Anwendung des § 156 VwGO besteht hier nicht, da das Anerkenntnis jedenfalls nicht "sofort" im Sinne dieser Bestimmung abgegeben worden ist (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerwG, Beschl. v. 7.4.2017 - BVerwG 1 WB 4.17 -, juris Rn. 24 ff. m.w.N.). Hinsichtlich des durch klageabweisendes Urteil entschiedenen Verfahrensteils tragen die Kläger anteilig die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 Satz 2 VwGO, § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

V. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.