Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 02.04.2003, Az.: 203-VgK-08/2003

Präklusion von bereits in den Ausschreibungsunterlagen deutlich gewordenen Fehlern; Normzweck der Rügeobliegenheit; Anforderungen an die Bekanntmachung zur öffentlichen Ausschreibung; Erfordernis der Eignungsprüfung eines Bieters im Hinblick auf die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit; Bestehen eines Anlasses für eine Prüfung der Eignung zur Auftragsdurchführung; Fertigung eines Vergabevermerks zur Erfüllung der Dokumentationspflicht; Relevanz einer eidesstattlichen Versicherung über die Vermögenslosigkeit für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; Möglichkeit des Ausschlusses von Angeboten bei Insolvenz des Bieters; Angebotsausschluss wegen offenbaren Missverhältnisses des angebotenen Preises zur Leistung; Entstehen einer Prüfungspflicht hinsichtlich der Einzelposten von preislich niedrig erscheinenden Angeboten

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
02.04.2003
Aktenzeichen
203-VgK-08/2003
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 32380
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL-Vergabeverfahren Dienstleistungen Personen- und Materialtransporte, Versorgungsfahrten, Postfahrten

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Conrad
auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2003
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung bezüglich des Loses 1 (Personen- und Materialtransporte) und Los 2 (Versorgungsfahrten) einzutreten, dabei insbesondere die Eignung der Beigeladenen zu 1 und zu 2 zu überprüfen und Prüfung und Ergebnis der Prüfung in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat den Antragstellerinnen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn sie dies beantragen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Gründe

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 09.10.2002 die Personen- und Materialtransporte, Versorgungsfahrten und Postfahrten EU-weit für die Zeit vom 01.04.2003 bis zum 31.03.2005 im offenen Verfahren ausgeschrieben.

2

Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass die zu erbringenden Leistungen für Teile der angeforderten Leistungen (Lose) abgegeben werden konnte. Es wurde darauf hingewiesen, dass Änderungsvorschläge nicht zugelassen waren.

3

Als Mindestbedingungen zur Teilnahme am Wettbewerb und zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit waren verschiedene Kriterien genannt worden. Es wurde darauf hingewiesen, dass Bieter, die die Auftraggeberin bisher noch nicht beliefert hätten, Nachweise der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit vorzulegen hätten.

4

Zuschlagskriterium sollte das wirtschaftlichste Angebot unter Berücksichtigung des Kriteriums Preis und den im Rahmen der Verdingungsunterlagen vorgegebenen Kriterien (Leistungsbeschreibung) sein. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Kriterien nicht nach Wertigkeit geordnet seien.

5

Den Ausschreibungsunterlagen war u.a. zu entnehmen, dass bestimmte Voraussetzungen bei jedem Los zu erfüllen seien. Hinsichtlich des Loses 1 - Personen- und Materialtransporte - müssen an allen Kalendertagen rund um die Uhr mindestens 20 Fahrzeuge einsatzbereit sein.

6

Bei der Angebotsöffnung am 02.01.2003 ergab sich, dass insgesamt 5 Bieter Angebote für die einzelnen Lose abgegeben hatten. Für alle 3 Lose wurden jeweils 3 Angebote abgegeben.

7

Bei der Prüfung und Wertung der Angebote wurden ebenfalls am 02.01.2003 für die Bieter der einzelnen Lose folgende Faktoren festgehalten:

"Los 1 (Personen- und Materialtransporte):- Durchschnittspreis/Transport in EUR/inkl. MwSt bei 38 Fahrtrouten (insgesamt 30.000 Transporte/Jahr)

- Pauschale für zusätzliche Kilometer in EUR/inkl. MwSt; Kosten/Jahr bei zusätzlich. 20.000 km in EUR/inkl. MwSt

- nutzbare Fahrzeuge

- Sonstiges

- Jahreskosten Los1 bei 30.000 Fahrten zzgl. 20.000 ZusatzKM in EUR/inkl. MwSt

- Kosten für Vertragszeitraum 01.04.2003 - 31.03.2005 + Verlängerung, wenn nicht gekündigt somit für 4 Jahre in EUR/inkl. MwSt.

Los 2 (Versorgungsfahrten):- Preis/Arbeitstag in EUR inkl. MwSt.

- Preis/Jahr bei 250 Arbeitstagen in EUR inkl. MwSt

- Sonstiges

- Kosten für Vertragszeitraum 01.04.2003 - 31.03.2005 + Verlängerung, wenn nicht gekündigt somit für 4 Jahre in EUR/inkl. MwSt."

8

Nach dem in einer Verwaltungsvorlage für den Klinikumsausschuss und den Verwaltungsausschuss festgehaltenen Ergebnis des streitbefangenen Vergabeverfahrens (Bl. 182 - 185 der Vergabeakte) wurden für das streitbefangene Los 1 Personen- und Materialtransporte für den ausgeschriebenen Vertragszeitraum 01.04.2003 bis 31.03.2005 Preise von 377.800,00 EUR (Beigeladene zu 1) über 505.600,00 EUR (Antragstellerin) bis zu 1.165.000,00 EUR (Fa. xxxxxxx) angeboten. Für das ebenfalls streitbefangene Los 2 Versorgungsfahrten hatte der Beigeladene zu 2 mit 62.060,00 EUR (brutto) für den entsprechenden Vertragszeitraum das niedrigste Angebot abgegeben, gefolgt von der Antragstellerin mit 87.000,00 EUR und der Fa. xxxxxxx mit 93.420,00 EUR. Das Los 3 Postfahrten ist nicht streitbefangen.

9

Mit Datum vom 22.01.2003 wurde von Seiten der Auftraggeberin vermerkt, dass keine Meldungen aus den Abteilungen vorlägen, die gegen eine Vergabe an die vorgesehenen und bekannten Bieter sprechen.

10

Hinsichtlich der vorgesehenen Vergabe des Loses 1 an die Beigeladene zu 1 wurde Folgendes vermerkt:

- "sie führt den Auftrag seit 04/99 durch. Die Beschwerden liegen im Promillebereich. Die Qualität ist ok.

- Unterlagen brauchen nicht eingereicht zu werden, da bekannter Lieferant (siehe Anschreiben Seite 2).

- § 25 Abs. 2 und 3 VOL/A sind ok., da bisheriger Lieferant + Preise wie letzte Ausschreibung."

11

Hinsichtlich der vorgesehenen Vergabe des Loses 2 an die Beigeladene zu 2, Fa. xxxxxxx wurde vermerkt:

- "sie führt den Auftrag seit 04/99 durch. Die Beschwerden liegen im Promillebereich. Die Qualität der Arbeit ist ok.

- Unterlagen brauchen nicht eingereicht zu werden, da bekannter Lieferant (siehe Anschreiben).

- § 25 Abs. 2 und 3 VOL/A sind überprüft."

12

Die Verwaltung der Auftraggeberin empfahl ihren Ausschüssen, den Zuschlag für Los 1 der Beigeladenen zu 1 und für Los 2 dem Beigeladenen zu 2 zu erteilen. Gegen die vorgeschlagene Vergabe an die Beigeladenen erhob das Rechnungsprüfungsamt der Auftraggeberin keine Bedenken.

13

In einem Vermerk vom 11.02.2003 zum Preisvergleich der favorisierten Angebote der Beigeladenen mit den 1999 angebotenen Preisen hielt die Wirtschaftsabteilung der Auftraggeberin Folgendes fest:

"Los 1 (Personen- und Materialtransporte):

Bei einer Gegenüberstellung zur letzten Ausschreibung vor 4 Jahren würde es eine Preissenkung von ca. 30% geben, wobei zu berücksichtigen sei, dass durch die Streckenführung die Durchschnittspreise nicht vergleichbar seien. Unter Berücksichtigung der identischen Strecken ergäbe sich eine Preiserhöhung von ca. 4 - 17% je nach Strecke.

- Differenz zum nächstgünstigsten Bieter sind: 127.800,00 EUR oder der nächstteure Bieter ist ca. 33,9% teurer

- 4 Stufen Öko-Steuer

- Personalkostenerhöhung

- Inflation

- Teure Fahrzeuge

- Kfz-Steuer

- Kfz-Versicherung inkl. höhere Versicherungssteuer

- Der Euro

Los 2 (Versorgungsfahrten):- Differenz zum nächstgünstigsten Bieter sind: 24.940,00 EUR oder der nächstteure Bieter ist ca. 40,2% teurer

- Nur 5,6% Erhöhung gegenüber der Ausschreibung vor 4 Jahren

- 4 Stufen Öko-Steuer

- Personalkostenerhöhung

- Inflation

- Teure Fahrzeuge

- Kfz-Steuer

- Kfz-Versicherung inkl. höhere Versicherungssteuer

- Der Euro"

14

Dem Vergabevorschlag war nochmals die Prüfung und Wertung der Angebote vom 08.02.1999 angeheftet. Aussagen zur Frage, ob die Angebotspreise der Beigeladenen der Auftraggeberin im Vergleich zu den nächstniedrigeren Angeboten der Antragstellerin unangemessen i.S.d. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A erschienen oder nicht, enthält der Vermerk nicht.

15

Nachdem der Verwaltungsausschuss der Auftraggeberin dem Vergabevorschlag mit Beschluss vom 18.02.2003 zugestimmt hatte, informierte das xxxxxxx xxxxxxx der Auftraggeberin mit Fax vom 24.02.2003 die nicht berücksichtigten Bieter gem. § 13 VgV, welchen Bietern sie die Aufträge hinsichtlich der einzelnen Lose den Auftrag erteilen möchte. Ferner erklärte sie den nichtberücksichtigten Bietern, warum ihr Angebot nicht angenommen werden konnte.

16

Mit Schreiben vom 03.03.2003 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe des Loses 1 an die Beigeladene zu 1 und des Loses 2 an den Beigeladenen zu 2, und führte zur Begründung aus:

  • dass ihrer Meinung nach die Auftraggeberin nicht die fachliche Eignung, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bewerber geprüft habe, bevor sie sich für das wirtschaftlichste Angebot entschieden habe.
  • Gerade hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der in Betracht kommenden Bieter hätten sie Bedenken. Zu Begründung ihrer Auffassung führen sie aus, dass ein - namentlich benannter - Partner der Arbeitsgemeinschaft zu Los 1, der auch allein den Auftrag zu Los 2 erhalten solle, schon eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögenslosigkeit abgegeben habe.

17

Auch hinsichtlich der anderen Beteiligten der beigeladenen Arbeitsgemeinschaft vertreten die Antragstellerinnen die Auffassung, dass sie nicht leistungsfähig seien, da sie ihrer Meinung nach nichtüber die erforderliche Anzahl an einsatzbereiten Fahrzeugen verfügen.

18

Ferner führte die Antragstellerin aus, dass nach ihrem Wissensstand die bisherigen Vertragspartner, die jetzt auch wieder den Zuschlag erhalten sollen, in der Vergangenheit die Aufträge nicht ordnungsgemäß durchgeführt hätten.

19

Die Auftraggeberin antwortete mit Schreiben vom 04.03.2003 auf die Rüge dahingehend, dass sich die Antragstellerin an die zuständige Nachprüfungsstelle, die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg, wenden müsse.

20

Die Antragstellerin hat sodann mit Schriftsatz vom 05.03.2003, eingegangen am 06.03.2003, die Vergabekammer angerufen. Nach Durchführung der Akteneinsicht am 19.03.2003 machte der Bevollmächtigte der Antragstellerin ergänzend zur bisherigen Rüge geltend, dass die Auftraggeberin den Modus der Preisberechnung zur Ermittlung des günstigsten Angebotes ihrer Meinung nach nicht nachvollziehbar dokumentiert habe.

21

Im Übrigen handele es sich bei der Arbeitsgemeinschaft, die jetzt den Zuschlag erhalten soll, nicht um dieselbe Bietergemeinschaft, die im Jahre 1999 den Zuschlag erhalten habe. Seinerzeit sei die Firma xxxxxxx beteiligt gewesen und nicht die Firma xxxxxxx. Insoweit hätte die Auftraggeberin die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der beigeladenen Bietergemeinschaft in der derzeitigen Konstellation prüfen müssen.

22

Des Weiteren begründet die Antragstellerin ihren Vorwurf der mangelnden Leistungsfähigkeit, speziell des Beigeladenen zu 2.

23

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gegen die Stadt xxxxxxx,

  2. 2.

    die Vergabekammer möge feststellen, ob die Preisberechnung im konkreten Fall das wirtschaftlichste Angebot berücksichtigt und dass

  3. 3.

    die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der jetzigen Arbeitsgemeinschaft (Beigeladene zu 1) nicht angemessen überprüft worden ist sowie dass

  4. 4.

    die von der beigeladenen Arbeitsgemeinschaft angebotenen Preise nicht angemessen im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A sind.

24

Die Auftraggeberin beantragt,

  1. 1.

    den Antrag der Beschwerdeführer zurückzuweisen

  2. 2.

    die Zuschlagserteilung gem. § 115 Abs. 2 GWB zu genehmigen.

25

Sie hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Sie führt aus, dass sie vor jeder Vergabe die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bieter prüfe. Die dafür benötigten Erklärungen hätte sie jedoch nicht von den Bietern verlangt, die bereits für sie tätig seien. Dies sei bei der Arbeitsgemeinschaft der Fall gewesen, da sie bereits seit 1999 das xxxxxxx xxxxxxx zu ihrer Zufriedenheit beliefere.

26

Im Übrigen lasse allein die Tatsache, dass die Antragstellerin zu 2 privatrechtliche Forderungen gegen die Privatperson der Firma "xxxxxxx" habe, ihrer Meinung nach nicht auf eine Unzuverlässigkeit des Unternehmens schließen.

27

Ferner weist die Auftraggeberin darauf hin, dass die beigeladene Bietergemeinschaft sogar 31 Fahrzeuge zur Verfügung stelle. Sie habe auch nicht eine Liste mit 20 Taxen oder 20 Mietwagen gefordert, sondern nur die Möglichkeit der Bereitstellung von mindestens 20 Fahrzeugen.

28

Im Übrigen stelle Herr xxxxxxx von "xxxxxxx" lediglich seine Rufnummer zur Verfügung, nicht jedoch seine Fahrzeuge.

29

Hinsichtlich der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Firma xxxxxxx weist die Auftraggeberin darauf hin, dass diese Firma viele weitere Aufträge für die Städte xxxxxxx und xxxxxxx sowie den Landkreis xxxxxxx durchführe.

30

Zur Ermittlung der Preisbasis führt die Auftraggeberin aus, dass sie den Durchschnittspreis aller Fahrten berücksichtigt habe. Hier hätte die Antragstellerin für 31 von 38 Fahrten höhere Preise veranschlagt.

31

Zur Begründung ihres Eilantrages auf Gestattung des Zuschlages führt die Auftraggeberin aus, dass die vorhandenen Verträge am 31.03.2003 auslaufen und die erforderlichen Fahrten damit dann nicht mehr für sie durch geführt werden könnten und somit ihrer Meinung nach untragbare Zustände entstehen würden.

32

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

33

Die beigeladene Arbeitsgemeinschaft hält jedoch die von der Antragstellerin erhobenen Vorwürfe hinsichtlich ihrer mangelnden Leistungsfähigkeit für unbegründet. Soweit bei einem Mitglied ihrer Arbeitsgemeinschaft wirtschaftliche Schwierigkeiten vorhanden sein mögen, weisen sie jedoch darauf hin, dass sie trotzdem anhand der bisherigen ordentlichen Auftragsdurchführung die Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachgewiesen hätten.

34

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27.03.2003 Bezug genommen.

35

II.

Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Er ist unzulässig, soweit sich die Antragstellerin gegen die von der Auftraggeberin gewählte Art der Preisberechnung zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes wendet, weil die Antragstellerin versäumt hat, das von ihr bemängelte Fehlen von Angaben zur Häufigkeit der in den Verdingungsunterlagen vorgegeben, detailliert aufgelisteten Fahrtstrecken unverzüglich im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin gem. § 107 Abs. 3 GWB zu rügen. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet. Die antragstellende Bietergemeinschaft ist in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt, da die Auftraggeberin es in der 2. Wertungsphase gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A sowohl bezüglich Los 1 wie auch Los 2 versäumt hat, die Eignung der Mitglieder der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 wie auch der Beigeladenen zu 2 im Hinblick auf die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung zu überprüfen undÜberprüfung und Ergebnis in einem den Anforderungen des§ 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Die Auftraggeberin hat damit sowohl gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB wie auch gegen den Transparenzgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen.

36

1.

Der Antrag ist teilweise zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag betreffend Personen- und Materialtransporte (Los 1), Versorgungsfahrten (Los 2) und Postfahrten (Los 3) für das xxxxxxx xxxxxxx xxxxxxx, wobei die Entscheidung der Auftraggeberin bezüglich Los 3 nicht streitbefangen ist. Für Dienstleistungsaufträge gem. § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB gilt gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,00 EUR. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Verkehrsbereich gilt gem. § 2 Nr. 1 VgV der erhöhte Schwellenwert von 400.000,00 EUR. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung (Bl. 184 der Vergabeakte) wurden allein für das streitbefangene Los 1 Personen- und Materialtransporte für den ausgeschriebenen Vertragszeitraum 01.04.2003 bis 31.03.2005 Preise von 377.800,00 EUR (Beigeladene zu 1) über 505.600,00 EUR (Antragstellerin) bis zu 1.165.000,00 EUR (Fa. xxxxxxx) angeboten. Hinzu kommt der Wert für die ausgeschriebenen Lose 2 und 3. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet nach dem Ergebnis der Ausschreibung damit deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

37

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bietergemeinschaft im streitbefangenen Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, die Auftraggeberin habe in mehrfacher Hinsicht gegen Vergaberecht verstoßen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist weiterhin, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rdn. 677). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass ihrem nach der streitbefangenen Bewertung der Auftraggeberin auf Rang 2 stehenden Angebot zu Los 1 (Personen- und Materialtransporte) und ebenfalls auf Rang 2 stehenden Angebot zu Los 2 (Versorgungsfahrten) möglicherweise der Zuschlag zu erteilen wäre, wenn die Auftraggeberin die Angebote der Beigeladenen zu 1 und der Beigeladenen zu 2 gem. § 25 VOL/A von der Wertung ausgeschlossen hätte, wozu die Auftraggeberin im vorliegenden Fall nach Auffassung der Antragstellerin verpflichtet war. Eineüber die Schlüssigkeit hinausgehende Darstellung des Rechtsschutzbedürfnisses ist nicht erforderlich. Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. Vergabekammer Südbayern, Beschluss v. 13.12.1999 - Az.: 11/99).

38

Soweit sich die Antragstellerin allerdings auch gegen den von der Auftraggeberin gewählten Modus zur Gesamtpreisberechnung für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes wendet, ist sie im Nachprüfungsverfahren mit ihrem Vorbringen präkludiert. Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass die Auftraggeberin im Zuge der Wertung die mit der Leistungsbeschreibung abgefragten Einzelpreise für die genau beschriebenen Strecken zur Ermittlung eines Durchschnittspreises einfach gemittelt hat, ohne die Tatsache zu berücksichtigen, dass in der Praxis die einzelnen Strecken unterschiedlich häufig bedient werden müssen. Dieser Abrechnungsmodus war ihr jedoch spätestens seit Bearbeitung des Angebotes bekannt, da die Leistungsbeschreibung unter Ziffer 2.1 "Fahrtstrecken" ausführlich sämtliche Fahrtstrecken auflistete und jeweils eine Spalte "Preise in Euro inkl. Mehrwertsteuer" für jede Einzelfahrt vorsah. Denkbare und für die Kalkulation sinnvolle Vordersätze in Form von Angaben zur voraussichtlichen Häufigkeit der einzelnen zu bedienenden Fahrtstrecken enthielt die Leistungsbeschreibung jedoch ausdrücklich, für jeden Bieter erkennbar, nicht. Unter Ziffer 3 der Leistungsbeschreibung zu Los 1 heißt es lediglich:

"Anzahl der Fahrten: Pro Jahr werden ca. 30 000 Fahrten (Personen- und Materialtransporte durchgeführt. Für Fahrten außerhalb der angegebenen Verbindungen - Sonderfahrten - (ca. 20 000 km/Jahr) wird eine Kilometerpauschale von ... Euro inkl. Mehrwertsteuer ohne zusätzliche Anfahrkosten berechnet. Zuschläge für Sonn- und Feiertage entfallen. Bei 20 000 km/Jahr bei ... Euro/km = ... Euro/Jahr inkl. Mehrwertsteuer."

39

Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, a.a.O., § 107 Rdn. 681). Der durch das Vergaberechtsänderungsgesetz dem Bieter erstmals gewährte Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren setzt auf der anderen Seite voraus, dass sich der Bieter seinerseits auch stets gebührend um seinen Rechtsschutz bemüht. Dazu gehört gerade auch die vorprozessuale Rüge. Für die Kenntnis des konkreten von einem Bieter geltend zu machenden Vergaberechtsverstoßes bedarf es für ein fachkundiges Bieterunternehmen in der Regel nicht der vorherigen Konsultation eines Rechtsanwalts. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Verfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2000, Az.: Verg 9/00). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs hatte die Antragstellerin spätestens bei der Erarbeitung ihres Angebots, das sie mit Schreiben vom 23.12.2002 abgegeben hat, positive Kenntnis darüber, dass die Auftraggeberin im Leistungsverzeichnis keinerlei Angaben zur voraussichtlichen Häufigkeit der Bedienung der einzelnen Fahrtstrecken gemacht hat und mangels entsprechender Vordersätze die tatsächliche Häufigkeit auch in der Angebotswertung keine Rolle spielen würde. Es war ihr gem. § 107 Abs. 3 GWB zumutbar und möglich, diese fehlenden Angaben zu rügen, zumal die Auftraggeberin verpflichtet war, gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A zur Ermöglichung einer einwandfreien Preisermittlung alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A soll dem Auftragnehmer zudem kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Diesen vergaberechtlichen Vorgaben genügt die vorliegende Leistungsbeschreibung im streitbefangenen Vergabeverfahren nur unzureichend. Entgegen der Auffassung der Auftraggeberin war es ihr durchaus zumutbar, auf ihre Erfahrungswerte im noch laufenden Vertragsverhältnis zurückzugreifen und diese über entsprechende Vordersätze in Form von Angaben zur voraussichtlichen Häufigkeit der Fahrten für die zu bedienenden Einzelstrecken in das Leistungsverzeichnis einfließen zu lassen, um so den fachkundigen Bietern eine konkrete Kalkulationsgrundlage zu bieten. Derartige Angaben wären gerade auch im Interesse der Auftraggeberin selbst zweckmäßig gewesen, da sie nur so im Zuge der Wertung realistische Gesamtpreise auf Basis der von den Bietern genannten Einzelpreise ermitteln konnte. Indem sie ungeachtet der auch von ihr eingeräumten Tatsache, dass die Fahrtenstrecken höchst unterschiedlich anfallen werden, die Einzelpreise der Bieter lediglich gleichwertig mittelte und damit einen fiktiven Durchschnittspreis pro Fahrt ermittelte, hat sie sich der Möglichkeit einer realistischen Gesamtkostenermittlung für den ausgeschriebenen Vertragszeitraum begeben.

40

Gemäß § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. c VOL/A soll bereits die Bekanntmachung zur öffentlichen Ausschreibung unter anderem mindestens Angaben zu Art und Umfang der Leistung sowie den Ort der Leistung enthalten. Angabenüber Art und Umfang der Leistung sind für den Bieter entscheidend. Darunter ist sowohl die Qualität (Beschaffenheit) als auch die Quantität (Menge) der Leistung zu verstehen (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 17, Rdn. 14). Mit dem Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB ist jedoch eine Berücksichtigung von Vordersätzen, Mengen oder Massen in der Angebotswertung nur vereinbar, wenn diese im Leistungsverzeichnis den Bietern bekannt gemacht wurden. Das in § 97 Abs. 1 GWB gesetzlich niedergelegte Transparenzgebot ist einer der tragenden Grundsätze des Vergaberechts. Der Grundsatz der Vergabe im transparenten Vergabeverfahren dient unmittelbar der Verwirklichung des Wettbewerbsgedankens. Ein echter Wettbewerb im Bereich des öffentlichen Auftragswesens kann nur entstehen, wenn durch Veröffentlichung und Bekanntmachung von Vorhabenöffentlicher Auftraggeber interessierte Unternehmer ausreichend Kenntnis von den Bedingungen und den nachgefragten Leistungen erhalten. Die Transparenz des Verfahrens dient der Gleichbehandlung der Bieter und dem Schutz vor Willkür. Die Teilnahme- und Publizitätsvorschriften der EU-Vergaberichtlinien, die die Transparenz der öffentlichen Beschaffungsmärkte sicherstellen sollen, sind dementsprechend von besonderer Rechtsqualität. Sie sind mehr als formale Ordnungsprinzipien (vgl. Hailbronner in Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 135). Diesem Transparenzgebot tragen auch die Regelungen in § 8 Nr. 1 Abs. 1 bis 3 VOL/A Rechnung, wonach die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben ist, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden Umstände - im vorliegenden Fall grundsätzlich auch die aus den bisherigen Erfahrungswerten der Auftraggeberin sich ergebende voraussichtliche Häufigkeit der einzelnen zu leistenden Fahrten - festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Dem Auftraggeber soll kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise er nicht im Voraus schätzen kann. Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 VOL/A kann und muss der Auftraggeber daher nur solche Mengen und Massen zugrunde legen, die er im Leistungsverzeichnis auch vorgegeben hat. Denn nur diese Angaben waren den Bietern bekannt und daher allein Grundlage für ihre Angebotskalkulation. Andernfalls könnte ein Auftraggeber durch erstmalige Einführung im Zuge der Angebotswertung oder Veränderung von Massen- und Vordersätzen Einfluss auf das Wertungsergebnis und die Rangfolge der Bieter nehmen (vgl. VK Lüneburg, Beschluss v. 17.09.2001, Az.: 203-VgK-18/2001). Da die Auftraggeberin im streitbefangenen Vergabeverfahren auf jegliche Angabe zur voraussichtlichen Anzahl der für die im Leistungsverzeichnis aufgelisteten Fahrtstrecken verzichtet hat, was im Übrigen kein Bieter im laufenden Vergabeverfahren gerügt hat, durfte und darf sie konsequenterweise derartige Mengen- und Vordersätze auch nicht bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 VOL/A berücksichtigen.

41

Diese Mängel der Leistungsbeschreibung sind einer materiellen Prüfung durch die Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren jedoch nicht zugänglich, da die Antragstellerin versäumt hat, die fehlenden Angaben in der Leistungsbeschreibung im laufenden Vergabeverfahren gem. § 107 Abs. 3 GWB gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Vielmehr wäre es der Auftraggeberin sogar verwehrt gewesen, im Rahmen der Wertung Vordersätze in Form von Häufigkeitsfaktoren für die zu bedienenden einzelnen Fahrstrecken zu berücksichtigen, ohne darauf in den Verdingungsunterlagen hinzuweisen. Diesbezüglich ist die antragstellende Bietergemeinschaft daher mit ihrem Vorbringen präkludiert.

42

Dagegen hat die Antragstellerin die Übrigen von ihr behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme gegenüber der Auftraggeberin gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt. Die Antragstellerin hatte erst aufgrund des Informationsschreibens der Auftraggeberin vom 24.02.2003 gem. § 13 VgV positive Kenntnis darüber, dass ihr Angebot nicht angenommen werden sollte, da es insbesondere aufgrund des Preises nicht das wirtschaftlichste sei und dass der Auftrag zu Los 1 an die namentlich benannte Beigeladene zu 1 und der Auftrag zu Los 2 an den namentlich benannten Beigeladenen zu 2 erteilt werden soll. Die Antragstellerin hat die beabsichtigten Zuschläge bereits mit Schreiben vom 03.03.2003 gegenüber der Auftraggeberin gerügt und insbesondere Bedenken bezüglich der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Beigeladenen zu 2, der zugleich Partner in der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 ist, geäußert. Dabei hat sie ausdrücklich auf die von dem Beigeladenen zu 2 am 26.11.2001 vor dem Amtsgericht xxxxxxx abgegebene eidesstattliche Versicherung über seine Vermögenslosigkeit hingewiesen. Ferner hat sie ausdrücklich bezweifelt, dass die Beigeladene zu 1 in der Lage ist, die zu Los 1 in den Verdingungsunterlagen ausdrücklich geforderte Einsatzbereitschaft von 20 Fahrzeugen "rund um die Uhr" an allen Kalendertagen zu Gewähr leisten. Ferner hat sie auf vermeintliche Zuverlässigkeitsmängel von zur beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 gehörenden Firmen im noch laufenden Vertragsverhältnis mit der Auftraggeberin hingewiesen. Bezüglich dieser Vorwürfe, die auf einen vermeintlichen Verstoß der Auftraggeberin bei der Prüfung der Eignung der Beigeladenen gem. § 25 Nr. 2 VOL/A und ggf. auf einen Ausschluss ihrer Angebote zielen, ist der Nachprüfungsantrag daher zulässig.

43

2.

Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er auch überwiegend begründet. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt, weil die Auftraggeberin es entgegen § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A versäumt hat, in der 2. Phase der Angebotswertung die Eignung der Beigeladenen zu 1 und des Beigeladenen zu 2 im Hinblick auf die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung zuüberprüfen, obwohl die Auftraggeberin dazu Anlass hatte. Sie durfte sich schon deshalb nicht entsprechend ihrer Vorgaben in den Verdingungsunterlagen auf die positiven Erfahrungen mit den Vertragspartnern im noch laufenden Vertragsverhältnis über die streitbefangenen Verkehrsdienstleistungen verlassen, weil zumindest ein Mitglied der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1, die Einzelfirma xxxxxxx, bislang nicht für die Auftraggeberin unmittelbar tätig ist. Tätig ist Herr xxxxxxx vielmehr ausschließlich über die Firma xxxxxxx, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau betreibt, die aber kein eigenes Angebot abgegeben hat. Die zur beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 gehörende Einzelfirma xxxxxxx verfügt jedoch, wie Herr xxxxxxx in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, über keine eigenen Fahrzeuge. Die von ihr in das Angebot der Bietergemeinschaft eingebrachten Fahrzeuge werden von der Firma xxxxxxx betrieben. Diese Abweichung in der Zusammensetzung der Bietergemeinschaft im streitbefangenen Vergabeverfahren im Vergleich zur Arbeitsgemeinschaft, die im aktuell noch laufenden Vertragsverhältnis Partner der Auftraggeberin ist, war und ist Anlass für die Auftraggeberin, die Eignung der Beigeladenen zu 1 zu überprüfen. Spätestens seit dem von der Antragstellerin mit Rügeschreiben vom 03.03.2003 erteilten Hinweis auf die vom Beigeladenen zu 2 abgegebene eidesstattliche Versicherung über seine Vermögenslosigkeit hat die Auftraggeberin auch Anlass, die Eignung des Beigeladenen zu 2 zu überprüfen. Indem sie in beiden Fällen die Eignungsüberprüfung unterließ und sich stattdessen auf die bisherigen positiven Erfahrungen verließ, hat sie zu Lasten der Antragstellerin gegen das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB verstoßen.

44

a)

Die Auftraggeberin hat es versäumt, in der 2. Phase der Angebotswertung gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A die Eignung der Mitglieder der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 im Hinblick auf die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung zu überprüfen und Überprüfung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A kommen nur Angebote von solchen Bietern in Betracht, die die Anforderungen an die Eignung für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung erfüllen. Die Vergabestelle soll über die objektiven Ausschlussgründe des § 25 Nr. 1 VOL/A hinaus Bieter aussortieren, von deren persönlicher oder fachlicher Eignung sie nichtüberzeugt ist. Dabei geht es um eine eingehende Prüfung, die den Rahmen des Ausschlussgrundes § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b i.V.m. 7 Nr. 5 VOL/A übersteigt. Handelt es sich dort um relativ schnell feststellbare, also eher objektiv einzustufende Merkmale von Bietern, so bewegt sich der Prüfungsrahmen des § 25 Nr. 2 Abs. 1 auf einen mehr an der Überzeugung der Vergabestelle orientierten Maßstab (vgl. Noch in Müller-Wrede, VOL/A, 1. Aufl., § 25, Rdn. 52). Zum Nachweis ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit können gem. § 7 Nr. 4 VOL/A von den Bietern entsprechende Angaben gefordert werden, soweit es durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist. Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Bewertung der Eignung der Bieter ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser engt sich nur dann ein, wenn er selbst dieses weite Ermessen durch Angabe von Mindestvoraussetzungen einschränkt. Er ist dann an diese Voraussetzungen gebunden und darf nicht nachträglich von ihnen abweichen (vgl. Vergabekammer Sachsen, Beschluss v. 06.05.2002, Az.: 1/SVK/034-02). Das Setzen von Mindestvoraussetzungen ist ihm grundsätzlich nicht verwehrt (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.12.99, Az.: 8/99, BauR 2000, S. 558, 560). Die Vergabestellen sind in der Art und Weise, wie sie sich Kenntnis über die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit von Bewerbern verschaffen, grundsätzlich frei und keinen formalen Beschränkungen unterworfen. Ein geeignetes Mittel ist die Einholung von Auskünften über Erfahrungen, die andere Beschaffungsstellen mit dem betreffenden Bewerber gemacht haben (vgl. Daub/Eberstein, a.a.O., § 25, Rdn. 37, m.w.N.). Die Vergabestelle wird in der Regel aber auch, sofern vorhanden, auf eigene - positive oder negative - Erfahrungen bei der Beurteilung der Eignung zurückgreifen (vgl. Noch, a.a.O., § 25 Rdn. 58, m.w.N.).

45

Die Auftraggeberin hatte sich auf Seite 2 ihres Schreibens zur Angebotsaufforderung vom 18.10.2002 zur Erforderlichkeit von Eignungsnachweisen gegenüber den Bietern wie folgt geäußert:

"Im offenen Verfahren fordere ich von Bietern, die das xxxxxxx xxxxxxx bisher nicht beliefert haben, als Nachweis der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit:

1.
Erklärung über den Gesamtumsatz des Unternehmens sowie den Umsatz bezüglich der besonderen Leistungsart, die Gegenstand der Vergabe ist, jeweils bezogen auf die letzten drei Geschäftsjahre.

2.
Eine Liste der wesentlichen, in den letzten Jahren erbrachten Leistungen mit Angabe des Rechnungswertes, der Leistungszeit sowie der öffentlichen oder privaten Auftraggeber: ..."

46

Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin bei solchen Bietern, die bereits für sie tätig gewesen sind, auf die entsprechenden Eignungsnachweise verzichtete. Gegenüber der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 konnte sie entsprechend ihrer eigenen Vorgabe jedoch schon deshalb nicht auf jegliche Eignungsnachweise verzichten, weil die an dem streitbefangenen Vergabeverfahren beteiligte Beigeladene zu 1 in ihrer Zusammensetzung nicht identisch ist mit der Arbeitsgemeinschaft, die zurzeit, im Rahmen des laufenden Vertragsverhältnisses, die entsprechenden Transporte für die Auftraggeberin durchführt. Dies betrifft entgegen der Auffassung der Antragstellerin zwar nicht die zur Beigeladenen zu 1 gehörende Firma xxxxxxx. Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2003 dargelegt, dass diese Firma bereits 2001 an Stelle der damals ausgeschiedenen Firma xxxxxxx während des laufenden Vertrages in die beauftragte Arbeitsgemeinschaft eingetreten ist. Insofern erfüllte die Firma xxxxxxx die Voraussetzungen für den Dispens von der Beibringung von Eignungsnachweisen gemäß den Verdingungsunterlagen.

47

Die Auftraggeberin hatte entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch keinen Anlass, die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Mitglieder der Beigeladenen zu 1, soweit sie bereits für die Auftraggeberin tätig sind, wegen vermeintlich schlechter Erfahrungen im laufenden Vertragsverhältnis in Zweifel zu ziehen. Die Auftraggeberin hat in einem handschriftlichen Vermerk vom 22. Januar 2003 in der Vergabeakte festgehalten, dass die Beschwerden gegen die Mitglieder der im noch laufenden Vertragsverhältnis beschäftigten Arbeitsgemeinschaft im Promillebereich liegen. Die Qualität sei ok. Diese in der Vergabeakte dokumentierte Feststellung der Auftraggeberin wird bestätigt durch die Aussage des auf Antrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommenen Herrn xxxxxxx, der bis 2001 selbst als Partner der zurzeit noch beauftragten Arbeitsgemeinschaft Transporte für die Auftraggeberin durchgeführt hat. Der Zeuge hat erklärt, dass es im laufenden Vertragsverhältnis von 1999 bis zu seinem Ausscheiden 2001 Beschwerden vielfältiger Art seitens des Klinikums gegeben habe. Er selbst habe seinerzeit ca. 80 % der Fahrten im nunmehr ausgeschriebenen Los 1 mit seiner Firma bedient. Es habe damals mindestens zehn Beschwerden monatlich gegeben. Z.B. sei Material nicht an die richtige Abteilung des Klinikums geliefert worden. Das Gros der Beschwerden betraf nach Aussage des Zeugen das Zuspätkommen der Fahrer. Der Zeuge hat jedoch auch erklärt, dass seinerzeit mindestens 2000 Fahrten pro Monat durchgeführt wurden. Angesichts dieser großen Zahl von Einzelfahrten hat sich die Auftraggeberin nach Auffassung der Vergabekammer im Rahmen ihres vergaberechtlichen Ermessens gehalten, als sie die durchschnittliche Beschwerdequote als vernachlässigbar gering einstufte, sich mit der bisherigen Leistung der zurzeit beauftragten Arbeitsgemeinschaft für zufrieden erklärte und die Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft als zuverlässig einstufte.

48

Die Auftraggeberin hat jedoch nicht dem Umstand Rechnung getragen, dass mit der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 die Einzelfirma xxxxxxx eine Firma am Vergabeverfahren beteiligt ist, die noch nicht für die Auftraggeberin tätig gewesen ist und daher nicht ohne jegliche Eignungsüberprüfung von der Auftraggeberin akzeptiert werden durfte. Der in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2003 anwesende Herr xxxxxxx hat erklärt, dass er nicht als Einzelfirma, sondern seinerzeit mit der xxxxxxx in den zurzeit noch laufenden Vertrag eingetreten sei. Im Zuge des laufenden Vertrages habe es dann eine Umfirmierung gegeben zur xxxxxxx, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau betreibe. Er hat ferner erklärt, dass er am streitbefangenen Vergabeverfahren ausdrücklich als Einzelfirma xxxxxxx im Rahmen der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 teilnehme. Er hat ferner eingeräumt, dass die Einzelfirma xxxxxxx über keine eigenen Fahrzeuge verfügt, obwohl sie einen Teil der von der Beigeladenen mit ihrem Angebot gemäß Vordruck Anlage zu Los 1, Ziffer 6 angebotenen 31 Fahrzeuge nach seiner Darstellung mit einbringt. Bei diesen sechs Fahrzeugen handelt es sich jedoch ausdrücklich um Fahrzeuge der xxxxxxx. Da Herr xxxxxxx der Auftraggeberin aus dem laufenden Vertragsverhältnis von Person bekannt ist, hatte sie somit zwar keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit der Einzelfirma xxxxxxx zu zweifeln. Sie musste jedoch angesichts der fehlenden juristischen Identität dieser Einzelfirma mit ihrem Vertragspartner xxxxxxx zumindest die Leistungsfähigkeit dieser Einzelfirma gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/Aüberprüfen, zumal diese Einzelfirma Fahrzeuge anbot, die auf eine andere Firma zugelassen sind und über deren Verfügbarkeit die Beigeladene im Angebot keinerlei Angaben machte. Ein Bieter ist leistungsfähig, wenn erüber das für die fach- und fristgerechte Ausführung erforderliche Personal und Geräte verfügt und in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen. Die Leistungsfähigkeit muss demnach in technischer und finanzieller Hinsicht gegeben sein (vgl. Daub/Eberstein, a.a.O., § 25, Rdn. 34, m.w.N.). Gerade die technische Leistungsfähigkeit der Einzelfirma xxxxxxx ist angesichts der unstreitig fehlenden eigenen Fahrzeuge zunächst einmal nicht ohne weiteres gegeben. Die Auftraggeberin hatte und hat daher Anlass, zumindest im Wege eines Aufklärungsgesprächs gem. § 24 Nr. 1 VOL/A mit der beigeladenen Bietergemeinschaft und insbesondere mit ihrem Mitglied Firma xxxxxxx zu klären, ob und wie die angebotenen Fahrzeuge und das Personal überhaupt verfügbar sind. Die Tatsache, dass Herr xxxxxxx als Person über die xxxxxxx bereits bekannt war, durfte die Auftraggeberin nicht veranlassen, auf jegliche Eignungsüberprüfung der neuen Einzelfirma xxxxxxx zu verzichten.

49

b)

Spätestens seit dem von der Antragstellerin mit Rügeschreiben vom 03.03.2003 erteilten Hinweis auf die vom Beigeladenen zu 2 am 26.11.2001 vor dem Amtsgericht xxxxxxx abgegebene eidesstattliche Versicherung über seine Vermögenslosigkeit hatte und hat die Auftraggeberin auch Anlass, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Beigeladenen zu 2 zu überprüfen und auch diese Überprüfung und das Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2003 erklärt, dass sie erstmalig durch das Rügeschreiben Kenntnis von diesen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Beigeladenen zu 2 erlangt hat. Nach Aktenlage hat die Auftraggeberin aber möglicherweise schon vorher Hinweise auf die wirtschaftliche Lage des Beigeladenen zu 2 erhalten. In der Vergabeakte ist ein Schreiben der zur beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 gehörenden Firma xxxxxxx vom 09.01.2003 enthalten, das die Auftraggeberin mit dem handschriftlichen Vermerk "§ 24 VOL/A Nachfrage!" versehen hat. Dort erklärte die Beigeladene zu 1:

"Erläuternd möchte ich hierzu noch wie folgt anmerken: Herr xxxxxxx stellt in der Arbeitsgemeinschaft weder Taxen, Mietwagen noch anderweitige Fahrzeuge zur Abwicklung des Auftrages zur Verfügung. Herrn xxxxxxx "Anteil" an der Arbeitsgemeinschaft ist die Zurverfügungstellung der Rufnummer xxxxxxx."

50

Die Betonung des geringen Anteils des Herrn xxxxxxx an der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 deutet darauf hin, dass zumindest die übrigen Partner der Beigeladenen über die wirtschaftliche Situation des Beigeladenen zu 2, Herrn xxxxxxx, im Bilde waren.

51

Dies kann jedoch dahinstehen. Die Auftraggeberin war und ist verpflichtet, den von der Antragstellerin mit ihrem Rügeschreiben erteilten Hinweis auf die eidesstattliche Versicherung des Herrn xxxxxxx zum Anlass zu nehmen, erneut in die 2. Wertungsstufe einzutreten und die Eignung des Beigeladenen zu 2, Herrn xxxxxxx, der nicht nur am Angebot der Beigeladenen zu 1 zu Los 1 beteiligt ist, sondern nach dem bisherigen Ergebnis der Wertung der Auftraggeberin auch den Zuschlag für das Los 2 (Versorgungsfahrten) erhalten soll, zu überprüfen. Dabei ist sie gehalten, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit der Firma xxxxxxx zu überprüfen. Zwar empfiehlt sich zur Vermeidung schwer wiegender Vergabefehler die genaue systematische, chronologische Abarbeitung der Wertungsphasen 1 - 4 (vgl. Daub/Eberstein, a.a.O., § 25, Rdn. 8, m.w.N.). Schon der das Vergabeverfahren beherrschende Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 verbietet grundsätzlich eine Vermengung der Wertungsphasen. Hat ein Auftraggeber die Wertungsphasen 1 - 3 bereits durchgeführt und ist in der 4. Wertungsphase mit der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes befasst, ist er in der Regel nicht befugt, ohne Anlass noch einmal in die Phase der Eignungsprüfung zurückzukehren und damit Einfluss auf die Bieterrangfolge zu nehmen. Erhält er jedoch, wie im vorliegenden Fall, aufgrund einer Rüge gem. § 13 VgV oder in sonstiger Weise im Zuge des Vergabeverfahrens nachträglich einen Hinweis, der Anlass für Zweifel an der Eignung eines Bieters wecken muss, wird dieser Grundsatz durchbrochen. Sollten sich - wie im vorliegenden Fall - die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens in einer der späteren Wertungsphasen herausstellen bzw. der Vergabestelle trotz vorhergehender sorgfältiger Recherche erst dann bekannt werden, so dürfte ein Ausschluss auch dann noch gerechtfertigt sein. Dies gilt trotz der sonst geltenden strengen Prüfungsreihenfolge der Nummern 1 - 3 des § 25 (vgl. Noch, a.a.O., § 25, Rdn. 47, m.w.N.). Die Vorschrift des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A, nach der bei der Auswahl der Angebote, die für den Zuschlag in Betracht kommen, nur Bieter zu berücksichtigen sind, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen, gebietet dann zwingend, dass die Auftraggeberin bezüglich dieses Bieters wieder in die 2. Wertungsstufe und damit die Eignungsprüfung eintreten muss.

52

Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/Akönnen Angebote von Bietern, die von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden können (§ 7 Nr. 5 VOL/A), ausgeschlossen werden. Gemäß § 7 Nr. 5 können Unternehmen von der Teilnahme am Wettbewerb unter anderem ausgeschlossen werden, über deren Vermögen das Konkursverfahren oder das Vergleichsverfahren eröffnet oder die Eröffnung beantragt worden ist (lit. a) oder die sich in Liquidation befinden (lit. b). Da es sich bei der Partnerin der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 und dem Beigeladenen zu 2, Firma xxxxxxx, um eine Einzelfirma handelt, ist die unstreitig von Herrn xxxxxxx am 26.11.2001 vor dem Amtsgericht xxxxxxx abgegebene eidesstattliche Versicherung über seine Vermögenslosigkeit mit einem Konkursverfahren oder einem Vergleichsverfahren zumindest gleichzusetzen.

53

Dabei ist die Auftraggeberin nicht gezwungen, den Beigeladenen zu 2 und im Zuge dessen auch die Beigeladene zu 1 von der Wertung auszuschließen. Hinsichtlich dieser an die Eignung der Bieter anknüpfenden Ausschlussgründe hat die Vergabestelle nach der Formulierung des § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A ausdrücklich dasErmessen, die betreffenden Angebote auszuschließen. Allgemein wird der Vergabestelle hier ein recht weit zu verstehendes Ermessen belassen. Sie hat insbesondere einen sehr weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum bei der Frage der Bietereignung. Schließlich liegt es in ihrer Verantwortung, dass der Vertrag mit dem Bieter auch ordnungsgemäß durchgeführt werden kann (vgl. Noch, a.a.O., § 25 VOL/A, Rdn. 46, 47). Hinsichtlich der Ausschlussgründe des § 7 Nr. 5 lit. a und lit. b VOL/A soll der Vergabestelle die Entscheidung überlassen werden, ob sie das Risiko eingehen will, ggf. mit einem solchen Unternehmen den Vertrag abzuschließen. Das Risiko, mit einem solchen Unternehmen den Vertrag möglicherweise nicht zu Ende führen zu können, ist grundsätzlich abzuwägen.

54

Gleich, wie sich die Auftraggeberin letztlich entscheidet, muss sie die eidesstattliche Versicherung des Herrn xxxxxxx zum Anlass nehmen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Firma xxxxxxx zu überprüfen und Prüfung, Ergebnis und Entscheidung über Wertung oder Ausschluss des Angebotes der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 zu Los 1 und des Beigeladenen zu 2 zu Los 2 gem. § 30 VOL/A in der Vergabeakte nachvollziehbar dokumentieren. Sie wird sich bei der Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Firma xxxxxxx sowohl im schriftlichen Wege wie auch ggf. ergänzend durch ein Bietergespräch im Rahmen des § 24 VOL/A vergewissern müssen, ob der Inhaber der Firma xxxxxxx seine finanziellen Verhältnisse inzwischen geordnet hat.

55

Herr xxxxxxx hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2003 eingeräumt, dass er die eidesstattliche Versicherung am 26.11.2001 vor dem Amtsgericht xxxxxxx abgegeben hat, weil er in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Er habe zwischenzeitlich auch die Zahl seiner Fahrzeuge auf drei reduziert. Herr xxxxxxx hat aber auch erklärt, dass er zwischenzeitlich Zahlungsvereinbarungen mit den Schuldnern getroffen habe, die seinerzeit Ursache der von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung gewesen seien. Herr xxxxxxx hat ferner zugesagt, dass er entsprechende Belege für die Bedienung (Zahlungsvereinbarung) der betreffenden Schulden der Vergabekammer zu den Akten nachreicht. Diese - so Herr xxxxxxx - könnten auch der Auftraggeberin im Falle einer etwaigen neuen Wertung zur Verfügung gestellt werden. Obgleich die Vergabekammer Herrn xxxxxxx am 01.04.2003 noch einmal telefonisch an die Nachreichung dieser Belege telefonisch erinnert hat und Herr xxxxxxx dies noch einmal zusagte, liegen der Vergabekammer die Belege bislang (Stand: 02.04.2003) nicht vor. Die Auftraggeberin wird daher im Zuge der gemäß Nr. 1 des Tenors dieses Beschlusses verfügten erneuten Wertung die entsprechenden Nachweise von Herrn xxxxxxx verlangen müssen oder sich in sonstiger Weise der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Firma xxxxxxx vergewissern müssen.

56

c)

Dagegen war und ist die Auftraggeberin entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht verpflichtet, das Angebot der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 zu Los 1 gem. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A wegen offenbarem Missverhältnis des angebotenen Preises zur Leistung auszuschließen. Die Auftraggeberin hat ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen Prüfungs- und Wertungsvermerks vom 02.01.2003 auf der Grundlage des Angebotes der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 einen durchschnittlichen Transportpreis von 5,83 EUR brutto = 188.868,42 EUR brutto Jahreskosten (bei 30 000 Fahrten zuzüglich 20 000 Zusatzkilometer) ermittelt. Die Gesamtkosten betragen für den ausgeschriebenen Vertragszeitraum 01.04.2003 bis 31.03.2.005.377.800,00 EUR brutto. Im Falle der Antragstellerin ergibt sich ein durchschnittlicher Transportpreis von 7,76 EUR brutto, Jahreskosten von 252.894,74 EUR brutto und Gesamtkosten von 505.600,00 EUR brutto. Das dritte gewertete Angebot des Bieters xxxxxxx kommt bereits auf durchschnittliche Fahrtkosten von 19,07 EUR brutto pro Fahrt, 582.405,26 EUR Jahreskosten und 1.165.000,00 EUR brutto Gesamtkosten. Das Angebot der beigeladenen Bietergemeinschaft zu 1 ist somit 25,3 % billiger als das Angebot des nächstgünstigsten Bieters, der Antragstellerin.

57

Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Erscheinen dem Auftraggeber Angebote im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, so hat der Auftraggeber gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 vor der Vergabe des Auftrages die Einzelposten dieser Angebote zu überprüfen. Zu diesem Zweck verlangt er die vom Bieter die erforderlichen Belege. Der Auftraggeber berücksichtigt bei der Vergabe das Ergebnis dieserÜberprüfung. Die Auftraggeberin hat unstreitig von einer derartigen Überprüfung des Angebotes der Beigeladenen anhand von Belegen der Beigeladenen abgesehen. Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe keinen Anlass gesehen, von einer Unangemessenheit des Angebotes der beigeladenen Arbeitsgemeinschaft auszugehen. Sie habe vielmehr insbesondere im Vergleich mit den Preisen für die einzelnen Fahrtstrecken auf Grundlage des bisherigen, zurzeit noch laufenden Vertrages feststellen müssen, dass da keine wesentlichen Abweichungen von den bisherigen Preisen festzustellen seien. Da diese Fahrten bislang ordnungsgemäß durchgeführt wurden, habe sie davon abgesehen, die Kalkulation der beigeladenen Arbeitsgemeinschaft zu überprüfen. Dieser von der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung erläuterte Abgleich der aktuellen Preise mit denen für die entsprechenden Fahrtstrecken im noch laufenden Vertragsverhältnis ist in der Vergabeakte in einem Vermerk vom 11.02.2003 dokumentiert. Dort heißt es:

"Laut Spalte 3 würde es eine Preissenkung von ca. 30 % geben. Wobei hier bei den Fahrtrouten beider Ausschreibungen andere Strecken beim Durchschnittspreis berücksichtigt sind, somit nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung deridentischen Strecken ca. 4 - 17 % Preiserhöhung je nach Strecke."

58

Im Ergebnis ist nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin hinsichtlich der streitbefangenen Lose 1 und 2 nicht von unangemessenen Angeboten der Beigeladenen zu 1 bzw. des Beigeladenen zu 2 ausgegangen ist und angesichts einer Preisdifferenz - bezogen auf den ausgeschriebenen Vertragszeitraum - von 25,3 % im Falle des Loses 1 und 28,7 % bezüglich des Loses 2 zum nächstgünstigeren Angebot der Antragstellerin, die ihrerseits wiederum das Angebot des drittgünstigsten Bieters im Falle des Loses 1 um mehr als 50 % unterbietet, von einer Prüfung der Angebotskalkulationen abgesehen hat. Die Vorgabe des Gemeinsamen Erlasses des Niedersächsischen MW und des MI vom 27.09.2002 - 32-32573/2/25 - (MBl. S. 685), dass bei einer Abweichung von 10 % zum nächsthöheren Angebot sich die Vergabestelle zwingend mit der Kalkulation des billigsten Angebotes auseinander setzen muss, bezieht sich ausdrücklich nur auf Vergaben im VOB-Bereich, wo der Markt so gefestigt ist, dass größere Abweichungen nicht so häufig vorkommen und sich der Vergabestelle nicht ohne weiteres erschließen. Unabhängig davon ist von einem Missverhältnis zwischen Preis und Leistung nur dann auszugehen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt. Ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und dem nachfolgenden Angebot allein ist für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist. Hinzu kommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB/A, § 25, Rdn. 45 ff.; Kulartz in Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 25, Rdn. 40 ff., m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bieter mangels verbindlicher Kalkulationsregeln grundsätzlich in seiner Preisgestaltung frei bleibt. Deshalb ist für die Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes nicht auf einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes, abzustellen. Auch ist ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet, nur "auskömmliche" Angebote zu berücksichtigen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, m.w.N.). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne des Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten keine Zweifel bestehen. Angesichts der Tatsache, dass die Preise der Beigeladenen zu 1 und des Beigeladenen zu 2 nach der Prüfung der Auftraggeberin mit den Preisen im aktuell noch laufenden Vertragsverhältnis korrespondierten, brauchte der Auftraggeber die Angemessenheit der Angebotspreise nicht zu bezweifeln. Die Auftraggeberin hat sich daher im Rahmen des ihr vergaberechtlich eingeräumten Ermessens gehalten, als sie auf eineÜberprüfung der Kalkulation gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A verzichtete.

59

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des festgestellten Verstoßes gegen das vergaberechtliche Gleichbehandlungsgebot ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei insbesondere die Eignung der Beigeladenen zu 1 und zu 2 zu überprüfen, sodann erneut über Ausschluss oder Berücksichtigung der Angebote der Beigeladenen zu 1 und zu 2 zu entscheiden und Prüfung, Ergebnis und Entscheidung in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Von einer Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens konnte die Vergabekammer dagegen absehen. Die von der Vergabekammer im Tenor zu 1 verfügte Verpflichtung der Auftraggeberin ist bereits geeignet und angemessen, die festgestellte Rechtsverletzung der Antragstellerin zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Die Auftraggeberin wird darauf hingewiesen, dass sie nach erneuter Wertung die Bieter im Vergabeverfahren vor Zuschlagserteilung erneut gem. § 13 VgV informieren muss.

60

Durch die zeitnahe Entscheidung der Vergabekammer im Hauptsacheverfahren war ein vorheriger Eilbeschluss gem.§ 115 Abs. 2 GWB auf den Antrag der Auftraggeberin, ihr zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, entbehrlich. Er wäre im Übrigen wegen der Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages im Hauptsacheverfahren zurückzuweisen gewesen. Unabhängig davon weist die Vergabekammer jedoch darauf hin, dass der Vortrag der Auftraggeberin zur Begründung der Vorabgestattung des Zuschlages nicht zur Begründetheit dieses Eilantrags geführt hätte. Gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB kann die Vergabekammer dem Auftraggeber auf seinen Antrag gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zu erteilen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Die Auftraggeberin hat zur Begründung ihres Antrags gem.§ 115 Abs. 2 GWB schriftsätzlich vorgetragen, dass aufgrund des durch den Nachprüfungsantrag eingetreten Suspensiveffektes gem. § 115 Abs. 1 GWB das xxxxxxx ab 01.04.2003 ohne Vertragspartner sein würde und somit die Versorgung der Patienten nicht mehr sichergestellt werden könne. Dies wäre für das xxxxxxx xxxxxxx xxxxxxx mit 1599 Planbetten ein untragbarer Zustand, der das Leben von Patienten gefährden könne (Patienten müssen zwischen den 4 Betriebsteilen verbracht werden, Schnellschnitte während einer OP müssen ins Labor gebracht werden etc.). Dem ist entgegenzuhalten, dass es der Auftraggeberin unbenommen bleibt, für die Dauer des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens und eines sich möglicherweise noch anschließenden Beschwerdeverfahrens vor dem Vergabesenat die nötigen Transporte auf der Grundlage des noch laufenden Vertragsverhältnisses mit den bisherigen Partnern oder anderen Taxiunternehmen durchzuführen. Ferner ist der Auftraggeberin entgegenzuhalten, dass sie seit mehreren Jahren weiß, dass der derzeitige Transportvertrag zum 31.03.2003 ausläuft. Es war ihr ohne weiteres möglich, dem Risiko einer Verzögerung bei der Vergabe des streitbefangenen Auftrages, das durch die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens und ggf. eines Beschwerdeverfahrens stets gegeben ist, dadurch Rechnung zu tragen, dass sie die Ausschreibungrechtzeitig durchführt. Die Auftraggeberin hat den von ihr beschriebenen Zeitdruck selbst geschaffen, was ebenfalls nicht für eine Gestattung des Zuschlags spricht. Sie ist mit ihrer knappen Zeitplanung für das Vergabeverfahren, welche die Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahrens offenbar von vornherein ausgeschlossen hat, ein Risiko eingegangen, das sich durch dieses Nachprüfungsverfahren realisiert hat. Diesem Risiko muss die Auftraggeberin grundsätzlich Rechnung tragen. Sie kann es nicht in der Weise auf die Bieter verlagern, dass diesen im Rahmen des erforderlichen Vergabeverfahrens der vom Gesetzgeber gewährte Primärrechtsschutz praktisch abgeschnitten wird (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 17.01.2003, Az. 13 Verg 2/03).

61

III.

Kosten

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

63

Es wird die gesetzliche Mindestgebühr in Höhe von 2.500,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

64

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 592.600 (brutto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin zu den streitbefangenen Losen 1 und 2 für den ausgeschriebenen Vertragszeitraum 01.04.2003 bis 31.03.2005.

65

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. Euro; ca. 2 Mio. DM) zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 592.600,00 EUR ergibt sich hier eine Basisgebühr in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500,00 EUR.

66

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

67

Die im Tenor verfügteKostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

68

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass erüber das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOB/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

69

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

70

Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

71

Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von 2.500,00 EUR unter Angabe des Kassenzeichens

72

xxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

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xxx

Gause
Schulte
Conrad