Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 24.03.2003, Az.: 203-VgK-7/2003
Präklusion der Verfahrensrüge mangels Unverzüglichkeit; Bestimmung des Zeitpunktes des Kennenmüssens eines Vergabefehlers; Bestehen eines Interesses am Auftrag als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags; Schutz der Bieterrechte durch die Aussetzung des Bieterverfahrens; Verletzung der Rechte des Anbieters durch unzureichende Dokumentation eines Verfahrenswechsels; Überprüfbarkeit des Ermessens des Anbieters durch die Vergabekammer
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 24.03.2003
- Aktenzeichen
- 203-VgK-7/2003
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32075
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 13 VgV
- § 107 Abs. 3 GWB
Verfahrensgegenstand
VOL-Vergabeverfahren Beschaffung Server, Software, Speicherplatten und Hardware (Vergabe-Nr. 2003/S 3-001851)
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
ohne mündliche Verhandlung
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dr. Pade
beschlossen:
Tenor:
Der Nachprüfungsantrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Die Kosten werden auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Begründung
I.
Die Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom 30.12.2002 im Supplement zum Amtsblatt der EG im offenen Verfahren die Beschaffung eines Hochleistungsrechners nebst weiterer Hardware und Software europaweit ausgeschrieben. Der Auftragsgegenstand war unterteilt in die Lose 1 Alpha-Server, 2 Software, 3 Speicherplatten und 4 Hardware. Gemäß Ziffer 3 c der Bekanntmachung waren Teilangebote nach Losen zulässig. Zum Nachweis der Eignung wurden gemäß Ziffer 11 der Bekanntmachung verlangt:
- zur Rechtslage: Erklärung zur Zahlung von Steuern und Abgaben sowie Sozialbeiträgen und Schwarzarbeitererklärung
- zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit: Darstellung des Unternehmens, Referenzliste öffentlicher Auftraggeber
- zur technischen Leistungsfähigkeit: Nachweis, dass die anbietenden Firmen bei HP bzw. Compaq als zertifizierter Händler geführt sind und die angeforderten Arbeiten qualifiziert durchgeführt werden.
Als Zuschlagskriterien wurden gemäß Ziffer 13 der Bekanntmachung genannt:
"Das wirtschaftlich günstigste Angebot auf Grund der nachstehenden Kriterien:
1.
Preis2.
Bewertung der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit"
Nebenangebote waren nicht zugelassen. Bei Ablauf der Angebotsfrist 21.02.2003 lagen der Auftraggeberin sechs Angebote vor. Ein weiterer Bewerber war gemäß § 7 a VOL/A wegen Zweifel an Einhaltung der Mindestbedingungen bereits zuvor abgewiesen worden.
Es ist streitig, ob die Antragstellerin sich an der streitbefangenen Ausschreibung mit einem eigenen Angebot beteiligt hat. In der Vergabeakte ist eine sich auf einen ausgefüllten Formularvordruck "Niederschriftüber die Öffnung, Prüfung und Wertung von Angeboten (VOL)" beschränkender Vergabevermerk vom 26.02.2003 nebst einem Preisspiegel vom 27.02.2003 enthalten. Der Vermerk schließt mit der Empfehlung, den Zuschlag auf das Angebot der Firma xxx mit einem geprüften Angebotspreis von 393.240,-- EUR zu erteilen. Eine Auseinandersetzung mit einem Angebot der Antragstellerin ist nicht dokumentiert.
Mit Schreiben vom 26.02.2003 erhielt die Antragstellerin allerdings ebenso wie die übrigen erfolglosen Bieter folgende Nachricht der Auftraggeberin:
"Sehr geehrte Damen und Herren, die xxx bedankt sich für Ihr Angebot zu der o. g. Ausschreibung. Nach Auswertung der eingegangenen Angebote konnte Ihnen jedoch kein Zuschlag erteilt werden. Nähere Angaben zu den Zuschlagskriterien entnehmen Sie bitte der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU."
Eine Rüge der Antragstellerin gegenüber der Auftraggeberin im Zuge des Vergabeverfahrens gemäß § 107 Abs. 3 GWB erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 03.03.2003, eingegangen bei der Vergabekammer per Telefax am gleichen Tage, hat die Antragstellerin die Vergabekammer angerufen. Sie erklärt, sie habe am 08.01.2003 die Ausschreibungsunterlagen von der Auftraggeberin erhalten und zum 21.02.2003 fristgerecht ein Angebot vorgelegt, das in der Vergabeakte nicht enthalten ist. Die Antragstellerin vertritt jedoch die Auffassung, dass bereits ihr erstes, im Zuge eines offenbar freihändigen Vergabeverfahrens unterbreitetes Angebot vom 25.11.2002, das ebenfalls in der Vergabeakte nicht enthalten ist, den Zuschlag hätte erhalten müssen, da seinerzeit kein weiteres Angebot Dritter vorlag und eine offizielle Aufhebung dieser - freihändigen - Ausschreibung etwa aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgt sei. Sie habe bereits im Vorfeld der Ausschreibung auf eine schriftliche Anfrage der Auftraggeberin vom 21.11.2002 hin am 25.11.2002 ein Angebot für den streitbefangenen Auftragsgegenstand abgegeben. Der Angebotspreis betrug 598.000,-- EUR netto. Auf telefonische Rückfrage am 26.11.2002 habe sie von der Auftraggeberin die Auskunft erhalten, dass kein weiteres Angebot Dritter vorlag. Nach nochmaliger telefonischer Rückfrage sei ihr mitgeteilt worden, dass nochmals Drittanbieter angesprochen werden müssten. Mit Schreiben vom 18.12.2002 sei sie von der Auftraggeberin informiert worden, dass auf Grund des Auftragsvolumens von mehr als 200.000,-- EUR die Beschaffung nunmehr EU-weit ausgeschrieben werden müsse und dass eine entsprechende Veröffentlichung im EU-Amtsblatt und Internet Anfang Januar 2002 erfolgen würde.
Die Antragstellerin beantragt,
die Ausschreibung mit sofortiger Wirkung aufzuheben.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin vertritt die Auffassung, dass ihr Informationsschreiben an die erfolglosen Bieter vom 26.02.2003, das auch die Antragstellerin erhalten hat, die Voraussetzungen des § 13 VgV erfüllt. Sie vertritt ferner die Auffassung, dass die Antragstellerin mangels unverzüglicher Rüge mit ihrem Vorbringen präkludiert ist. Der Antrag sei auch mangels Antragsbefugnis der Antragstellerin unzulässig. Die Antragstellerin habe weder im streitbefangenen Vergabeverfahren noch im Vorfeld der Ausschreibung ein Angebot abgegeben. Die Auftraggeberin räumt ein, mit Schreiben vom 21.11.2002 Preise für einen Hochleistungsserver abgefragt zu haben. Dieses Schreiben sei jedoch nicht an die Antragstellerin gerichtet worden. Es sei vielmehr an die Firmen xxx, xxx, xxx. Von diesen Firmen sei auch eine Rückmeldung erfolgt. In dem Anschreiben vom 21.11.2002 heißt es:
"... Wir möchten Sie um die Erstellung eines kostenfreien Angebotes für nachfolgend aufgeführte Produkte bitten: ..."
Es folgt eine detaillierte Beschreibung eines GS 160 Servers nebst 1072 GByte Festplatten sowie weiterer Hardware. Das Schreiben schließt mit folgendem Hinweis:
"Bitte senden Sie uns das Angebot unbedingt in einem verschlossenen Umschlag mit dem Hinweis - Angebot, bitte ungeöffnet an Abteilung VI-DV! Angebote, die nicht in der vorgenannten Form bei uns eingehen sowie Angebote, die per Fax versandt werden, können nicht berücksichtigt werden."
Die Auftraggeberin erklärt, sie habe die Firmen lediglich zur Information über die entsprechenden Preise aufgefordert, um die Marktsituation zu erkunden. Daneben habe diese Anfrage den Zweck gehabt, die für die ordnungsgemäße Ausschreibung notwendigen Informationen zu liefern (Schwellenwert). Des Weiteren diene eine solche Anfrage dem xxx-internen Abgleich, ob entsprechende Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Nach Eingang dieser Angebote sei im Hause der Auftraggeberin klar geworden, dass eine EU-weite Ausschreibung zu erfolgen habe, da der Schwellenwert von 200.000,-- EUR überschritten werde. Durch die Einholung von Preisen für einen Server habe nach Auffassung der Auftraggeberin nicht bereits eine Ausschreibung stattgefunden. Vielmehr habe es sich lediglich um die Erkundung der Marktsituation zur Entscheidung über das richtige Vergabeverfahren gehandelt. Das streitbefangene, nunmehr durchgeführte Vergabeverfahren sei ordnungsgemäß gewesen.
Die Antragstellerin hat auf den schriftlichen Vorhalt der Vergabekammer, in der Vergabeakte sei kein Angebot der Antragstellerin enthalten, mit Schriftsatz vom 21.03.2003 erklärt, sie handle namens und im Auftrage des Bieters xxx. Sie betreue den Kunden xxx (xxx), indem sie die technischen Konfigurationen, Preise und ggf. Finanzierung für diesen Kunden erstelle und der ausführenden Firma xxx vorgebe und zur Realisierungüberlasse. Diese Vorgehensweise sei bei der Auftraggeberin bekannt und akzeptiert, was sich insbesondere auch dadurch dokumentiere, dass sie, die Antragstellerin, vom Ausschreibungsergebnis informiert worden sei.
Wegen des übrigen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragstellerin ist nicht antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie kein eigenes Angebot abgegeben hat. Soweit die Antragstellerin im Zuge des Nachprüfungsverfahrens behauptet, sie handle namens und im Auftrag der Bieterin xxx GmbH, xxx steht dem entgegen, dass der Nachprüfungsantrag vom 03.03.2003 von der Antragstellerin ausdrücklich im eigenen Namen gestellt wurde und auch sonst keinerlei Hinweise auf das Verhältnis zur xxx GmbH enthält. Unabhängig davon ist der Nachprüfungsantrag auch deshalb unzulässig, weil weder Antragstellerin noch die xxx GmbH die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt haben.
1.
Die Antragstellerin ist nicht antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Danach können einen Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer nur solche Unternehmen stellen, die ein Interesse am Auftrag haben, eine Verletzung in eigenen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend machen und einen durch die behauptete Rechtsverletzung bereits entstandenen oder noch drohenden Schaden darlegen. Die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, einschließlich der Möglichkeit, gem. § 115 Abs. 1 GWB die Aussetzung der Vergabe zu erreichen, soll primär der Wahrung subjektiver Bieterrechte nach § 97 Abs. 7 GWB dienen und damit den Unternehmer zugleich vor der Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen. § 107 Abs. 2 Satz 1 ist daher dahingehend auszulegen, dass nur ein Interesse am Erhalt eines Auftrags eine Antragsbefugnis zu begründen vermag (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107 GWB, Rdn. 38, 39 m.w.N.). Das bedeutet, dass im offenen Verfahren Bieter und im nicht offenen Verfahren oder Verhandlungsverfahren darüber hinaus auch Bewerber oder Teilnehmer wie auch potenzielle Bewerber oder Teilnehmer antragsbefugt sein können. Dagegen sind Subunternehmer bzw. Lieferanten, die allenfalls ein mittelbares Interesse am Auftrag haben, von der Antragsbefugnis ausgenommen. Hier fehlt es an der Möglichkeit, den Zuschlag in eigener Person zu bekommen, und damit an dem von § 107 Abs. 2 GWB geforderten unmittelbaren Interesse am Auftrag.
Dieses unmittelbare Interesse am Auftrag ist im Falle der Antragstellerin nicht gegeben. Die Antragstellerin hat weder im streitbefangenen offenen Vergabeverfahren noch im vorangegangenen, denselben Auftragsgegenstand betreffenden freihändigen Verfahren ein Angebot abgegeben. Die Auftraggeberin hatte mit formlosem Schreiben vom 21.11.2002 verschiedene Firmen ausdrücklich um Abgabe eines Angebotes für einen GS 160 Server mit 1072 GByte Festplatten und weiterer Hardware gebeten. Dabei handelte es sich um eine vergaberechtswidrige freihändige Vergabeverhandlung, da der Kaufpreis für den streitbefangenen Liefergegenstand - für die Auftraggeberin ohne weiteres erkennbar - deutlich den für eine europaweite Ausschreibung maßgeblichen Schwellenwert von 200.000,-- EUR gem. § 2 Nr. 3 VgV übersteigt. Soweit die Auftraggeberin erklärt, sie habe die Firmen lediglich zur Information über die entsprechenden Preise aufgefordert, um die Marktsituation zu erkunden und die für die ordnungsgemäße Ausschreibung notwendigen Informationen zu liefern (Schwellenwert), ist dies nicht nachvollziehbar, da im Schreiben vom 21. November 2002 ausdrücklich um die Erstellung und Unterbreitung eines Angebotes in einem verschlossenen Umschlag gebeten wurde. Da die Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 4 oder Nr. 2 VOL/A nicht vorliegen, hat sich die Auftraggeberin gleichwohl korrekt verhalten, als sie sich entschloss, den Auftrag nicht im freihändigen Vergabeverfahren zu vergeben, sondern ein offenes Verfahren gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A durchzuführen. Die Auftraggeberin hätte allerdings, als sie ihren Fehler bemerkte, das freihändige Vergabeverfahren gem. § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A nicht nur aufheben müssen, was sie faktisch durch die Entscheidung für ein offenes Verfahren getan hat. Sie hätte die Gründe dafür auch gem. § 26 Nr. 3 VOL/A in der Vergabeakte dokumentieren müssen und die Bieter gem.§ 26 Nr. 4 VOL/A von der Aufhebung unverzüglich benachrichtigen müssen, was sie unterlassen hat. Dieses Versäumnis beeinträchtigt die Antragstellerin indessen nicht in ihren Rechten. Sie hat weder auf das Anschreiben vom 21. November 2002 noch im sich anschließenden, streitbefangenen offenen Verfahren ein Angebot abgegeben. Auch aus der Tatsache, dass die xxx GmbH mit der die Firma der Antragstellerin offenbar ständig zusammenarbeitet, in beiden Verfahren Angebote abgegeben hat, kann die Antragstellerin keine Antragsbefugnis ableiten. Die Angebote enthalten keinerlei Hinweis auf die Firma des Antragstellers, so dass eine Berücksichtigung der Antragstellerin als Teil einer Bietergemeinschaft ausscheidet. Soweit die Antragstellerin daher mit Schriftsatz vom 21.03.2003 gegenüber der Vergabekammer vorgetragen hat, dass sie die Auftraggeberin, die xxx betreue, indem sie die technischen Konfigurationen, Preise und ggf. Finanzierung für diesen Kunden erstelle und der ausführenden Firma xxx vorgebe und zur Realisierungüberlasse, ist diese Verbindung unbeachtlich. Auch soweit die Antragstellerin nunmehr vorträgt, sie handle im Nachprüfungsverfahren namens und im Auftrage der xxx GmbH korrespondiert diese Aussage, abgesehen davon, dass die Antragstellerin keinerlei Vollmacht der xxx GmbH vorgelegt hat, nicht mit dem Antragsschriftsatz vom 3. März 2003. Dieser Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens wurde unter der Überschrift "Beschwerde" ausdrücklich im eigenen Namen der Antragstellerin gestellt und enthält keinerlei Hinweise auf die Bieterfirma xxx GmbH. Die Antragstellerin kann daher weder ein unmittelbares Interesse am Auftrag noch eine Verletzung in eigenen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend machen, geschweige denn kann sie die dritte Voraussetzung der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB erfüllen, nämlich einen durch die behauptete Rechtsverletzung bereits entstandenen oder noch drohenden eigenen Schaden darlegen.
2.
Unabhängig von der fehlenden Antragsbefugnis ist der Nachprüfungsantrag auch deshalb unzulässig, weil weder die Antragstellerin noch die von ihr nunmehr vermeintlich vertretene Firma xxx GmbH die nunmehr geltend gemachten Vergaberechtsverletzungen vor Stellung des Nachprüfungsantrags im laufenden Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 oder Satz 2 GWB gerügt haben. Die Antragstellerin respektive die von ihr nunmehr vermeintlich vertretene xxx GmbH hatte nach eigenen Angaben der Antragstellerin im Antragsschriftsatz spätestens seit dem 18.12.2002 davon Kenntnis, dass die Auftraggeberin den streitbefangenen Auftrag nicht im freihändigen Vergabeverfahren, sondern erst nach Durchführung eines vergaberechtsgemäßen offenen Verfahrens vergeben würde. Ihre nunmehr im Nachprüfungsverfahren geäußerte Auffassung, sie hätte bereits auf das 1. Angebot im freihändigen Verfahren vom 25.11.2002 den Zuschlag erhalten müssen, hätte sie daher gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB innerhalb von wenigen Tagen nach positiver Kenntnisnahme gegenüber der Auftraggeberin rügen können und müssen. Sie durfte diese Rüge nicht etwa in der Hoffnung zurückhalten, sie würde im streitbefangenen Vergabeverfahren mit ihrem Angebot zum Zuge kommen.
§ 107 Abs. 3 GWB räumt den Bietern im Vergabeverfahren kein Ermessen dahingehend ein, ob eine Rüge vor Anrufung der Vergabekammer Aussicht auf Erfolg verspricht, sinnvoll ist oder nicht. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt z.B. positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107 GWB, Rdn. 680, 681, m.w.N.). Der durch das Vergaberechtsänderungsgesetz dem Bieter erstmals gewährte Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren setzt auf der anderen Seite voraus, dass sich der Bieter seinerseits auch stets gebührend um seinen Rechtsschutz bemüht. Dazu gehört gerade auch die vorprozessuale Rüge. Für die Kenntnis des konkreten, von einem Bieter geltend zu machenden Vergaberechtsverstoßes bedarf es für ein fachkundiges Unternehmen in der Regel nicht der vorherigen Konsultation eines Rechtsanwaltes. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Verfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2000, Az.: Verg 9/00). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes ist die Antragstellerin ihrer Rügepflicht nicht nur nicht unverzüglich, sondern überhaupt nicht nachgekommen. Positive Kenntnis von der Ausschreibung im offenen Vergabeverfahren hatte sie, wie sie selbst einräumt, bereits am 18.12.2002. Sie hat in der Folge dann kein Angebot im streitbefangenen Vergabeverfahren abgegeben. Die Firma xxx GmbH, deren Vertretung sich die Antragstellerin nunmehr berühmt, hat sich in der Folge mit einem eigenen Angebot am Vergabeverfahren beteiligt, ohne dieses Verfahren in irgendeiner Weise gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Sowohl die Antragstellerin als auch die xxx GmbH sind daher mit ihrem Vorbringen im Nachprüfungsverfahren gem. § 107 Abs. 3 GWB präkludiert.
Der Nachprüfungsantrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.500 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000,-- DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. EURO; ca. 2 Mio. DM) zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000,-- DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Unter Berücksichtigung des Auftragswertes und der Tatsache, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig ist, war die Mindestgebühr gem. § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB zu erheben.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 2.500 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxxxxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx
Schulte
Dr. Pade