Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 08.10.2003, Az.: 203-VgK-21/2003
Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung und das Transparenzgebot durch die Vorgabe eines am Markt nicht mehr verfügbaren Materials; Vorgabe von bestimmten Erzeugnissen oder Verfahren durch den Auftraggeber; Tauglichkeit des für eine Wärmeschutzverglasung vorgegebenen Leitfabrikates; Wärmeschutz-Isolierglas als Leitfabrikat
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 08.10.2003
- Aktenzeichen
- 203-VgK-21/2003
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 37025
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 9 Nr. 1 VOB/A
- § 9 Nr. 5 VOB/A
- § 21 VOB/A
- § 25 VOB/A
- § 97 Abs. 1 GWB
- § 97 Abs. 7 GWB
Verfahrensgegenstand
Vergabeverfahren 3. Bauabschnitt - Ersatzneubau - 3.1. Funktions- und Bettentrakt/ Metallbauarbeiten (3.1.34/39) zur Vergabe-Nr. 05/03
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer RA Hintz
auf die mündliche Verhandlung vom 08.10.2003
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren aufzuheben.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.816,-- Euro festgesetzt.
- 4.
Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 28.03.2003 im 3. Bauabschnitt für den Ersatzneubau des Funktions- und Bettentrakts die Metallbauarbeiten (Fenster, Türen, Verglasung) im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben, nachdem sie mit Schreiben vom 10.02.2003 vorab über dieses Verfahren informiert hatte. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der Leistungen nicht vorgesehen ist. Es wurde darauf hingewiesen, dass zur Beurteilung der Eignung die Nachweise gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A vorzulegen seien.
Das annehmbarste Angebot sollte den Zuschlag nach folgenden Kriterien erhalten: Preis, Betriebskosten, Qualität und Wirtschaftlichkeit.
Bei der Verdingungsverhandlung am 07.05.2003 ergab sich, dass die Antragstellerin mit einer ungeprüften Angebotssumme von 1.085.779,72 EUR das günstigste Angebot abgegeben hatte. Sie gewährte einen Preisnachlass in Höhe von 1,5% ohne Bedingungen. Ferner war in der Niederschrift der Verdingungsverhandlung vermerkt worden, dass dem Angebot ein Begleitschreiben beigefügt war. Auch war vermerkt worden, dass sie ein Nebenangebot abgegeben hatte.
Die Beigeladene bot die Leistungen für ungeprüfte 1.166.487,59 EUR an. Ferner wurde festgehalten, dass auch sie noch ein Nebenangebot abgegeben hatte und einen Preisnachlass in Höhe von 10% ohne Bedingungen gewährte.
Mit Schreiben von 16.05.2003 forderte das beauftragte Planungsbüro von der Beigeladenen zur weiteren Prüfung des Angebotes die ausgefüllten Seiten 17 und 18 des Leistungsverzeichnisses (EFB-Preis 1, Angaben zur Preisermittlung und EFB-Preis 2, Aufgliederung wichtiger Einheitspreise).
Ferner forderte das beauftragte Planungsbüro mit Schreiben vom 23.05.2003 von der Beigeladenen zur weiteren Prüfung des Angebotes die in § 6 Landesvergabegesetz genannten Bescheinigungen :
1.
Aktuelle Nachweise der zuständigen Finanzbehördeder Sozialversicherungsträger sowie
der Berufsgenossenschaft über die vollständige Entrichtung von Steuern
und Beiträgen
2.
einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister, nicht älter als 6 Monate.
Das beauftragte Planungsbüro teilte der Auftraggeberin mit Schreiben vom 02.06.2003 seine Angebotsauswertung mit. Darin führte es unter den Bemerkungen zu den Angeboten aus:
"Alle Angebote sind prüffähig. Es fehlen teilweise Unterlagen gem. § 6 des Landesvergabegesetzes sowie die Angaben zur Preisermittlung und zur Aufgliederung wichtiger Einheitspreise gemäß den Seiten 17 und 18 des LV, die nur vom günstigsten Bieter nachgefordert wurden.
Das Nebenangebot der Firma der Beigeladenen bezieht sich auf die Verwendung von Fensterprofilen statt Fassadenprofilen mit Pfosten-Riegel-Konstruktion, wie in der Leistungsbeschreibung vorgegeben, für einige großflächige Fensterelemente. Weiterhin wurde für das Tor des Entsorgungsgebäudes ein alternativer Typ angeboten. Diese Alternativen sind technisch nicht vergleichbar.
Das Begleitschreiben der Antragstellerin bezieht sich auf den Minderpreis bei Entfall von Haltern für die Sonnenschutzanlagen bei Pos. 1.030. Da es sich hier um ein Fassadenelement für das Treppenhaus handelt, wurde der angegebene Preis in Abzug gebracht. Weiterhin bietet die Antragstellerin in einem Nebenangebot einen Minderpreis für den Einbau einer Verglasung mit geringerem Schallschutzwert als gemäß der Leistungsbeschreibung vorgegeben an. Dieses Angebot ist technisch nicht gleichwertig."
Das beauftragte Planungsbüro schlug vor, den Auftrag an die Firma der Beigeladenen zu einem Angebotspreis von 1.050.132,46 EUR zu vergeben. Das zuständige Rechnungsprüfungsamt des Landkreises xxxxxxx hat diesem Vergabevorschlag zugestimmt.
In einem weiteren Vergabevorschlag vom 18.06.2003 des beauftragten Planungsbüros an die Auftraggeberin ist zum Nebenangebot der Antragstellerin vermerkt, dass es nicht gleichwertig sei. Angeboten würde ein Fenster mit geringerem Schallschutzwert. Nochmals wurde vorgeschlagen, den Auftrag an die Firma der Beigeladenen zu dem bereits im Vermerk vom 02.06.2003 genannten Angebotspreis zu vergeben. Dem Vergabevorschlag des beauftragten Planungsbüros schloss sich offenbar die Auftraggeberin und der Landkreis xxxxxxx an.
Mit Informationsschreiben gemäß § 13 VgV informierte der Landkreis xxxxxxx mit Datum vom 25.06.2003 die Antragstellerin, dass der Auftrag an die Beigeladene erteilt werden soll. Ihr wurde ferner mitgeteilt, dass ein niedrigeres Hauptangebot vorläge. Ferner wurde erklärt, dass ihr Nebenangebot technisch nicht gleichwertig sei und daher nicht berücksichtigt werden konnte.
Mit Schreiben vom 02.07.2003 rügte die Antragstellerin gegenüber der Auftraggeberin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene und führte aus, dass ihr Nebenangebot durchaus gleichwertig mit den Leistungen sei, welche dem Hauptangebot der Beigeladenen zugrunde liegen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die von ihr im Nebenangebot angebotenen Produkte bzw. Glastypen in jeder Hinsicht den Anforderungen aus dem Leistungsverzeichnis genügen würden. Denn dort hieße es hinsichtlich der bauphysikalischen Anforderung (S. 54), dass bestimmte Vorgaben gelten, soweit in den Leistungsbeschreibungen für die einzelnen Positionen keine anderen Angaben erfolgen. Hinsichtlich des Schallschutzes hieße es dann, die Verglasung sei mit 42 dB zu wählen (S. 55). Diese allgemeine Vorgabe würde im Leistungsverzeichnis jedoch dann durch die konkrete Leistungsbeschreibung bezüglich der Verglasung konkretisiert (S. 78 ff.). Denn das dort genannte Fabrikat, insbesondere die dort genannten Produktbezeichnungen/Typen beinhalten ihrer Kenntnis nach keine Verglasung mit 42 dB/A (Schallschutzglas).
Mit Schreiben vom 07.07.2003 nahm der Landkreis xxxxxxx zu den Ausführungen der Antragstellerin Stellung und führte dabei aus, dass in den zusätzlichen technischen Vertragsbestimmungen der Ausschreibung der Metallbauarbeiten auf Seite 55 eine Verglasung mit 42 dB gefordert sei. Diese Verglasung sei von der Antragstellerin wie auch von allen anderen Mitbewerbern im Hauptangebot angeboten worden.
Die in dem Nebenangebot angebotene Verglasung mit 37 dB sei somit nicht gleichwertig. Aus diesem Grunde sei das Nebenangebot nicht gewertet worden.
Auf den Seiten 78 ff. der Leistungsbeschreibung waren nach Auffassung der Auftraggeberin zusätzliche Angaben hinsichtlich der Verglasung bezogen auf den K-Wert bzw. U-Wert gemacht, wie die Verwendung von Floatglas, Verbundsicherheitsglas, Sonnenschutzglas oder Ornamentglas. Zum Schallschutz seien dort überhaupt keine Aussagen gemacht worden.
Mit Fax vom 10.07.2003 bestätigte die Beigeladene dem beauftragten Planungsbüro wunschgemäß, dass sie die Verglasung gemäß LV, Seite 55, Absatz 1, mit 42 dB angeboten habe.
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 09.07.2003, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens.
Sie bezieht sich auf ihr Rügeschreiben und führt ergänzend aus, dass ihr Nebenangebot zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei, obwohl im Leistungsverzeichnis keine Verglasung mit 42 dB gefordert worden sei. Zwar hieße es hinsichtlich des Schallschutzes, dass die Verglasung mit 42 dB zu wählen sei, diese allgemeine Vorgabe würde jedoch dann durch die konkrete Leistungsbeschreibung bezüglich der Verglasung abgeändert.
Das von der Auftraggeberin genannte Fabrikat "SEMCO", insbesondere die dort genannten Produktbezeichnungen/Typen würden jedoch keine Verglasung mit 42 dB (Schallschutzglas) beinhalten. Soll der Wert von 42 dB eingehalten werden, können ihrer Meinung nach nicht die im Leistungsverzeichnis auf Seite 78 ff. detailliert beschriebenen Fabrikate bzw. Produkttypen zum Einsatz kommen. Diesem unmittelbar vor Angebotseinreichung erkannten Widerspruch habe sie durch ihr Nebenangebot Rechnung getragen und dies auch hervorgehoben.
Die Antragstellerin beantragt,
Die Antragsgegnerin möge der Antragstellerin bezüglich der Baumaßnahme xxxxxxx-Klinik, 3. BA - Ersatzneubau - 3.1 Funktions- und Bettentrakt/Metallbauarbeiten (3.1.34/39) zur Vergabenummer 05/03 auf deren (Neben-)Angebot vom 06.05.2003 den Zuschlag erteilen,
hilfsweise,
bezüglich der Erteilung des streitgegenständlichen Auftrages, die Aufhebung des Vergabeverfahrens anzuordnen und die Antragsgegnerin anzuweisen, den streitgegenständlichen Auftrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben bzw. erneut auszuschreiben.
Die Auftraggeberin beantragt,
den gestellten Antrag und den Hilfsantrag zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, dass das Nebenangebot der Antragstellerin sich klar auf eine alternative Verglasung mit 37 dB Schallschutz beziehe. Auch durch die Formulierung des Nebenangebots habe die Antragstellerin offenbar keine Zweifel an der ausgeschriebenen Ausführungsart des Hauptangebotes (42 dB) für die Verglasung gesehen.
Die jetzt geäußerte Annahme, dass keine Verglasung mit 42 dB gefordert wurde, sei nicht richtig. Auf Seite 54 der Leistungsbeschreibung sei eine textliche Vorgabe formuliert. In den nachstehenden Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen (ZTV) der Ausschreibung sei auf Seite 55 eine Verglasung mit 42 dB gefordert. In der Glastypenbeschreibung ZTV (S. 78), Pos. GT 1, sei nicht weiter auf den Schallschutz eingegangen worden, sondern lediglich die Fabrikatsbezeichnung SEMCO sowie das Wärmeschutzisolierglas TRANSPLUS-NEUTRAL genannt worden. Insgesamt sei diese Verglasung - wie auf Seite 50 gefordert - mit einem Schallschutz von 42 dB anzubieten gewesen. Nach Auskunft des Herstellers sei diese Verglasung auch problemlos lieferbar. Die Bezeichnung SEMCO und TRANSPLUS-NEUTRAL sage nichts über den Schallschutz aus. Insofern kann ihrer Meinung nach hier keine 37 dB-Verglasung abgeleitet werden. Ferner weist die Auftraggeberin darauf hin, dass die Antragstellerin ein Nebenangebot mit 37 dB-Verglasung mit einem Minderpreis angeboten hat. Hieraus sei zu schließen, dass im Hauptangebot wie gefordert eine 42 dB-Verglasung angeboten worden sei. Die Firma der Beigeladenen habe bestätigt, dass in deren Hauptangebot eine Verglasung mit 42 dB berücksichtigt worden sei. Ein Nebenangebot der Firma der Beigeladenen über 37 dB-Verglasung sei nicht abgegeben worden. Die Auftraggeberin teilt die Rechtsauffassung ihrer Arbeitsgemeinschaft der Architekten, dass es keine Zweideutigkeit in Formulierung der Leistungsbeschreibung gäbe.
Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt. Sie hat ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung telefonisch abgesagt.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 08.10.2003 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Auftraggeberin hat zu Lasten der Antragstellerin wie auch der übrigen Bieter gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung gem. § 9 Nr. 1 VOB/A und damit gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie für die Position "Wärmeschutz-Isolierglas" ein Leitfabrikat gem. § 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A vorgegeben hat, das nicht nur am Markt nicht mehr erhältlich ist, sondern mit dem sich vor allem das von ihr gleichfalls in den Verdingungsunterlagen geforderte Schalldämmmaß von 42 dB faktisch nicht einhalten lässt. Die Auftraggeberin ist daher nicht in der Lage, ein zuschlagfähiges, wirtschaftlichstes Angebot gem. § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A zu ermitteln, da alle Bieter in ihren Hauptangeboten das Leitfabrikat akzeptiert haben und somit alle Hauptangebote hinsichtlich des Schallschutzes und damit einem für das streitbefangene Objekt (Krankenhausbau) erheblichen Bereich fehlerhaft sind.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung und damit um eine juristische Person des privaten Rechts, die vom Landkreis xxxxxxx zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art (Daseinsvorsorge) zu erfüllen und die von diesem Landkreis auch beherrscht wird. Bei der Auftraggeberin handelt es sich somit um eine öffentliche Auftraggeberin i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Ferner erhält sie für das streitbefangene Projekt "Ersatzneubau xxxxxxx-Klinik, xxxxxxx" vom Landkreis xxxxxxx und damit einer Gebietskörperschaft im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB Mittel, mit denen das Vorhaben zu mehr als 50 v. H. finanziert wird. Die xxxxxxx-Klinik GmbH ist somit öffentlicher Auftraggeber auch im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenenVergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 in der zurzeit gültigen Fassung ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. Euro deren addierter Wert ab 20 v. H. des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert des Loses 3.1.34/39 - Metallbauarbeiten (Fenster - Türen und Verglasung) für den 3. Bauabschnitt Ersatzneubau - 3.1 Funktions- und Bettentrakt - den Wert von 1 Mio. Euro. Bereits unter Zugrundelegung des von der Auftraggeberin für den Zuschlag ermittelten niedrigsten Hauptangebotes der Beigeladenen wird dieser Wert mit einer rechnerisch geprüften Angebotssumme von 1.050.132,46 Euro überschritten. Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass die Auftraggeberin ihr preisgünstigeres Nebenangebot unter Zugrundelegung eines geringeren Schallschutzes von 37 dB zu Unrecht bei der Wertung nicht berücksichtigt hat, obwohl bei diesem Nebenangebot eine Verglasung zugrunde gelegt wurde, die mit dem Leitfabrikat gemäß Verdingungsunterlagen vergleichbar ist. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rn. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rn. 677). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. Vergabekammer Südbayern, Beschluss v. 13.12.1999 - 11/99). Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.06.2003 in der Rechtssache C-249/01 (vgl. dortigen amtlichen Leitsatz Nr. 2 und Rn. 23, 24 ff. der Entscheidungsgründe) zudem ausdrücklich festgestellt, dass einem Bieter im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens ermöglicht werden muss, die Stichhaltigkeit seines Ausschlussgrundes anzuzweifeln.
Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hätte im Falle einer Wertbarkeit ihres Nebenangebotes eine Chance, den Zuschlag zu erhalten, da sie zumindest den niedrigsten Preis angeboten hatte.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Die Antragstellerin hatte aufgrund des Informationsschreibens der Auftraggeberin gem. § 13 VgV vom 25.06.2003 erfahren, dass auf ihr Hauptangebot der Zuschlag nicht erteilt werden könne, da ein niedrigeres Hauptangebot vorliege und dass ihr Nebenangebot technisch nicht gleichwertig sei und daher nicht berücksichtigt wurde. Diese Nichtberücksichtigung des Nebenangebotes rügte die Antragstellerin bereits mit Anwaltsschreiben vom 02.07.2003. Dabei wies die Antragstellerin darauf hin, dass das Leitfabrikat gem. Seite 78 ff. der Leistungsbeschreibung ebenfalls keine Verglasung mit 42 dB (Schallschutzglas) beinhalte. Insofern genüge ihr Nebenangebot in jeder Hinsicht den Anforderungen aus dem Leistungsverzeichnis. Bei der Vorschrift des§ 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Kenntnis im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist dann gegeben, wenn ein Bieter oder Bewerber aufgrund des Verhaltens des Auftraggebers oder einer Festlegung in den Verdingungsunterlagen - ohne dies rechtlich fundiert begründen zu können - von einem Vergabefehler ausgeht. Die Antragstellerin hatte nach Aktenlage offenbar spätestens im Zeitpunkt der Angebotsabgabe am 05.06.2003 Zweifel an der Tauglichkeit des für die Wärmeschutzverglasung von der Auftraggeberin vorgegebenen Leitfabrikates "Semco, Typ Transplusneutral". Dies folgt aus dem Anschreiben der Antragstellerin zu ihrem Nebenangebot vom 06.05.2003. Dort heißt es:
"Sollte für die Verglasung in dem o. g. Bauvorhaben kein 42 dB Schallschutz laut den Vorbemerkungen auf Seite 55 notwendig sein, bieten wir Ihnen die Verglasung alternativ mit 37 dB an. Dabei ergibt sich für die ausgeschriebenen Leistungen ein Minderpreis von 42.751,-- Euro netto zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer."
Aufgrund dieser Zweifel konnte die Beigeladene aber noch keine positive Kenntnis darüber erlangen, dass im Falle einer Kalkulation eines Nebenangebotes unter Zugrundelegung einer mit den von der Auftraggeberin vorgegebenen Leitfabrikaten technisch vergleichbaren Verglasung von der Wertung ausgeschlossen werden würde. Unstreitig hatte die Antragstellerin im Vorfeld der Angebotsabgabe bei der von der Auftraggeberin beauftragten Architekten- und Ingenieurarbeitsgemeinschaft xxxxxxx und xxxxxxx telefonisch nachgefragt, ob der auf Seite 55 des Leistungsverzeichnisses vorgegebene Schallschutzwert 42 dB tatsächlich gefordert sei. Laut Erinnerungsprotokoll des Mitarbeiters der Arbeitsgemeinschaft, Herrn xxxxxxx, vom 02.10.2003, der Vergabekammer mit Schriftsatz der Auftraggeberin vom 07.10.2003 vorgelegt, hat Herr xxxxxxx erwidert, dass das gefordert sei, "was im Text geschrieben steht". Den Widerspruch zwischen gefordertem Schalldämmmaß einerseits und vorgegebenem Leitfabrikat, das, wie unter 2. noch zu erörtern ist, diese Vorgabe objektiv nicht einhalten konnte, hat die Auftraggeberin damit nicht aufgeklärt. Die Antragstellerin hatte daher erst aufgrund des Informationsschreibens gem. § 13 VgV vom 25.06.2003 positive Kenntnis von der Tatsache, dass Angebote, die den Schallschutzwert von 42 dB nicht einhalten, auch dann bei der Wertung unberücksichtigt bleiben, wenn sie unter Zugrundelegung einer mit dem von der Auftraggeberin vorgegebenen Leitfabrikat gleichwertigen Verglasung kalkuliert wurden. Die Rüge der Antragstellerin vom 02.07.2003 erfolgte damit unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Zwar hat die Auftraggeberin das gegenüber allen Hauptangeboten preisgünstigere Nebenangebot der Antragstellerin zu Recht gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, Nr. 4 VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2, Nr. 2 VOB/A von der weiteren Wertung ausgeschlossen, weil dieses Nebenangebot im Verglasungsbereich ausdrücklich nicht das von der Auftraggeberin geforderte Schalldämmmaß von 42 dB gewährleistet und deshalb in technischer Hinsicht nicht gleichwertig ist und von einer wesentlichen Vorgabe der Verdingungsunterlagen abweicht. Die Auftraggeberin ist jedoch nicht in der Lage, überhaupt ein zuschlagfähiges, wirtschaftlichstes Hauptangebot im Sinne des § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A zu ermitteln, da alle Bieter in ihren Hauptangeboten das von der Auftraggeberin vorgegebene Leitfabrikat für die Position "Wärmeschutz-Isolierglas" akzeptiert haben, obwohl dieses ebenfalls nicht in der Lage ist, die Vorgabe der Auftraggeberin für das Schalldämmmaß von 42 dB einzuhalten. Die Auftraggeberin kann daher nicht davon ausgehen, dass im streitbefangenen Wettbewerb überhaupt ein Hauptangebot eingereicht wurde, bei dessen Kalkulation ein Wärmeschutz-Isolierglas zugrunde gelegt wurde, das diese Vorgaben einhält.
Die Auftraggeberin hat zu Lasten der Antragstellerin wie auch der übrigen Bieter gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung gem.§ 9 Nr. 1 VOB/A und damit gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie für die Position "Wärmeschutz-Isolierglas" ein Leitfabrikat vorgegeben hat, das nicht nur am Markt nicht mehr erhältlich ist, sondern mit dem sich vor allem das von ihr gleichfalls in den Verdingungsunterlagen geforderte Schalldämmmaß von 42 dB faktisch, nach Angaben des Herstellers, nicht einhalten lässt. Gemäß § 9 Nr. 1 VOB/A ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Im Vergabehandbuch des Bundes (VHB) heißt es dazu unter 1.2:
"Die Leistung muss eindeutig, vollständig, technisch richtig und ohne ungewöhnliche Wagnisse für die Bieter beschrieben werden. Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn sie Art und Umfang der geforderten Leistungen mit allen dafür maßgebenden Bedingungen, z.B. hinsichtlich Qualität, Beanspruchungsgrad, technische und bauphysikalische Bedingungen, zu erwartende Erschwernisse, besondere Bedingungen der Ausführung und etwa notwendige Regelungen zur Ermittlung des Leistungsumfang zweifelsfrei erkennen lässt; keine Widersprüche in sich, zu den Plänen oder zu anderen vertraglichen Regelungen enthält ..."
Der Wortlaut der Nr. 1 des § 9 VOB/A hat eindeutig eine bieterschützende Tendenz. Ist das Nachprüfungsverfahren im Falle europaweiter Publizität des Vergabeverfahrens eröffnet, so kann ein Bieter im Falle eines Verstoßes gegen § 9 Nr. 1 VOB/A die Wiederholung des Vergabeverfahrens erzwingen (vgl. Hertwig in: Beck'scher VOB-Kommentar, Teil A, § 9, Rn. 14, 15, m.w.N.). Gemäß § 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A dürfen Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren (z.B. Markennamen, Warenzeichen, Patente) ausnahmsweise, jedoch nur mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet werden, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen nicht möglich ist (sog. Leitfabrikate). Die Auftraggeberin hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, indem sie u.a. auf Seite 78, 79 zu den Verglasungspositionen GT 1 und 2 "Wärmeschutz-Isolierglas" das Fabrikat "SEMCO" und den Typ "TRANSPLUS-NEUTRAL" mit dem Vermerk "oder gleichwertige Ausführung" vorgegeben hat. Die Verwendung von Leitfabrikaten für die streitbefangene Position wurde im Vergabeverfahren nicht gerügt und ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zwar dürfen Leitfabrikate gem. § 9 Nr. 5 VOB/A nur ausnahmsweise verwendet werden, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen nicht möglich ist. Grund für diese Einschränkung ist, dass man im Allgemeinen davon ausgehen muss, dass es Sache der Bieter ist, aufgrund ihrer Sach- und Fachkunde die für die Ausführung der Leistung notwendigen Erzeugnisse oder Verfahren auszuwählen. Dies ergibt sich daraus, dass sie insoweit die Leistung unter eigener Verantwortung eigenständig und selbstständig auszuführen haben (§ 4 Nr. 2 VOB/B). Außerdem schließt der Auftraggeber - oft zum eigenen Nachteil - den technischen und kaufmännischen Wettbewerb aus, wenn er bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren vorschreibt (vgl. Heiermann, VOB, 10. Auflage, A § 9, Rn. 117, m.w.N.). Auf der anderen Seite kann die VOB ein legitimes Interesse des Auftraggebers, ein bestimmtes Produkt zu verwenden oder eine bestimmte Art der Ausführung zu erhalten, nicht einschränken. Gründe für die Vorgabe eines bestimmten Fabrikats können insbesondere in technischen Zwängen liegen, gestalterischen Gründen folgen oder der Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Wartung dienen. Hat ein Auftraggeber bei der Abfassung der Verdingungsunterlagen aufgrund eigener Vorstellungen oder aufgrund einer Beratung durch den Architekten oder ein Ingenieurbüro ein konkretes Leitfabrikat im Auge, genügt es nicht, die technischen Spezifikationen dieses Baustoffes in allen Einzelheiten in das Leistungsverzeichnis zu übernehmen, weil andere Produkte diese technischen Spezifikationen nicht in Gänze erfüllen könnten. Angebote unter Verwendung anderer Fabrikate könnten dann nur als Nebenangebote gewertet werden, die aber nicht in allen Punkten gleichwertig wären. Eine derartige Ausschreibungspraxis würde sowohl gegen § 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A als auch gegen den Wettbewerbsgrundsatz des § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A und das Diskriminierungsverbot des § 2 Nr. 2 VOB/A verstoßen (vgl. Hertwig, a.a.O., § 9, Rn. 33).
Voraussetzung für die ausnahmsweise Zulässigkeit oder Verwendung von Hersteller- und/oder Markennamen ist daher, dass diese mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet werden. Diese Vorgabe hat die Auftraggeberin eingehalten. Ein Auftraggeber, der den Bietern durch Verwendung eines Leitfabrikates eine Kalkulationsgrundlage an die Hand gibt, ist aber nach dem Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gem. § 9 Nr. 1 VOB/A gehalten, dafür Sorge zu tragen, sich durch die Verwendung von Leitfabrikaten nicht in Widerspruch zu anderen Vorgaben seiner Leistungsbeschreibung zu setzen. Gerade dies ist vorliegend jedoch der Fall, weil die Auftraggeberin mit dem Leitfabrikat "SEMCO TRANSPLUS-NEUTRAL" ein Wärmeschutz-Isolierglas vorgegeben hat, bei deren Verwendung die Bieter die Schallschutzvorgaben des Auftraggebers gar nicht einhalten konnten. Auf Seite 55 des Leistungsverzeichnisses heißt es zum Schallschutz:
"Bewertetes Schalldämmmaß Rw, P ... dB (Verglasung mit 42 dB wählen)."
In einem von der Antragstellerin im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vorgelegten Schreiben der xxxxxxx GmbH, xxxxxxx, die zur xxxxxxx-Glasgruppe gehört, vom 12.09.2003 heißt es:
"Bei erhöhten Anforderungen an den Schallschutz (42 dB) werden die beschriebenen Einzelscheiben gegen ein Schallschutzglas (beispielsweise Gießharz) ausgetauscht und die genaue Glastypenbezeichnung muss auf ,TRANSPLUS 1,1/-phone' geändert werden."
Weiter heißt es:
"Mit den in der Ausschreibung unter GT 1 ,TRANSPLUS-NEUTRAL 1,1' genannten Eigenschaften ist eine Isolierverglasung mit 42 dBnicht zu erreichen."
Hinzu kommt, dass das ausgeschriebene Leitfabrikat unstreitig am Markt gar nicht mehr erhältlich ist. Die Auftraggeberin hat der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung einen Flyer der SEMCO-Glasgruppe überreicht, in dem der Typ "TRANSPLUS-Neutral" ebenfalls nicht mehr enthalten ist. Auf Seite 8/9 des Flyers ist unter anderem ein Produkt SEMCO PHONE SN 1.1 genannt, das in der Unterausführung 43/33 einen Schallschutz von 43 dB (RWP-Messwert) gewährleistet. Dieses Produkt ist jedoch nicht als das Nachfolgeprodukt des von der Auftraggeberin als Leitfabrikat genannten Typs "TRANSPLUS NEUTRAL" einzustufen. Nachfolger ist vielmehr die im Flyer auf Seite 6/7 enthaltene Produktlinie "SEMCO PLUS N". Die dort dargestellten erreichbaren Schallisolierwerte schwanken aber lediglich zwischen 30 und 35 dB/A und vermögen damit nicht die Einhaltung des von der Auftraggeberin vorgegebenen Schalldämmmaßes von 42 dB zu gewährleisten.
Da es sich bei der streitbefangenen Baumaßnahme um den Ersatzneubau eines Krankenhauses handelt, ist das vorgegebene Schalldämmmaß von 42 dB auch nicht eine unerhebliche, zu vernachlässigende Vorgabe. Sie ist ferner unstreitig kalkulationsrelevant i.S.d. § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A, was schon durch den erheblichen Minderpreis des Nebenangebotes der Antragstellerin belegt wird, der maßgeblich auf der Verwendung einer hinsichtlich der Schalldämmung weniger leistenden Verglasung beruht. Die Auftraggeberin ist daher insoweit zu Recht dem Vorschlag der von ihr beauftragten Architekten- und Ingenieurarbeitsgemeinschaft vom 02.06.2003 gefolgt, das Nebenangebot der Antragstellerin mangels technischer Gleichwertigkeit für den Zuschlag nicht zu berücksichtigen, da es ausdrücklich von einem geringeren Schallschutzwert bei der Verglasung ausgeht. Von daher kam für die Vergabekammer eine Verpflichtung der Auftraggeberin, erneut in die Wertung einzutreten und diese unter Berücksichtigung des rein preislich auf Rang 1 stehenden Nebenangebotes der Antragstellerin erneut durchzuführen, nicht in Betracht.
Auf der anderen Seite ist darüber hinaus aber festzustellen, dass die Auftraggeberin aufgrund ihrer widersprüchlichen Angaben in den Verdingungsunterlagen nicht in der Lage ist, zweifelsfrei zu ermitteln, ob überhaupt eines der von ihr gewerteten Hauptangebote das von ihr vorgegebene Schalldämmmaß hinsichtlich der Verglasung einhält. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2003 behauptet, dass ihr Hauptangebot deshalb preislich höher sei, weil sie bei ihrem Hauptangebot tatsächlich ein höherwertiges Produkt zugrunde gelegt habe, um mit dem Hauptangebot die geforderten 42 dB zu gewährleisten. Belegen kann sie dies indessen nicht, da sie in ihrem Hauptangebot das streitbefangene Leitfabrikat auf Seite 78 des Leistungsverzeichnisses "SEMCO TRANSPLUS-NEUTRAL (oder gleichwertige Ausführung)" unkommentiert anerkannt und kein anderes Fabrikat oder einen anderen Glastyp benannt hat. Damit geht das Hauptangebot der Antragstellerin von der Verwendung eines Wärmeschutz-Isolierglases aus, das die zwingende Vorgabe der Auftraggeberin hinsichtlich des Schalldämmmaßes von 42 dB gar nicht einhalten kann.
Gleiches gilt jedoch auch für das von der Auftraggeberin favorisierte Hauptangebot der Beigeladenen. Die Beigeladene hat ebenfalls das fehlerhafte Leitfabrikat auf Seite 78 des Leistungsverzeichnisses vorbehaltlos und unkommentiert anerkannt, so dass davon auszugehen ist, dass die Beigeladene allenfalls das billigere Nachfolgeprodukt des Typs "SEMCO TRANSPLUS-NEUTRAL" ihrer Kalkulation zugrunde gelegt hat, das aber das geforderte Schalldämmmaß eben nicht einhalten kann. Die Auftraggeberin ist daher aufgrund der von ihr selbst verursachten Widersprüchlichkeit der Verdingungsunterlagen nicht in der Lage, gem. § 25 Abs. 3 VOB/A ein Angebot als das wirtschaftlichste zu ermitteln, das alle wesentlichen Vorgaben der Verdingungsunterlagen einhält. Ein transparenter Abschluss des Vergabeverfahrens unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 1 und Abs. 2 GWB ist bei der gegebenen Sachlage nicht möglich.
Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des festgestellten Verstoßes gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot aufgrund der Widersprüchlichkeit der Verdingungsunterlagen hinsichtlich der für die Auftraggeberin erkennbar wichtigen Vorgabe des bei der Verglasung einzuhaltenden Schalldämmmaßes einerseits und der gleichzeitigen Vorgabe eines damit nicht kompatiblen Leitfabrikates andererseits ist es erforderlich, die Aufhebung der Ausschreibung durch Beschluss der Vergabekammer herbeizuführen, da der Vergaberechtsverstoß nicht durch eine Verpflichtung zur Neuvornahme der Angebotswertung unter Berücksichtigung des ebenfalls technisch nicht gleichwertigen Nebenangebotes der Antragstellerin, wie dargelegt, beseitigt werden kann. Daher war zwar nicht dem Hauptantrag der Antragstellerin - Zuschlag auf ihr
(Neben-)Angebot vom 06.05.2003 - zu folgen. Die Vergabekammer muss jedoch darauf hinwirken, dass das Vergabeverfahren entsprechend dem Hilfsantrag der Antragstellerin aufgehoben wird.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die
DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2816 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 1.068.035,06 EUR (brutto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt an Hand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenüber gestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.068.035,06 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2816 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass er über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOB/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von 2.816,-- EUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxxxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto xxx
IV. Rechtsbehelf
Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, 29221 Celle, einzulegen. Die Beschwerde ist gem. § 117 GWB binnen einer Notfrist von 2 Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist gem.§ 117 Abs. 2 GWB mit ihrer Einlegung zu begründen.
Schulte
Hintz