Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 24.10.2003, Az.: 203-VgK-30/2003
Zulässigkeit der Übertragung der Entscheidungskompetenz im Vergabeverfahren auf ein Fachplanungsbüro; Voraussetzungen der Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren; Anforderungen an die Darlegung eines Rechtsschutzbedürfnisses im Nachprüfungsverfahren; Ausschluss eines Bieters vom Vergabeverfahren wegen Unzuverlässigkeit; Verletzung des Transparenzgebotes mangels Dokumentation der einzelnen Verfahrensschritte; Entbindung von der Verpflichtung eine eigenen Entscheidung zu treffen durch Beteiligung eines Sachverständigen
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 24.10.2003
- Aktenzeichen
- 203-VgK-30/2003
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32074
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 7 Nr. 1 VOB/A
- § 107 Abs. 2 GWB
- § 30 Nr. 1 VOB/A
- § 97 Abs. 1 GWB
Verfahrensgegenstand
Vergabeverfahren bzgl. Umbau und Erweiterung ... Hospital, ... - Angebot für Metallbauarbeiten (Metallfassade, Alufenster- und -Türen, Sonnenschutz)
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer BAR Dipl.-Ing. Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann
ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Auftraggeber wird verpflichtet, die Ausschreibung Umbau und Erweiterung ... Hospital, ... - Angebot für Metallbauarbeiten (Metallfassade, Alu-Fenster- und -Türen, Sonnenschutz) - Vergabe-Nr. 4664/36 aufzuheben.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Auftraggeber
- 3.
Die Kosten werden auf 2.690 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Auftraggeber hat mit Datum vom 14.03.2003 den Umbau und die Erweiterung des vorhandenen Krankenhauses bei Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben, nach dem er mit Schreiben vom 15.11.2002 vorab über dieses Verfahren informiert hatte. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der Leistungen in 18 Bauabschnitten vorgesehen ist, darunter das in diesem Nachprüfverfahren streitbefangene Los Metallbauarbeiten (Metallfassade, Alu-Fenster u. -Türen, Sonnenschutz).
Entsprechend dem Vergabevorschlag des Planungsbüros an den Auftraggeber vom 14.07.2003 wurden die Angebotsunterlagen an insgesamt 18 Firmen versandt. Gemäß Formblatt EVM (B) Ang 213 (Angebotsschreiben) waren die Angebote bei dem Staatlichen Baumanagement in ... einzureichen, die Eröffnung der Angebote sollte am 03.07.2003 stattfinden und die Zuschlagsfrist am 01.08.2003 enden. Gemäß der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung vom 03.07.2003 bewarben sich letztlich insgesamt 8 Firmen um den Auftrag, deren Angebote zur Eröffnung zugelassen wurden.
Auf dem Begleitschreiben zum Angebot der Antragstellerin vom 02.07.2003 findet sich folgender Hinweis:
"Die Formblätter 1a, b, c sowie Preis 2 werden wir nachreichen, sofern wir in die engere Wahl kommen, zurzeit möchten wir von einer Offenlegung unserer Kalkulation absehen."
Bei den vorgenannten Formblättern handelt es sich um Angaben zur Kalkulation mit vorbestimmtem Zuschlägen (EFB-Preis 1a), Angaben zur Kalkulation über die Endsumme (EFB-Preis 1b), Angaben zur Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen bei Leistungen des Ausbaugewerbes (EFB-Preis 1c) und Änderung wichtiger Einheitspreise (EFB-Preis 2).
Nach Prüfung der eingegangenen Angebote fertigte das beauftragte Planungsbüro mit Datum vom 14.07.2003 einen Vergabevorschlag an den Auftraggeber. Hierin heißt es, das die Angebote rechnerisch, technisch und wirtschaftlich geprüft worden seien. Weiter seien alle Angebote vollständig ausgefüllt worden. Das Schreiben des Planungsbüros vom 14.07.2003 endet mit dem Vergabevorschlag, den Auftrag an die Antragstellerin mit einer rechnerisch geprüften Angebotsendsumme von 675.702,32 EUR (Brutto) zu vergeben. Unter Einbeziehung der Ergebnisse der Prüfung auf Wirtschaftlichkeit sei das Angebot der Antragstellerin das Annehmbarste. Zur weiteren Angebotsauswertung würden jedoch noch weitere Unterlagen von der Antragstellerin angefordert. Nach Wertung der Angebote und der angeforderten Unterlagen sei die Antragstellerin zu einem Vergabegespräch einzuladen. Der endgültige Vergabevorschlag würde dem Auftraggeber vom Planungsbüro nach Wertung aller Unterlagen vorgelegt werden.
Mit Schreiben vom 07.08.2003 bat das Planungsbüro die Antragstellerin um die kurzfristige Übersendung weiterer Unterlagen. Hierbei handelt es sich einerseits um rechnerische bzw. technische Nachweise, nämlich:
- Rechenwerte bzw. Uf-Wert-Bestimmung der angebotenen Profile
- Nachweis des Up-wertes für das angebotene Paneel
- Nachweis der Materialstärke für die angebotene Hermetik-Serie
Weiterhin wurde um Übersendung einer Referenzliste, der unter Pkt. 3 und 4 des Vordrucks zur Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes aufgeführten Unterlagen sowie einer Darstellung der Antragstellerin zum Personalbestand, zur Ausstattung mit Gerät und um Angabeüber den Umsatz in den letzten drei Geschäftsjahren gebeten. Bei den geforderten Nachweisen handelt es sich um:
- einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister gem. § 150 Gewerbeordnung zum Nachweis der Zuverlässigkeit der Bieter entsprechend § 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A,
- einen Auszug aus dem Bundeszentralregister gem. § 30 Abs. 5 des Bundeszentralregistergesetzes und
- den Nachweis der ausreichenden Haftpflichtversicherung des Bieters und Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes und des Krankenversicherungsträgers.
Mit Schreiben vom 12.08.2003 erteilte die Antragstellerin dem Planungsbüro die erwünschten Auskünfte zum Personalbestand und zur Ausstattung mit Gerät. Weiterhin enthält das Schreiben eine Referenzliste mit den jeweiligen Ansprechpartnern aus Behörden und Planungsbüros und anliegend weitere Unterlagen (Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, Unbedenklichkeitsbescheinigung der Krankenkasse, Handwerkskarte, Auskunft aus dem Gewerbezentralregister und Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug). Mit Schreiben vom 15.08.2003 reichte die Antragstellerin dem Planungsbüro die o. g. rechnerischen bzw. technischen Nachweise nach.
In einem weiteren Schreiben vom 21.08.2003 an das Planungsbüro führte die Antragstellerin folgendes aus:
"Ergänzend zu Ihrem Schreiben vom 7.8. haben Sie uns mitgeteilt, dass Sie noch eine Aufgliederung der Einheitspreise haben möchten, diese fügen wir als Anlage bei.
Ferner haben wir vergessen, Ihnen die Umsätze der letzten 3 Geschäftsjahre mitzuteilen.
Der Umsatz betrug 2.016.000,--, wobei wir überwiegend auch für andere Firmen gearbeitet haben, weil wir Hersteller von T 30,- T 90,- F 90- und RS - Türen sind."
Bei der vorgenannten Aufgliederung der Einheitspreise handelt es sich um die ausgefüllten o.g. Formblätter 1a, 1b, 1c und Preis 2. Das vorgenannte Schreiben vom 21.08.2003 nebst Anlagen ist in der Vergabeakte des Planungsbüros nicht enthalten, sondern wurde der Vergabekammer von der Antragstellerin nach erfolgter Akteneinsicht mit ergänzendem Schriftsatz per Fax am 19.10.2003 übersandt.
Der weitere Ablauf des Vergabeverfahrens ist in der Vergabeakte des Planungsbüros nicht dokumentiert, insbesondere fehlt es an einem abschließenden Vergabevermerk. Auf telefonischen Vorhalt der Vergabekammer übersandte das vom Auftraggeber beauftragte Planungsbüro der Vergabekammer einen nicht unterschriebenen Entwurf eines Vergabevermerks mit Datum 10.09.2003, der unter Verwendung der Formblätter EFB Verg 1, 351.1 - 351.7 des Vergabehandbuchs des Bundes erstellt wurde. Als "federführend zuständig" wird dort Herr Dipl. Ing. ... benannt, Mitarbeiter des beauftragten Planungsbüros ... GmbH. Eine Unterschrift oder einen Einverständnisvermerk des Auftraggebers enthält der Vergabevermerk nicht. Ferner übersandte das Planungsbüro eine von ihm aufgestellte Zusammenstellung der Informationen zur Referenzliste der Antragstellerin, die im Ergebnis negativ ausfiel.
Mit Datum vom 11.09.2003 (eingegangen bei der Antragstellerin am 15.09.2003),wurde der Antragstellerin gem. § 13 VgV von dem beauftragten Planungsbüro (die Vergabeakte des Planungsbüros enthält eine diesbezügliche Vollmacht des Auftraggebers für das Planungsbüro vom 02.06.2003) mit Formblatt EFB (B) Info/Abs EG 306 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, den Zuschlag am 26.09.2003 einem anderen Bieter zu erteilen. Der Name des Bieters, der den Zuschlag erhalten soll, ist dort nicht genannt. Zur Begründung dieser Entscheidung ist unter lfd. Nr. 2. - Eignung des Bieters - angekreuzt, dass das Angebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr.2 VOB/A nicht berücksichtigt werden könne, weil begründete Zweifel an ihrer Eignung im Hinblick auf Zuverlässigkeit bestehen würden. Unter den Erläuterungen ist dort ergänzt, dass bei den angegebenen Referenzobjekten die Zuverlässigkeit nicht immer bestätigt wurde. Weiterhin ist unter lfd. Nr. 5 - Aufklärung des Angebotsinhaltes - angekreuzt, dass das Angebot der Antragstellerin gem. § 24 Nr. 2 VOB/A nicht berücksichtigt werden könne, weil sie die geforderten Aufklärungen und Angaben verweigert habe.
Mit Schreiben vom 15.09.2003 rügte die Antragstellerin gegenüber der Auftraggeberin den beabsichtigten Ausschluss ihres Angebotes durch das beauftragte Planungsbüro. Hinsichtlich der vom Planungsbüro geäußerten Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit hätte sie ihre ehemaligen Auftraggeber angerufen mit dem Ergebnis, dass von keiner Seite diesbezügliche Aussagen getroffen worden wären. Weiterhin wäre es auch unrichtig, dass die Antragstellerin nicht alle abgeforderten Unterlagen an das beauftragte Planungsbüro gesandt hätte, auch hätte sie keinerlei Aufklärungen und Angaben verweigert. Der Geschäftsführer der Antragstellerin hätte mehrfach mit dem Planungsbüro telefoniert, ob dort noch irgendwelche Unterlagen benötigt würden. Es sei kein Wunsch an ihn herangetragen worden. Insoweit hätte die Antragstellerin davon ausgehen müssen, dass ihre eingereichten Unterlagen ausreichend gewesen wären. Die Antragstellerin sei auch nie vom beauftragten Planungsbüro dahingehend angesprochen worden, dass irgendwelche Negativauskünfte vorlägen, die dazu führen könnten, ihr den Auftrag nicht zu erteilen. Im Übrigen würde aus dem Absageschreiben entsprechend § 13 VgV nicht hervorgehen, wer den Auftrag erhalten soll; dies sei jedoch gemäß Vergabeverordnung bei einem offenen Verfahren Vorschrift. Die Antragstellerin behielt sich abschließend vor, die Vergabekammer anzurufen, soweit ihr Angebot weiterhin ausgeschlossen werden solle.
Mit Schreiben vom 22.09.2003 teilt das Planungsbüro Bezug nehmend auf das vorgenannte Rügeschreiben der Antragstellerin mit, dass man sie am 07.08.2003 aufgefordert hätte, eine Referenzliste über Projekte an denen sie mitgewirkt habe zu übersenden; diese Liste sei dort auch am 12.08.2003 eingegangen. Man habe dann in der Folge mit den in der Referenzliste genannten Sachbearbeitern der aufgeführten Behörden bzw. Ingenieurbüros gesprochen. In allen Gesprächen sei mitgeteilt worden, dass bei der Abwicklung der Leistungen u. a. zu erheblichen Terminverschiebungen gekommen und dadurch der Bauablauf gestört worden sei. Weitere Erkundigungen hätten ergeben, dass der Antragstellerin wegen eben dieser Mängel bereits Aufträge entzogen worden wären, bzw. dies in Erwägung gezogen worden sei. Aus Sicht des Planungsbüros könne man bei den vorgenannten Punkten nicht unbedingt von großer Zuverlässigkeit der Antragstellerin sprechen.
Mit Fax vom 22.09.2003 wendet sich die Antragstellerin an die Vergabekammer. Sie wiederholt im Wesentlichen ihren Vortrag in ihrem Rügeschreiben gegenüber der Auftraggeberin vom 15.09.2003, nämlich, dass sie günstigste Bieterin im Ausschreibungsverfahren gewesen sei, sie sämtliche geforderten Unterlagen beigebracht und Auskünfte erteilt hätte und im Übrigen das Planungsbüro keinen Nachweis über die ihr unterstellte Unzuverlässigkeit erbracht hätte.
Die Antragstellerin beantragt,
gem. § 107 GWB ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten.
Die Auftraggeberin beantragt durch das beauftragte Planungsbüro,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Zur Begründung führt das Planungsbüro mit Schriftsatz vom 01.10.2003 aus, dass man die Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit der Antragstellerin gem. § 25 VOB/A überprüft hätte. Dabei habe das Planungsbüro festgestellt, dass die Antragstellerin nicht überall oder aber unter wechselnden Firmenbezeichnungen bekannt gewesen sei. Lediglich der Geschäftsführer der Antragstellerin seiüberall bekannt gewesen. In den erhaltenen Auskünften seien übereinstimmend folgende Punkte genannt worden, die an der Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Antragstellerin zweifeln lassen würden:
- Termine seien nicht eingehalten worden.
- Es seien keine Werkstattzeichnungen erstellt worden.
- Es sei nach Unstimmigkeiten im Leistungsverzeichnis gesucht worden, die einen Nachtrag zulassen würden.
- Es sei mit unqualifizierten Subunternehmern gearbeitet worden, hierdurch habe es einen erhöhten Bauleistungsaufwand gegeben.
Schriftsätze oder Gesprächsprotokolle, die die erhaltenen Auskünfte dokumentieren würden, sind in der Vergabeakte nicht enthalten. Mit Schreiben vom 20.10.2003 hat das Planungsbüro der Vergabekammer einen entsprechenden nachträglichen Vermerk vom 10.10.2003 übersandt.
Hinsichtlich der Unvollständigkeit der Unterlagen der Antragstellerin verweist das Planungsbüro auf das Anschreiben der Antragstellerin zu ihrem Angebot vom 02.07.2003. Die Antragstellerin behielt sich in Ihrem Schreiben vor, die Formblätter EFB-Preis 1a, 1b, 1c und 2 nachzureichen, soweit sie in die engere Wahl kommen würde. Ergänzend trägt das Planungsbüro zu dem Angebot der Antragstellerin vor, dass die Gleichwertigkeit der angebotenen Profile und Paneelen gegenüber den Ausschreibungsunterlagen nicht gegeben sei. Die angebotene Blechkassette weise einen schlechteren Isothermenverlauf aus, hierdurch könne es zur Kondensatbildung im Einspann- und Blech-Rücksprungbereich kommen. Weiterhin würden die angebotenen Fensterrahmen und Fassadenelemente hinsichtlich ihrer Wf-Werte nicht den Bedingungen der Ausschreibung genügen.
Nach erfolgter Akteneinsicht (eine Kopie der Vergabeakte wurde der Antragstellerin am 09.10.2003übersandt) legt die Antragstellerin einen weiteren Schriftsatz vor, mit dem sie die Ausführungen des Planungsbüros in vollem Umfang zurückweist. Hinsichtlich der Gleichwertigkeit der von ihr angebotenen Profile und Paneelen regt sie an, im Zweifel ein Sachverständigengutachten einzuholen. Dem Schreiben beigefügt ist weiterhin das o. g. Schreiben der Antragstellerin an das Planungsbüro vom 21.08.2003 mit den ausgefüllten Formblättern EFB-Preis 1a, 1b, 1c, und 2 als Anlage, deren Vorlage gem. Stellungnahme des Planungsbüros 01.10.2003 angeblich von der Antragstellerin verweigert wurde. Die Antragstellerin weist darauf hin, dass sich dieses Schreiben von ihr nicht in der Vergabeakte des Planungsbüros befinden würde und diese insoweit unvollständig sei.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 GWB zugestimmt. Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil der Auftraggeber in mehrfacher Hinsicht gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen hat, indem er es entgegen § 30 Abs. 1 VOB/A versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren und seine Entscheidungen im Vergabeverfahren nachvollziehbar zu begründen. Ferner wird durch die Vergabeakte nicht belegt, dass der Auftraggeber die nötigen Entscheidungen in eigener Verantwortung getroffen hat. Vielmehr hat er die Entscheidungskompetenz über den nach § 7 Nr. 1 VOB/A zulässigen Rahmen hinaus dem von ihm mit der Vorbereitung und Durchführung der streitbefangenen Ausschreibung beauftragten Fachplanungsbüro überlassen.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung und damit um eine juristische Person des privaten Rechts. Diese erhält für das Projekt "Umbau und Erweiterung ...-Hospital in ..." vom Land Niedersachsen und damit einer Gebietskörperschaft im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB Mittel, mit denen das Vorhaben zu mehr als 50 v. H. finanziert wird (100% des Gesamtauftragsvolumen in Höhe von ca. 15.7 Mio. Euro). Das ...-Hospital ... ist somit öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 in der zurzeit gültigen Fassung ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. Euro deren addierter Wert ab 20 v. H. des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert des Gewerkes 1, Metallbauarbeiten der Baumaßnahme "Umbau und Erweiterung ...-Hospital in ..." nicht den Wert von 1 Mio. Euro. Gleichwohl ist hier der Anwendungsbereich des 4. Teils des GWB eröffnet. Der Auftraggeber hat das streitbefangene Los nämlich EU-weit ausgeschrieben und als Nachprüfstelle die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg angegeben. Durch diese im Rahmen der EU-weiten Ausschreibung erfolgte Benennung der Vergabekammer als Nachprüfstelle hat der Auftraggeber den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Verwaltung, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht dem 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, 3636 ff., 3638). Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass der Auftraggeber ihr trotz preisgünstigsten Angebotes nur deshalb nicht den Zuschlag erteilt, weil er in vergaberechtswidriger Weise die Wertung durchgeführt habe und die Antragstellerin zu Unrecht als unzuverlässig eingestuft habe. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rn. 52). Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rn. 677). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. Vergabekammer Südbayern, Beschluss v. 13.12.1999 - 11/99). Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.06.2003 in der Rechtssache C - 249/01 (vgl. dortigen amtlichen Leitsatz Nr. 2 und RdNrn. 23, 24 ff. der Entscheidungsgründe) zudem ausdrücklich festgestellt, dass es einem Bieter im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens ermöglicht werden muss, die Stichhaltigkeit des Ausschlussgrundes anzuzweifeln.
Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hätte nach derzeitigem Stand des Vergabeverfahrens ohne den Angebotsausschluss voraussichtlich sogar den Zuschlag erhalten, da sie zumindest den niedrigsten Preis angeboten hatte.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Die Antragstellerin hatte am 15.09.2003 das Informationsschreiben des von dem Auftraggeber beauftragten Fachplanungsbüros gem. § 13 VgV vom 11.09.2003 erhalten. Darin war ihr mitgeteilt worden, dass ihr Angebot gemäß § 25 Nr. 2 VOB/A nicht berücksichtigt werden könne, weil begründete Zweifel an ihrer Eignung im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit bestünden. Zur Begründung wurde erläutert, dass bei den aufgeführten Referenzobjekten die Zuverlässigkeit nicht immer bestätigt worden sei. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schreiben vom 15.09.2003 ihren Ausschluss gegenüber dem beauftragten Fachplanungsbüro gerügt und diese Rüge begründet. Sie habe ihre ehemaligen Auftraggeber angerufen. Aussagen, dass sie unzuverlässig sei, seien von keiner Seite gemacht worden. Auch hätte sie keinerlei Aufklärungen und Angaben verweigert. Es sei trotz mehrfacher Telefonate zwischen ihrem Geschäftsführer, Herrn ... und dem Mitarbeiter des beauftragten Planungsbüros, Herrn Dipl.-Ing. ... und Nachfragen der Antragstellerin kein entsprechender Wunsch an sie herangetragen worden. Sie habe deshalb davon ausgehen können und müssen, dass die eingereichten Unterlagen ausreichend waren. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Kenntnis im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist dann gegeben, wenn ein Bieter oder Bewerber auf Grund des Verhaltens des Auftraggebers oder einer Festlegung in den Verdingungsunterlagen - ohne dies rechtlich fundiert begründen zu können - von einem Vergabefehler ausgeht. Diese positive Kenntnis hat die Antragstellerin erst auf Grund des Informationsschreibens des vom Auftraggeber beauftragten Ingenieurbüros gem. § 13 VgV am 15.09.2003, erlangt. Das am gleichen Tage aufgesetzte Rügeschreiben erfolgte somit unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Der Auftraggeber hat gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem er es versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte in der Vergabeakte gem. § 30 Nr. 1 VOB/A zu dokumentieren. Aus der Vergabeakte ergibt sich nicht, dass er im Zuge des Vergabeverfahrens die wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen hat. Vielmehr hat er seine Entscheidungskompetenzen auf das mit der Vorbereitung und Durchführung beauftragte Fachplanungsbüro über den nach § 7 Nr. 1 VOB/A zulässigen Rahmen hinaus übertragen (im Folgenden a). Ferner enthält die Vergabeakte keinen den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOB/A entsprechenden Vergabevermerk (im Folgenden b).
a)
Aus der Vergabeakte ist nicht ersichtlich, geschweige denn wird in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vermerk belegt, dass die in den einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens zu treffenden Entscheidungen von dem Auftraggeber selbst getroffen wurden. Vielmehr hat der Auftraggeber seine Entscheidungskompetenzen vollständig dem mit der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragten Fachplanungsbüro übertragen. Der Auftraggeber hat damit zu keinem Zeitpunkt eine eigene verantwortliche Vergabeentscheidung getroffen. Der Auftraggeber hat damit dem Fachplanungsbüro Befugnisse eingeräumt, die weder unter dem Gesichtspunkt eines vom Auftraggeber zugezogenen "ausschreibenden Planers" im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 6 HOAI (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, § 7, Rn. 51) noch unter dem Gesichtspunkt einer Mitwirkung von Sachverständigen gem. § 7 VOB/A gerechtfertigt ist. Gemäß § 7 Nr. 1 VOB/A ist die Mitwirkung von "besonderen Sachverständigen" zulässig, sofern sie zweckmäßig ist, um die Vergabe, insbesondere die Verdingungsunterlagen, vorzubereiten oder die geforderten Preise einschließlich der Vergütungen für Stundenlohnarbeiten (Stundenlohnzuschläge, Verrechnungssätze) zu beurteilen oder die vertragsgemäße Ausführung der Leistung zu begutachten. Diese Sachverständigen sollen grundsätzlich von Berufsvertretungen vorgeschlagen werden. Sie dürfen weder unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein. Wann die Mitwirkung eines Sachverständigen zweckmäßig im Sinne dieser Vorschrift ist, wird grundsätzlich in das Ermessen des den Sachverständigen beauftragenden Beteiligten, hier des Auftraggebers, gestellt. Der Auftraggeber ist jedoch, wenn er wie im vorliegenden Fall selbst nicht über den ausreichenden Sachverstand verfügt, verpflichtet, einen besonderen Sachverständigen hinzuzuziehen, um eine ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens zu gewährleisten (vgl. Franke / Kemper / Zanner / Grünhagen, VOB-Kommentar, A § 7, Rn. 6). Das gilt insbesondere auch für die Prüfung (§ 23) und die vorbereitende Wertung (§ 25) von Nebenangeboten sowie z. B. für die Koordination der Ausschreibung, die Durchführung des Eröffnungstermins, die Prüfung der Angebote in technischer und kaufmännischer Hinsicht, die Sachverhaltsvorbereitung für die Wertung und - nicht zuletzt - die Informations- und Dokumentationspflichten während des Vergabeverfahrens. § 7 VOB/A geht jedoch ebenso wie § 6 Nr. 3 VOL/A davon aus, dass der Auftraggeber die Entscheidungen im Vergabeverfahren stets in eigener Verantwortung trifft (vgl. Franke/Grünhagen, a.a.O., A § 7, Rn. 1). Aufgabe des Sachverständigen ist es, durch schriftliche oder mündliche Äußerungen die Prüfung und Auswertung vorgegebener Tatsachen zu unterstützen, indem er auf Grund seines Fachwissens subjektive Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen bekundet. Will sich der Auftraggeber den Inhalt der gutachterlichen Äußerungen eines besonderen Sachverständigen bei einer Entscheidung zu Eigen machen, so ist er verpflichtet, sich zuvor inhaltlich nochmals damit auseinander zu setzen. Die Aufbereitung eines Sachverhalts durch einen Sachverständigen kann die Wertung des Auftraggebers nicht ersetzen. Zutreffend bemerkt deshalb das Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (VHB) zu § 7 VOB/A:
"Die Mitwirkung von Sachverständigen entbindet das Bauamt nicht, die Entscheidung in eigener Verantwortung zu treffen."
Die Entscheidungsvorschläge in den einzelnen Abschnitten des Vergabeverfahrens sind daher für denöffentlichen Auftraggeber nicht nur unverbindlich. Sie entbinden den Auftraggeber vielmehr nicht davon, die notwendigen Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Das Fachplanungsbüro ist offenbar vom Auftraggeber auch mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Nachprüfungsverfahren beauftragt worden. Die Stellungnahme vom 01.10.2003 zum Nachprüfungsantrag erfolgte durch das Fachplanungsbüro .... Ob sich der Auftraggeber den Ausführungen des beauftragten Fachplanungsbüros zum Nachprüfungsantrag anschließt oder ob ihn der Auftraggeber entsprechend bevollmächtigt hat, ist seiner Stellungnahme nicht zu entnehmen.
In der Vergabeakte ist lediglich eine Vollmacht des Auftraggebers für das Planungsbüro vom 02.06.2003 zur Versendung der Informationsschreiben nach § 13 VgV enthalten. Die Vergabeakte erweckt im Übrigen den Eindruck, dass der Auftraggeber sich im gesamten Vergabeverfahren nahezu wie ein Unbeteiligter verhalten hat. Irgendeine weitere schriftliche Äußerung des Auftraggebers zur beabsichtigten Vergabe oder auch nur entsprechende Einverständnisvermerke des Auftraggebers mit Unterschrift auf den Entwürfen des Planungsbüros enthält die Vergabeakte nicht. Zwar hat das Planungsbüro mit Schreiben vom 14.07.2003 einen Vergabevorschlag unterbreitet und erklärt, das der Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin empfohlen wird. Zur weiteren Auswertung seien noch weitere Unterlagen der Antragstellerin angefordert worden. Eine Reaktion des Auftraggebers, geschweige denn eine Entscheidung ist dagegen in der Vergabeakte nicht dokumentiert.
Der Auftraggeber hat somit im streitbefangenen Vergabeverfahren mit Ausnahme der Bevollmächtigung des Planungsbüros zur Versendung der Informationsschreiben gemäß § 13 VgVkeineihm obliegende Entscheidung getroffen.
b)
Der Auftraggeber hat außerdem entgegen § 30 VOB/A versäumt, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren, so dass insbesondere die Berücksichtigung und der Ausschluss von Angeboten sowie die Angebotswertung selbst gemessen an den Vorgaben des Transparenzgebotes gem. § 97 Abs. 1 GWB nicht hinreichend nachvollziehbar sind. Die an einem Vergabeverfahren beteiligten Bieter haben gem. § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht auf ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens und insbesondere der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 03.08.1999, NZBau 2000, S. 44 ff.).
Gemäß § 30 Nr. 1 VOB/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, A § 30, Rn. 1, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOB/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen sowie auf die Feststellung und Begründung der einzelnen Entscheidungen. Der Vergabevermerk ist chronologisch zu fassen und muss sich dabei an der in der VOB/A vorgeschriebenen Reihenfolge orientieren (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, A § 30, Rn. 12). Zu den materiellen Entscheidungen zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie beim Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis, sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (vgl. VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.01, Az.: 1/SVK/23-01). Ebenso sind im Vergabevermerk die Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Angebot anzugeben. Es ist eine nach § 30 Nr. 1 VOB/A zwingende Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderlicheÜberprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 08.03.1999, a.a.O.). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Daraus folgt, dass im Vermerk die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Mängel der Erkennbarkeit und der Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten der Vergabestelle.
Zwar hat der vom Auftraggeber beauftragte Fachplanungsbüro ausweislich der Vergabeakten eine Prüfung und Auswertung der Angebote vorgenommen, einen Preisspiegel erstellt und dem Auftraggeber mit Schreiben vom 14.07.2003 einen Vergabevorschlag unterbreitet. Einen Vergabevermerk über die einzelnen Wertungsphasen und insbesondere die hier streitbefangene, für die Antragstellerin entscheidende Eignungsprüfung enthielt die der Vergabekammer vorgelegte Vergabeakte zunächstüberhaupt nicht. Erst auf Vorhalt der Vergabekammerübersandte das Planungsbüro einen nicht unterschriebenen Entwurf eines Vergabevermerks vom 10.09.2003 unter Verwendung der Vordrucke EFB-Verg 1 351.1 - 351.7 des Vergabehandbuchs des Bundes (VHB). Dieser weist als "federführend zuständig" den Mitarbeiter des beauftragten Planungsbüros, Herrn Dipl.-Ing. ... aus. Er ist aber weder unterschrieben noch ist der auf den Vordrucken ausdrücklich vorgesehene Einverständnisvermerk des Auftraggebers vorhanden. Dieser Vermerk genügt auch imÜbrigen nicht den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOB/A, da es nicht möglich ist, anhand der Angebotsauswertung und des Vergabevermerks die Entscheidung nachzuvollziehen. Der nachgereichte Entwurf des Vergabevermerks vom 10.09.2003 beschränkt sich auf in den genannten Vordrucken vorgesehene Angaben, enthält somit allgemeine Angaben, Vergabetermine, Eignungsnachweise (pauschal, unter Hinweis auf Unterlagen gemäß § 8 Nr. 3 VOB/A), Nennung der Auftragskriterien Preis, Qualität, Zuverlässigkeit, technischer Wert, technische Beratung und Wartung, Angaben zu Haushaltsmitteln und Vergabekosten und einen Vergabevorschlag unter Benennung des Bieters und der Angebotsumme. Im Übrigen wird - hinsichtlich der Reihenfolge der Bieter - auf den in der Vergabeakte enthaltenen Vergabevorschlag verwiesen.
Daraus wird nicht ersichtlich, dass und warum das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen wurde. Eine Eignungsprüfung ist in der ursprünglich vorgelegten Vergabeakte nicht dokumentiert
In der Vergabeakte taucht der Vorwurf der mangelnden Zuverlässigkeit der Antragstellerin erstmals im Informationsschreiben gemäß § 13 VgV vom 11.09.2003 auf. Dort heißt es:
"Bei den aufgeführten Referenzobjekten wurde die Zuverlässigkeit nicht immer bestätigt."
Auf die Rüge der Antragstellerin vom 15.09.2003 erklärte das Planungsbüro mit Antwortschreiben vom 22.09.2003, dass es die am 12.08.2003 bei ihr eingegangene Referenzliste der Antragstellerin durch Rückfragen bei den Sachbearbeitern der genannten Behörden bzw. Ingenieurbüros überprüft habe. In allen Gesprächen sei mitgeteilt worden, dass es bei der Abwicklung der Leistungen u. a. zu erheblichen Terminverschiebungen gekommen sei und dadurch der Bauablauf gestört wurde.
Ein Vermerk über Datum und Ergebnis der Referenzabfragen ist in der Vergabeakte nicht enthalten. Erst auf telefonischen Vorhalt der Vergabekammer hat das Planungsbüro des Auftraggebers mit Schriftsatz vom 20.10.2003 einen entsprechenden, im Nachhinein mit Datum 10.10.2003 gefertigten Vermerk übersandt. Darin stellt das Planungsbüro die Ergebnisse von insgesamt 5 telefonischen Referenzabfragen vom 03.09. und 04.09.2003 dar, die allesamt negativ gewesen seien und insbesondere durchweg erhebliche Terminprobleme bei der Auftragsabwicklung ergeben hätten. Demgegenüber hat die Antragstellerin zuletzt mit Schriftsatz vom 19.10.2003 vorgetragen, sie habe nochmals die Sachbearbeiter der von ihr angegebenen Referenzen angerufen und man habe ihr nochmals mitgeteilt, dass keine gravierenden Negativauskünfte gegeben wurden. Vielmehr sei bestätigt worden, dass sie ihre Arbeiten fach- und sachgerecht ordnungsgemäß ausgeführt habe.
Diese gegensätzliche Darstellung und die damit verbundene Ungewissheit geht mangels Dokumentation der Recherche und der Zuverlässigkeitsprüfung in der Vergabeakte zu Lasten des Auftraggebers.
Diese erst nach Ausschluss der Antragstellerin, nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens und nach Vorhalt der Vergabekammer gefertigte Zusammenstellung wertet die Vergabekammer als Sachvortrag des Auftraggebers resp. seines Planungsbüros im laufenden Nachprüfungsverfahren. Den Verstoß des Auftraggebers gegen die Dokumentationspflicht gemäß § 30 VOB/A und damit das Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB vermag dieser nachträgliche Vermerk dagegen nicht zu heilen. Es bleibt festzustellen, dass das Planungsbüro die Antragstellerin von der Angebotswertung gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A ausgeschlossen hat, ohne den Entscheidungsprozess in der Vergabeakte zu dokumentieren und die Entscheidung selbst dem Auftraggeber zu überlassen oder auch nur sein Einverständnis einzuholen und schriftlich in der Vergabeakte bestätigen zu lassen.
Auch die weitere Begründung für den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin GmbH überzeugt hinsichtlich der Formblätter EFB-Preis nicht. Wenn, wie im vorliegenden Fall, Formblätter zur Aufgliederung des Angebotspreises(EFB-Preis 1 a-d und 2) nach Teil III des VHB nicht ausgefüllt wurden, liegt insoweit noch kein Ausschlussgrund vor. (OLG Celle NJW-RR 1986, 99 = ZfBR 1986, 140 = BauR 1986, 436; BayOLG IBR 2003, 103 = Vergaberechts-Report 1/2000, 3). Diese Formblätter werden nicht Vertragsbestandteil und sind deshalb auch nicht Teil des Angebots. Ein Ausscheiden des Angebots kann nur in Betracht kommen, wenn durch das Fehlen der geforderten Preisangaben eine ordnungsgemäße Wertung behindert oder vereitelt wird (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam Handkommentar zur VOB, 10. Auflage, A § 25 Rn. 11). Da der Auftraggeber nicht dokumentiert hat, dass er durch das Fehlen der geforderten Preisangaben an einer ordnungsgemäßen Wertung behindert war bzw. keine Wertung durchführen konnte, kann dies nicht den Bietern angelastet und ihre Angebote ausgeschlossen werden. Im Übrigen hat die Antragstellerin der Vergabekammer mit Schriftsatz vom 19.10.2003 die Kopie eines Schreibens vom 21.08.2003 nebst siebenseitiger Anlage vorgelegt. Darin bezieht sie sich auf ein Schreiben des Auftraggebers und eine ergänzende Nachforderung und übersendet die Aufgliederung der Einheitspreise und teilt ihre Umsätze der letzten 3 Geschäftsjahre mit.
Auch dieses Schreiben nebst Anlagen fehlt in der Vergabeakte.
Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des festgestellten schwer wiegenden Verstoßes gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es erforderlich, die Aufhebung der Ausschreibung durch Beschluss der Vergabekammer herbeizuführen, da die Vergaberechtsverstöße - insbesondere die vergaberechtswidrige Delegation sämtlicher Entscheidungsbefugnisse auf das beauftragte Fachplanungsbüro und der das streitbefangene Vergabeverfahren prägende Verstoß gegen die Dokumentationspflichten gem. § 30 VOB/A - nicht durch eine Verpflichtung zur Neuvornahme der Angebotswertung beseitigt werden könnten. Wegen der zentralen Bedeutung der Dokumentationspflichten gem. § 30 VOB/A hat die Vergabekammer die Vergaberechtsverletzungen gem. § 110 Abs. 1 GWB von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat der Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Nr. 1 GWB die Verpflichtung zugewiesen, geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen. Dabei ist die Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Die Vergabekammer muss deshalb darauf hinwirken, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wird.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.690 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 675.702,32 EUR (netto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenüber gestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 675.702,32 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.690 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügteKostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i. S. d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Der Auftraggeber wird aufgefordert, den Betrag von2.690,-- EURO unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zuüberweisen: ...
Peter
Brinkmann