Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 21.01.2003, Az.: 203-VgK-30/2002

Sinn und Zweck sowie Anforderungen an die Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge; Zulässigkeit der Erstellung der Verdingungsunterlagen anhand eines im Auftrag eines Mitbieters erstellten Leitfaden; Benachteiligung von reinen Stromlieferanten gegenüber Netzbetreibern durch die fehlende Berücksichtigung von Durchleitungsfragen in der Ausschreibung; Verpflichtung zur Rüge unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme; Anforderungen an einen Angebotsausschluss wegen Mitwirkung am Vergabeverfahren

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
21.01.2003
Aktenzeichen
203-VgK-30/2002
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 32523
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL Vergabeverfahren Nr. 2002/S 163-131280 - Lieferung von elektrischer Energie für die Liegenschaften des Landkreises xxx.

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Conrad
auf die mündliche Verhandlung vom 14.01.2003
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene war notwendig.

Begründung

1

I.

Der Auftraggeber hat mit Bekanntmachung vom 06.08.2002 die Lieferung von elektrischer Energie für die Dauer von 3 Jahren für die eigenen Liegenschaften im offenen Verfahren ausgeschrieben. Als Mindestbedingungen waren in der Bekanntmachung die technische Leistungsfähigkeit und Nachweise in Form von Referenzen gefordert. Unter der Rubrik "Zuschlagskriterien" wurde ausschließlich der niedrigste Preis genannt. Nebenangebote/Alternativvorschläge wurden ausdrücklich zugelassen. Eine Unterteilung in Lose war laut Bekanntmachung nicht vorgesehen.

2

Bis zum festgelegten Schlusstermin für den Angebotseingang 01.10.2002 gingen laut der in der Vergabeakte enthaltenen nicht-öffentlichen Niederschrift zur Angebotsöffnung vom 02.10.2002 die Angebote von insgesamt vier Bietern ein. Zwei Bieter, darunter die Antragstellerin, hatten neben ihrem Hauptangebot auch ein Nebenangebot abgegeben. Alle Angebote wiesen u.a. auch einen gesonderten, sog. "Blindstrompreis" aus. Das Hauptangebot der Beigeladenen schloss mit einem rechnerisch geprüften Preis von 299.875,31 EUR brutto. Der Jahrespreis nach dem Hauptangebot der Antragstellerin beträgt 302.753,38 EUR brutto. Ein niedrigeres Jahresangebot eines weiteren Bieters in Höhe von 297.551,64 EUR brutto wurde nicht berücksichtigt, da das Angebot sich entgegen den Anforderungen in den Verdingungsunterlagen und der Vergabebekanntmachung nur auf zwei statt drei Jahre Laufzeit bezog. Hinsichtlich des von der Antragstellerin abgegebenen Nebenangebotes enthält ein in der Vergabeakte enthaltener Vergabevermerk vom 07.10.2002 den Hinweis: "Nicht ermittelt, entspricht nicht den Vorgaben!" Ausweislich eines Auszuges aus der Niederschrift über die Sitzung des Kreisausschusses des Auftraggebers vom 22.10.2002 (Drucksache Nr.: 02/131-02) fasste der Kreisausschuss den einstimmigen Beschluss, die Energieversorgung der kreiseigenen Liegenschaften im Bereich der Stromlieferung für den Zeitraum 01.01.2003 bis 31.12.2005 an die Beigeladene zu vergeben. Der Kreisausschuss folgte damit dem Beschlussvorschlag der Verwaltung vom 10.10.2002. Das vom Auftraggeber ebenfalls beteiligte Rechnungs- und Kommunalprüfungsamt (RPA) hatte mit Stellungnahme vom 14.10.2002 ebenfalls keine Bedenken gegen die Auftragsvergabe an die Beigeladene erhoben.

3

Mit Schreiben vom 17.10.2002, abgesandt am 18.10.2002, informierte der Auftraggeber unter Bezugnahme auf § 13 VgV die Antragstellerin darüber, dass auf ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden solle, weil sie nicht das Angebot mit dem niedrigsten Preisangebot abgegeben hätte. Der Zuschlag solle auf das Angebot der namentlich genannten Beigeladenen erteilt werden. Mit Schreiben vom 21.10.2002, eingegangen beim Auftraggeber am 23.10.2002, rügte die Antragstellerin diese Vergabeentscheidung. Sie sei davon ausgegangen, dass die Beigeladene sich am Vergabeverfahren nicht beteiligt, weil diese die vom Auftraggeber verwandten Ausschreibungsunterlagen erstellt habe bzw. habe erstellen lassen. Die Zuschlagserteilung an die Beigeladene würde darüber hinaus gegen geltendes Vergaberecht verstoßen. Diese Rüge wurde vom Auftraggeber mit Schreiben vom 24.10.2002 zurückgewiesen.

4

Mit Schriftsatz vom 08.11.2002, eingegangen per Telefax am gleichen Tage, hat die Antragstellerin die Vergabekammer angerufen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Beteiligung der Beigeladenen am streitbefangenen Vergabeverfahren wie eine Zuschlagserteilung an diese gegen die Regelungen der §§ 2 Nr. 1, 2 und 3, § 6 Nr. 3, § 7 Nr. 5, § 25 Nr. 2 VOL/A verstößt, weil diese die von dem Auftraggeber verwandten Ausschreibungsunterlagen selbst erstellt habe. Die Antragstellerin verweist auf einen als Anlage in Papierform und Diskettenform beigefügten "Leitfaden für die Ausschreibung des Bedarfs an elektrischer Energie für kommunale Liegenschaften". Dieser sei von der Beigeladenen zusammen mit der xxx, der xxx, der xxx, der xxx sowie der xxx erstellt worden. Die Beteiligung der Beigeladenen an der Erstellung des Leitfadens ergebe sich aus den Ausführungen der xxx (Unterlagen über eine Informationsveranstaltung für Landkreise und kreisfreie Städte) sowie aus den auf der als Anlage beigefügten Diskette gespeicherten Detailinformationen. So seien die Word-Dokumente zwar hinsichtlich der Datei-Infos so bearbeitet worden, dass sie keinen Autor erkennen ließen oder sie suggerierten, dass die Rechtsanwaltskanzlei xxx, die auch die Beigeladene im anhängigen Nachprüfungsverfahren vertreten, die Verfasser des Leitfadens sind. Die Antragstellerin verweist ferner auf einen Screenshot bezüglich Statistikinfo des Inhaltsverzeichnisses (Dokument B in der Diskettenversion). Dort heißt es: "Erstellt: Montag 03.06.2002 ... geändert: Dienstag 16.07.2002 ... zuletzt gespeichert: xxx". Herr xxx ist ausweislich der Vergabeakte Mitarbeiter der Beigeladenen und Ansprechpartner des Auftraggebers wie auch für den Bereich der kommunalen Kunden im Allgemeinen. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass die Berücksichtigung der Beigeladenen im streitbefangenen Nachprüfungsverfahren gegen den Gemeinsamen Runderlass des Niedersächsischen MW und MI zur Vermeidung und Bekämpfung der Korruption vom 27.09.2000 verstoße. Auch vertritt sie die Auffassung, dass die Beigeladene wegen schwerer Verfehlungen, die ihre Zuverlässigkeit in Frage stellen, von der Vergabe auszuschließen sei. Eine schwere Verfehlung liege bereits dann vor, wenn der Bewerber oder Unternehmer konkrete Planungs- und Ausschreibungshilfen leiste, die dazu bestimmt seien, den Wettbewerb zu unterlaufen, was hier der Fall sei. Das Angebot der Beigeladenen dürfe bei der Wertung nicht berücksichtigt werden.

5

Die Antragstellerin beantragt festzustellen, dass

  1. 1.

    eine Zuschlagserteilung im Rahmen des obigen Vergabeverfahrens nicht auf das Gebot der xxx zulässig ist,

  2. 2.

    bei der Zuschlagserteilung das Angebot der Antragstellerin zwingend zu berücksichtigen ist,

  3. 3.

    die Vergabeentscheidung dabei ausschließlich nach den Kriterien gem. Nr. 4 des Leistungsverzeichnisses zu erfolgen hat.

6

Hilfsweise hat die Antragstellerin angekündigt zu beantragen:

  1. 1.

    die Ausschreibung insgesamt wegen Verstoßes gegen Vergaberechtsvorgaben aufzuheben;

    weiterhin hilfsweise

  2. 2.

    geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Entschädigung der Interessen der Antragstellerin bei der Vergabe zu verhindern.

7

Der Auftraggeber beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

8

Der Auftraggeber tritt den Vorwürfen der Antragstellerin entgegen. Die Ausschreibungsunterlagen seien in Verantwortung der Mitarbeiter des Landkreises xxx, xxx und xxx zusammengestellt worden. Richtig sei lediglich, dass der Auftraggeber, wie andere Kommunen auch, sich den "Leitfaden über die Ausschreibung des Bedarfs an elektrischer Energie für kommunale Liegenschaften" von den Rechtsanwälten xxx habe zusenden lassen. Daneben seien diverse andere Unterlagen und Musterausschreibungen zur Vorbereitung der Ausschreibung herangezogen und ausgewertet worden. Diese Vorgehensweise sei bei komplexen Ausschreibungen durchaus üblich. Da dem genannten Leitfaden eine Diskette mit Mustertexten beigefügt war, seien Textteile, die überwiegend den amtlichen Mustern entsprachen, für die Ausschreibung weiterbearbeitet worden. Die Muster bestünden ausschließlich aus allgemein gehaltenen Formulartexten und Vertragsmustern, wie sie in anderen Energieausschreibung auch schon benutzt worden seien. Zunächst seien Formschreiben wie Anschreiben und Bewerbungsbedingungen redaktionell an die Verhältnisse des Landkreises xxx anzupassen gewesen. Die Leistungsbeschreibung habe man zwar im Aufbau teilweise übernehmen können, der wesentliche Inhalt habe jedoch aus einer Vielzahl von Unterlagen entwickelt werden müssen. Für die "Stromlieferbedingungen" habe der "Stromlieferungsvertrag" aus dem genannten Leitfaden als Arbeitsgrundlage gedient. Die Vergabeunterlage weiche jedoch vom Vertragsmuster in den Punkten Vorbemerkungen, § 1 Liefer- und Bezugsverpflichtung, § 2 Technische Zusatzbedingungen, § 4 Strompreise vom Vertragsmuster deutlich ab. § 10 Nr. 7 Satz 2 und Nr. 9 des Musters seien nicht übernommen worden. Die Bestimmungen über eine Preisanpassung gem. § 11 seien im Sinne des Auftraggebers neu formuliert worden. Ungeachtet der Frage einer etwaigen Beteiligung der Beigeladenen an der Erstellung des Leitfadens habe die Beigeladene auch sonst keine konkrete Ausschreibungs- und Planungshilfe unmittel oder mittelbar geleistet. Die Ausschreibungsunterlagen seien selbstständig in eigener Verantwortung des Auftraggebers erstellt worden.

9

Die Beigeladene beantragt,

die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen sowie auszusprechen, dass die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen analog § 162 Abs. 3 VwGO der Antragstellerin auferlegt werden, und letztlich festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen notwendig war.

10

Die Beigeladene unterstützt das Vorbringen des Auftraggebers. Die von der Beigeladenen auch im anhängigen Nachprüfungsverfahren beauftragte Rechtsanwaltskanzlei habe zum einen den streitbefangenen Leitfaden nicht als Ghostwriter der Beigeladenen erstellt. Zum anderen führe die Nutzung des Leitfadens bei der konkreten Ausschreibung auch in keiner Weise zu einer Bevorzugung der Beigeladenen auf Bieterseite, da in keinem einzelnen Punkt des Leitfadens irgendwelche Passagen enthalten seien, die geeignet wären, einen Wettbewerbsvorsprung zugunsten der Beigeladenen im Verlaufe eines Strombeschaffungsvorganges zu erzeugen, so dass eine Rechtsverletzung und eine Schädigung der Antragsteller ausgeschlossen sei.

11

Die Erstellung des Leitfadens sei darauf zurückzuführen, dass von zahlreichen Landkreisen gegenüber mehreren Elektrizitätsversorgungsunternehmen, auch gegenüber der Beigeladenen, der Wunsch geäußert worden sei, einen einfachen, praktikablen Leitfaden entwickeln zu lassen, der es den Kommunen ermöglicht, ein rechtssicheres Vergabeverfahren durchzuführen. Deshalb sei es zwischen der Beigeladenen und der Sozietät xxx zu einem entsprechenden Auftragsverhältnis gekommen, das die Erstellung eines Leitfadens zum Inhalt hatte. Der Leitfaden sollte ausdrücklich objektiv unter Heranziehung anderer Vergabehandbücher entwickelt und auf Strombeschaffungsfälle zugeschnitten werden, was auch der Fall gewesen sei. Die Anwaltskanzlei habe insbesondere auf zahlreiche amtliche Vordrucke, weitere zugängliche Verdingungsunterlagen wie auch die Ausschreibungsunterlagen der KWL, andere Vergabehandbücher wie z.B. das VOL-Vergabehandbuch des Kreises xxx und zahlreiche Kommentierungen zurückgegriffen. Lediglich bei der Erstellung der Excel-Tabellen im Leitfaden habe die Beigeladene Hilfestellung geleistet, da diese von der Kanzlei selbst nicht erstellt werden könnten. Die Zusammenarbeit unter anderem auch mit Herrn xxx beschränkte sich ausschließlich auf die Erstellung von Excel-Tabellen und rein technischer Fragestellungen im Leitfaden. Damit habe man sicherstellen wollen, dass die technischen Beschreibungen - soweit sie in dem Leitfaden zu erfolgen hatten - für Ingenieure aus sich heraus verständlich und richtig seien, was alleine ein Jurist nicht sicherstellen könne. Eine Zusammenarbeit mit Mitarbeitern, die energietechnische Kenntnisse aufweisen, sei für die Erstellung eines solchen Leitfadens unumgänglich. Der Leitfaden sei gedruckt und gebunden und diskettiert worden. Druckexemplare wie Disketten hätten in der von der Beigeladenen beauftragten Kanzlei bereitgelegen. Die Beigeladene habe an die Landkreise die Information gegeben, dass Leitfäden und Disketten über die Kanzlei kostenlos bezogen werden könnten. Im Übrigen werde bestritten, dass die Antragstellerin die besagte Diskette vom Auftraggeber erhalten habe. Vielmehr seien von dort nur schriftliche Verdingungsunterlagen übermittelt worden. Deshalb werde bestritten, dass die Diskette die von der Anwaltskanzlei xxx erstellten und freigegebenen Texte beinhalte. Die Auftraggeberin habe die Diskette möglicherweise über den Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund bzw. die 100-prozentige Tochter dieser Institution, also die KWL, erhalten. Der KWL habe man den Leitfaden nebst Diskette, seinerzeit wohl Anfang August, ebenfalls zur Verfügung gestellt.

12

Für das vorliegende Vergabeverfahren habe die Beigeladene, die auch bis zum 31.12.2002 die Versorgung der Liegenschaften des Auftraggebers übernommen hatte, lediglich in Zusammenarbeit mit dem Landkreis die notwendigen Daten zusammengetragen, die für alle Bieter im Rahmen des Vergabeverfahrens zu nennen sind. Dabei habe es sich um die Ermittlung der Kilowattstunden je Abnahmestelle sowie - soweit an der Abnahmestelle eine Leistungsmessung erfolgt - um die Ermittlung der Leistungsmenge je Abnahmestelle gehandelt. Der Landkreis habe dann die vorgenannten Daten in den Anlagen 1 - 7, die den Verdingungsunterlagen beigefügt waren und in die die Bieter ihre Preisangebote einzutragen hatten, eingetragen. Irgendwelche weitere Hilfestellungen habe die Beigeladene nicht gegeben. Die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen zur besagten Informationsveranstaltung seien nicht von der Beigeladenen, sondern von der xxx erstellt worden. Die besagten Unterlagen geben lediglich die Meinung der xxx, nicht jedoch die der Beigeladenen wieder. Die gegenteilige Darstellung in den Folien der xxx sei, soweit es um die xxx, also die Beigeladene geht, falsch. Vielmehr würde die Rechtsanwaltskanzlei xxx es generell ablehnen, in Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt auf Seiten der Vergabestelle einen Strombeschaffungsvorgang beratend bis zum Zuschlag zu begleiten. Auch sei kein einzelner Punkt im Leitfaden auf irgendwelche Bedürfnisse der Beigeladenen zugeschnitten. Falsch sei auch der Vortrag der Antragstellerin, wonach der Leitfaden anhand der Ausschreibungsunterlagen der KWL in der Fassung E/0002 erstellt und durch der Beigeladenen genehme Passagen ersetzt wurde. Insbesondere dienten die gebildeten Preisgruppen dazu, für die Kommunen und die Landkreise eine Transparenz und die Möglichkeit zu einer differenzierten Betrachtung und Preisbildung zu geben. Dass sich der streitbefangene Leitfaden nicht zugunsten der Beigeladenen auswirkt, wird nach Auffassung der Beigeladenen auch dadurch belegt, dass eben dieser Leitfaden auch bei einem kürzlich abgeschlossenen Vergabeverfahren des Landkreises xxx Verwendung gefunden hat, wo die Beigeladene als örtliche Netzbetreiberin unterlegen gewesen sei. Der Landkreis xxx habe der Beigeladenen mit Informationsschreiben vom 17.10.2002 vielmehr mitgeteilt, dass der Zuschlag auf das Angebot der Firma xxx, also der Antragstellerin, erteilt werden soll. Im Übrigen ist die Beigeladene der Auffassung, dass die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen mangels rechtzeitiger Rüge präkludiert ist. Die Antragstellerin habe stets gewusst, dass sich die Beigeladene am streitbefangenen Verfahren beteiligen wird, da die Antragstellerin auf dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht einen einzigen Fall nennen könne, bei dem der örtliche Netzbetreiber kein Lieferangebot im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens abgebe.

13

Die Vergabekammer hat die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB mit Verfügung des Vorsitzenden vom 06.12.2002 über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 27.01.2003 verlängert.

14

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 14.01.2003 Bezug genommen.

15

II.

Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Soweit sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen Modalitäten des streitbefangenen Vergabeverfahrens wendet, die die Antragstellerin aus den Verdingungsunterlagen eindeutig erkannt hatte, ist der Nachprüfungsantrag mangels rechtzeitiger Rüge gem. § 107 Abs. 3 GWB unzulässig. Dies betrifft die im laufenden Nachprüfungsverfahren erstmalig ausdrücklich bemängelten fehlenden Hinweise auf einen Zeitrahmen und notwendige Vorkehrungen der ausschreibenden Stelle zur Klärung der Durchleitungsfragen sowie die Entscheidung der Auftraggeberin, bei der streitbefangenen Ausschreibung Strom- und Netzkosten nicht getrennt, sondern gemeinsam bei den Bietern abzufragen. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag zwar zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin war nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Die Tatsache, dass die Auftraggeberin bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen unter anderem auch auf einen im Auftrag der Beigeladenen von einer Rechtsanwaltskanzlei erstellten und vertriebenen Leitfaden zurückgegriffen hat, verstößt nicht gegen § 2 Nr. 1, 2 und 3, § 6 Nr. 3, § 7 Nr. 5 VOL/A.

16

1.

Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Lieferung von elektrischer Energie für landkreiseigene Liegenschaften für einen Zeitraum von 3 Jahren und damit um einen Liefer- und Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 1 VOL/A. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der Trinkwasser- oder Energieversorgung oder im Verkehrsbereich gilt gem. § 2 Nr. 1 VOL/A ein Schwellenwert von 400.000,00 EUR. Der Wert des streitbefangenen Auftrags beträgt über die gesamte 3-jährige Laufzeit unter Zugrundelegung des Angebotes der Antragstellerin 908.260,14 EUR brutto. Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich. Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, die Beigeladene habe in wettbewerbsbeschränkender Weise an der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen für das streitbefangene Vergabeverfahren mitgewirkt, so dass die Auftraggeberin gehalten sei, das Angebot der Beigeladenen wegen Verstoßes gegen § 2 Nr. 1, 2 und 3, § 6 Nr. 3, § 7 Nr. 5 VOL/A wegen mangelnder Zuverlässigkeit der Beigeladenen gem. § 25 Nr. 2 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig dargelegt, dass sie sogar eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte, wenn die Auftraggeberin die Angebotswertung ohne die von der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße durchgeführt hätte.

17

Die Antragstellerin ist allerdings hinsichtlich der von ihr im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße ihrer Pflicht gem.§ 107 Abs. 3, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen, nur teilweise nachgekommen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, § 107 Rdn. 681).

18

Die Antragstellerin hat erstmals im laufenden Nachprüfungsverfahren - mit der als Parteivorschrift der Antragstellerin gewerteten rechtsgutachterlichen Stellungnahme des Rechtsanwaltes xxx vom 13.01.2003 und in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2003 - bemängelt, dass die Auftraggeberin reine Stromlieferungsunternehmen, die nicht zugleich auch Netzbetreiber seien, benachteilige, indem die Verdingungsunterlagen und auch der ihnen zugrunde gelegte "Leitfaden für die Ausschreibung des Bedarfs an elektrischer Energie für kommunale Liegenschaften" im Auftrag der Beigeladenen erstellt wurde, keinerlei Hinweise auf Zeitrahmen und notwendige Vorkehrungen der ausschreibenden Stelle zur Klärung der Durchleitungsfragen im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung und im Anschluss an die Zuschlagserteilung enthalten. Regelmäßig seien für die Klärung von derartigen Durchleitungsfragen zwischen Zuschlagserteilung und Versorgungsbeginn 4 bis 6 Wochen erforderlich. Dem trügen fast alle öffentlichen Strombeschaffungsausschreibungen Rechnung. Ferner habe die Auftraggeberin bei ihrer Ausschreibung nicht Angebote getrennt nach Strom- und Netzkosten, sondern Gesamtpreise abgefragt. Dies führe insbesondere bei einer Ausschreibung, die sich auf ein einziges Netzgebiet beschränkt, zu einer Benachteiligung von Bietern, die nicht im Besitz des Versorgungsnetzes im Ausschreibungsgebiet sind. Dies sei darauf zurückzuführen, dass lediglich der Netzbetreiber im Gegensatz zu allen sonstigen Bietern um die zukünftige Entwicklung seiner Netzkosten wisse. Die übrigen Wettbewerber könnten dagegen die Entwicklung der Netzkosten des Netzbetreibers nur schätzen und müssten somit eine Risikokostenposition in ihre Preisangebote mit einkalkulieren. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2003 eingeräumt, dass sie diese Punkte bereits bei Erstellung ihres Angebotes auf der Grundlage der Verdingungsunterlagen erkannt hatte. Sie hat jedoch erklärt, sie habe diese Punkte im laufenden Vergabeverfahren nicht gerügt bzw. gegenüber der Auftraggeberin in Frage gestellt, weil sie derartige Rügen und Anmerkungen aufgrund ihres Personalstammes und der Tatsache, dass sie sich an zahlreiche Ausschreibungen bundesweit beteilige, nicht leisten könne. Gleichwohl habe sie ihren Belangen dadurch Rechnung getragen, dass sie ein Nebenangebot abgegeben habe, das dem Auftraggeber Preisvorteile einräumte, wenn sie, die Antragstellerin, die Leistung getrennt nach Strom- und Netzkosten anbieten könne. Die Antragstellerin war gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gehalten, die von ihr nunmehr geltend gemachten Mängel bei den Modalitäten der Ausschreibung unmittelbar nach Kenntnisnahme, also hier spätestens bei Erstellung des Angebotes, gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Zeitprobleme oder Personalengpässe bei der Erstellung des Angebotes entbinden den Bieter nicht von der Rügepflicht. Es bleibt der Organisation und damit der Risikosphäre eines Bieters überlassen, mit welchem Engagement und Personaleinsatz er sich an einer Ausschreibung beteiligt. Er kann aber umgekehrt einen zu knappen Personaleinsatz dem Auftraggeber entgegenhalten, indem er geltend macht, er sei faktisch nicht in der Lage, einer Rügepflicht nachzukommen (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 20.11.2000, 203-VgK-13/2000 - dort zu einer vermeintlich zu knapp bemessenen Angebotsfrist). Als auf dem Gebiet der Stromlieferung fachkundiges Unternehmen war die Antragstellerin in der Lage, bei erster Prüfung der Verdingungsunterlagen die nunmehr geltend gemachten, vermeintlichen Mängel gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen.

19

Da der Antragsteller dies - auch nach Erhalt des Informationsschreibens der Auftraggeberin gem. § 13 VgV - nicht getan hat, ist der Vergabekammer eine materielle Prüfung insbesondere der Frage verwehrt, ob eine Stromausschreibung, die nicht zwischen den Bereichen Strom- und Netzkosten trennt, die Betreiber des jeweils hiesigen Netzes bevorteilt und daher möglicherweise gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB verstößt. Es spricht allerdings viel dafür, dass der Auftraggeber sich im Rahmen des Vergaberechts bewegt, wenn er sich entscheidet, auf diese Trennung zu verzichten und stattdessen Gesamtangebote abzufordern, um so für die Dauer der Vertragslaufzeit hinreichende Kostensicherheit zu erhalten. Dem Bieter wird dadurch auch kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet. Dies folgt im vorliegenden Fall schon daraus, dass die Bieter offenbar die Preise problemlos kalkulieren konnten, was dadurch belegt wird, dass die angebotenen Bruttojahrespreise in der streitbefangenen Ausschreibung kaum voneinander abweichen. So hat die Beigeladene, die zugleich auch Netzbetreiber im Gebiet der Auftraggeberin ist, ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Anlage zur Niederschrift vom 02.10.2002 die Jahreslieferung für 299.875,31 EUR brutto, die Antragstellerin für 302.753,38 EUR brutto angeboten. Auch die anderen beiden Angebote bewegen sich mit 297.551,64 EUR/a (allerdings nur für 2 Jahre angeboten) und 314.504,40 EUR durchaus in diesem Rahmen. Im Übrigen können außergewöhnliche Preisentwicklungen durch die Vereinbarung von Preisgleitklauseln berücksichtigt werden, die ab einer bestimmten Abweichung (z.B. ab +/- 5 %) wirksam werden. Die streitbefangenen Verdingungsunterlagen enthalten in§ 11 des Stromlieferungsvertragsentwurfes eine entsprechende Preisgleitklausel, die sogar unabhängig von der Höhe der Verteuerung oder Verbilligung wirksam wird.

20

Unverzüglich und damit wirksam im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt hat die Antragstellerin dagegen die Beteiligung der Beigeladenen am streitbefangenen Vergabeverfahren an sich. Von dieser Tatsache hat sie erst durch das am 18.10.2002 bei ihr eingegangene Informationsschreiben des Auftraggebers vom 17.10.2002 Kenntnis erlangt. Die Rüge erfolge daraufhin bereits mit Schreiben der Antragstellerin vom 21.10.2002, eingegangen beim Auftraggeber am 23.10.2002. Auch der Einwand der Beigeladenen, die Antragstellerin habe ihrer Auffassung nach von Anfang an gewusst, dass die Beigeladene sich am streitbefangenen Vergabeverfahren beteiligen werde, weil üblicherweise auch der jeweilige Netzbetreiber ein Angebot abgebe, vermag diesen von der Antragstellerin dargelegten Zeitpunkt der positiven Kenntnisnahme nicht zu widerlegen. Diesbezüglich ist der Nachprüfungsantrag daher zulässig.

21

2.

Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht im Sinne der§§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Auftraggeberin nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Die Tatsache, dass die Auftraggeberin bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen unter anderem auch auf einen im Auftrag der Beigeladenen von der Rechtsanwaltskanzlei xxx erstellten und vertriebenen Leitfaden zurückgegriffen hat, verstößt nicht gegen § 2 Nr. 1, 2 und 3, 6 Nr. 3, § 7 Nr. 5 VOL/A. Das streitbefangene Vergabeverfahren bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung des "Leitfadens für die Ausschreibung des Bedarfs an elektrischer Energie für kommunale Liegenschaften" zu einer Ungleichbehandlung zu Lasten der Antragstellerin und zu Gunsten der Beigeladenen und damit zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB geführt hat. Vielmehr hat der Auftraggeber das Vergabeverfahren im Sinne des § 2 Nr. 3 VOL/A unter ausschließlicher eigener Verantwortung als Vergabestelle durchgeführt und sich im Rahmen des ihr vergaberechtlich zustehenden Ermessens gehalten, als sie sich entschlossen hat, die Vorbereitung der Ausschreibung und die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen nicht durch Hinzuziehung eines Sachverständigen gem. § 6 VOL/A, sondern mit eigenem Personal unter Nutzung von am Markt vorhandenen Leitfäden und Veröffentlichungen zum Thema "Ausschreibung der Lieferung von elektrischer Energie" zu realisieren. Der von der Antragstellerin begehrte Ausschluss der Beigeladenen ist auch nicht gem. § 16 Abs. 1 VgV gerechtfertigt. Die Mitwirkung eines Unternehmens an der Erstellung eines Leitfadens ist keine Mitwirkung an Entscheidungen in einem Vergabeverfahren.

22

Richtig ist, dass die Mitwirkung eines Bieterunternehmens bei der Planung einer Ausschreibung oder der Erstellung der Verdingungsunterlagen im Einzelfall zu wettbewerbswidrigen Vorteilen führen kann. In Rechtsprechung und Schrifttum wird deshalb einhellig die Auffassung vertreten, dass die Zulassung eines Unternehmens zum Wettbewerb um die Vergabe des Auftrags im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot des § 2 Nr. 2 VOL/A problematisch sein kann, wenn dieses Unternehmen im Vorfeld Entwurfs- und Planungsarbeiten oder sogar die Erstellung der Leistungsbeschreibung für den Auftraggeber durchgeführt hat. Die vertretenen Auffassungen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Konsequenzen, die aus dieser grundsätzlichen Besorgnis zu ziehen sind. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine Vergabestelle dürfe ein derartiges Unternehmen in gar keinem Fall beauftragen, weil die Vergabestelle schon den Anschein eines Verstoßes gegen die Vergabebestimmungen auch im Hinblick auf die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens vermeiden müsse (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, Rdn. 27 zu § 8 VOL/A). Für den VOB-Bereich wird dagegen trotz aller Bedenken zugestanden, dass in Ausnahmefällen eine Beteiligung zweckmäßig oder - wenn sich kein geeigneter Projektant finden lässt - sogar notwendig sein kann. Dies könne beispielsweise der Fall sein bei komplexen Bauvorhaben mit umfangreichen betriebstechnischen Anlagen (z.B. einem Krankenhausbau), da hier die größeren Ausführungsfirmen, die meist eigene Planungsabteilungen unterhalten, gegenüber reinen Fachplanern oftmals einen Entwicklungsvorsprung haben. Solche Unternehmen seien häufig nicht bereit, die Planungsarbeiten zu übernehmen, wenn sie sich nicht an der Ausschreibung für die Bauleistungen beteiligen dürfen (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 9. Auflage, Rdn. 34 zu § 8 VOB/A). Werden nach dieser Auffassung planende Unternehmen am Wettbewerb beteiligt, so kann und muss der Auftraggeber einen Verstoß gegen das Vergaberecht vermeiden, indem er im Interesse des Wettbewerbs z.B. darauf achtet, dass der betreffende Projektant nicht die übrigen Bieter auswählt, die Verdingungsunterlagen abgibt, die Angebote entgegennimmt und verwahrt, die Angebotsprüfung und -wertung vornimmt oder gar - falls er den Auftrag erhält - seine eigene Leistung überwacht, abnimmt und abrechnet.

23

Der BMVBau hat in seinem Vergabehandbuch in der aktuellen Fassung unter Nr. 1.3 zu § 8 VOB/A folgende Regelung getroffen:

"1.3 Planende Unternehmen

Unternehmen, die mit der Planung und/oder Ausarbeitung der Verdingungsunterlagen beauftragt waren, dürfen grundsätzlich nicht am Wettbewerb um die Vergabe von Bauleistungen beteiligt werden."

24

Bei den Nachprüfungsinstanzen hat sich demgegenüber die Auffassung durchgesetzt, dass allein die Tatsache, dass ein Bieter im Vorfeld mit der streitbefangenen Ausschreibung als Projektant mitgewirkt hat, nicht geeignet ist, die Annahme einer Wettbewerbsverzerrung zu begründen (vgl. VÜA des Landes Nordrhein-Westfalen, Az. 424-84-43-7/97; VÜA Thüringen, Az. 1 VÜ 4/97; VÜA des Bundes, ZVgR 1997, Seite 136). Vielmehr müssen danach beim Vergabeverfahren selbst konkrete Verletzungen einzelner Vergabebestimmungen hinzukommen, um eine Vergaberechtswidrigkeit der Beteiligung des Projektanten und ggf. einer Aufhebung nach § 26 Nr. 1 lit. c VOB/A bzw. 26 Nr. 2 lit. b VOL/A zu begründen.

25

Die Vergabekammer teilt diese Auffassung. Zwar kann die Beteiligung eines Bieters, der durch seine Tätigkeit als Projektant Informationsvorsprünge und damit Vorteile gegenüber anderen Bietern im Wettbewerb erlangt, einen schwer wiegenden Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 97 Abs. 2 GWB zur Folge haben. Es verstößt gegen den Neutralitätsgrundsatz, wenn der Auftraggeber einen Bieter zum Wettbewerb zulässt, von dem er weiß, dass er aufgrund seines Informationsvorsprungs ein konkurrenzfähigeres Angebot als die Konkurrenten abgeben kann. Der Neutralitätsgrundsatz als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB bindet die öffentliche Hand auch dann, wenn es um die Auftragsvergabe in privatrechtlichen Formen geht. Die Vergabekammer teilt jedoch nicht die oben zitierte Auffassung (vgl. Daub/Eberstein, a.a.O.), dass bereits der "Anschein eines Verstoßes" gegen die Vergabebestimmungen zu einer Verletzung des Diskriminierungsverbots führt. Die Vergabekammer hat in dieser Konsequenz bereits für den Fall der Besorgnis einer "Doppelmandatschaft" von an Vergabeverfahren beteiligten natürlichen Personen entschieden, dass sie im Gegensatz etwa zur Entscheidung des OLG Brandenburg (Beschluss vom 03.08.1999 - 6 Verg 1/99 - NVWZ 1999 S. 1242 ff. - Flughafen BBI) nicht die Auffassung teilt, dass eine Verletzung des Diskriminierungsverbots bereits vorliegt, wenn lediglich ein "böser Schein" der Parteilichkeit einer am Vergabeverfahren beteiligten natürlichen Person vorliegt. Vielmehr bedürfe es zusätzlich konkreter Umstände, die eine Parteilichkeit besorgen lassen (vgl. Vergabekammer Lüneburg, Beschluss vom 24.07.2000, 203-VgK-8/2000; Beschluss vom 27.09.2000, 203-VgK-10/2000). Auch der Gesetzgeber hat bei der Regelung des Ausschlusses von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen gem. § 16 VgV nicht den "bösen Schein" für ausreichend erachtet, sondern er geht vom Erfordernis eines tatsächlichen Interessenkonflikts und einer konkreten Auswirkung der Tätigkeiten der betroffenen Personen auf die Entscheidungen in dem Vergabeverfahren aus.

26

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Verwendung des von der Beigeladenen in Auftrag gegebenen, streitbefangenen Leitfadens durch den Auftraggeber für die Erstellung der Verdingungsunterlagen vergaberechtlich unbedenklich. Die Auftraggeberin hat bei der Erstellung der Verdingungsunterlagen unstreitig den streitbefangenen "Leitfaden für die Ausschreibung des Bedarfs an elektrischer Energie für kommunale Liegenschaften" der Rechtsanwälte xxx verwendet. Der mit der Erstellung konkret befasste Rechtsanwalt, Herr xxx, hat in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2003 auch eingeräumt, dass die Erstellung des Leitfadens ausschließlich auf der Grundlage eines Auftrags der xxx und damit der Beigeladenen erfolgte. Der Rechtsanwalt hat erklärt, dass es Ziel gewesen sei, einen allgemein händelbaren, praxisnahen Leitfaden für die öffentlichen Auftraggeber zu erstellen. Er habe wiederum bei der Erstellung des Leitfadens auf unterschiedlichste, auch allgemein zugängliche Quellen zurückgegriffen. So habe er insbesondere auch auf die Ausschreibungsunterlagen der kommunalen Wirtschafts- und Leistungsgesellschaft mbH (KWL) zurückgegriffen, die diese bei ihrer Bündelungsausschreibung für mehrere Kommunen im Jahre 2001 verwendet hat. Der Rechtsanwalt xxx hat ferner eingeräumt, dass er die zu den im Rahmen des Leitfadens mitgelieferten Formularvordrucken gehörenden Excel-Tabellen nicht selbst erstellen konnte und sowohl diesbezüglich wie auch zur Gewährleistung von ordnungsgemäßen technischen Beschreibungen - soweit sie in dem Leitfaden zu erfolgen hatten - mit der xxx, insbesondere mit deren Mitarbeiter, Herrn xxxx, zusammengearbeitet habe. Dies sei erforderlich gewesen, weil der Leitfaden für Ingenieure aus sich heraus verständlich und richtig sein sollte, was alleine ein Jurist nicht sicherstellen könne.

27

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die Verwendung dieses Leitfadens weder geeignet, das streitbefangene Vergabeverfahren einseitig zu Gunsten der Beigeladenen zu beeinflussen, noch hat sich dieser Leitfaden konkret zu Gunsten der Beigeladenen ausgewirkt. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Auftraggebers, der Beigeladenen den Zuschlag im streitbefangenen Vergabeverfahren zu erteilen, ist nach der Vergabeakte ausschließlich die Tatsache gewesen, dass die Beigeladene den niedrigsten Preis angeboten hatte, was nach der Bekanntmachung und den Verdingungsunterlagen das einzige Wirtschaftlichkeits- und damit Zuschlagskriterium im streitbefangenen Vergabeverfahren ist.

28

Hinzu kommt, dass der Auftraggeber den streitbefangenen Leitfaden nicht etwa vollständig und kritiklos für seine eigenen Ausschreibungsunterlagenübernommen hat. Der Auftraggeber hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er die im Leitfaden auf Diskette gespeicherten Vordrucke soweit als möglich verwendet habe. Die mit der Erstellung der Unterlagen beauftragten Mitarbeiter des Landeskreises xxx, der stellvertretende Kämmerer des Landkreises, Herr xxx, und ein weiterer Mitarbeiter hätten aber bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung darauf geachtet, dass man die Passagen soweit notwendig auf die Bedürfnisse des Auftraggebers zurechtschneidet. Insbesondere habe man bei den Stromlieferbedingungen einige Passagen des Leitfadens im Sinne des Auftraggebers modifiziert. So sei man auch mit einem ebenfalls bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen verwendeten Leitfaden der KWL verfahren. Das Nachprüfungsverfahren hat diese Aussage des Auftraggebers bestätigt. So wurden wesentliche Passagen im Vertragsvordruck des Leitfadens zu Gunsten des Auftraggebers neu formuliert oder geändert. Dies gilt für technische Zusatzbedingungen und insbesondere auch für die Preisanpassungsklausel gem. § 11 des Stromlieferungsvertrages. Während dieser nach dem Vertragsentwurf des streitbefangenen Leitfadens zu Gunsten des Stromlieferanten eine Preisanpassung insbesondere bei höheren Belastungen des Stromlieferanten durch Auflagen aus Subventionsbestimmungen oder falls einem oder mehreren Kernkraftwerken des Vorlieferanten des Stromlieferanten ohne Verschulden des Betreibers die Betriebsgenehmigung entzogen und/oder nachteilige Betriebsbeschränkungen auferlegt werden und/oder bei Neuregelungen im Bereich der Kraft/Wärme-Kopplung und regenerativer Energien, die für den Stromlieferanten höhere Belastungen hervorrufen, regelt, hat der Auftraggeber im streitbefangenen Vergabeverfahren dieses Risiko gem. § 11 seines mit den Verdingungsunterlagen übersandten Vertragsentwurfes ausdrücklich nicht übernommen.

29

Nach alledem ist eine vergaberechtswidrige und wettbewerbsschädigende Einflussnahme der Beigeladenen auf Entscheidungen im streitbefangenen Vergabeverfahren über ihren Leitfaden oder in sonstiger Weise nicht ersichtlich. Die Antragstellerin ist daher nicht in ihren Rechten verletzt. Umgekehrt würde ein Ausschluss der Beigeladenen im Vergabeverfahren, der mit der Verwendung des von ihr veranlassten oder herausgegebenen allgemein zugänglichen Leitfadens begründet würde, gegen das Diskriminierungsverbot gem. § 97 Abs. 2 GWB verstoßen und wäre daher rechtswidrig. Der Nachprüfungsantrag war somit als unbegründet zurückzuweisen.

30

III. Kosten

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.

32

Es wird eine Gebühr in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

33

Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 908.260,14 EUR (brutto, geprüft). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

34

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500,00 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 1 Mio. Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000,00 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 150 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 908.260,14 EUR ergibt sich eine Basisgebühr von in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500,00 EUR.

35

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

36

Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

37

Eine Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt grundsätzlich aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Einen Rechtsanwalt hat die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren jedoch nicht hinzugezogen.

38

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den beteiligten Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden".

39

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdn. 1034).

40

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Antragstellerin - da sie im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist - die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen hat. Dazu gehören auch die Kosten einer durch die in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.

41

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens bereits mit Stellung des Nachprüfungsantrages durch vorgelegten Verrechnungsscheck über 2.500,00 EUR bezahlt.

Gause
Schulte
Conrad