Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 21.11.2003, Az.: 203-VgK-29/2003

Folgen des Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht über eine wichtige Aufklärung nach § 17 Nr. 6 Abs. 2 Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL/A); Anforderungen an die Zulässigkeit der Annahme verspäteter Angebote; Beurteilung der Angemessenheit eines angebotenen Preises gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A; Anforderungen an einen Vergabevermerk i.S.d. § 30 VOL/A; Verpflichtung des Auftraggebers zur Gewichtung der Zuschlagskriterien in den Verdingungsunterlagen; Anforderungen an die unverzügliche Rüge von Vergabeverstößen gem. § 107 Abs. 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Bestimmung der Rechtzeitigkeit einer Rüge nach § 107 Abs. 3 GWB unter Berücksichtigung der im Vergaberecht allgemein geltenden kurzen Fristen

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
21.11.2003
Aktenzeichen
203-VgK-29/2003
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 32067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Ausschreibung von Versicherungsleistungen, Los 1 (Sachversicherungen) und Los 2(Elektronikversicherungen)

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dr. Pade
auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2003
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, das Vergabeverfahren hinsichtlich der Lose 1 und 2 aufzuheben.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Auftraggeber.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.535,-- EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Der Auftraggeber hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin war notwendig.

Begründung

1

I.

Der Auftraggeber hat mit Datum vom 20.05.2003 die Gebäude- und Inventarversicherung, die Elektronikversicherung und die Ausstellungsversicherung der Stadt xxx für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 01.01.2007 EU-weit im offenen Verfahren ausgeschrieben.

2

Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass Konsortien zugelassen sind. Hinsichtlich der Bedingungen für die Teilnahme am Wettbewerb wurde darauf hingewiesen, dass Bieter zugelassen sind, die die Zulassung zum Betrieb der Schadensversicherung gemäß §§ 5 ff. VAG besitzen. Eine Aufteilung in Lose war vorgesehen. Bieter konnten Angebote für ein Los, mehrere Lose und alle Lose einreichen. Nebenangebote und Änderungsvorschläge sollten berücksichtigt werden. Als Schlusstermin für den Angebotseingang war der 24.07.2003 (12.00 Uhr) genannt.

3

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit war der aktuelle Geschäftsbericht gefordert, eine Erklärung über den Rückversicherungsschutz und Referenzen für vergleichbare Leistungen der letzten 3 Jahre. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot unter Zugrundelegung der Kriterien 1, Prämienhöhe, 2. Umfang des angebotenen Versicherungsschutzes und 3. Servicedienstleistungen erteilt werden.

4

In den Bewerbungsbedingungen sind unter Ziffer 9. weitere Eignungsnachweise genannt. Zusätzlich zu den bereits in der Bekanntmachung genannten Nachweisen hatte der Bieter vorzulegen:

  • Referenzen in der Versicherung kommunaler Versicherungsnehmer,
  • Angabe, wo der Versicherungsvertrag verwaltet werden soll und wo die Schadensregulierungsbevollmächtigten des Versicherers ihren Geschäftssitz haben.

5

Wann die einzelnen Bieter die Verdingungsunterlagen anforderten, ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen (lt. Auftraggeber am 30.05.2003). Mit Schreiben vom 11.06.2003 rügte die Antragstellerin verschiedene Punkte in den Bewerbungsbedingungen, Verdingungsunterlagen und besonderen Bestimmungen zur Elektronikversicherung; ferner bat sie um Klarstellung einzelner Punkte.

6

Mit Schreiben vom 01.07.2003 beantwortete der Auftraggeber das Rügeschreiben. Ferner stellte der Auftraggeber mit Bieterrundschreiben vom 11.07.2003 von einem anderen Bieter gerügte Punkte klar. Die Fragen eines dritten Bieters vom 15.07.2003 zur Schadensstatistik hinsichtlich des Loses 2 wurden mit Fax vom 17.07.2003 beantwortet. Die anderen Bieter wurden über den Inhalt der Fragen und der Antworten nicht durch Bieterrundschreiben informiert.

7

Die Antragstellerin teilte dem Auftraggeber mit Schreiben vom 17.07.2003 mit, dass ihrer Meinung nach noch einige Fragen offen geblieben seien. Dazu nahm der Auftraggeber mit Schreiben vom 21.07.2003 Stellung.

8

Bei der Angebotsöffnung am 25.07.2003 um 9.05 Uhr ergab sich, dass insgesamt 4 Bieter Angebote für die einzelnen Lose abgegeben hatten. Es wurde festgehalten, dass bei dem Angebot der Beigeladenen und zweier weiterer Bieter die Bewerbungsbedingungen und Verdingungsunterlagen fehlten. Andererseits sind alle Angebote mit Eingangsstempel "25.Juli 2003" und einer nicht durchgehenden Kennzeichnung versehen.

9

Bei der Auswertung der einzelnen Lose wurden folgende Ergebnisse bei der Prüfung und Auswertung der Angebote durch den beauftragten Versicherungsberater hinsichtlich der einzelnen Bieter Folgendes festgehalten:

  • Für das Los 1 Gebäude- und Inventarversicherung lagen 4 Hauptangebote und 2 Nebenangebote jeweils mit verschiedenen Varianten vor. Nach Durchführung der einzelnen Wertungsstufen kam der beauftragte Versicherungsberater in der zweiten Wertungsstufe zu dem Ergebnis, dass zwei Angebote auszuschließen seien.
    Hinsichtlich der Frage, ob ein unangemessen hoher oder niedriger Preis vorliegt, stellte der beauftragte Versicherungsberater fest, dass die Angebote der Beigeladenen die niedrigsten Prämien ausweisen. Letztendlich empfiehlt der beauftragte Versicherungsberater, den Zuschlag auf das Nebenangebot der Beigeladenen bei einer Laufzeit von 3 Jahren und ohne Berücksichtigung eines Selbstbehalts zu erteilen.
  • Für das Los 2 Elektronikversicherung lagen ebenfalls 4 Hauptangebote und 2 Nebenangebote jeweils mit verschiedenen Varianten vor. Auch hier wurden wieder die Angebote von zwei Bietern ausgeschlossen.
    Hinsichtlich der Frage, ob ein unangemessen hoher oder niedriger Preis vorliegt, stellte der beauftragte Versicherungsberater fest, dass die Angebote der Beigeladenen die niedrigsten Prämien ausweisen. Auch hier empfahl der beauftragte Versicherungsberater, den Zuschlag auf das Nebenangebot der Beigeladenen für eine Laufzeit von 3 Jahren und ohne Selbstbeteiligung zu erteilen.
  • Das Los 3 Ausstellungsversicherung ist nicht strittig, da hier die Antragstellerin den Zuschlag erhalten soll.

10

Abschließend weist der beauftragte Versicherungsberater darauf hin, dass in den Verdingungsunterlagen auch der (vergaberechtlich umstrittene) Hinweis gegeben worden war, dass die Zuschlagserteilung hinsichtlich eines Teiles für das xxx von der Zustimmung der dortigen Geschäftsführung abhängig ist. Es erscheint aus seiner Sicht erforderlich, vor Zuschlagserteilung diese Zustimmung einzuholen.

11

Ferner weist der beauftragte Versicherungsberater darauf hin, dass im Fall der Beibehaltung des jetzigen Versicherungsmodells (Los 1) die potenzielle Ersparnis ca. 54.170 EUR betrage. Sofern der Zuschlag wie empfohlen erweitert werde, ergibt sich immer noch eine Ersparnis von ca. 13.060 EUR.

12

Nachdem das zuständige Rechnungsprüfungsamt mit Datum vom 04.09.2003 offenbar der Empfehlung zugestimmt hat, informiert der Auftraggeber sodann mit Schreiben vom 15.09.2003 die nicht berücksichtigten Bieter gem. § 13 VgV, welchem Bieter er hinsichtlich der einzelnen Lose den Auftrag erteilen möchte. Ferner erklärt er den nicht berücksichtigten Bietern, warum ihr Angebot nicht angenommen werden konnte.

13

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 16.09.2003, eingegangen am selben Tage, die Vergabekammer angerufen. Sie bezieht sich dabei auf ihre Rügen vom 11.06.2003 und 17.07.2003. Ferner führt sie aus, dass der Auftraggeber gegen das Transparenzgebot, den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Regelungen der §§ 8 und 16 VOL/A verstoßen habe. Im Einzelnen macht sie hinsichtlich des Loses 1 geltend:

  • Verstoß gegen das Transparenzgebot wegen der Vielfalt der Varianten/Alternativen.
    Durch die Vielzahl der abgefragten Varianten/Alternativen könne jeder Bieter allein zu diesem Los bis zu 32 Angebote einreichen. Damit sei völlig unklar, was von dem Auftraggeber gefordert werde.
  • Regelung über den Ausschluss von Terroranschlägen
    Das Leistungsverzeichnis enthalte entgegen der Regelung im Inhaltsverzeichnis keine Regelungen zu Ausschluss für Schäden durch Terrorakte. Sie weist darauf hin, dass die Abfrage von Wahl- oder Alternativpositionen vergaberechtlich unzulässig sei, wenn diese Positionen ein solches Gewicht erhielten, dass sie die Haupt- oder Grundpositionen für die Zuschlagserteilung verdrängen könnten.
  • Verstoß gegen das Transparenzgebot wegen unzulänglicher Schadensstatistik
    Nach Auffassung der Antragstellerin fehlen vom Auftraggeber nähere Angaben hinsichtlich der Vorschäden seit dem 01.01.1998. Offenbar sei es dem Auftraggeber nicht möglich, hierüber nähere Angaben zu machen, da er erst neu gegründet sei. In diesem Falle hätte er sich als Bestandteil der Stadt xxx dort erkundigen müssen.
  • Los 2
    Den Verstoß gegen das Transparenzgebot durch die fehlende Mitteilung der bis zur Ausschreibungsveröffentlichung eingetretenen Schäden macht die Antragstellerin auch hinsichtlich des Loses 2 geltend. Auch hier vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass der Auftraggeber die zu erbringende Leistung nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben habe.

14

Ferner ist die Antragstellerin der Auffassung, dass das Zuschlagskriterium Servicedienstleistungen hinsichtlich aller Lose unzulässig sei, da es nicht branchenüblich definiert sei. Dies gelte auch für das Zuschlagskriterium Vertragsumfang, das nach ihrer Ansicht intransparent sei.

15

Nach Durchführung der Akteneinsicht am 21.10.2003 machte der Bevollmächtigte der Antragstellerin ergänzend geltend, dass der Nachprüfungsantrag entgegen der Auffassung des Auftraggebers zulässig sei, da die Rügefrist nicht schon mit Erhalt der Unterlagen zu laufen beginne. Im Übrigen habe sie unverzüglich gerügt, da zwischen Erhalt der Unterlagen und der Rüge nicht mehr als 12 Tage lagen.

16

Ferner vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass das Angebot der Beigeladenen auszuschließen sei, da einerseits die erforderliche Vollmacht der xxx fehle und andererseits sie geforderte Nachweise nicht mit dem Angebot vorgelegt habe. Ferner habe der Auftraggeber in seinem Protokoll über die Verdingungsverhandlung selbst vermerkt, dass bei der Eröffnung die Bewerbungsbedingungen und Verdingungsunterlagen fehlen.

17

Auch habe der Auftraggeber nach Ansicht der Antragstellerin die Wertung der Angebote fehlerhaft vorgenommen, da die Auswertung keinen Hinweis auf die Gewichtung der einzelnen Kriterien enthalte. Im Übrigen sei das Angebot der Beigeladenen auch nicht auskömmlich, da es im Los 1 nahezu 50 % günstiger als ihr Angebot sei, das auf Rang 2 läge. Da der Auftraggeber in diesen Zusammenhang keine Auskömmlichkeitsprüfung durchgeführt habe, stelle dies ein Verstoß gegen § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A dar.

18

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    ein Nachprüfungsverfahren gem. § 107 ff. GWB einzuleiten,

  2. 2.

    geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen,

  3. 3.

    der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,

  4. 4.

    die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären,

  5. 5.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

19

Der Auftraggeber beantragt,

  1. 1.

    den Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners aufzuerlegen.

  3. 3.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten des Antragsgegners notwendig war.

20

Er hält den Nachprüfungsantrag in erheblichen Teilen für unzulässig. Zur Begründung führt er aus, dass seiner Auffassung nach die Antragstellerin keine subjektive Beschwer nachweisen könne. Auch sei der Antrag präkludiert, da sie nicht unverzüglich wirksam gerügt habe. Ferner vertritt er die Auffassung, dass das zweite Rügeschreiben wegen des verfristeten ersten Rügeschreibens keine eigenständige Bedeutung erlangen könne.

21

Für den Fall, das die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag für zulässig erachten sollte, vertritt der Auftraggeber die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag jedenfalls unbegründet sei:

  • Transparenzgebot
    Es liege auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Vielmehr versuche die Antragstellerin die möglichen Angebotsvarianten künstlich hochzurechnen. Die zu erbringende Leistung sei eindeutig und erschöpfend beschrieben worden. Es seien im Wesentlichen nur zwei Variationen ausgeschrieben. Der Umstand, dass die Versicherer teilweise Terrorschäden versichern, teils nicht oder nur zusätzlich, sei eine Markterscheinung, die von den Versicherern ausgehe.
  • Schadensstatistik
    Auch sei es ihm nicht möglich, wie von der Antragstellerin gefordert, eine Schadensstatistik zur Verfügung zu stellen, da eine solche Statistik nicht geführt werde. Normalerweise schauen sich Versicherer dann die Schäden bei den versicherten Objekten an und ziehen hieraus Rückschlüsse für die bislang nicht versicherten Objekte.
  • xxx und Nachweise
    Hinsichtlich der Beteiligung der xxx weist der Auftraggeber darauf hin, dass es sich bei der Beteiligung der xxx durch die Beigeladene um ein einheitliches Mitversicherungsverhältnis handelt, das in der Regel auch in einer Police dokumentiert werde.
  • Auskömmlichkeitsprüfung
    Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Auftraggeber der Ansicht, dass es keiner näheren preislichen Angemessenheitsprüfung bedurfte. Dies sei imÜbrigen auch nicht Gegenstand originärer subjektiver Bieterrechte. Ferner seien starke Prämienunterschiede bei Versicherungsausschreibungen absolut gewöhnlich.
  • Zuschlagskriterien
    Ferner vertritt er die Auffassung, dass er die Zuschlagskriterien Serviceleistungen und Vertragsumfang rechtmäßig gewertet habe. Im Übrigen sei auch keine genaue Gewichtung mit Bewertungsmatrix erforderlich, da die Reihenfolge der Kriterien bekannt gegeben wurde.
  • Fehlende Unterlagen bei der Angebotseröffnung
    Soweit die Antragstellerin auf das Protokoll über die Verdingungsverhandlung hinweist, in dem vermerkt sei, dass bei der Eröffnung die Bewerbungsbedingungen und Verdingungsunterlagen der Beigeladenen fehlen, kann sich der Auftraggeber dies nur so erklären, dass es sich um ein Versehen handelt. Dem Versicherungsberater lagen diese Unterlagen bei der Angebotsprüfung vor.
  • Los 2
    Soweit die Antragstellerin hinsichtlich des Loses 2 (Elektronikversicherung) die Auffassung vertritt, dass der Vorschaden an der Telefonanlage nicht berücksichtigt wurde, weist der Auftraggeber darauf hin, dass der Schaden erst nach Zusammenstellung der Verdingungsunterlagen aufgetreten sei.

22

Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt. Sie unterstützt das Vorbringen des Auftraggebers.

23

Die Vergabekammer hat die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB mit Verfügung des Vorsitzenden vom 08.10.2003 über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 28.11.2003 verlängert.

24

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21.11.2003 verwiesen.

25

II.

Der zulässige Antrag der Antragstellerin ist begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil der Auftraggeber entgegen der ausdrücklichen Verpflichtung gem. § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A lediglich einem Bieter, vertreten durch die Versicherungsmakler xxx, mit Schreiben vom 17.07.2003 auf deren Anfrage vom 15.07.2003 detaillierte Angaben insbesondere zur aktualisierten Schadensstatistik von 9/02 bis 7/03 gegeben hat, ohne diese wichtige Aufklärung über diese kalkulationsrelevanten Grundlagen im Sinne des § 8 Abs. 2 VOL/A gleichzeitig auch allen anderen Bewerbern mitzuteilen. Ferner hat er es versäumt, gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A die Angemessenheit des im Vergleich zu denübrigen Angeboten deutlich niedrigeren Angebotspreises der Beigeladenen zu überprüfen und Prüfung und Ergebnis der Prüfung in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Er hat dadurch gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen.

26

1.

Der Antrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um einen rechtlich unselbstständigen Eigenbetrieb einer Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Versicherungsleistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 2 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,-- Euro gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet nach dem Ergebnis der Ausschreibung den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert. Der Auftraggeber ging davon aus, dass der Schwellenwert für eine EU-weite Ausschreibung überschritten wird. Das Hauptangebot der Antragstellerin über die Summe aller drei Lose übersteigt auch den maßgeblichen Schwellenwert. Die Zuständigkeit der Vergabekammer ist damit gegeben.

27

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie unter anderem vorträgt, die Auftraggeberin habe durch die Handhabung der Zuschlagskriterien "Umfang des Versicherungsschutzes" und "Serviceleistungen" gegen die vergaberechtlichen Gebote der eindeutigen Leistungsbeschreibung, der Ermöglichung der einwandfreien Preisermittlung und der Vermeidung eines ungewöhnlichen Wagnisses für die Bieter gem. § 8 Nr. 1 VOL/A verstoßen. Ferner sei die Entscheidung, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, nicht mit § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A zu vereinbaren, da der von der Beigeladenen angebotene Preis nicht angemessen sei. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Dies bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast darf nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rn. 677). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass ihr Angebot trotz des im Vergleich zu den anderen Angeboten deutlich höheren Angebotspreises eine Chance auf den Zuschlag haben könnte, wenn die Angebotswertung ohne die von ihr geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverstöße durchgeführt wird. Dies folgt schon daraus, dass der Auftraggeber die gegenüber der Antragstellerin preislich niedrigeren Angebote mit Ausnahme des Angebotes der Beigeladenen von der Wertung ausgeschlossen hat. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

28

Die Antragstellerin hat die von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstöße auch unverzüglich und damit rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, a.a.O., § 107 Rn. 681). Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/00).

29

Die Antragstellerin hat die von ihr geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße erst mit Schreiben ihrer Rechtsabteilung vom 11.06.2003 und damit zumindest bezüglich der von ihr angefochtenen Zuschlagskriterien "Umfang des Versicherungsschutzes" sowie "Serviceleistungen" für ein fachlich versiertes Versicherungsunternehmen relativ spät gerügt. Dies folgt daraus, dass die Antragstellerin bereits am 30.05.2003 die Verdingungsunterlagen vom Auftraggeber erhalten hat. Für vermeintliche Vergaberechtsverstöße, die sich aus Verdingungsunterlagen bei der Erstellung eines Angebotes ableiten lassen, dürfte normalerweise ein Zeitraum von 12 Kalendertagen jenseits dessen liegen, was nach der aktuellen Rechtsprechung für eine unverzügliche Rüge akzeptiert werden kann.

30

Eine allgemeine Regel, wonach angeblich eine Rügefrist von zwei Wochen besteht, existiert nicht. Ein Zeitraum von zwei Wochen als maximale Obergrenze kann einem Bieter allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erforderlich ist. Wie lange die Rügepflicht im Einzelfall zu bemessen ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2000, Verg 9/00). Im Einzelfall kann angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, eine erheblich schnellere Reaktion erforderlich sein. Der Vergabesenat des OLG Koblenz hat in seinem Beschluss vom 18.09.2003, Az. 1 Verg 4/03, ausgeführt, dass angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, die Rüge grundsätzlich binnen ein bis drei Tagen erfolgen müsse. Im vorliegenden Fall sind 12 Kalendertage auch unter der Berücksichtigung, dass zwischen Erhalt der Verdingungsunterlagen (Freitag nach Himmelfahrt) und der Absetzung des Rügeschreibens zwei Wochenenden und ein Feiertag (Pfingstmontag) lagen, eine vergleichsweise lange Zeit. Auf der anderen Seite kann die Vergabekammer der Antragstellerin bei der gegebenen Sachlage nicht unterstellen, dass sie gleich bei Beginn der Sichtung der Verdingungsunterlagen und der Erstellung des Angebotes positive Kenntnis im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB von den von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstößen hatte. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2003 auf Vorhalt der Vergabekammer darauf hingewiesen, dass die bei der Sichtung der Verdingungsunterlagen aufgefallenen Punkte, besonders der von ihr geltend gemachten fehlenden Schadensstatistik, zunächst als bisheriger Versicherer der Mehrzahl der Gebäude geprüft habe, welche Schadensereignisse noch kurzfristig gemeldet wurden. Diese Meldungen habe sie dann am 10.06.2003 an ihre Rechtsabteilung weitergeleitet. Die dort zuständige Rechtsanwältin, Frau xxx, habe sodann eine Sichtung und Prüfung auf vermeintliche Widersprüche und Verfahrensmängel durchgeführt. Sie habe dann unverzüglich mit Schreiben vom 11.06.2003 die entsprechenden Fragen im Wege einer schriftlichen Rüge an den Auftraggeber gerichtet. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Rüge gerade noch unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB erfolgt. Soweit die Antragstellerin keine positive Kenntnis hatte, die geltend gemachten Verstöße gegen Vergabevorschriften aber bereits aus der Bekanntmachung im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB erkennbar waren, erfolgten die Rügen vom 11.06.2003 und 17.07.2003 ebenfalls rechtzeitig, da sie deutlich vor Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe (25.07.2003, 12.00 Uhr) erfolgte. Bezüglich der weiteren von der Antragstellerin im Zuge des Vergabeverfahrens geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße, konnte die Antragstellerin erst hinreichende Tatsachenkenntnis auf Grund der im Zuge des Nachprüfungsverfahrens gewährten Akteneinsicht erhalten.

31

2.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Der Auftraggeber hat in mehrfacher Hinsicht gegen den Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB und den Gleichbehandlungsgrundsatz gem.§ 97 Abs. 2 GWB verstoßen. Er hat entgegen der ausdrücklichen Verpflichtung gem. § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A lediglich einem Bieter detaillierte Angaben insbesondere zur aktualisierten Schadensstatistik von 9/02 bis 7/03 gegeben, ohne diese wichtige Aufklärungüber kalkulationsrelevante Grundlagen im Sinne des § 8 Abs. 2 VOL/A gleichzeitig auch allen anderen Bewerbern mitzuteilen (im Folgenden a). Auch hat er es versäumt, den Widerspruch zwischen der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung und den Feststellungen des beauftragten Versicherungsberaters über die Vollständigkeit des Angebotes der Beigeladenen in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren (im Folgenden b). Ferner hat er es versäumt, gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A die Angemessenheit des im Vergleich zu allen übrigen Angeboten deutlich niedrigeren Angebotspreises der vom Auftraggeber für den Zuschlag favorisierten Beigeladenen zu überprüfen und Prüfung und Ergebnis der Prüfung in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. (im Folgenden c). Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen unbegründet. In der Handhabung der vom Auftraggeber gewählten Zuschlagskriterien "Umfang des Versicherungsschutzes" und "Servicedienstleistungen" liegt kein Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung, der Ermöglichung der einwandfreien Preisermittlung und der Vermeidung eines ungewöhnlichen Wagnisses für die Bieter gem. § 8 Nr. 1 VOL/A (im Folgenden d). Des Weiteren liegt auch in der Tatsache, dass der Auftraggeber keine Gewichtung der Zuschlagskriterien anhand einer Bewertungsmatrix vorgenommen hat, kein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB vor (im Folgenden e). Der Auftraggeber war schließlich auch nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen fehlender Untervollmachten für das von ihr für das streitbefangene Angebot beteiligte Versicherungskonsortium auszuschließen (im Folgenden f).

32

a)

Der Auftraggeber hat gegen den Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB und den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB verstoßen, indem er entgegen der ausdrücklichen Verpflichtung gem. § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A lediglich einem Bieter, vertreten durch die Versicherungsmakler xxx mit Schreiben vom 17.07.2003 auf deren Anfrage vom 15.07.2003 detaillierte Angaben insbesondere zur aktualisierten Schadensstatistik von 9/02 bis 7/03 gegeben hat, ohne diese wichtige Aufklärung über diese kalkulationsrelevanten Grundlagen im Sinne des § 8 Abs. 2 VOL/A gleichzeitig auch allen anderen Bewerbern mitzuteilen. Diese Informationen standen damit nur diesem Bieter und der Antragstellerin als derzeit mit den streitbefangenen Versicherungsleistungen betrauten Unternehmen zur Verfügung. Dies gilt insbesondere für die Schadensstatistik Elektronikversicherung, die den Verdingungsunterlagen als Anlage 2/4 beigefügt war und die Schadensquote für die Jahre 1998 bis 3. Quartal 2002 auswies. Hier hat der Auftraggeber dem Versicherungsmakler xxx mit Schreiben vom 17.07.2003 mitgeteilt, dass von September 2002 bis zum Juli 2003 sechs Schäden mit einer Gesamtschadenssumme von 16.700,-- EUR aufgetreten sind.

33

Alle anderen Bieter, auch die für den Zuschlag favorisierte Beigeladene, hatten diese Informationen nicht. Sie hatten lediglich die als Anlage 2/4 den Verdingungsunterlagen beigefügte Schadensstatistik über die Schadensquote 1998 bis 3. Quartal 2002. Gehen aber die Bieter von unterschiedlichen Kalkulationsgrundlagen aus, liegen keine vergleichbaren Angebote vor.

34

Zwar hatte der Auftraggeber entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu einer derartigen Bieterinformation noch keinen Anlass auf Grund des Rügeschreibens der Antragstellerin vom 11.06.2003. Dort heißt es auf Seite 4:

"... Zu Anlage 2/4, Schadensstatistik Elektronikversicherung -

Bitte teilen Sie uns noch die Anzahl und die voraussichtliche Höhe der bis zur Ausschreibungsveröffentlichung eingetretenen Schäden mit"

35

Der Auftraggeber hat daraufhin mit Schreiben vom 23.06.2003 die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass Schäden (soweit eingetreten) der Antragstellerin bereits als derzeitigen Versicherer angezeigt wurden. Weitere Informationen brauchte der Auftraggeber der Antragstellerin als derzeit beauftragtem Versicherungsunternehmen auch unter dem Gesichtspunkt des § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOL/A nicht geben. Dort ist geregelt, dass in den Fällen, in denen Bewerber zusätzliche sachdienliche Auskünfte über die Verdingungsunterlagen und das Anschreiben erbitten, diese Auskünfte unverzüglich zu erteilen sind. Die Antragstellerin, als bisher mit den streitbefangenen Objekten betrautes Versicherungsunternehmen, war zwingend und unstreitig über den bisherigen Schadensverlauf mindestens so gut im Bilde wie der Auftraggeber selbst. Einer Aufklärung gem. § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOL/A bedurfte die Antragstellerin daher nicht.

36

Dagegen musste der Auftraggeber die Anfrage des für einen Bieter tätigen Versicherungsmaklers xxx vom 15.07.2003 zur aktualisierten Schadensstatistik für die Elektronikversicherung im Zeitraum 9/02 bis 7/3 zwingend zum Anlass nehmen, gem. § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A die anderen Bieter und damit auch die Beigeladene in gleicher Weise zu informieren, um so vergleichbare Angebote zu erhalten. Stellt eine Vergabestelle nur einem Bieter wettbewerbs- und preisrelevante Kalkulationsgrundlagen zur Verfügung und macht sie diese anderen Bietern nicht auch zugänglich, liegt eine Ungleichbehandlung vor, die mangels vergleichbarer Angebote zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führt (vgl. 2. VK des Bundes, Beschluss v. 24.06.2003, Az.: VK 2-46/03 (dort wurde allerdings im Ergebnis das Vorliegen einer wichtigen Aufklärung über die Grundlagen der Preisermittlung verneint); 1. VK des Bundes, Beschluss v. 11.06.2002, Az.: VK 1-25/02). Grundlage der Regelung des § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL wie auch der Parallelregelung in § 17 Nr. 7 Abs. 2 VOB/A ist das Prinzip der Gleichbehandlung aller Teilnehmer an einem Vergabeverfahren. Während im Falle des Abs. 1 des § 17 Nr. 6 VOL/A und des § 17 Nr. 7 VOB/A zusätzliche Auskünfte nur dem anfragenden Bewerber, nicht aber seinen Mitbewerbern übermittelt werden, müssen "wichtige Aufklärungen" im Sinne des Abs. 2 dieser Vorschriften ausdrücklich allen Bewerbern mitgeteilt werden. Erklärung dafür liegt in der unterschiedlichen Begriffsdefinition der zusätzlichen sachdienlichen Auskünfte einerseits und der wichtigen Aufklärungen andererseits (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 17 Rn. 52, 53). Bei den erstgenannten zusätzlichen Auskünften handelt es sich um Mitteilungen, die nur für den anfragenden Bewerber wichtig sind, weil er z.B. die Verdingungsunterlagen oder das Anschreiben vollständig oder in einzelnen Punkten missverstanden oder nicht genau gelesen hat. Dann brauchen die Auskünfte den anderen Bewerbern grundsätzlich nicht bekannt gegeben zu werden. Eine "wichtige Aufklärung" im Sinne der Nr. 2 dieser Vorschriften ist dagegen gegeben, wenn es sich um Aufklärung handeltüber die geforderte Leistung und über Grundlagen der Preisberechnung. Hier geht es dann um zusätzliche wichtige Aufklärungen zur Leistungsbeschreibung, die ihrerseits die wesentliche Grundlage der Preisberechnung ist (vgl. Daub/Eberstein, a.a.O., Rn. 53; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., A § 17, Rn. 41).

37

Der Auftraggeber hat zur Wahrung des Grundsatzes der Wettbewerbsgleichheit dafür Sorge zu tragen, dass die Voraussetzungen und Kenntnisse über die Ausschreibung und damit der angebotenen Leistungen bei allen Bewerbern gleich sind. Die Grundlagen der Preisermittlung sind in jedem Fall als wichtig im Sinne des § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A und § 17 Nr. 7 Abs. 2 VOB/A anzusehen (vgl. Heiermann, a.a.O., Rn. 41). Die Mitteilungspflicht über eine wichtige Aufklärung liegt sowohl im Interesse der übrigen Bewerber, die einen Anspruch darauf haben, die gleichen Informationen zu erhalten, als auch im Interesse des Auftraggebers, der andernfalls Gefahr liefe, Angebote zu erhalten, die auf unterschiedlicher Informationsgrundlage erstellt und damit nicht vergleichbar sind (vgl. Sterner in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 17 VOB/A, Rn. 75, m.w.N.). So liegt der Fall hier. Zwar verfügt die Antragstellerin als bisher mit den streitbefangenen Versicherungsleistungen beauftragtes Unternehmen über den gleichen Informationsvorsprung hinsichtlich der aktualisierten Schadensstatistik wie das durch den Versicherungsmakler xxx betreute Bieterunternehmen, das diese Information exklusiv vom Auftraggeber erhalten hat. Die Antragstellerin ist aber gleichwohl durch diesen Verstoß gegen § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A in ihren Rechten verletzt, weil die übrigen Bieter und insbesondere auch die mit ihrem Angebot auf Platz 1 rangierende Beigeladene in ihrem Angebot nur die kalkulationsrelevanten Informationen zu Grunde legen konnten, die ihnen mit den Verdingungsunterlagen mitgeteilt wurden. Diese Zahlen beschränken sich aber hinsichtlich des Loses 1 auf die Anlage 1/5 und hinsichtlich des Loses 2 (Elektronikversicherung) auf die Anlage 2/4 der Verdingungsunterlagen, die die Schadensquoten für den Zeitraum 1998 bis 3. Quartal 2002 aufwiesen. Die Beigeladene wie auch die übrigen Bieter konnten daher im Gegensatz zu dem exklusiv informierten, von den Versicherungsmaklern xxx betreuten Bieter und der bisher beauftragten Antragstellerin einen Versicherungszeitraum von mehr als einem Dreivierteljahr und eine Schadenshöhe allein im Elektronikbereich von 16.700,-- EUR bei der Kalkulation ihres Angebotes nicht berücksichtigen. Die von dem Auftraggeber gewerteten Angebote sind daher nicht vergleichbar. Der Verstoß gegen § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A ist auch nicht etwa durch eine Verpflichtung des Auftraggebers zur erneuten Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer heilbar, da dieser Verstoß gegen die Informationspflicht unmittelbar Auswirkungen auf die Angebotskalkulation haben musste. Eine nachträgliche Korrektur der Angebotskalkulationen und damit der Angebotspreise bei allen Bietern ist in einem laufenden Vergabeverfahren nicht möglich. Der Auftraggeber war daher gem. Nr. 1 des Tenors zu verpflichten, mangels Vergleichbarkeit der Angebote das streitbefangene Vergabeverfahren aufzuheben.

38

b)

Der Auftraggeber hat es versäumt, den Widerspruch zwischen der in der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung vom 25.07.2003 festgehaltenen Unvollständigkeit des Angebotes der Beigeladenen hinsichtlich der Bewerbungsbedingungen und der Verdingungsunterlagen und dem diesbezüglich nach Auffassung des Versicherungsberaters vollständigen Angebot der Beigeladenen, welches abgestempelt worden ist am 25. Juli 2001, aufzuklären und das Ergebnis dieser Prüfung in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Tatsache ist, dass sich die Auftraggeberin diesen Dissens ebenfalls nicht erklären kann. Aus den Vergabeunterlagen ergibt sich, dass vom Bauverwaltungsamt der Stadt xxx am 25. Juli 2003 einerseits festgehalten wurde, dass diese Unterlagen fehlen, andererseits aber ebenfalls von der zentralen Bauverwaltung sowohl das Angebot der Beigeladenen als auch das der Antragstellerin mit Eingangsstempel "25. Juli 2003" versehen wurden.

39

Wenn von dem Angebot der Beigeladenen, wie in der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung am 25.07.2003 unter EFB-Verd 4, 356.4, in der Spalte "Begründung des verspäteten Eingangs" festgehalten, die Bewerbungsbedingungen und Verdingungsunterlagen fehlten, war das Angebot der Beigeladenen gemäß § 25 Nr. 1it. e VOL/A bereits in der ersten Wertungsstufe auszuschließen. Unter Verdingungsunterlagen versteht man die Leistungsbeschreibung, die Vertragsbedingungen und die angegeben Zuschlagskriterien (vgl. Müller-Wrede, in: Müller-Wrede VOL/A Einführung Abschnitt 2 Rdnr. 17). Aus dieser Aufzählung ergibt sich, dass die Verdingungsunterlagen der Hauptbestandteil des Angebotes sind. Sollten diese Unterlagen bei der Angebotsöffnung (25.07.2003, 9.05 Uhr) tatsächlich, wie protokolliert, nicht vorgelegen haben und der verspätete Eingang nicht durch Umstände verursacht worden ist, die die Bieterin nicht zu vertreten hat, wäre das Angebot bereits in der ersten Wertungsstufe auszuschließen gewesen, da das Vergabeverfahren aus Gründen der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) einer erheblichen Formstrenge unterliegt. Diese gebietet es, Angebote, die verspätet eingegangen sind, von der Wertung auszuschließen (vgl. Noch in: Müller-Wrede VOL/A § 25 Rdnr. 29 m.w.N.). Dies gilt auch, wenn ein Bieter zwar fristgerecht ein Angebotsanschreiben einreicht, wesentliche Bestandteile wie eben die ausgefüllten Verdingungsunterlagen aber erst verspätet folgen.

40

Die Vergabestelle hat aus Gründen der Chancengleichheit nicht einmal von sich aus die Möglichkeit, verspätete Angebote zuzulassen. Sie würde gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen und damit die subjektiven Rechte der Mitbieter verletzen, welche sich an die Formvorschriften gehalten und das Angebot rechtzeitig eingereicht haben.

41

Eine Ausnahme besteht für die Fälle, in denen der Eingang durch den Bieter nicht zu vertreten ist. Gemeint sind Konstellationen, in denen das Angebot des Bieters so in den Machtbereich des Auftraggebers gelangt ist, dass dieser davon unter normalen Umständen in zumutbarer Weise rechtzeitig hätte Kenntnis nehmen können. Dementsprechend hat die Vergabekammer Sachsen mit Beschluss vom 29.09.1999, Az. 1 VK 16/99, für den VOB-Bereich entschieden, dass die Vergabestelle die subjektiven Rechte des Bieters verletzt, wenn sie ein Angebot als verspätet zurückweist, obwohl dies nachweislich rechtzeitig in ihren Machtbereich gelangt ist. Umstände in den Organisationseinheiten der Vergabestelle, die dazu führen, dass ein Angebot erst verspätet vorliegt, obgleich es das richtige Dienstgebäude nachweislich rechtzeitig erreicht hat, sind vom Bieter nicht zu vertreten (vgl. Noch in Müller/Wrede VOL/A, § 25 Rn. 30 ff.)

42

Ob die Voraussetzungen für die Ausnahme von den Vorschriften des § 25 Nr. 1 lit. e VOL/A vorlagen, hat der Auftraggeber nicht festgehalten, geschweige denn in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerks dokumentiert. Dabei war auch festzuhalten, welche Bewerbungsbedingungen und Verdingungsunterlagen fehlten. Zu diesem Punkt hätten die Feststellungen des Verhandlungsleiters des weiteren Vertreters des Auftraggebers der bei der Angebotsöffnung zugegegen war, dokumentiert werden müssen. Es ist für die Vergabekammer aus der Vergabeakte nicht ersichtlich, wann die als bei der Angebotsöffnung als vermeintlich fehlend vermerkten Angebotsbestandteile von der Beigeladenen ggf. nachgereicht wurden. Eine durchgehende Kennzeichnung der einzelnen Angebote erfolgte nämlich weder bei der Antragstellerin noch bei der Beigeladenen. Ferner fehlen die Angebotsumschläge bei sämtlichen Bietern.

43

c)

Der Auftraggeber hat es ferner versäumt, das Angebot der Beigeladenen hinsichtlich der Angemessenheit des angebotenen Preises gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A zuüberprüfen und Prüfung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Zu dieser Angemessenheitsprüfung hatte und hat der Auftraggeber entgegen seiner Auffassung Anlass. Ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen Protokolls über die Verdingungsverhandlung vom 25.07.2003 nebst Preisspiegel wurden Angebote von vier Bietern verlesen. Die Beigeladene hatte mit einem Angebotspreis für die gesamte ausgeschriebene, dreijährige Vertragslaufzeit ohne Selbstbeteiligung von 91.281,85 EUR/Jahr das mit Abstand niedrigste Hauptangebot abgegeben. Es weicht von dem nächstgünstigeren Angebot, dem Angebot der Antragstellerin mit einem Angebotspreis von 162.322,97 EUR/Jahr um ca. 44 % nach unten ab. Weitere Angebote anderer Bieter liegen für das Los 1 bei einer dreijährigen Laufzeit ohne Selbstbeteiligung nicht vor. Soweit noch ein weiterer Bieter ein Angebot zu Los 1 zu der Variante ohne Selbstbeteiligung bei 1 Jahr Laufzeit abgegeben hat, liegt dies noch ca. 38 % über dem der Antragstellerin für diese Variante und 65 % über dem der Beigeladenen.

44

Der Auftraggeber hat ausweislich der Vergabeakte wie auch seinem schriftlichen und mündlichen Vortrag im Nachprüfungsverfahren keine Veranlassung gesehen, die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Preises in Frage zu stellen. Der vom Auftraggeber mit der Vorbereitung und Begleitung des streitbefangenen Vergabeverfahrens beauftragte Versicherungsberater, Herr xxx, xxx, hat erklärt, dass sich der von der Beigeladenen angebotene Preis durchaus im Rahmen dessen bewegt, was in den letzten Jahren nach seiner Erfahrung von anderen Kommunen bei Ausschreibungen an Prämienreduzierungen erreicht wurde. In einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk über die Auswertung der Ausschreibung von Versicherungsdienstleistungen der Stadt xxx (Auftraggeber) vom 18.08.2003 erläutert der Versicherungsberater, warum er keine Angemessenheitsprüfung bezüglich des von der Beigeladenen angebotenen Preises für erforderlich hält. Dort heißt es auf Seite 11 unten der Auswertung zum Los 1 hinsichtlich der Angemessenheit der Preise:

"Die angebotene Preise der besten Bieter stellen eine deutliche Reduzierung der Versicherungsprämie im Vergleich zum bisherigen Versicherungsschutz dar.

Die Erfahrungen mit den Vorschäden deuten jedoch darauf hin, dass die bisherige Prämie eher als zu hoch einzustufen ist, sodass eine Absenkung angemessen ist.

Auch spielt die Angemessenheitsprüfung bei Versicherungsvergabe, anders als im Baubereich, eine nicht so tragende Rolle. Jeder Versicherer, der in Deutschland solche Angebote unterbreitet, ist in der Regel in der Lage, die Prämien auch über die Laufzeit durchzuhalten. Dies liegt einerseits daran, dass nur im Rahmen der Eigenbehalte der Versicherer selbst finanziell betroffen ist und im Übrigen die Rückversicherer betroffen sind, zum anderen liegen hier Konsortionalangebote vor, sodass sich größere Schäden in der Regel auf mindestens zwei, an größeren Objekten sogar noch mehrere Versicherer verteilen würden.

Auch kann der xxx (Beigeladene) auf Grund der vermehrten Tätigkeit im kommunalen Bereich der letzten 3 Jahre mittlerweile ein hohes Maß an Erfahrung in der Ausarbeitung solcher Angebote unterstellt werden (vgl. Referenzliste). Letztlich ist auch festzuhalten, dass die angebotenen Prämien in jedem Fall so hoch sind, um die bei der Stadt xxx durchschnittlich anfallenden Schäden zu decken. Aus diesen Gründen kann nicht davon ausgegangen werden, dass hier unangemessen niedrige Preise vorliegen."

45

Vergleichbare Aussagen wurden auch hinsichtlich des Loses 2 auf Seite 16 des o.g. Vermerks festgehalten. Auch dort wurde vermerkt, dass die Angemessenheit der angebotenen Prämien als gegeben betrachtet werden kann.

46

Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Von einem solchen Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist aber nur dann auszugehen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt. Ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten allein ist für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist. Hinzu kommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist (vgl. Kulartz in: Daub/Eberstein, 5. Auflage, § 25 Rn. 40 ff., m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bieter mangels verbindlicher Kalkulationsregeln grundsätzlich in seiner Preisgestaltung frei bleibt. Deshalb ist für die Prüfung der Angemessenheit des Angebotes nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes abzustellen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01).

47

Nach diesen Grundsätzen hatte der Auftraggeber entgegen der Auffassung der Antragstellerin zwar keinen Anlass, das Angebot der Antragstellerin allein auf Grund der Tatsache, dass es im Preis ca. 44 % unter dem nächstniedrigeren Angebot der Antragstellerin lag, als Dumpingangebot einzustufen und gem. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A unberücksichtigt zu lassen. Der Auftraggeber muss aber, wie es § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A ausdrücklich vorschreibt, das Angebot der Beigeladenen hinsichtlich seiner Angemessenheit überprüfen und zu diesem Zwecke nicht nur die Einzelpositionen überprüfen, sondern dafür auch von der Beigeladenen die erforderlichen Belege verlangen. Selbst in den Fällen, in denen ein Angebot nach Auffassung des Auftraggebers unrealistisch ist, ist der Bieter dennoch zur Stellungnahme aufzufordern (vgl. Kulartz, a.a.O., § 25 Rn. 39, m.w.N.). Zu diesem Zweck muss der Auftraggeber vom Bieter die erforderlichen Belege verlangen und ihm ggf. mitteilen, welche Unterlagen oder Positionen für unannehmbar erachtet werden. Dem Bieter ist dabei eine angemessene Frist für zusätzliche Angaben einzuräumen.

48

Es ist dabei zu berücksichtigen, dass der zur Mitwirkung an der Angemessenheitsprüfung aufgeforderte Bieter zwar nicht verpflichtet ist, die entsprechenden Auskünfte über sein Angebot zu erteilen und seine Kalkulation offen zu legen. Er wird dieser Aufforderung in der Regel aber nachkommen, um einen sonst erfolgenden Ausschluss nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A zu vermeiden (vgl. VK Düsseldorf, Beschluss v. 17.12.1999, Az.: VK-17/99). Der Auftraggeber durfte sich daher nicht, wie geschehen, lediglich auf die praktischen Erfahrungen des Versicherungsberaters stützen und das gegenüber allen anderen Angeboten im streitbefangenen Vergabeverfahren deutlich nach unten abweichende Angebot der Beigeladenen ohne jegliche Angemessenheitsprüfung und Konsultation der Beigeladenen akzeptieren. Er war vielmehr angesichts des Preisabstandes verpflichtet zu prüfen, ob das Angebot der Beigeladenen in offenbarem Missverhältnis zur Leistung steht und deshalb auszuschließen ist. Er durfte deshalb nicht darauf verzichten, von der Beigeladenen die erforderlichen Belege zu verlangen.

49

Weitere Vergaberechtsverstöße liegen entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht vor (im Folgenden d und e) oder wären ohne Aufhebung im Wege einer neuen Wertung grds. heilbar gewesen (im Folgenden f):

50

d)

Der Auftraggeber hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin durch die Handhabung der von ihm bereits in der Bekanntmachung vom 20.05.2003 benannte Zuschlagskriterien "Umfang des angebotenen Versicherungsschutzes" und "angebotene Servicedienstleistungen" nicht gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, der Ermöglichung der einwandfreien Preisermittlung gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A und der Vermeidung eines ungewöhnlichen Wagnisses für die Bieter gem. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A verstoßen. Der Auftraggeber hatte in seinen Verdingungsunterlagen zu Los 1 als Anlage 1/1 unter anderem folgenden Hinweis zur Angebotserstellung gegeben:

" - Ausschluss von Terrorschäden

soweit für einzelne Versicherungsorte aus Sicht der Anbieter der Ausschluss von Schäden durch Terror notwendig ist, sollte dies gesondert unter Nennung der entsprechenden Ziffer (Liste der Versicherungsorte) kenntlich gemacht werden. Der Text der Terrorausschlussklausel ist in diesem Fall beizufügen.

Soweit die Terrorgefahr nur eingeschränkt, (z.B. mit Sonderkündigungsrecht) versichert werden kann, ist dies gesondert anzubieten."

51

Die Antragstellerin sieht darin eine unzulässige Alternativausschreibung. Demgegenüber hat der Auftraggeber dieses beim Hauptangebot allein das Risiko Terror betreffende, über dem Hauptzuschlagskriterium "niedrigster Preis" völlig untergeordnete Kriterium "Umfang des Versicherungsschutzes" damit erklärt, dass er bestrebt gewesen sei, eine Vielzahl von Bietern anzusprechen und daher nicht wollte, dass insbesondere hinsichtlich der Frage der Abdeckung des Risikos "Terroranschläge" von vornherein möglicherweise einige Bieter sich nicht von der Ausschreibung angesprochen gefühlt hätten. Einigkeit bestand in der mündlichen Verhandlung unter den Beteiligten und unter Bezugnahme auf die noch nicht rechtskräftige Entscheidung in Sachen 203 - VgK-17/2003, dass das Risiko Terror vor dem 11.09.2001 regelmäßig durch die Feuerversicherung mit abgedeckt war. Erst seit den Anschlägen in New York sei diesbezüglich der Markt jedoch in Bewegung geraten. Insbesondere auf Grund des Verhaltens der Rückversicherer sei ab einem Objektwert von 25 Millionen, im Falle eines kommunalen Objektes ab 50 Millionen in der Regel nur der Weg über die von den Versicherungsunternehmen eigens dafür gegründete xxx AG gegeben.

52

Auch das vom Auftraggeber mit den Verdingungsunterlagen den Bietern vorgegebene Vertragswerk enthält keine Aussagen zum Risiko Terror, sodass es automatisch abgedeckt ist, wenn der Zuschlag unter Zugrundelegung dieses Vertragswerks erfolgt. Es ist von daher nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber die Bieter darauf in seinen Verdingungsunterlagen gesondert hingewiesen hat und ihm für dieses besondere Risiko eingeräumt hat, ggf. Prämien für den Wiedereinschluss gesondert auszuweisen und mit dem Hauptangebot anzubieten. Auch die gesonderte Ausweisung einer Prämie für das Risiko Terror führt für den Auftraggeber dazu, dass er vergleichbare Angebote unter Einschluss der Deckung des Risikos Terroranschläge erhält. Die Leistungsbeschreibung ist daher eindeutig im Sinne des § 8 Nr. 1 VOL/A. Auf Grund der eindeutigen Formulierung des Hinweises und der Tatsache, dass der Auftraggeber die Nennung der Prämien für den Wiedereinschluss im Falle einer Terrorausschlussklausel in den Angeboten ausdrücklich gefordert und nicht etwa offen gelassen hat, war für die Versicherungsunternehmen eine einwandfreie Preisermittlung auch für die Deckung des Risikos Terror gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A möglich. Ferner wurde ihnen kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet für Umstände und Ereignisse, auf die die Versicherungsunternehmen keinen Einfluss haben und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen sie nicht im Voraus schätzen können. Ein solches Wagnis wäre vielmehr eher zu besorgen gewesen, wenn die Verdingungsunterlagen gar keinen Hinweis auf die Deckung des akut leider besonders zu berücksichtigenden Risikos Terrorschäden enthalten hätten.

53

Auch das von dem Auftraggeber bekannt gemachte und bei der Wertung berücksichtigte Zuschlagskriterium "Servicedienstleistungen" genügt den vergaberechtlichen Anforderungen an eine eindeutige Leistungsbeschreibung. Auch dieses Zuschlagskriterium ist nach Ansicht der Antragstellerin unzulässig, da nicht einmal ansatzweise ersichtlich sei, was unter dem Begriff zu verstehen sei. Ihrer Meinung nach sei erkennbar, dass hier unter diesen Begriff eine unbestimmte Vielzahl von Leistungen fallen können. Der Auftraggeber hat mit Schreiben vom 21.05.2003 die entsprechende Nachfrage und Rüge der Antragstellerin vom 07.05.2003 dahingehend beantwortet, dass er unter Serviceleistungen Leistungen zur Unterstützung der Vertragsverwaltung sowie Leistungen zur reibungslosen Abwicklung von Schadensfällen versteht. Er hat ferner mit Schreiben vom 23.05.2003 allen Bietern diese sowie weitere Klarstellungen der Bedingungen mitgeteilt. Einer weiteren Präzisierung bedurfte es nicht. Der Auftraggeber hat mit dieser Klarstellung der Rüge der Antragstellerin bezüglich der Erläuterung des Kriteriums "Serviceleistungen" im laufenden Vergabeverfahren abgeholfen. Dies ist gerade Sinn und Zweck des Rügeerfordernisses des § 107 Abs. 3 GWB.

54

e)

Der Auftraggeber war auch nicht gehalten, eine Gewichtung der Zuschlagskriterien anhand einer zuvor erstellten Bewertungsmatrix vorzunehmen. Die von der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren geltend gemachte Intransparenz des Vergabeverfahrens konnte diesbezüglichnicht festgestellt werden. Der Auftraggeber hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin die Bieter nicht darüber im Unklaren gelassen, dass das maßgebliche Zuschlagskriterium der Preis sein soll und die beiden anderen genannten Kriterien "Umfang des Versicherungsschutzes" und "Serviceleistungen" insoweit nur eine untergeordnete Rolle spielen sollen. Zwar hat sich die Erstellung einer Bewertungsmatrix, in der die Unterkriterien entsprechend einer vorher festgelegten Gewichtung aufgeführt werden, bewährt; eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich aus § 9 a VOL/A aber nicht. Es wird dort lediglich gefordert, dass der Auftraggeber alle Zuschlagskriterien, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung angibt. Die Reihenfolge der Kriterien gibt Auskunft über ihre Gewichtung, d. h. welche Wertungsmerkmale vorrangig vor anderen zu beachten sind und bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes den Ausschlag geben. Die Gewichtung der Kriterien ist von der Vergabestelle somit ebenfalls auftragsbezogen zu ermitteln und festzulegen. In diesem Fall ist die Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung ausdrücklich als solche zu bezeichnen, um sie vor dem Fall einer bloßen Aufzählung ohne Festlegung einer Reihenfolge klar und eindeutig abzugrenzen. Die Reihenfolge der den Zuschlagskriterien zuerkannten Bedeutung ist eine Rangfolge und bei der Wertung der Angebote unbedingt zu beachten (vgl. Zdzieblo in Daub/Eberstein, VOL/A, § 9a Rdn. 8). Diesen Anforderungen aus § 9 a VOL/A ist der Auftraggeber unstreitig nachgekommen, indem er dem als erstes Kriterium genannten Preis den höchsten Wert beigemessen hat und den beiden anderen Kriterien einen geringeren Wert.

55

f)

Der Auftraggeber war auch nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen bislang fehlender Vorlage von Untervollmachten für von ihr für den streitbefangenen Auftrag konsultierte andere Versicherungsunternehmen auszuschließen. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A können Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Der Auftraggeber hatte mit den Verdingungsunterlagen den Nachweis von Bevollmächtigungen verlangt. Unter Ziffer 7 der Bewerbungsbedingungen heißt es:

"Angebote in fremdem Namen -

Soweit Angebote in fremdem Namen abgegeben werden, ist die Bevollmächtigung nachzuweisen."

56

Die Beigeladene, die ihr Angebot vom 23.05.2003 über die Versicherungsmakler xxx und xxx abgegeben hatte, hat dem Angebot eine Vollmacht vom 08.05.2003 für die Versicherungsmakler beigefügt. Die Beigeladene hatte ihrem Angebot zu Los 1 als Anlage jedoch auch einen sog. Teilungsplan beigefügt, aus dem sich für den Auftraggeber ergab, dass die Beigeladene mit Ausnahme des Objekts Nr. 25 lediglich 75 % des ausgeschriebenen Versicherungsumfangs unmittelbar selbst versichern will, während sie den Anteil von 25 % an die xxx, xxx, untervergeben will. Das Objekt Nr. 25 will die Beigeladene nur zu 30 % selbst versichern und die anderen 70 % auf andere namentlich genannte Versicherer untervergeben. Eine Untervollmacht der beteiligten Versicherungen enthält das Angebot nicht.

57

Hinsichtlich des Loses 2 hatte die Beigeladene ebenfalls einen Verteilungsplan beigefügt. Dort beabsichtigt sie, 50 % selbst zu versichern und die anderen 50 % über die xxx versichern zu lassen. Eine Untervollmacht der xxx lag bei der Angebotsöffnung auch für dieses Los nicht vor.

58

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung am 21.11.2003 Wert darauf gelegt, dass ihr aktueller Vortrag hinsichtlich der zu fordernden Vollmachten der Beigeladenen mit berücksichtigt werde. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung des Parallelverfahrens mit dem Az. 203-VgK-17/2003 hatte der vom Auftraggeber mit der Vorbereitung und Begleitung auch dieses streitbefangenen Vergabeverfahrens beauftragten Versicherungsberater, Herr xxx erklärt, dass er das Erfordernis des Bevollmächtigungsnachweises auf die Fälle beschränkt wissen wollte, in denen ein Unternehmen sein Angebot nicht unmittelbar, sondern über einen Versicherungsmakler abgeben wollte. Auf Untervollmachten zwischen einem führenden und ggf. von diesem beteiligten Versicherungsunternehmen habe er dagegen keinen Wert gelegt. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass Ziffer 7 der Bewertungsbedingungen bezüglich der Vertretungsverhältnisse nicht differenziert, sondern pauschal den Nachweis für Bevollmächtigungen verlangt, soweit Angebote in fremdem Namen abgegeben werden. Diese Klausel betrifft somit auch das Vertretungsverhältnis von führendem und von diesem beteiligten Versicherungsunternehmen im Falle eines gemeinsamen Angebotes.

59

Das Fehlen dieser Untervollmacht zwingt den Auftraggeber entgegen der Auffassung der Antragstellerin aber nicht dazu, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen. Vielmehr ist er gehalten, gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob der Ausschluss gerechtfertigt und notwendig ist. Es handelt sich hier um einen fakultativen Ausschlussgrund. Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 VOL/A müssen die Angebote neben den Preisen auch die sonstigen geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Fehlen diese, so führt das nicht automatisch zum Ausschluss des jeweiligen Angebotes, vielmehr liegt die Entscheidung darüber im pflichtgemäßen Ermessen desöffentlichen Auftraggebers (vgl. Kulartz, a.a.O., § 25 Rn. 24, m.w.N.). Entscheidendes Kriterium für die Ermessensausübung ist dabei, ob das Ergänzen der fehlenden Angaben die Wettbewerbstellung des betreffenden Bieters ändert oder nicht. Die Kannbestimmung soll einem übertriebenen Formalismus vorbeugen, da es Angaben und Erklärungen gibt, die wettbewerbsunschädlich nachträglich eingeholt werden können (vgl. OLG Bremen, Beschluss v. 20.07.2000, Az.: Verg 1/2000). Dies ist vorliegend der Fall. Der Auftraggeber wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, die fehlenden Untervollmachten von der Beigeladenen nachzufordern oder sich diese im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs gem. § 24 Nr. 1 VOL/A von der Beigeladenen nachreichen zu lassen, wenn das Vergabeverfahren nicht aus den oben unter II 2 a und b genannten Gründen aufzuheben gewesen wäre. Denn durch das Nachfordern wird die Wettbewerbstellung der Beigeladenen nicht geändert. Auch würden weder das Angebot noch der angebotene Preis verändert, was gegen § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A verstoßen würde.

60

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung auch die Frage aufgeworfen, ob die Beigeladene alle Eignungsnachweise auch tatsächlich vorgelegt hat. Auf Grund der Kennzeichnung steht fest, dass die Beigeladene für ihre Versicherung mit Angebotsabgabe den Jahresabschluss und den Lagebericht zum 31.12.2001 sowie den Bericht über das Geschäftsjahr 2001 vorgelegt. Nachgereicht wurden von dem bevollmächtigten Assekuranzmakler mit Datum vom 05.08.2003 die Referenzlisten der Beigeladenen und des bevollmächtigten Assekuranzmaklers sowie der Geschäftsbericht der von der Beigeladenen am Angebot beteiligten xxx. Ein aktueller Geschäftsbericht der Beigeladenen über das Jahr 2002 war in der Vergabeakte nicht enthalten. Hinsichtlich der Wertung der Eignungsnachweise gelten sinngemäß die o.g. Ausführungen zu den fehlenden Untervollmachten. Auch hier war der Auftraggeber ohne weiteres in der Lage, die fehlenden Nachweise von der Beigeladenen nachzufordern oder sich diese im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs gem. § 24 Nr. 1 VOL/A von der Beigeladenen nachreichen zu lassen. Dadurch wird die Wettbewerbstellung der Beigeladenen nicht geändert. Auch würden weder das Angebot noch der angebotene Preis verändert, was gegen § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A verstoßen würde.

61

Wegen der Selbstbindung des Auftraggebers bezüglich der geforderten Untervollmachten und Eignungsnachweise war der Auftraggeber daher gehalten, die notwendigen Eignungsnachweise der anderer Konsortien der Beigeladenen nachzufordern und erst dann darüber zu entscheiden, ob das Angebot der Beigeladenen zuschlagsfähig ist. Diese Handlungen sind in diesem Vergabeverfahren jedoch nicht mehr nachholbar, weil das streitbefangene Vergabeverfahren wegen der oben unter II 2 a und b festgestellten, nachträglich nicht heilbaren Verstöße aufgehoben werden muss.

62

Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der unter II. 2 a und b festgestellten schwer wiegenden Verstöße gegen das vergaberechtliche Gleichbehandlungsgebot und Transparenzgebot ist es erforderlich, den Auftraggeber zu verpflichten, das Vergabeverfahren aufzuheben.

63

III. Kosten

64

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

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Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.535 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

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Der zu Grunde zu legende Auftragswert für die streitbefangenen Lose 1 und 2 beträgt nach dem Ergebnis der Ausschreibung 191.643,87 EUR = (162.322,97 EUR + 29.320,90 EUR). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin zu Los 1 und 2 über die gesamte ausgeschriebene 3-jährige Laufzeit ohne Selbstbeteiligung.

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Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenüber gestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 191.643,87 EUR für die Lose 1 und 2 ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.535 EUR.

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Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

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Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

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Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass erüber das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

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Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

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Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen. Der Auftraggeber wird aufgefordert, den Betrag von 2.535 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx

Gause
Schulte
Dr. Pade