Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 12.11.2003, Az.: 203-VgK-27/2003
Abschluss eines Vertrags über die Sammlung, Sortierung und Vermarktung von Altpapier in einem freihändigen Vergabeverfahren; Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags; Vergabe einer Dienstleistungskonzession im Rahmen eines Vergabeverfahrens; Unterlassen einer öffentlichen Bekanntmachung; Öffentliche Aufforderung an eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen zur Abgabe von Angeboten; Beteiligung von Unternehmen auf der Grundlage der öffentlichen Bekanntmachung mit einem konkreten Angebot am Wettbewerb; Verstoß gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot und das Gleichbehandlungsgebot
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 12.11.2003
- Aktenzeichen
- 203-VgK-27/2003
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32225
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 4 lit. f u. m VOL/A
- § 3a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A
- § 4 Abs. 1 VgV
- § 13 VgV
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 99 Abs. 4 GWB
- § 114 Abs. 1 GWB
- § 15 Abs.1 KrW-/AbfG
- § 127 GWB
Verfahrensgegenstand
Vertrag über die Sammlung, Sortierung und Vermarktung von Altpapier
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Ltd. KVD Dr. Mielke
auf die mündliche Verhandlung vom 04.11.2003
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der mit der beigeladenen Firma ... abgeschlossene Vertrag ist nichtig. Der Auftraggeber wird verpflichtet, das Vergabeverfahren aufzuheben.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Auftraggeber.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.570,00 EUR festgesetzt.
- 4.
Der Auftraggeber hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin war notwendig.
Begründung
I.
Der Auftraggeber hatte beschlossen, ab dem 01.01.2004 die Papiertonne für das Einsammeln der Papierfraktion einzuführen. Da diese Leistung zusammen mit dem Einsammeln und Befördern des Rest- und Bioabfalls ab dem 01.01.2005 ausgeschrieben werden sollte, beschloss er für das Jahr 2004 eineÜbergangslösung. Der bisherige Vertrag zur Papiersammlung über Papiercontainer ist gekündigt und läuft zum 31.12.2003 aus.
Der Auftraggeber hatte mit Datum vom 20.06.2003 die Antragstellerin, die Beigeladene und weitere Bieter der bisherigen Firmenarbeitsgemeinschaft aufgefordert, ihm ein Angebot für die Entsorgung von Altpapier vom Einsammeln bis zur Vermarktung für die Zeit vom 01.01.2004 bis 30.06.2004/alternativ vom 01.01.2004 bis 31.12.2004 vorzulegen.
Mit Vergabevermerk vom 02.07.2003 hielt der Auftraggeber fest, dass letztendlich drei Angebote abgegeben wurden. Danach sei eindeutig das Angebot der Beigeladenen das günstigste, da hier der erforderliche Aufwand mit dem Erlös der Papierverwertung verrechnet wurde und der Auftraggeber kein Entgelt zu zahlen habe. Ferner wurde festgehalten, dass der Landkreis bei dieser Lösung gegenüber den bisherigen Jahreskosten ca. 260.000 EUR spart. Es wurde vorgeschlagen, auch vor dem Hintergrund der beabsichtigten gemeinsamen Neuausschreibung der Dienstleistungen für das Einsammeln des Rest-, Bioabfalls- und der Papierfraktion ab 01.01.2005 die Zwischenlösung - Einsammlung und Verwertung von Altpapier, für das ganze Jahr 2004 - zu wählen. Es wurde auch ausgeführt, warum aus Sicht der Verwaltung Gründe für eine freihändige Vergabe nach § 3 Abs. 4 lit. f und m VOL/A vorliegen. Die Verwaltung schlug vor, den Auftrag an die Beigeladene für 0 EUR für das Jahr 2004 zu erteilen.
Ferner wurde hinsichtlich der Verteilung der Altpapiertonnen an alle Haushalte festgehalten, dass auch dieser Auftrag freihändig an die Beigeladene vergeben werden soll, die auch hierfür das günstigste Angebot mit 80.000 EUR abgegeben habe. Es wurde ausgeführt, warum auch hier aus Sicht der Verwaltung Gründe für eine freihändige Vergabe nach § 3 Abs. 4 lit. f und m VOL/A vorliegen.
Der Auftraggeber stimmte mit Datum vom 10.07.2003 dem Vergabevorschlag zu, nachdem festgehalten wurde, dass das Rechnungs- und Kommunalprüfungsamt keine Bedenken gegen den Vorschlag erhebt.
Mit Vermerk vom 16.07.2003 hielt die Verwaltung des Auftraggebers fest, dass sich die Antragstellerin nach dem Ergebnis der Ausschreibung erkundigte und telefonisch ihr Angebot nach unten korrigierte. Sie machte dem Auftraggeber telefonisch ein Angebot mit einem Preis von 0 EUR. Ferner wurde vermerkt, dass sich auch ein weiterer Bieter nach dem Ergebnis der Ausschreibung erkundigte und offenbar auch einen noch günstigeren Preis anbieten wollte.
Mit Datum vom 22.07.03 hielt der Auftraggeber in einem Vermerk fest, dass bei freihändiger Vergabe Preis-Nachverhandlungen möglich seien. Man wolle daher der Antragstellerin die Möglichkeit einräumen, noch ein Angebot für die Papierabfuhr und Verwertung im Jahre 2004 abzugeben.
Mit Fax vom 24.07.2003 wies die Antragstellerin zunächst darauf hin, dass sie die Anfrage als Markterkundung verstanden habe. Ferner wies sie darauf hin, dass ihrer Meinung nach der Auftragswert so hoch sei, dass eine EU-weite Ausschreibung für das eine Jahr erforderlich sei. Sie wies darauf hin, dass sie die Hinweise als förmliche Vergaberüge verstanden wissen will, falls der Auftraggeber ihr Angebot mangels Verbindlichkeit von einer Wertung ausschließen würde. Sodann bot sie sowohl die Entleerung der 43.000 Papierbehälter als auch die Sortierung und die daran anknüpfende Verwertung der von ihr erfassten Papierfraktion kostenneutral an. Für die Systemgestellung wie auch für die Entleerung der 1,1 cbm MGB und der Großraumcontainer bot sie einen Preis an. Ferner berechnete sie für den Druck und die Verteilung des Abfuhrkalenders einen bestimmten Stückpreis.
Lt. einem Vermerk vom 01.08.2003 diskutierte der Auftraggeber die Vergabe und die Rüge der Antragstellerin. Er hielt fest, dass eine EU-weite Ausschreibung seiner Meinung nach nicht erforderlich sei. Ferner hielt er fest, dass die Antragstellerin ein kurzes Absageschreiben erhalten solle mit dem Hinweis, dass ihre Auffassung zum Erfordernis einer EU-weiten Ausschreibung nicht geteilt werde. Die entsprechende Mitteilung wurde der Antragstellerin mit Datum vom 01.08.2003 übermittelt. Wer zu welchen Konditionen den Zuschlag erhalten soll, wurde nicht mitgeteilt. Ebenfalls am 01.08.2003 beauftragte der Auftraggeber die Beigeladene mit der Einsammlung und Verwertung des Altpapiers für das gesamte Jahr 2004. Er bat die Beigeladene, den Erhalt des Auftrages bis zum 15.08.2003 zu bestätigen. Mit Schreiben vom 12.08.2003 bestätigte die Beigeladene den Erhalt des Auftrages.
Mit Schreiben vom 12.08.2003 rügte die Antragstellerin erneut die freihändige Vergabe des Auftrages und bezog sich dabei auf ihr Rügeschreiben vom 24.07.2003. Ferner rügte die Antragstellerin, dass der Auftraggeber im Rahmen des freihändigen Vergabeverfahrens nicht weiter mit ihr über ihr Angebot vom 24.07.2003 verhandelt hat.
Noch bevor der Auftraggeber auf die Rüge mit Schreiben vom 15.08.2003 antwortete, hat die Antragstellerin mit Anwaltsschriftsatz vom 14.08.2003, eingegangen per Telefax am selben Tage, die Vergabekammer angerufen. Die Antragstellerin bezieht sich zunächst auf ihre Rügeschreiben an den Auftraggeber.
Sie führt aus, dass Ihrer Auffassung nach der Auftragswert den maßgeblichen Schwellenwert eindeutigüberschreitet. Ohne Berücksichtigung bzw. Gegenrechnung eines nach Marktlage zu erzielenden Verwertungserlöses müsse die Vergütung bei seriöser Kalkulation bei über 300.000 EUR/Jahr liegen. Bei der Schätzung des Auftragswertes sei es unzulässig, von einem Endpreis auszugehen, der etwaige Verwertungserlöse von den Vergütungen in Abzug bringt. Das Verwertungsrecht am Altpapier stelle einen geldwerten Vorteil dar, der in jedem Falle der "Endvergütung" hinzuzurechnen sei.
Nach eingeschränkter Akteneinsicht am 02.09.2003 führt die Antragstellerin ergänzend aus, dass es seit längerem Verhandlungen zwischen dem Auftraggeber und ihr wegen einer Umstellung des Erfassungssystems von Papiercontainer auf Papiertonnen und der damit verbundenen Entgeltanpassung gegeben habe. Ihrer Auffassung nach handelt es sich bei der Abfrage des Auftraggebers, auf das sich ihr Angebot vom 10.06.2003 bezieht, nicht um ein Angebot in einem freihändigen Ausschreibungsverfahren. Vielmehr sei ihr gerüchteweise bekannt, dass der Auftraggeber ein Ausschreibungsverfahren betreibe. Sie habe daher am 15.07.2003 den Auftraggeber darauf angesprochen und um Übersendung der Unterlagen gebeten. Als sie gesehen habe, dass es sich nicht um die EU-weite Ausschreibung handele, habe sie die sofort mit Schreiben vom 24.07.2003 gerügt.
Am Rande weist die Antragstellerin darauf hin, dass ihrer Meinung nach die von dem Auftraggeber durchgeführte Vergabe nicht einmal den Vorschriften des I. Abschnitts der VOL/A genügt. Es habe keine einheitliche Abfrage von Angeboten unterschiedlicher Unternehmen mit eindeutig definierten und in gleicher Weise mitgeteilten Randbedingungen stattgefunden. Die Ansprache erfolgte ihrer Meinung nach offensichtlich wahllos. Sie habe die wenigen "Eckpunkte" der Ausschreibung nur auf Nachfrage erhalten. Die Vergabeakte enthalte keine Begründung, die den Vorschriften des § 3 Nr. 4 VOL/A für die Wahl der freihändigen Vergabe an Stelle einer beschränkten oderöffentlichen Ausschreibung genügt.
Soweit der Auftraggeber die Auffassung vertritt, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei, da der Auftraggeber bereits vor Anrufung der Vergabekammer wirksam den Zuschlag erteilt habe, vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass der Vertrag gemäß § 13 Abs. 6 VgV nichtig sei. Der Auftraggeber könne sich der Anwendung des § 13 VgV nicht entziehen, da er ein wettbewerbliches Verfahren unter Einbeziehung mehrerer Bieter durchgeführt habe.
Auch fehle ihr nicht, wie der Auftraggeber meint, die Antragsbefugnis, da sie ja Gelegenheit gehabt habe, ein Angebot abzugeben. Hier verwechsele der Auftraggeber seine formlose Angebotsanfrage mit der Abgabe eines Angebotes in einem ordnungsgemäßen Ausschreibungsverfahren. Nur ein förmliches Verfahren Gewähr leiste, dass sämtliche Bieter die Chance haben, das wirtschaftlichste Angebot abzugeben und den Zuschlag zu erhalten. Sie bezieht sich dabei auf eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22.01.2002, Verg 18/01. Dort wurde die Antragsbefugnis eines Unternehmens bejaht, dass "formlos" zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde und eine EU-weite Ausschreibung forderte.
Soweit der Auftraggeber in seinem Schriftsatz vom 30.09.2003 die Auffassung vertritt, dass es sich bei der Leistung um eine nicht ausschreibungspflichtige Dienstleistungskonzession handelt, führt die Antragstellerin aus, dass es sich dabei um eine nachgeschobene Begründung handele. Ihrer Meinung nach handelt es sich um ein klassisch ausgestaltetes Entsorgungsvertragsverhältnis. Es würden Entsorgungspflichten im Einzelnen geregelt, von einem Verwertungsrecht bzw. einer Konzession oder Aufgabenübertragung sei an keiner einzigen Stelle die Rede. Die wesentlichen Merkmale einer Dienstleistungskonzession würden hier nicht vorliegen.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
das Nachprüfungsverfahren einzuleiten und dem Antragsgegner den Nachprüfungsantrag zuzustellen;
- 2.
dem Antragsgegner zu untersagen, einem Dritten den Auftrag für die Entsorgung (Sammlung, Sortierung und Vermarktung) von Altpapier für die Zeit ab dem 01.101.2004 zu erteilen;
- 3.
den Antragsgegner zu verpflichten, den Auftrag für die Entsorgung von Altpapier für die Zeit ab dem 01.01.2004 im Rahmen eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens nach den Vorschriften des GWB, Vergabeverordnung für Leistungen zu vergeben, sofern der Antragsgegner beabsichtigt, einen entsprechenden Auftrag an Dritte zu vergeben;
- 4.
hilfsweise andere geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechte der Antragstellerin zu wahren;
- 5.
der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte zu gewähren;
- 6.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;
- 7.
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären;
- 8.
festzustellen, dass mit dem Auftragsschreiben des Antragsgegners vom 01.08.2003 an die Firma xxx und dem Vertragsdokument vom 13.08.2003 ein wirksamer Vertrag zwischen dem Antragsgegner und der Firma xxx nicht zu Stande gekommen, sondern dieser Vertrag nichtig ist.
Der Auftraggeber beantragt,
die Anträge der Antragstellerin abzulehnen.
Zur Begründung seiner Auffassung führt der Auftraggeber aus, dass der Antrag unzulässig sei, da das Vergabeverfahren bereits vor Eingang des Antrags durch wirksame Erteilung des Zuschlags beendet worden sei. Gegenstand der Nachprüfung könne jedoch nur ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren sein, nicht jedoch ein Verfahren, das durch Zuschlagserteilung bereits abgeschlossen sei.
Der Zuschlag sei seiner Meinung nach auch wirksam erteilt worden. Das Zuschlagsverbot aus § 13 Satz 3 VgV würde hier nicht greifen. Bei der Schätzung des Auftragswertes beträgt die Behandlung, Konfektionierung sowie der Transport abzüglich des zu erwartenden Erlöses rund 180.000 EUR brutto und liege damit unter dem maßgeblichen Schwellenwert.
Ferner weist der Auftraggeber rein vorsorglich darauf hin, dass die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei. Die Antragstellerin habe mit Schreiben vom 10.06.2003 erstmals ein schriftliches Angebot eingereicht. Dieses habe sie mit Angebot vom 24.07.2003 nach unten hin korrigiert. Seiner Meinung nach habe es die Antragstellerin mehrfach versäumt, ein aussagekräftiges und detailliertes Angebot abzugeben. Die Anforderungen an das Angebot waren seiner Meinung nach auch hinreichend definiert und die Vergleichbarkeit der Angebote war gegeben. Die Antragstellerin hat seiner Meinung nach die konkrete Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht dargelegt.
Der Auftraggeber ist auch der Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag schon deshalb unzulässig sei, da es sich bei dem mit der Beigeladenen abgeschlossenen Vertrag um keinen öffentlichen Vertrag im Sinne des Vergaberechts handele, sondern um eine Dienstleistungskonzession. Insoweit würden die Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe hier nicht in Betracht kommen. Er verweist dabei auf die Entscheidung der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg vom 04.09.2003, VK-2-20/2003. In dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt sei dem Bieter auch kein Geld gezahlt worden. Vielmehr habe er seine Leistungen durch die Verwertung der zur gesammelten Altkleider finanziert.
Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt. Sie unterstützt jedoch den Vortrag des Auftraggebers. Auch sie ist der Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig sei, da der § 13 VgV nach dem Wortlaut nicht anwendbar sei. Der Auftraggeber habe vielmehr mit ihr individuell über den Abschluss einer Dienstleistungskonzession verhandelt. Einen Wettbewerb um die Leistung habe der Auftraggeber in keinem Fall eröffnet. Bei den eingegangenen Angeboten könne es sich allenfalls um Initiativ-Angebote gehandelt haben. Dies belege der Umstand, dass die Antragstellerin schon mehrere Angebote für die Entsorgung des Altpapiers ab dem 01.01.2004 abgegeben habe.
Die Beigeladene weist darauf hin, dass ihrer Auffassung nach das wesentliche Kennzeichen einer Dienstleistungskonzession sei, dass der Auftragnehmer als Vergütung das Recht zur Verwertung seiner eigenen Leistung erhalte. Dies sei gerade hier der Fall, da sie als Auftragnehmerin das Vermarktungsrisiko trage.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25.09.2003 verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Das streitbefangene Vergabeverfahren ist noch nicht beendet. Der der Beigeladenen mit Schreiben vom 01.08.2003 erteilte Zuschlag ist gemäß §13 VgV nichtig. Entgegen der Ansicht des Auftraggeber handelt es sich bei der zu vergebenden Leistung nicht um eine Dienstleistungskonzession, sondern um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 4 GWB. Die Antragstellerin ist durch die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes im streitbefangenen Vergabeverfahren im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, da der Auftraggeber es versäumt hat, die zu vergebenden Arbeiten EU-weit auszuschreiben, obwohl der in § 2 Nr. 3 VgV genannte Schwellenwert überschritten wird. Die Voraussetzungen für eine freihändige Vergabe gemäß § 3 Nr. 4 lit. f und m VOL/A liegen nicht vor. Ferner hat der Auftraggeber selbst bei Anwendung des § 3 Nr. 4 VOL/A zu Lasten der Antragstellerin nur mit der Beigeladenen über den Preis für die Altpapierentsorgung verhandelt und damit auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Schließlich hat der Auftraggeber auch nicht in einer den Anforderungen des § 3 Nr. 5 VOL/A genügenden Weise seine Entscheidung aktenkundig gemacht, weshalb von einer Öffentlichen oder Beschränkten Ausschreibung abgesehen worden ist.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftragübersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich entgegen der Auffassung des Auftraggebers um einen Dienstleistungsauftrag betreffend den Vertrag über die Sammlung, Sortierung und Vermarktung von Altpapier und nicht um eine Dienstleistungskonzession.
Auch zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens konnte die Antragstellerin nicht davon ausgehen, dass der streitgegenständliche Auftrag in Form einer Dienstleistungskonzession vergeben werden soll. Ausweislich der der Vergabekammer zur Verfügung stehenden Vergabeunterlagen - Vermerk des von dem Auftraggeber als Berater eingeschalteten Büros xxx vom 11.12.2002 - ergibt sich eindeutig, dass der Auftraggeber ursprünglich selbst von einer ausschreibungspflichtigen Leistung ausging. In dem Vermerk wurde unter 5 a, 4. Unterpunkt darauf hingewiesen, dass für die Zeitplanung als Vorlauf zu berücksichtigen sei, dass mit einer Verfahrensdauer (ohne Nachprüfung) von ca. 6 Monaten (2 Monate Vorlauf, 2 Monate Angebotslegung, 2 Monate Auswertung/Beschlussfassung) zu rechnen ist. Handschriftlich wurde vom Auftraggeber dazu vermerkt, dass mit Nachprüfung noch ca. 4 Monate hinzuzurechnen seien. Ferner ergibt sich aus dem Vermerk in der Vergabeakte vom 01.08.2003, der Grundlage für das Absageschreiben an die Antragstellerin und Beauftragung der Beigeladenen war, dass der Auftraggeber zum Zeitpunkt der beabsichtigten Beauftragung selbst zutreffend von einem Dienstleistungsauftrag ausging. Der dem Vermerk beigefügten Anlage sind die Angebotssummen der angeschriebenen Bieter für die Entsorgung von Altpapier aus der Altpapiertonne beigefügt. Aus alledem ergibt sich, dass der Auftraggeber von den Bietern eine Angabe dahingehend erwartet hatte, wie hoch die zu leistende Zahlung für die durch ihn zu vergebende Sammlung, Sortierung und Vermarktung von Altpapier sein soll. Durch die Angebotsabfrage ist damit die Vergabe eines Dienstleistungsauftrages nach § 99 Abs. 4 GWB angestrebt worden und nicht die Vergabe einer Dienstleistungskonzession.
Eine öffentliche Dienstleistungskonzession wird definiert als ein Vertrag, bei dem die übertragene Dienstleistung im öffentlichen Interesse liegt, die Gegenleistung für die Erbringung der Auftragsleistung nicht in einem vorher festgelegten Preis, sondern in dem Recht besteht, die zu erbringende eigene Leistung zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten und bei dem der Konzessionär ganz oder überwiegend das wirtschaftliche Nutzungsrisiko trägt. (OLG Brandenburg NZBau 2001, 645,647).
Diese vier Merkmale einer Dienstleistungskonzession liegen jedoch bei der Sammlung, Sortierung und Vermarktung von Altpapier aus den privaten Haushalten nicht vor. Gemäß § 15 Abs.1 KrW-/AbfG haben dieöffentlich-rechtlichen Entsorger die in ihrem Gebiet anfallenden und überlassenen Abfälle, zu denen auch das Altpapier gehört, aus privaten Haushalten zu verwerten oder zu beseitigen. Lediglich bei Abfällen, die nicht bei den privaten Haushaltungen anfallen, sind die öffentlich-rechtlichen Entsorger gemäß § 15 Abs. 2 KrW-/AbfG von ihrer Pflicht befreit. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich eindeutig, dass es sich bei der zu vergebenden Sammlung, Sortierung und Vermarktung von Altpapier, soweit es um die privaten Haushaltungen geht, um eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Auftraggebers handelt, der er sich nicht entziehen kann. Zwar kann der öffentlich-rechtliche Entsorger gemäß § 16 Abs.1 Satz 1 KrW-/AbfG private Dritte beauftragen, diese Aufgabe für ihn zu erfüllen, seine Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Pflichten bleibt jedoch gemäß Satz 2 hiervon unberührt. Die Bezirksregierung Weser-Ems als zuständige Behörde hat weder auf Antrag noch mit Zustimmung des Auftraggebers als Entsorgungsträger gemäß § 16 Abs. 2 KrW-/AbfG die Pflichten des Auftraggebers auf die Beigeladene ganz oder teilweise übertragen. Entsprechende Unterlagen sind vom Auftraggeber nicht vorgelegt worden. Der Auftraggeber hat vielmehr nach dem vorgelegten Vertrag die Beigeladene im Innenverhältnis als Erfüllungsgehilfe bei der Erledigung der ihm gesetzlich nach wie vor obliegenden Aufgabe (Einsammlung der PPK-Fraktion) eingeschaltet. Den privaten Haushaltungen gegenüber bleibt der Auftraggeber uneingeschränkt entsorgungspflichtig. Dies ergibt sich auch aus dem der Vergabekammer vorgelegten Vertrag des Auftraggebers mit der Beigeladenen vom 13.08.2003. Dort heißt es in § 1 "Vertragsgegenstand:
Der Auftraggeber überträgt dem Auftragnehmer gemäß § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG als beauftragten Dritten für das Gebiet des Landkreises xxx die separate Einsammlung, Beförderung und Verwertung von Altpapier ..."
Auch die zweite Voraussetzung - Recht an der Verwertung der eigenen Leistung - liegt entgegen der Auffassung des Auftraggebers hier nicht vor. In § 3 des o. g. Vertrages ist explizit die Durchführung der Papiererfassung und -entsorgung geregelt. Ferner wird gemäß § 4 des o. g. Vertrages des Auftraggebers einÜberprüfungs- und Weisungsrecht eingeräumt. Hierbei handelt es sich bei den von der Beigeladenen zu erbringenden Leistungen um Entsorgungs- und Logistikteilleistungen und nicht um Rechte an der Verwertung eigener Leistungen. Auch sind in § 6 die Preise und Entgelte geregelt, die der Auftraggeber der Beigeladene zu vergüten hat.
Ferner liegt die dritte Voraussetzung für eine Dienstleistungskonzession - Erhalt des Entgeltes von den Nutzern der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen - nicht vor. In dem zuvor zitierten § 6 des Vertrages, in dem die Preise und Entgelte geregelt sind, ist u.a. festgelegt:
"Für die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen wird der Komplettpreis gemäß Angebot vom 10.06.2003 von 0,00 EUR netto vergütet, einschließlich aller in diesem Vertrag vereinbarten Leistungen. Alle Preise und Beträge sind in Euro vereinbart."
Aus dieser Vereinbarung ergibt sich, dass die Beigeladene nicht vergleichbar einem Konzessionär seine Dienstleistungen verkauft, wie z.B. der Betreiber einer Mautstation oder einer Autobahnraststätte. Vielmehr vergütet der Auftraggeber ihm die erbrachte Leistung in einem geldwerten Vorteil. Der Auftraggeber bezahlt die erbrachte Leistung mit einem Surrogat, in dem er ihr das Altpapier zur weiteren Verwertung und Verkauf überlässt, dessen Erlös sonst dem Auftraggeber - nicht etwa den andienungspflichtigen Haushaltungen - zustehen würde.
Auch das vierte Merkmal - das wirtschaftliche Nutzungsrisiko - einer Dienstleistungskonzession fehlt hier. Ein Dienstleistungsauftrag liegt vor, wenn der Auftragnehmer vom Auftraggeber eine Zahlung (Festpreis) für die Entsorgung des Altpapiers erhält. Bei dieser Vertragsgestaltung trägt der Unternehmer nicht das wirtschaftliche Risiko (vgl. BayObLG, Beschluss vom 23.01.2003, Az. 2/03). Da in den letzten drei Jahren die Altpapierpreise sehr stabil sind, ist ein wirtschaftliches Risiko für den Auftragnehmer bei einer Laufzeit des Vertrages bis Ende 2004, wie in § 7 - Vertragsdauer - festgelegt, leicht kalkulierbar und faktisch nicht vorhanden.
Auch soweit der Auftraggeber sich für seine Auffassung, es handele sich hier um eine Dienstleistungskonzession, auf die Entscheidung der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg vom 04.09.2003, Az. VK 2-30/2003 stützen will, kann dem nicht gefolgt werden. Im Gegensatz zum hier vorliegenden Fall handelte es sich dort um das Sammeln und Verwerten gebrauchter Textilien und Schuhe. Die Sammeleinrichtungen beschafft der dortige Unternehmer auf eigene Kosten, während im vorliegenden Fall jeder Haushalt von dem abfallbeseitigungspflichtigen Auftraggeber mit einem Behälter versorgt wird. Ferner muss der Auftragnehmer zusätzlich in dem von dem Auftraggeber zitierten Fall für die vom Auftraggeber vorgegebenen Stellplätze ein Entgelt als Platzmiete zahlen, während im vorliegenden Fall der öffentliche Auftraggeber die zu erbringende Leistung bezahlt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Entgelt nicht in jedem Falle Geld sein muss. Es bedeutet lediglich, dass deröffentliche Auftraggeber für die von dem Unternehmen zu erbringende Leistung einen Preis zahlt; hier einen Sachwert in Form des marktgängigen Wertstoffes Altpapier (vgl. Marx a.a.O. § 99 GWB Rdnr. 12).
Es handelt sich hier somit um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 99, Abs. 1, Abs. 4 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,-- Euro gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet entgegen der Auffassung des Auftraggebers deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert. Bei der Schätzung des Auftragswertes ist gemäß § 3 Abs. 1 GWB von der geschätzten Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung auszugehen. Das von dem Auftraggeber als Berater eingeschaltete Büro xxx rechnete lt. seinem Vermerk vom 11.12.2002 bei einer Neuausschreibung mit einem Auftragswert in Höhe von 420.962 EUR. Der Auftraggeber ging mit Stand Juni 2003 von Entsorgungskosten in Höhe von 532.880,75 EUR/Jahr brutto aus. Selbst wenn man die Papiermenge des Jahres 2002 (7.786 t) zu Grunde legt und diese mit der Schätzung des als Berater eingeschalteten Büros xxx mit einem, wie es schreibt, "garantierten" Erlös von min. 40 EUR/t multipliziert, ergibt sich ein Auftragswert in Höhe von mindestens 311.440 EUR/Jahr.
Bei der Ermittlung des Auftragswertes ist von der geschätzten Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung auszugehen. Wie bereits festgestellt, ging der Auftraggeber selbst von einem Auftragswert aus, der oberhalb des Schwellenwertes lag. Das Entgelt nach dem der Auftraggeber verpflichtet ist, erfasst jede Art von Vergütung, die einen Geldwert darstellen kann (vgl. Europäische Kommission: Leitfaden zu den Gemeinschaftsvorschriften über öffentliche Dienstleistungen). Demnach muss die Gegenleistung nicht notwendig in Geld bestehen, sodass im Sinne des deutschen Rechts jede Art von zweiseitig verpflichtendem Vertrag erfasst ist (vgl. Boesen, Vergaberecht Kommentar zum 4. Teil GWB, § 99 Rdnr. 57). Der Auftraggeber vergütet der Beigeladenen ihre zu erbringende Leistung dadurch, dass er ihr die geldwerten Beträge, die sie für das Verwerten und den Verkauf des Altpapiers erzielt, überlässt. Diese erzielbaren Erlöse sind dem vereinbarten Preis in Höhe von 0 EUR hinzuzurechnen. Selbst unter Berücksichtigung eines "konservativ ermittelten" Erlöses in Höhe von min. 300.000 EUR/Jahr wird der Schwellenwert eindeutig überschritten.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bewerberin ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, der Auftraggeber habe in mehrfacher Hinsicht gegen Vergaberecht verstoßen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist weiterhin, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, § 107, Rn. 677). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass der streitbefangene Auftrag ausgeschrieben werden musste oder zumindest mit ihr über ihr Angebot im Rahmen der durchgeführten freihändigen Vergabe weiter hätte verhandelt werden müssen und ihr möglicherweise der Zuschlag zu erteilen wäre, wenn der Auftraggeber nicht nur mit der Beigeladenen verhandelt hätte. Eine über die Schlüssigkeit hinausgehende Darstellung des Rechtsschutzbedürfnisses ist nicht erforderlich. Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. Vergabekammer Südbayern, Beschluss v. 13.12.1999 - 11/99).
Die Antragstellerin hat auch die von ihr geltend gemachten Verstöße gegen das Vergaberecht im streitbefangenen Vergabeverfahren unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, a.a.O., § 107 Rn. 681). Der durch das Vergaberechtsänderungsgesetz dem Bieter erstmals gewährte Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren setzt auf der anderen Seite voraus, dass sich der Bieter seinerseits auch stets gebührend um seinen Rechtsschutz bemüht. Dazu gehört gerade auch die vorprozessuale Rüge. Für die Kenntnis des konkreten, von einem Bieter geltend zu machenden Vergaberechtsverstoßes bedarf es für ein fachkundiges Bieterunternehmen in der Regel nicht der vorherigen Konsultation eines Rechtsanwaltes. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Verfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2000, Az.: Verg 9/00). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin durch das entsprechende Schreiben unter der bisherigen Firma xxx vom 24.07.2003 den Verstoß gegen die Pflicht zu einer EU-weiten Ausschreibung rechtzeitig gerügt. Mit Informationsschreiben vom 01.08.2003 hatte der Auftraggeber die Antragstellerin darüber informiert, dass er ihre Einschätzung nicht teile. Mit Schreiben vom 12.08.2003 hat die Antragstellerin auch bezüglich der vom Auftraggeber nicht mit ihr durchgeführten Verhandlungen im Rahmen der freihändigen Vergabe rechtzeitig vor Anrufung der Vergabekammer gerügt. Bezüglich der weiteren von der Antragstellerin im Zuge des Nachprüfungsverfahrens geltend gemachten vermeintlichen Fehler und Mängel des Vergabeverfahrens hatte die Antragstellerin erst aufgrund der im Zuge des Nachprüfungsverfahrens gehaltenen Akteneinsicht positive Kenntnis, sodass eine vorherige Rüge nicht möglich war.
Dem Einwand des Auftraggebers und der Beigeladenen, der Nachprüfungsantrag sei gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB unzulässig, weil er erst nach Erteilung des Zuschlags am 13.08.2003 gestellt worden sei, ist unzutreffend. Dieser Zuschlag ist gemäß § 13 VgV nichtig, weil der Auftraggeber nicht den Ablauf der 14-tägigen Informationsfrist abgewartet hat. Der Auftraggeber hat als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB alle Vorschriften des Vergaberechtsregimes zu beachten, u.a. auch § 13 VgV. Wie das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 30.04.2003, Az. Verg 67/02, zutreffend ausführt, soll mit einer Information des Auftraggebers nach § 13 VgV über den beabsichtigten Zuschlag dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes bis zur Zuschlagserteilung entsprochen und auch dem Urteil des EuGH vom 28.10.1999 (Rs. C-81/98) Rechnung getragen werden. In diesem unter dem Stichwort "Alcatel" bekannt gewordenen Urteil (NZBau 2000, 33 ff.) hat der EuGH Art. 2 Abs. 1 lit. a und b der Richtlinie vom 21. 12 1989 (zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabeöffentlicher Liefer- und Bauaufträge) dahin ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag schließt, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen, indem der Antragsteller - unabhängig vom Sekundärrechtsschutz - die Aufhebung der Entscheidung erwirken kann, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Da jeder Auftraggeber grundsätzlich für seine Irrtümer selbst einstehen muss und der Irrtum als solcher objektives Recht nicht beseitigen kann, ist ein Irrtum über die Einschlägigkeit des Vergaberechts - hier über die Ausschreibungspflichtigkeit an sich - für die Anwendung des § 13 Satz 5 und 6 VgV unerheblich. Der Vorschrift des § 13 VgV lässt sich auch nicht entnehmen, dass ihre Anwendbarkeit von der Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens abhängt. Nach dem Wortlaut muss es sich nur um ein Verfahren handeln, in dem es Bieter und Angebote gibt, und zwar mehr Bieter, als bei der konkreten Auftragsvergabe berücksichtigt werden können.
Ein solches "Bieterverfahren" als Vorstufe zur Auftragserteilung hat hier hinsichtlich der Angebotsabfrage eindeutig stattgefunden. Unstreitig hat der Auftraggeber ausweislich der Vergabeakte im Juni 2003 bei vier Bietern Angebote für die Abfuhr der PPK-Fraktion abgefragt und damit ein "wettbewerbliches Verfahren" durchgeführt. Auch aus dem Schriftsatz des Auftraggebers vom 22.08.2003 an die Vergabekammer ergibt sich eindeutig, dass der Auftraggeber selbst davon ausgegangen ist, einen Wettbewerb durchgeführt zu haben, den er, wie er meint, durch die Erteilung des Auftrages an die Beigeladene abgeschlossen hat. Dieses "wettbewerbliche Verfahren" war der Sache nach ein Verhandlungsverfahren (ohne vorherige veröffentlichte Vergabebekanntmachung) gemäß § 3 a Nr. 2 VOL/A. § 13 VgV gilt in allen seinen Bestimmungen auch für Verhandlungsverfahren; denn nach seinem Wortlaut deutet nichts darauf hin, dass von der Informationspflicht und den Rechtsfolgen bei der Verletzung der Informationspflicht eine Ausnahme für Verhandlungsverfahren gemacht werden sollte (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 16.10.2001, Az. Wverg0007/01). Auch nach dem Zweck der Vorschrift müssen Verhandlungsverfahren in ihren Geltungsbereich einbezogen werden. Dabei kann es zum Schutz der Bieter, die sich an dem Verhandlungsverfahren mit einem Angebot beteiligt haben, nicht darauf ankommen, ob das Verhandlungsverfahren mit oder ohne veröffentlichte Vergabebekanntmachung eingeleitet und durchgeführt worden ist. Das Unterlassen einer öffentlichen Bekanntmachung (im vorliegenden Fall sicher auch die Wahl des Verhandlungsverfahrens als Vergabeart) war ein Vergaberechtsverstoß. Ein in dieser Phase begangener Vergaberechtsverstoß kann es aber nicht rechtfertigen, dass sich deshalb die Pflichtenlage des öffentlichen Auftraggebers in einer späteren Phase des Vergabeverfahrens verringert. Denn die Anwendbarkeit des § 13 VgV richtet sich nach der objektiven Rechtslage; der öffentliche Auftraggeber hat nicht die rechtliche Kompetenz, durch sein Verhalten über den Eintritt und die Reichweite der Nichtigkeitsfolge des § 13 Satz 6 VgV zu disponieren (vgl. Senatsbeschlüsse OLG Düsseldorf v. 24.09. 2002 - Verg 48/02 - und v. 30. 4. 2003 - Verg 61/02;).
Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist durch das vergaberechtswidrige Verhalten des Auftraggebers im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Der Auftraggeber hat nicht nur unter Verstoß gegen § 13 VgV den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt, ohne den Ablauf der gesetzlichen 14-Tages-Frist zwischen Information der Bieter und Zuschlagserteilung abzuwarten, wie oben unter II. 1. erörtert. Er hat auch unter Verstoß gegen § 127 GWB i.V.m. § 4 Abs. 1 VgV und§ 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A versäumt, ein europaweites offenes Vergabeverfahren durchzuführen. Der Auftraggeber hat stattdessen faktisch ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung durchgeführt, ohne dass die diesbezüglichen Voraussetzungen des § 3 a Nr. 2 VOL/A vorliegen. Darüber hinaus hat er entgegen § 3 a Nr. 3 VOL/A versäumt, aktenkundig zu machen, weshalb von einem offenen oder nichtoffenen Verfahren abgewichen worden ist. Der Auftraggeber hat dadurch gegen den Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB und den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB verstoßen.
Gemäß § 13 VgV informiert der Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebotes. Er sendet diese Information in Textform spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsschluss an die Bieter ab. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber. Der Zuschlag darf vor Ablauf der Frist nicht erteilt werden. Ein dennoch abgeschlossener Vertrag ist, wie im vorliegenden Fall, nichtig. Der Auftraggeber hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 01.08.2003 darüber informiert, dass sie bei der Auftragsvergabe nicht berücksichtigt werde. Eine Benennung des Bieters, der den Zuschlag erhalten sollte, erfolgte nicht. Mit Schreiben vom gleichen Tage erteilte der Antragsteller der Beigeladenen bereits den Zuschlag, verbunden mit der Bitte, den Erhalt des Auftrags schriftlich bis zum 15.08.2003 zu bestätigen. Diese Bestätigung erfolgte mit Schreiben der Beigeladenen vom 12.08.2003. Die Zuschlagserteilung erfolgte somit vor Ablauf der 14-Tages-Frist und ist damit gem. § 13 VgV nichtig. Bereits dadurch hat der Auftraggeber gegen Vergaberecht verstoßen.
Der Auftraggeber hat es darüber hinaus versäumt, den streitbefangenen Auftrag im Rahmen eines europaweiten offenen Vergabeverfahrens gem. Abschnitt 2 der VOL/A, § 3 a Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A zu vergeben. Offene Verfahren i.S.d. § 3 a Nr. 1 VOL/A und § 101 Abs. 2 GWB sind Verfahren, in denen eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird. Entsprechend der Terminologie der zugrunde liegenden EU-Richtlinien unterscheidet auch deren nationale Umsetzung in § 3 a VOL/A zwischen offenen Verfahren, den nichtoffenen Verfahren und dem Verhandlungsverfahren. Es handelt sich hier um hierarchisch angelegte Vergabearten, die in § 101 Abs. 1 bis 4 GWB noch auf gesetzlicher Basis verankert worden sind. Diese stehen in einem strikten Stufenverhältnis zueinander (vgl. Fett in: Müller-Wrede, VOL/A, 1. Aufl.,§ 3 a, Rn. 11). Gemäß § 101 Abs. 5 Satz 1 GWB, § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A werden Aufträge grundsätzlich im offenen Verfahren vergeben. Damit ist das offene Verfahren vorrangig zu verwenden. Lediglich unter den engen, enumerativ aufgeführten Ausnahmetatbeständen darf das nichtoffene Verfahren oder, unter noch strengeren Voraussetzungen, das Verhandlungsverfahren, mit oder ohne vorherige Bekanntmachung angewandt werden. Die Beweislast für das Vorliegen der Ausnahmetatbestände trägt der Auftraggeber (vgl. Fett, a.a.O., Rn. 16; EuGH, Urteil v. 10.03.1987, Rs. 199/85, Slg. 1987, 1039). Der Vorrang des offenen Verfahrens ist bereits dadurch gerechtfertigt, dass diese Verfahrensart am stärksten den Wettbewerbsgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB gewährleistet. Denn das offene Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass sich grundsätzlich jedes Unternehmen auf der Grundlage der öffentlichen Bekanntmachung mit einem konkreten Angebot am Wettbewerb beteiligen kann. Es bietet am ehesten die Gewähr für die Einhaltung der Vergabegrundsätze des § 97 Abs. 1 und Abs. 2 GWB. Hier hat der Auftraggeber faktisch die einfachste Form des Vergabeverfahrens, nämlich ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung gem. § 3 a Nr. 2 VOL/A gewählt, ohne dass die in dieser Vorschrift unter lit. a bis h abschließend aufgeführten, engen Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 3 a Nr. 2 lit. d VOL/A darf ein Auftraggeber einen Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Bekanntmachung unter anderem dann vergeben, soweit dies unbedingt erforderlich ist, wenn aus zwingenden Gründen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte, die Fristen gem. § 18 a VOL/A (Angebotsfrist mindestens 52 Tage) nicht eingehalten werden können. Dabei dürfen die Umstände, die die zwingende Dringlichkeit begründen, auf keinen Fall dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sein. Der Auftraggeber hat sein Verhalten unter anderem damit begründet, dass der streitbefangene Auftrag mit einer einjährigen Laufzeit ab 01.01.2004 lediglich derÜberbrückung der Zeit dient, bis der streitbefangene Auftrag Sammlung, Sortierung und Vermarktung von Altpapier gemeinsam mit den ab 01.01.2005 aufgrund der auslaufenden Verträge neu zu vergebenden Leistungen für das Einsammeln und Befördern der Fraktionen Rest- und Bioabfall, Sperrmüll, Elektrogroßgeräte und Altmetall ab 01.01.2005 in einem Gesamtpaket öffentlich ausgeschrieben wird. Dies hat der Auftraggeber in der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2003 noch einmal bekräftigt. Darüber hinaus ergibt sich diese Absicht auch aus dem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk über eine entsprechende "Eilentscheidung" des Auftraggebers vom 10.07.2003.
Ungeachtet der Tatsache, dass bereits, wie unter I. 1. dargestellt, der Wert dieses Dienstleistungsauftrages für eine Laufzeit von nur einem Jahr deutlich den Schwellenwert für ein europaweites Vergabeverfahrenüberschreitet, ist das Verhandlungsverfahren auch nicht durch zwingende Dringlichkeit i.S.d. § 3 a Nr. 2 lit. d VOL/A geboten gewesen. Die Tatsache, dass die bisherige Vertragsleistung Papiereinsammlung über Papiercontainer im Rahmen des Vertrages mit dem DSD gekündigt wurde und zum 31.12.2003 ausläuft, war dem Auftraggeber nach eigenem Bekunden erstmals bereits aufgrund der Mitteilung des DSD vom 19.06.2003 sicher bekannt. Der Auftraggeber wäre daher ohne weiteres in der Lage gewesen, ein europaweites offenes Vergabeverfahren auch für den streitbefangenen Auftrag für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2004 unter Einhaltung der Fristen des § 18 a VOL/A durchzuführen. Dabei ist hier auch zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber sich mit der Vergabe des Auftrages zur Sammlung, Sortierung und Vermarktung von Altpapier bereits im Jahre 2002 intensiv befasst hat. Dies wird belegt durch den Auftraggeber im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vorgelegten Vermerk des von ihm beauftragten Fachbüros xxx vom 11.12.2002 über zu erwartende Kosten der Altpapierentsorgung nach Ausschreibung. Aber selbst wenn man dem Auftraggeber zugesteht, dass das Vergabeverfahren für den streitbefangenen Auftrag durch ein erst- und ggf. auch ein zweitinstanzliches vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren über die vom Ingenieurbüro xxx in dem Vermerk vom 11.12.2002 angesetzte Verfahrensdauer von mindestens sechs Monaten hinaus andauern kann, war der Auftraggeber nicht berechtigt, von vornherein von einem offenen Verfahren abzusehen. Lediglich der Verzögerungszeitraum selbst, der sich ggf. durch ein erst- oder zweitinstanzliches Nachprüfungsverfahren ergibt, lässt sich gem. § 3 a Nr. 2 lit. d VOL/A durch eine vorübergehende freihändige Vergabe in Form eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung überbrücken, da der Auftraggeber nur diese Verzögerung nicht voraussehen kann. Im Übrigen ist aus der Vergabeakte nicht ersichtlich, dass der Auftraggeber sich, wenn er schon von einem offenen Verfahren absieht, mit der Möglichkeit eines nichtoffenen Verfahrens, das der beschränkten Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb entspricht, oder einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger europaweiter Vergabebekanntmachung befasst hätte. Auch diese beiden Verfahren sind vorrangig gegenüber dem vom Auftraggeber vergaberechtwidrig gewählten Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung.
Darüber hinaus hat der Auftraggeber unter Verstoß gegen § 3 a Nr. 3 VOL/A i.V.m. § 30 VOL/A unterlassen, aktenkundig zu machen, weshalb von einem offenen oder nichtoffenen Verfahren abgewichen worden ist. Auch damit hat der Auftraggeber gegen den Transparenzgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen.
Da es sich bei dem von dem Auftraggeber mit der Beigeladenen abgeschlossenen Vertrag um einen Dienstleistungsauftrag handelt, der i.S.d. § 97 ff. GWB dem Vergaberechtsregime unterliegt, trifft die Vergabekammer gemäß § 114 GWB die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des festgestellten schwer wiegenden Verstoßes gegen den Wettbewerb und das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es erforderlich, die Aufhebung der Ausschreibung durch Beschluss der Vergabekammer herbeizuführen, da die Vergaberechtsverstöße - fehlende EU-weite Ausschreibung der zu vergebenden Dienstleistung im offenen Verfahren - nicht durch eine Verpflichtung zur erneuten Wertung der vorliegenden Angebote beseitigt werden könnten. Wegen der zentralen Bedeutung der Verpflichtung zur europaweiten Ausschreibung (vgl.auch Urteil des EuGH vom 10.04.2003 in den verbundenen Rechtssachen C-20/01 und C-28/01 Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender Ausschreibung des Abwasservertrages der Gemeinde xxx, Landkreis xxx und der Müllverbrennung xxx, hat die Vergabekammer diese Vergaberechtsverletzungen gemäß § 110 Abs. 1 GWB über den diesbezüglichen Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hinaus auch von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat der Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Nr. 1 GWB die Verpflichtung zugewiesen, geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen. Wegen der Schwere des Verstoßes muss die Vergabekammer deshalb darauf hinwirken, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wird.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.570 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag dürfte nach dem Ergebnis der Kostenschätzung für die streitbefangenen Ausschreibung 300.000 EUR/Jahr (netto) betragen. Dieser Betrag entspricht Kostenschätzung der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 300.000 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.570 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass erüber das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOB/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Der Auftraggeber wird aufgefordert, den Betrag von 2.570,00 EURO unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen:
xxx
Schulte,
Dr. Mielke