Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 04.09.2003, Az.: 203 VgK 16/2003

Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen; Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen Änderung der Beschaffenheit der Leistung; Voraussetzungen für die Aufhebung des Vergabverfahrens; Präklusion des Antragstellers hinsichtlich eines bereits für das Nachprüfungsverfahren relevanten Vorbringens; Voraussetzungen der Entstehung der Pflicht zur Aufhebung des Vergabeverfahrens; Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten im Vergabeverfahren

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
04.09.2003
Aktenzeichen
203 VgK 16/2003
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 32387
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen (Los 1)

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin ... Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Conrad
auf die mündliche Verhandlung
vom 02.09.2003
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 4.404,00 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Auftraggeber und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war sowohl für den Auftraggeber als auch für die Beigeladene notwendig.

Begründung

1

I.

Der Auftraggeber hat mit Datum vom 05.07.2002 die Sammlung und den Transport von Abfällen, Behälterbewirtschaftung; Entsorgung von Abfallfraktionen EU-weit für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2011 im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem er mit Bekanntmachung vom 27.04.2002 vorab darüber informiert hatte.

2

Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass die zu erbringenden Leistungen in vier Lose unterteilt waren. Es wurde darauf hingewiesen, dass Angebote für ein Los, mehrere Lose und alle Lose abgegeben werden können. Nebenangebote und Alternativvorschläge sollten nach Maßgabe der Bewerbungsbedingungen berücksichtigt werden.

3

Als Mindestbedingungen zur Teilnahme am Wettbewerb und zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit waren verschiedene Kriterien genannt worden. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Zuschlag auf das Hauptangebot oder gleichwertige Nebenangebot mit dem niedrigsten Angebotspreis erteilt werden soll. Der insoweit maßgebliche Preis sollte für jedes Los entsprechend dem jeweiligen Leistungsverzeichnis ermittelt werden.

4

Den Ausschreibungsunterlagen war zu entnehmen, dass die Laufzeit der Lose unterschiedlich lang ist. Den Bietern wurde auch mitgeteilt, dass losübergreifende Nebenangebote zulässig seien. Der Auftraggeber forderte von den Bietern mit dem Angebot Referenzen der letzten drei Geschäftsjahre, der Anerkennung als Entsorgungsfachbetrieb sowie Unterlagen zur Unternehmensstruktur. Ferner forderte der Auftraggeber die Bilanzen bzw. Bilanzauszüge der letzten drei Jahre.

5

Außerdem wurden die Bieter darauf hingewiesen, welche Anforderungen zu den einzelnen Losen noch zu erfüllen seien.

6

Mit Schreiben vom 22.08.2002, Eingang bei dem Auftraggeber am 26.08.2002, rügte die Antragstellerin ihrer Meinung nach vorliegende Verstöße gegen Vergabebestimmungen:

7

U.a. war sie der Auffassung, dass die angenommenen Mengenangaben für Hausmüll, Bioabfall und Sperrmüll unzureichend waren.

8

Die Antragstellerin hatte bereits gegen die ursprüngliche Wertung der Angebote die Einleitung eines Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer beantragt.

9

Mit rechtskräftigen Beschluss vom 14.02.2003, Az. 203 - VgK -35/2003, wurde der Auftraggeber verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten und dabei u.a. das Angebot der Bieterin, die seinerzeit an erster Stelle lag, von der Wertung auszuschließen.

10

Mit Datum vom 05.05.2003 ergänzte das von dem Auftraggeber beauftragte Ingenieurbüro seine ursprüngliche Angebotswertung und hielt fest, dass das Angebot der Fa. xxxxxxx zu Los 1 auf Grund des Beschusses der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg von der Wertung auszuschließen sei, die Angebotswertung im Übrigen aber unverändert bleibe.

11

Das nächstplatzierte Angebot sei das der Beigeladenen. An deren Eignung bestehe auf Grund der ursprünglichen Wertung keine Zweifel.

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Ferner hielt das beauftragte Ing.-Büro fest, dass seinerzeit keine Anhaltspunkte dafür gesehen wurden, dass das Angebot xxxxxxx nicht ordnungsgemäß kalkuliert worden sei oder ein grobes Missverhältnis zwischen Preis und Leistung bestehen würde. Diese Anhaltspunkte seien erst recht nicht für das etwas höhere Angebot der Beigeladenen anzunehmen.

13

Die Konformität des Angebotes der Beigeladenen mit den Verdingungsunterlagen wurde geprüft und bejaht. Das Büro empfahl, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

14

Der Auffassung des beauftragten Ingenieurbüros schloss sich der Kreisausschuss des Auftraggebers am 06.05.2003 an.

15

Mit Einschreiben vom 17.06.2003 informierte der Auftraggeber u.a. auch die Antragstellerin gemäß § 13 VgV, dass sie das Angebot der Bieterin, die seinerzeit an erster Stelle lag, ausgeschlossen habe, die Angebotswertung im Übrigen aber unverändert bleibe. Er beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der jetzigen Beigeladenen zu erteilen.

16

Noch während des noch laufenden ursprünglichen Nachprüfungsverfahrens mit dem Az. 203 - VgK - 35/2002 vor der Vergabekammer rügte die Antragstellerin erneut mit Schreiben vom 28.02.2003 das Vergabeverfahren. Sie vertritt die Auffassung, dass die angenommenen Mengenangaben für Hausmüll, Bioabfall und Sperrmüll unzureichend waren und die Ausschreibung daher nach § 26 VOL/A aufzuheben sei. In einem weiteren Rügeschreiben vom 25.06.2003 belegt die Antragstellerin ihrer Meinung nach die Gründe für eine Aufhebung der Ausschreibung. Zu der von der Antragstellerin erhobenen Rüge nimmt das beauftragte Ingenieurbüro am 16.04.2003 gegenüber dem Auftraggeber Stellung. Es führt einerseits aus, dass Abfallmengenschwankungen im bezeichneten Rahmen branchenüblich seien und daher vorhersehbar. Andererseits kommt es zu dem Ergebnis, dass seiner Meinung nach Gründe für eine Aufhebung nicht vorliegen, da die Abweichungen nur wenige %-Punkte betragen würden. Das Büro warnt vielmehr davor, dass eine unzulässige Aufhebung Schadensersatzforderungen in Höhe des entgangenen Gewinns rechtfertigen würden.

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Mit Antwortschreiben vom 26.06.2003 teilt der Auftraggeber der Antragstellerin lediglich mit, dass er auch auf Grund des Rügeschreibens vom 25.06.2003 zur Abfallmengenentwicklung keine Veranlassung sieht, die Ausschreibung aufzuheben.

18

Mit Anwaltsschreiben vom 27.06.2003 rügte die Antragstellerin erneut die Nichtaufhebung der Ausschreibung und die Vergabe des Auftrages an die Beigeladene. Dabei vertrat sie die Auffassung, dass der Auftraggeber unter dem Gesichtspunkt der Ermessensreduzierung auf Null verpflichtet sei, das Vergabeverfahren aufzuheben. Ferner wies sie darauf hin, dass für die Richtigkeit ihrer Annahme auch der Vergabesenat des OLG in der mündlichen Verhandlung des ursprünglichen Verfahrens mit dem Az. 13/Verg 6/03 (Az. der Vergabekammer: 203 - VgK - 35/2003) eine Aufhebung des Verfahrens in Betracht gezogen habe.

19

Die Antragstellerin hat sodann mit Anwaltsschriftsatz vom 29.06.2003, eingegangen per Telefax am selben Tage, die Vergabekammer angerufen. Die Antragstellerin macht ergänzend zu den bisherigen Rügen geltend, dass

  1. 1.

    sie erstmalig mit ihrer Rüge vom 28.02.2003 den rückläufigen Mengentrend über zwei vollständige Jahre festgestellt und belegt habe. Die Menge ging im Jahr 2001 um1,3 % zurück und im darauf folgenden Jahr 2002 um weitere 2,7 %.

  2. 2.

    Ferner habe sie erstmals mit Rügeschreiben vom 28.02.2003 noch einmal auf eine noch drastische Mengenentwicklung für das Jahr 2003 aufmerksam gemacht. Ihrer Meinung nach befinden sich die Abfallmengen im freien Fall und würden im Jahr 2005 sogar um 13 % unter der ausgeschriebenen Menge liegen. Sie habe als einziges Unternehmen 94 % des Umsatzes auf das Gewicht gelegt und die anderen Unternehmen 70 %. Jedem der

    mit der Materie beschäftigten Unternehmen und Büros sei klar, dass mit der Einführung eines Ident-Systems die Entleerungszahl nach unten geht. Ein Rückgang der Entleerungszahlenauf ein Drittel sei keine Seltenheit.

  3. 3.

    Das beauftragte Ingenieurbüro habe in seiner Stellungnahme selbst einräumen müssen, dass der Rückgang beim Restmüllaufkommen den Auftraggeber unerwartet getroffen habe. Das Büro habe in seiner Stellungnahme einräumen müssen, dass das gesamte Behältervolumen weiter zurückging und es von falschen Annahmen ausging.

  4. 4.

    Ihrer Ansicht nach drohen dem Auftraggeber durch die Nichtaufhebung der Ausschreibung einerseits eine Heraufsetzung der Vergütung für die Leistung, die weitüber ihrem Angebotspreis läge.

  5. 5.

    Ferner befürchtet sie, dass dem Auftraggeber Gebührenstreitigkeiten drohen und Gebührenbescheide angefochten werden.

20

Die Antragstellerin beantragt

  1. 1.

    den Antraggegner anzuweisen, ermessensfehlerfrei zu prüfen, ob und ggf. inwieweit das Vergabeverfahren in Bezug auf Los 1 aufzuheben ist; unter zutreffender Zugrundelegung des Beurteilungsspielraums.

  2. 2.

    Akteneinsicht,

  3. 3.

    dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzugeben,

  4. 4.

    festzustellen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten hat,

  5. 5.

    festzustellen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

21

Der Auftraggeber beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag abzuweisen,

  2. 2.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für den Antragsgegner notwendig war.

22

Er ist der Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag insgesamt unzulässig sei, jedenfalls unbegründet.

23

Im Hinblick auf die von der Antragstellerin angestrebte Aufhebung der Ausschreibung des Vergabeverfahrens kann seiner Meinung nach ein Schaden nur dann entstehen, wenn die Antragstellerin gerade durch die unterlassene Aufhebung in ihren Zuschlagchancen beeinträchtigt worden wäre. Hier sei es jedoch seiner Auffassung nach so, dass sich die Antragstellerin durch ihre Angebotskalkulation selbst um ihre Zuschlagschancen gebracht habe. Erst durch die Aufhebung des Verfahrens und einer unterstellten neuen Ausschreibung erhalte die Antragstellerin eine zweite Chance und könne ihr Angebot "nachbessern". Insoweit sei das Begehren der Antragstellerin rechtsmissbräuchlich.

24

Ferner führt der Auftraggeber aus, dass die Antragstellerin in ihren Rügeschreiben vom 28.02.2003 und 25.06.2003 auf die rückläufige Mengenentwicklung hingewiesen habe und dadurch die Grundlagen der Ausschreibung in Frage gestellt sah. Gleichwohl sei dieses Vorbringen seiner Meinung nach präkludiert, da die Antragstellerin lediglich die weitere Entwicklung eines einheitlichen Sachverhalts vorträgt, den sie bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Nachprüfungsverfahren vergeblich vorgetragen habe, da sie ihn schon seinerzeit nicht rechtzeitig gerügt habe. Auch sei für die Frage der Präklusion nach Ansicht des Auftraggebers die rückläufige Mengenentwicklung unerheblich. Seiner Auffassung nach seien die aktuellen Zahlen zur Mengenentwicklung von der Präklusionswirkung des § 107 Abs. 3 GWB erfasst.

25

Sofern die Antragstellerin die Aufhebung der Ausschreibung beantrage, fehle nach Auffassung des Auftraggebers dazu der Aufhebungsgrund, da keine wesentliche Änderung der Grundlagen der Ausschreibung vorläge. Er weist zudem darauf hin, dass es sich bei den in der Leistungsbeschreibung auf Seite 45 angegebenen Vordersätzen lediglich um unverbindliche Prognosen handele, die seine Erwartungen wiedergebe und für die Angebotsauswertung herangezogen werden. Er habe seiner Meinung nach unmissverständlich ausgeführt, dass der Auftragnehmer nicht darauf vertrauen kann, dass die angegebenen Stückzahlen je Position in voller Höhe abgerufen werden. Hinzu käme, dass die Ausschreibungsunterlagen keine feste, sondern vielmehr eine mengenbezogene Vergütung der Entsorgungsleistungen vorsehen. Insoweit müssen Anbieter sich von vornherein auf branchenübliche Mengenschwankungen bei der Kalkulation einstellen. Er habe sich seiner Meinung nach ermessensfehlerfrei für einen mengenbezogenen Entgeltmaßstab entschieden und diesen hinsichtlich der Hausmüllentsorgung um einen zusätzlichen Maßstab (Anzahl der Behälterleerungen) ergänzt.

26

Auch läge nach Auffassung des Auftraggebers kein "anderer schwer wiegender Grund" für eine Aufhebung vor. Seiner Meinung nach können nicht die in den speziellen Tatbeständen normierten strengen Anforderungen durch Rückgriff auf die Generalklausel ausgehebelt werden.

27

Ferner fehle es an einer Rechtsverletzung der Antragstellerin gemäß § 114 Abs. 1 GWB. Schützenswerte Individualinteressen der Antragstellerin, die für eine Aufhebung der Ausschreibung sprechen können, seien nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.

28

Soweit die Antragstellerin auf Überlegungen des Vergabesenats beim OLG Celle zur Aufhebung der Ausschreibung hinweist, gehen diese seiner Meinung nach ins Leere. Die Überlegungen beruhten allein auf dem Umstand, dass die Leistungsbeschreibung hinsichtlich des Ident-Systems geändert worden war, weil der Softwarehersteller xxxxxxx GmbH die Schnittstellen zum Gebührenprogramm nicht offen gelegt hatte. Der Vergabesenat habe die Beteiligten lediglich dazu Stellung nehmen lassen, ob dies ein Aufhebungsgrund sein könne.

29

Die Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag abzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Beigeladene für notwendig zu erklären

  4. 4.

    festzustellen, dass die Antragstellerin der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten hat;

  5. 5.

    gemäß § 112 Abs. 1Satz 2 GWB eine Entscheidung nach Lage der Akten zu treffen.

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Sie unterstützt den Vortrag des Auftraggebers und führt ergänzend aus, dass ihrer Meinung nach ebenfalls keine Gründe für eine Aufhebung der Ausschreibung vorliegen. Dabei führt sie aus, dass die ihrer Meinung nach unzutreffende Behauptung hinsichtlich der prognostizierten Abfallmengen präkludiert sei. Sie weist darauf hin, dass dieser Punkt bereits Gegenstand des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens gewesen sei und damit unzulässig.

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Darüber hinaus sei der Nachprüfungsantrag aus Ihrer Sicht aus folgenden Gründen unzulässig:

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Der Antragstellerin drohe durch die unterlassene Aufhebung kein Schaden.

33

Die Vorschriften des § 26 VOL/A seien nur insoweit bieterschützend, als ein Auftraggeber eine bereits eingeleitete Ausschreibung nicht ohne Grund aufheben darf. Dies sei hier aber nicht der Fall. Die Antragstellerin habe Ihrer Meinung nach auch nicht dargelegt, warum eine ordnungsgemäße Beendigung der Ausschreibung für dem Auftraggeber unzumutbar sein soll und daher die Ausschreibung aufzuheben sei.

34

Die Antragstellerin habe die von ihr erhobenen Beanstandungen nicht rechtzeitig zum Gegenstand einer Rüge gemacht. Zur Begründung verweist sie auf die Seite 11 ff. des rechtskräftigen Beschlusses der Vergabekammer in dem früheren Nachprüfungsverfahren. Die Tatsache der Präklusion träfe erst recht auf die Rügen vom 25.06.2003 und 27.06.2003 zu. Die Antragstellerin habe ihrer Auffassung nach lediglich bereits früher beanstandete Lebenssachverhalte wiederholt.

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Ferner vertritt die Beigeladene die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag auch unbegründet sei, da schwer wiegende Gründe die zu einer Aufhebung der Ausschreibung führen würden, nicht vorlägen. Die festgestellten Mengenschwankungen halten sich nach Auffassung der Beigeladenen absolut im Rahmen desÜblichen.

36

Soweit die Antragstellerin befürchtet, dass durch ein später eingeführtes "gebührenscharfes" Ident-System Kalkulationsrisiken entstehen, weist sie darauf hin, dass Mindestleerungen vorgesehen seien, sodass die Fixkosten angemessen abgedeckt werden können.

37

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 02.09.2003 Bezug genommen

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II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit die Antragstellerin ihren erneuten Nachprüfungsantrag auf Sachverhalte stützt, die bereits Gegenstand des rechtskräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 14.02.2003 gewesen sind, der im Zuge des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens 203-VgK-35/2002 zum streitbefangenen Vergabeverfahren ergangen ist. Soweit die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag auf ihr seither bekannt gewordene, neue Entwicklungen hinsichtlich der zu erwartenden Verringerung der zu entsorgenden Abfallmengen stützt, ist der Nachprüfungsantrag zulässig, aber unbegründet. Die von der Antragstellerin prognostizierte, von den in den Ausschreibungsunterlagen genannten Werten rückläufige Entwicklung der Abfallmengen berechtigt die Auftraggeberin entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht, das Vergabeverfahren gem. § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A wegen wesentlicher Änderungen der Grundlagen der Ausschreibung oder gem. § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A wegen anderer schwer wiegender Gründe aufzuheben, geschweige denn liegt eine entsprechende Ermessensreduzierung auf Null vor. Die prognostizierten Entwicklungen der Abfallmenge bieten auch keinen Anlass dafür, die Auftraggeberin zu verpflichten, die genannten Aufhebungstatbestände über das in der Vergabeakte dokumentierte Maß hinaus zu prüfen. Der Auftraggeber hat die erneute Wertung im streitbefangenen Vergabeverfahren vielmehr unter Berücksichtigung des rechtskräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 14.02.2003 in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt. Die Antragstellerin ist daher nicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt.

39

die Leistungsbeschreibung zurück. Wörtlich heißt es dort unter 2.3.3:

40

1.

Der Antrag ist nur teilweise zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag betreffend die Abfallabfuhr und Behälterwirtschaft gem. § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,00 EUR gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags für das jetzt noch streitbefangene Los 1 überschreitet nach dem Ergebnis der Ausschreibung deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

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Die Antragstellerin ist entgegen der Auffassung des Auftraggebers und der Beigeladenen auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, obwohl sich das Nachprüfungsbegehren auf die Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens gem. § 26 VOL/A, zumindest aber auf die vermeintliche Pflicht des Auftraggebers zur Überprüfung der Voraussetzungen des § 26 VOL/A im vorliegenden Fall und deren Dokumentation in der Vergabeakte bezieht. Die Antragstellerin hat als Bieterin im Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag. Der Umstand, dass ein Nachprüfungsantrag nicht unmittelbar zu dem begehrten Zuschlag, sondern - im Falle der Begründetheit des Antrags - zur Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 VOL/A führen würde, steht der Antragsbefugnis im Grundsatz nicht entgegen, weil die Bestimmungen über die Aufhebung der Ausschreibung nicht allein den Schutz Auftraggeber vor unwirtschaftlicher Auftragsvergabe und - auf Grund der restriktiven Ausgestaltung - dem Schutz der Bieter vor einer nutzlosen Erstellung zeit- und kostenintensiver Angebote wie der Diskriminierungsabwehr dienen. Wenn die Ausschreibung aufgehoben werden würde, bestünde für den Antragsteller grundsätzlich die Möglichkeit, sich an einem anschließenden neuen Vergabeverfahren zu beteiligen und so den Auftrag doch noch zu erhalten (vgl. Thüringer OLG, Beschluss v. 24.10.2002, Az.: 6 Verg 5/02; BayObLG, Beschluss v. 15.07.2002, Az.: Verg 15/02). Die Antragsbefugnis für ein auf Aufhebung eines Vergabeverfahrens gerichtetes Nachprüfungsverfahren kann einer Antragstellerin jedenfalls dann nicht abgesprochen werden, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, schlüssig vorträgt, warum ihrer Auffassung nach im konkreten Fall das dem öffentlichen Auftraggeber durch § 26 VOL/A eingeräumte Ermessen ausnahmsweise zu Gunsten einer Aufhebung auf Null reduziert (vgl. VK beim Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, Beschluss v. 06.11.2001, Az.: 1 VK 41/01).

42

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rn. 677). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sich ihrer Auffassung nach durch die prognostizierte rückläufige Entwicklung der zu entsorgenden Müllmengen die Grundlagen der Ausschreibung so wesentlich geändert haben, dass die Auftraggeberin nicht nur zur Aufhebung der Ausschreibung befugt ist, sondern ihr Ermessen zu Gunsten einer Aufhebung sogar auf Null reduziert ist. Eine über die Schlüssigkeit hinausgehende Darstellung des Rechtsschutzbedürfnisses ist nicht erforderlich. Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. Vergabekammer Südbayern, Beschluss v. 13.12.1999 - 11/99).

43

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ist lediglich zu verneinen, soweit sie sich erneut zur Begründung ihres Antrags auf ihren Vortrag und auf Sachverhalte bezieht, mit dem sie bereits im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren 203-VgK-35/2002 gemäß dem rechtskräftigen Beschluss der Vergabekammer vom 14.02.2003 schon seinerzeit gem. § 107 Abs. 3 GWB präkludiert war. Dies gilt insbesondere für den bereits im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vorwurf, dass die Mengenangaben für den zu entsorgenden Hausmüll in der Leistungsbeschreibung fehlerhaft seien. Bereits seinerzeit hatte die Antragstellerin vorgetragen, dass auf Seite 47 von 53 der Leistungsbeschreibung gegenüber der realen fraktionsbezogenen Mengenentwicklung bis 2001 für das Jahr 2005 von dem Auftraggeber unrealistisch hohe Tonnagen unterstellt wurden, was Auswirkungen auf den Tonnage-abhängigen Angebotspreis und damit auf die Kalkulation der Bieter habe. Dies führe dazu, dass bei sämtlichen Bietern, die die Verhältnisse vor Ort nicht kennen, fehlerhafte, zu niedrige Preiskalkulationen erfolgten. Lediglich die Antragstellerin habe auf Grund ihrer Kenntnisse aus ihrer bisherigen Tätigkeit für den Auftraggeber ein realistisches Angebot abgegeben. Die Vergabekammer hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 14.02.2003, 203-VgK-35/2002 (S. 12 ff.) festgestellt, dass die Antragstellerin mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen gem. § 107 Abs. 3 GWB präkludiert ist, weil die Antragstellerin die Angebotsunterlagen bereits mit Schreiben vom 12.07.2002 erhalten hatte und die von ihr geltend gemachten, vermeintlichen Unzulänglichkeiten der Leistungsbeschreibung als fachkundiges Unternehmen, das zudem als einziges Unternehmen im streitbefangenen Vergabeverfahren die Verhältnisse im Landkreis xxxxxxx (Auftraggeber) aus dem vorangegangenen Entsorgungsauftrag hinsichtlich der Infrastruktur und der Entsorgungsmengen für die einzelnen Abfallfraktionen genau kannte, unverzüglich nach Prüfung der Angebotsunterlagen bzw. während der Erarbeitung des Angebotes gegenüber dem Auftraggeber hätte rügen müssen. Sie hätte sich nicht bis zum 22.08.2002 und damit 5 Wochen Zeit lassen dürfen, um ein entsprechendes Rügeschreiben aufzusetzen, das dann erst am 26.08.2002 beim Auftraggeber einging.

44

Präkludiert gem. § 107 Abs. 3 GWB ist die Antragstellerin im vorliegenden, zu entscheidenden Nachprüfungsverfahren, soweit sie sich auf einen Mengenrückgang in den Jahren 2001 und 2002 beruft. Die Antragstellerin hat unmittelbar nach Abschluss des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens, mit Schreiben vom 28.02.2003 gegenüber dem Auftraggeber erstmalig vorgetragen, dass auf Grund Bekannt werden neuer Informationen das streitbefangene Vergabeverfahren gem.§ 26 VOL/A aufzuheben sei, weil sich durch die aktuelle Mengenentwicklung der Abfallströme Hausmüll, Biomüll und Sperrmüll die Grundlagen der Ausschreibung verändert hätten bzw. schwer wiegende Gründe für eine Aufhebung bestünden. Sie hat darauf hingewiesen, dass sich die Summe Hausmüll, Biomüll und Sperrmüll seit dem Jahr 2000 von 30.315 t auf 29.200 t im Jahre 2002 reduziert habe. Da das vorangegangene Nachprüfungsverfahren 203-VgK-35/2002 erst mit Beschluss vom 14.02.2003 beendet wurde, wäre die Antragstellerin als bisher mit der Durchführung der streitbefangenen Entsorgungsdienstleistungen beauftragtes Fachunternehmen zumindest hinsichtlich der Zahlen aus dem Jahr 2000 und 2001 in der Lage gewesen, diese Mengenentwicklung spätestens in der dem vorangegangenen Nachprüfungsverfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 05.02.2003 vorzutragen, so dass der diesbezügliche Vortrag mit Schreiben vom 28.02.2003 nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB war. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, a.a.O., § 107 Rn. 681). Der durch das Vergaberechtsänderungsgesetz dem Bieter erstmals gewährte Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren setzt auf der anderen Seite voraus, dass sich der Bieter seinerseits auch stets gebührend um seinen Rechtsschutz bemüht. Dazu gehört gerade auch die vorprozessuale Rüge. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Verfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2000, Az.: Verg 9/00).

45

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs erfolgten die Rügen der Antragstellerin mit Schreiben vom 28.02.2003 und 25.06.2003 nur rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB, soweit die Antragstellerin ihre Auffassung, die Grundlagen der Ausschreibung hätten sich durch den sich nunmehr als besonders rückläufig abzeichnenden Trend hinsichtlich der zu entsorgenden Müllmengen im Sinne des § 26 VOL/A geändert, auf Tatsachen stützt, die ihr erst nach Abschluss des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens bekannt waren. Dies mag, wie die Antragstellerin vorträgt, für die Gesamtjahresmenge 2002 gelten. Sie erfolgte aber insbesondere rechtzeitig hinsichtlich der von der Antragstellerin erstmalig mit Rügeschreiben vom 28.02.2003 aufgestellten Prognose, dass die Abfallmenge im Jahre 2005 (Hausmüll, Biomüll, Sperrmüll), also dem 1. Jahr des streitbefangenen Auftrags, in der Größenordnung um 28.000 t liegen werde und damit über 9 % unter den der von der Firma xxxxxxx in der Ausschreibung prognostizierten Menge im Jahre 2005 von 31.000 t liege. Insbesondere unter Berücksichtigung des Identsystems seien Rückgänge in den Abfallmengen bis zu 30 % möglich. Auch eine Reduzierung der Abfallmengen im Jahre 2005 auf ca. 25.000 t, im Falle des gebührenscharfen Betriebs des Identsystems sogar auf 20.000 t (= 65 % der ausgeschriebenen Menge) sei möglich. Die Antragstellerin hatte ihrem Rügeschreiben vom 28.02.2003 als Anlage eine Tabelle "Entwicklung der Abfallmengen im Landkreis xxxxxxx" beigefügt und damit der von ihr prognostizierte Trend ab 2003 noch einmal grafisch dargestellt wurde. Mit Schreiben vom 25.06.2003 hat sie ihre Prognose noch einmal mit den aktuellen Abfallmengen Januar bis Mai 2003 untermauert. Diese im anhängigen und zu entscheidenden Nachprüfungsverfahren aufgestellte Prognose hinsichtlich einer nach Auffassung der Antragstellerin drastischen Rückläufigkeit der zu entsorgenden Müllmengen gegenüber den in den Verdingungsunterlagen unterstellten Müllmengen hat die Antragstellerin jedenfalls auf Grund ihr aktuell vorliegender Zahlen und damit unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB geltend gemacht.

46

Die Frage, ob der rückläufige Trend tatsächlich so dramatisch ist, dass er den Auftraggeber wegen wesentlicher Änderung der Grundlagen der Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A zur Aufhebung der Ausschreibung nicht nur berechtigt, sondern ihn ggf. sogar im Wege der Ermessensreduzierung auf Null dazu verpflichtet, ist eine Frage der Begründetheit des Nachprüfungsverfahrens.

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2.

Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeberin ist vergaberechtlich weder gehalten, das streitbefangene Vergabeverfahren gem. § 26 VOL/A aufzuheben, noch hat sie Anlass dafür, die Möglichkeit einer Aufhebung über das in der Vergabeakte hinaus dokumentierte Maß hinaus zu prüfen. Die von der Antragstellerin prognostizierte, gegenüber den in den Ausschreibungsunterlagen genannten Werten rückläufige Entwicklung der Abfallmengen berechtigt die Auftraggeberin entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht, das Vergabeverfahren gem. § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A wegen wesentlicher Änderungen der Grundlagen der Ausschreibung oder gem. § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A wegen anderer schwer wiegender Gründe aufzuheben, geschweige denn liegt eine entsprechende Ermessensreduzierung auf Null vor. Der Auftraggeber hat die erneute Wertung im streitbefangenen Vergabeverfahren vielmehr unter Berücksichtigung des rechtskräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 14.02.2003 in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt.

48

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 VOL/A liegen nicht vor. Gemäß § 26 Nr. 1 VOL/A kann die Ausschreibung unter anderem aufgehoben werden, wenn sich die Grundlagen der Ausschreibung wesentlich geändert haben (lit. b) oder andere schwer wiegende Gründe bestehen (lit. d). Ein Vergabeverfahren wird normalerweise mit dem Zuschlag des Ausschreibenden auf das Angebot eines Bieters beendet. Von diesem Regelfall stellt die "Aufhebung der Ausschreibung" nach § 26 unter den dort festgelegten Voraussetzungen die Ausnahme dar. Zwar kann sich der Auftraggeber nach den allgemeinen Vertragsvorschriften des Bürgerlichen Rechts (§§ 145 ff. BGB) frei entscheiden, ob er den Auftrag erteilen will oder nicht. Auch aus den Verdingungsordnungen kann ein Rechtsanspruch der Bieter auf Erteilung des Zuschlags durch den Auftraggeber in all den Fällen, in denen kein rechtmäßiger Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 besteht, unmittelbar nicht entnommen werden (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 26, Rn. 12, m.w.N.). Jedoch würde eine durch§ 26 nicht gedeckte Aufhebung gegen die Verpflichtung des Auftraggebers zur Einhaltung der Vergaberegeln gem. § 97 Abs. 7 GWB verstoßen. Ferner kann sich deröffentliche Auftraggeber in diesem Fall Schadensersatzansprüchen des Bieters aus culpa in contrahendo ausgesetzt sehen, die zumindest auf Ersatz des negativen Interesses der mit der vergeblichen Teilnahme am Vergabeverfahren verbundenen Aufwendungen gerichtet sind (vgl. Fett in: Müller-Wrede, VOL/A, 1. Auflage, § 26, Rn. 100 ff.). Umgekehrt kann ein Bieter einen Anspruch auf Aufhebung eines Vergabeverfahrens gem. § 26 VOL/A nur in sehr engen Ausnahmefällen geltend machen. Da § 26 VOL/A lediglich als "Kannbestimmung" ausgestaltet ist, besteht für den Auftraggeber grundsätzlich keine Verpflichtung zur Aufhebung, wenn einer der vier in § 26 Nr. 1 genannten Aufhebungsgründe vorliegt. Er kann zwar ermessensgebunden die Ausschreibung aufheben, muss dies aber nicht. Der Schutzzweck des § 26 VOL/A verfolgt vorrangig zwei Ziele. Zum einen dient er den Interessen des Auftraggebers, der unter den engen Voraussetzungen des § 26 VOL/A im Interesse sparsamer Haushaltsführung ein Vergabeverfahren aufheben kann. Zum anderen dient die Vorschrift dem Schutz des Bieters vor willkürlicher Aufhebung von eingeleiteten Vergabeverfahren und vergaberechtlich unzulässiger Marktabfrage. Die Bieter dürfen und können grundsätzlich damit rechnen, dass der ausgeschriebene Auftrag auch tatsächlich vergeben wird, das Verfahren also durch einen wirksamen Zuschlag gem. § 28 VOL/A beendet wird. Erst dadurch rechnet sich für den erfolgreichen Bieter der eigene Aufwand für die Erstellung des Angebotes.

49

Wie bei allen ermessensgebundenen Handlungen kann sich aber die in § 26 verankerte Berechtigung des Auftraggebers zur Aufhebung der Ausschreibung zu einer diesbezüglichen Pflicht wandeln, wenn eine sog. Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Von einer derartigen Pflicht zur Aufhebung als einzig rechtmäßige Maßnahme ist ausnahmsweise auszugehen, wenn eine wettbewerblich und wirtschaftlich fundierte Vergabe nicht mehr möglich ist, sinnlos wäre oder aber Bieter einseitig und schwer wiegend beeinträchtigen würde. Eine derartige Pflicht zur Aufhebung besteht etwa in den Fällen, in denen irreparable Mängel der Leistungsbeschreibung, mithin Verstöße gegen § 8 Nr. 1 VOL/A vorliegen, sofern diese erheblich sind (vgl. Fett, a.a.O., § 26, Rn. 22, 24). In diesen Fällen kann einem Bieter ein vergaberechtlicher Anspruch auf Aufhebung des Vergabeverfahrens erwachsen, um so die Chance zu erhalten, in einem sich anschließenden, neuen Vergabeverfahren ein Angebot zu einem konkurrenzfähigen Preis anzubieten (vgl. Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss v. 06.11.2001, Az.: 1 VK 41/01; Thüringer OLG, Beschluss v. 24.10.2002, Az.: 6 Verg 5/02; BayObLG, Beschluss v. 15.07.2002, Az.: Verg 15/02).

50

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A vorliegen. Danach kann eine Ausschreibung aufgehoben werden, wenn sich die Grundlagen der Ausschreibung wesentlich geändert haben. Die wesentlicheÄnderung der Grundlagen der Ausschreibung sieht die Antragstellerin darin, dass sich die einzusammelnden und zu entsorgenden Müllmengen im Hoheitsgebiet des Auftraggebers nicht nur gegenüber den von der Auftraggeberin in den Verdingungsunterlagen genannten Mengen in den letzten Jahren verringert haben. Gerade aktuelle Zahlen der Jahre 2000 bis 2002 und des 1. Halbjahres 2003 lassen nach Auffassung der Antragstellerin vielmehr einen sich drastisch verstärkenden Trend zur weiteren Reduzierung in dem streitbefangenen Vertragszeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2011 prognostizieren. Dass die Mengenentwicklung aktuell rückläufig ist, wird von dem Auftraggeber nicht bestritten. Lediglich die Prognose einer deutlichen Verstärkung dieser Tendenz wird vom Auftraggeber nicht geteilt. Der Auftraggeber hat erklärt, dass er die Ausschreibungsunterlagen basierend auf den ihm seinerzeit tatsächlich vorliegenden Zahlen gefertigt hat. Ausgehend von 20.432 t im Jahre 2001 habe man sich für eine Aufrundung auf volle 1.000 t entschieden, was angesichts der damals steigenden Einwohnerzahl gerechtfertigt gewesen sei. Man sei in dieser Weise von einem jährlichen Mengenanstieg um 0,4 % ausgegangen, um so von 20.432 t im Jahre 2001 auf 21.000 t im Jahre 2008 (= Mitte des Leistungszeitraums) zu kommen. Das vom Auftraggeber beauftragte Ingenieurbüro xxxxxxx hat in einer in der Vergabeakte enthaltenen Stellungnahme vom 01.04.2003 errechnet und dargelegt, dass im Ergebnis im Jahre 2000 ein Rückgang von 2,5 % zu verzeichnen sei. Da ursprünglich von einem Anstieg um 0,4 % ausgegangen wurde, liege ein Prognosefehler von 3 % vor, womit in etwa das Niveau von 1997 erreicht sei. Der Auftraggeber ist dem Ingenieurbüro xxxxxxx darin gefolgt, dass nicht nur dieser aktuell feststellbare faktische leichte Rückgang der Mengen, sondern auch darauf aufbauende Prognosen nicht geeignet seien, eine Aufhebung gem. § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A zu rechtfertigen, sondern dass er sich vielmehr Schadensersatzansprüchen der Bieter ausgesetzt sieht, wenn er die Ausschreibung aufhebt. Der Auftraggeber hat schriftsätzlich wie auch in der mündlichen Verhandlung betont, dass die weitere Entwicklung der Abfallmenge ungewiss sei und unter anderem davon abhängt, ob und inwiefern die Konjunktur wieder anzieht. Er geht auch weiterhin von einer steigenden Einwohnerzahl im Landkreis aus, sicher sei dies aber nicht. Er habe deshalb vermieden, mit der Leistungsbeschreibung Prognosen hinsichtlich der zu entsorgenden Abfallmengen den Bietern mitzuteilen, sondern vielmehr die jüngste Entwicklung der Abfallmengen in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt und ggf. durch Aufrundung nach oben korrigiert. Diese Darstellung des Auftraggebers trifft zu. Auf Seite 7 ff. der Leistungsbeschreibung unter Ziffer 2.2 werden die erfassten Abfallmengen 1997 bis 2001 sowie der Quotient der Werte für 2001 und 1997 dargestellt, woran sich die bisherige Entwicklung ablesen lässt. Hinsichtlich der Entwicklungen im streitbefangenen Vertragszeitraum ab 2005 hält sich

"Absehbare Entwicklungen ab 2005"

51

Ab 2005, mit Aufnahme der hier vergebenen Leistung, wird die Abfuhr von 25/50-l-Mülleimern eingestellt. Für diese Größen werden entsprechende MGB zum Einsatz kommen. Weitere Entwicklungen bis 2005 sind nicht quantifizierbar; es ist davon auszugehen, dass die oben beschriebenen Entwicklungen (leichter Anstieg der Gefäßzahlen, Rückgang der mittleren Gefäßgröße, Mengenanstieg pro Kopf) weitergehen werden ..."

52

Es ist nach Auffassung der Vergabekammer nicht zu beanstanden, dass sich der Auftraggeber bei Abfassung der Verdingungsunterlagen mit der Berücksichtigung von Prognosen zurückgehalten hat und sich stattdessen auf die ihm zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Fakten beschränkt hat. Gemäß § 8 Nr. 1 VOL/A ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A soll dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Die zukünftige Entwicklung des Entsorgungsbedarfs im Hoheitsgebiet des Auftraggebers wird von Faktoren beeinflusst, deren Entwicklung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Voraus geschätzt werden kann, wie auch die unterschiedlichen Ansätze und Rückschlüsse des vom Auftraggeber beauftragten Ingenieurbüros xxxxxxx auf der einen Seite und des vom Antragsteller beauftragten Gutachters xxxxxxx zeigen. Allein die Faktoren Bevölkerungsentwicklung, Konjunkturentwicklung wie auch das künftige Verhalten der privaten und gewerblichen Abfallerzeuger im Hinblick auf die Abfalltrennung sind nicht absehbar. Der öffentliche Auftraggeber, der Entsorgungsleistungen ausschreibt, ist daher im Hinblick auf die Regelung des § 8 Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 3 VOL/A gehalten, von Prognosen hinsichtlich der Entwicklung der Abfallmenge nur zurückhaltend Gebrauch zu machen und den Bietern in erster Linie die Zahlen an die Hand zu geben, die dem Auftraggeber insbesondere hinsichtlich der jüngsten Entwicklung der für die Kalkulation maßgeblichen Fakten wie Abfallmenge, Behälter, Anzahl und Behältergröße etc. im Zeitpunkt der Abfassung der Verdingungsunterlagen aktuell bekannten und vorliegenden Zahlen mitzuteilen. Dies hat der Auftraggeber im vorliegenden Fall getan.

53

Aber selbst wenn man die von der Antragstellerin aufgestellte Prognose der Entwicklung bis zum Beginn des streitbefangenen Vertragszeitraums ab 2005 als richtig unterstellt, würden sich dadurch nicht die "Grundlagen der Ausschreibung" im Sinne des § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A wesentlich ändern. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung am 02.09.2003 eine von ihr gefertigte tabellarische Übersicht über die Entwicklung der Abfallmengen im Landkreis xxxxxxx (Auftraggeber) vorgelegt, wobei bis 2002 tatsächliche Ist-Werte zu Grunde gelegt wurden und ab 2003 eine Prognose dargestellt wird. Gegenüber den von dem vom Auftraggeber beauftragten Ingenieurbüro xxxxxxx bis zum Beginn des Vertragszeitraums 2005 prognostizierten 31.000 t ist nach der Schätzung der Antragstellerin mit einem Rückgang auf 28.300 t zu rechnen. Der geschätzte Wert der Antragstellerin liegt somit um 8,8 % niedriger als die der Ausschreibung zu Grunde liegende Prognose des Ingenieurbüros xxxxxxx. Hierin ist keine wesentliche Änderung der Ausschreibungsgrundlagen zu sehen. Zwar kann die Änderung der Grundlagen der Ausschreibung auf der Bedarfsseite liegen. Die Bedarfsplanung kann sich nachträglich ändern, wenn sich der Bedarf in erheblichem Umfang vergrößert oder verkleinert oder sogar, wie etwa wegen eines nachträglich aufgetretenen Nutzungs-, Dienstleistungs- oder Lieferverbots oder Wegfalls der Zweckbestimmung, völlig wegfällt (vgl. Portz in: Daub/Eberstein, a.a.O., § 26, Rn. 22). Nur geringfügigeÄnderungen einzelner Positionen der auszuführenden Leistung sowie geringfügige Änderungen in der Beschaffenheit der Leistung sind dagegen kein Grund für die Aufhebung der Ausschreibung. Ändern sich Faktoren, die für die Kalkulation des Bieters und damit für den Preis relevant sind, so ist dies vielmehr in dem sich an dem Vergabeverfahren anschließenden Vertragsverhältnis zu berücksichtigen. Die Regelung des § 2 Nr. 1 VOL/B, wonach der Auftraggeber nachträglich zumutbareÄnderungen in der Beschaffenheit der Leistung im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Auftragsnehmers verlangen kann, verdeutlicht, dass lediglich geringfügigeÄnderungen in der Beschaffenheit der Leistung kein Grund für die rechtmäßige Aufhebung sind. Vielmehr kann in einem solchen Fall über die Regelung in § 2 Nr. 3 VOL/B in der späteren Vertragsabwicklung eine Preisanpassung unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten erfolgen, wenn sich die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung durch Änderungen in der Beschaffenheit der Leistung geändert haben (vgl. Fett, a.a.O., § 26, Rn. 36).

54

Die Aufhebungsgründe des § 26 beziehen sich immer nur auf außergewöhnliche Umstände, die im vorliegenden Fall nicht vorliegen. Auch soweit die Antragstellerin über das Jahr 2005 hinaus einen weiteren Mengenrückgang durch Einführung des Identsystems prognostiziert, der sich im Falle eines gebührenscharfen Identsystems noch verstärken würde, wird diese Prognose zwar durch das von der Antragstellerin eingeholte, als Parteivortrag berücksichtigte Gutachten des xxxxxxx vom 14.08.2003 schlüssig dargelegt. Auch der Eintritt dieser Prognose kann jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit unterstellt werden, da eben die für die Entwicklung der für die zu entsorgenden Abfallmenge maßgebenden Faktoren, nämlich Entwicklung der Konjunktur und Bevölkerungsentwicklung im Landkreis xxxxxxx, schlechterdings nicht absehbar sind. Es kann deshalb dahinstehen, ob, wie in der Rechtsprechung vertreten, Prognosen schon deshalb nicht geeignet sind, den Aufhebungstatbestand des § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A zu erfüllen, weil der Normgeber durch die gewählte Zeitform "Perfekt" ("geändert haben") deutlich gemacht habe, dass es sich um ein Ereignis handeln muss, das bereits stattgefunden haben muss (vgl. VK bei der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, Beschluss vom 14.08.2003, Az.: VgK FB 3/03). Entscheidend ist vielmehr, dass den Bietern wie auch denöffentlichen Auftraggebern durch die Regelungen in § 2 Nr. 1 VOL/B und § 2 Nr. 3 VOL/B die nötigen Instrumente an die Hand gegeben sind, um in der späteren Vertragsabwicklung im Bedarfsfall auf mögliche, aber nicht sicher prognostizierbare Bedarfsänderungen zu reagieren und eine Preisanpassung unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten vorzunehmen. Die Rahmenbedingungen für die streitbefangene Ausschreibungändern sich im vorliegenden Fall nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage nicht. Insbesondere ändert sich weder der Umfang der gesetzlichen Abfallbeseitigungspflicht des Auftraggebers noch der Umfang des Entsorgungsgebietes. Der Aufhebungsgrund gem. § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A liegt somit nicht vor.

55

Auch der als Auffangtatbestand geregelte Tatbestand des § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A liegt nicht vor. Danach kann die Ausschreibung aufgehoben werden, wenn andere schwer wiegende Gründe bestehen. Mit dem Wort "andere" schwer wiegende Gründe wird in Nr. 1 lit. d klargestellt, dass die Voraussetzungen für diesen generalklauselartigen Auffangtatbestand nur dann erfüllt sind, wenn diese Gründe dem Gewicht der drei anderen Aufhebungsgründe in den Nr. 1 a - c gleichkommen (vgl. Fett, a.a.O., § 26, Rn. 52 ff., m.w.N.). Wichtig ist zudem, dass die weite Fassung der Nr. 1 d durch das Erfordernis einer engen, auf Ausnahmefälle beschränkten Anwendung maßgeblich relativiert ist. Die oben erörterten, theoretisch möglichen Bedarfsveränderungen sind nicht geeignet, eine Aufhebung aus schwer wiegenden Gründen zu rechtfertigen. Erst recht liegt keine entsprechende Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten einer Aufhebung der Ausschreibung vor.

56

Die Antragstellerin ist somit unter keinem Gesichtspunkt durch die unterlassene Aufhebung in ihren Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB verletzt.

57

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der Auftraggeber auch nicht zu Lasten der Antragstellerin das Vergaberecht verletzt, indem er die Frage der Aufhebung der streitbefangenen Ausschreibung gem. § 26 VOL/A vermeintlich nicht hinreichend geprüft hat und dies jedenfalls nach Auffassung der Antragstellerin nicht in einer den Anforderungen des § 30 VOL/A und dem Transparenzgebot des § 97 Nr. 1 GWB genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert hat. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin muss ein Auftraggeber nicht im gesamten Vergabeverfahren permanent die Aufhebung gem. § 26 VOL/A im Blick haben. Dies würde schon dem in § 26 verankerten Regel-/Ausnahmeprinzip widersprechen und außer acht lassen, das diese Vorschrift gerade auch im Interesse der Bieter nur unter engen Voraussetzungen gestattet, ein Vergabeverfahren aufzuheben. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Sachverhalt für den Auftraggeber Anlass bietet, von einer Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten einer Ausschreibung auszugehen, was vorliegend, wie oben dargestellt gerade nicht der Fall ist.

58

Dessen ungeachtet ist aber auch ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht gem. § 30 VOL/A nicht feststellbar. Danach ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Für den Fall der Aufhebung gem. § 26 VOL/A konkretisiert § 26 Nr. 3 VOL/A, dass die Gründe für die Aufhebungder Ausschreibung in den Akten zu vermerken sind. Dadurch muss der Auftraggeberüber die allgemeine Pflicht zur Erstellung eines Vergabevermerks über alle relevanten Stadien der Vergabe (§ 30) hinaus im Besonderen die Gründe nachvollziehbar dokumentieren, die ausnahmsweise das Abweichen von der Zuschlagserteilung an den wirtschaftlichsten Bieter rechtfertigen sollen (vgl. Fett, a.a.O., § 26, Rn. 77, 78, m.w.N.). Dies dient der Transparenz des Vergabeverfahrens und soll ähnlich wie die Regelung in § 3 Nr. 5 VOL/A auch eine Warn- und Kontrollfunktion erfüllen. Sowohl bei der Entscheidung, von eineröffentlichen oder beschränkten Ausschreibung abzuweichen, als auch bei der - wie dort - nur ausnahmsweise zulässigen Aufhebung der Ausschreibung soll sich der Auftraggeber durch die Verpflichtung zur Dokumentation bewusst werden, ob die von ihm gemutmaßten Ausnahmetatbestände auch tatsächlich vorliegen. Da sich der Auftraggeber gerade gegen eine Aufhebung entschieden hat, greift die Vorschrift des § 26 Nr. 3 VOL/A gerade nicht. Ungeachtet dessen genügt die Vergabeakte im vorliegenden Fall aber auch der Dokumentation der Behandlung der Frage der Aufhebung durch den Auftraggeber. Im Ordner 3 der Vergabeakte ist nicht nur ein anlässlich der Rüge der Antragstellerin vom Auftraggeber beim beauftragten Ingenieurbüro xxxxxxx eingeholter Vermerk vom 01.04.2003 enthalten, der sich ausführlich mit der Frage auseinander setzt, ob sich die Grundlage der Ausschreibung durch die sich abzeichnenden reduzierten Abfallmengen tatsächlich erheblich im Sinne des § 26 Nr. 1 lit. b VOL/A geändert hat. Aus der in der Vergabeakte enthaltenen Verwaltungsvorlage vom 23.04.2003 für die Sitzung des Kreisausschusses vom 28.04.2003 geht hervor, dass auch in diesem Gremium die Frage der Aufhebbarkeit der Ausschreibung erörtert wurde. Beigefügt war dieser Sitzungsvorlage auch ein von der Antragstellerin gefertigtes siebenseitiges Informationspapier zur Aufhebung der Ausschreibung. Ferner war beigefügt die von der Antragstellerin der Vergabekammer noch einmal in der mündlichen Verhandlungüberreichte tabellarische Darstellung ihrer Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Abfallmengen vom 28.02.2003. Eine weitere Verwaltungsvorlage vom 06.05.2003 für die Kreisausschuss-Sitzung am 16.06.2003 befasst sich mit dem in der Vergabeakte enthaltenen Antrag der CDU-Kreisfraktion vom 27.02.2003, die Ausschreibung für die Abfallentsorgung aufzuheben und ein neues Ausschreibungsverfahren durchzuführen. Ausweislich der in der Vergabeakte ebenfalls enthaltenen Niederschrift über die Sitzung vom 16.06.2003 hat der Kreisausschuss daraufhin mit 6 Ja- und 5 Nein-Stimmen beschlossen, dass der Antrag der CDU-Kreistagsfraktion vom 27.02.2003, die Ausschreibung für Abfallentsorgung aufzuheben und ein neues Ausschreibungsverfahren durchzuführen, abgelehnt wird und dass der Zuschlag für das Los 1 der Beigeladenen erteilt werden soll. Der Auftraggeber hat sich somit nicht nur mit der Frage der Aufhebung nach § 26 VOL/A befasst, sondern sowohl den Entscheidungsprozess wie auch das Ergebnis in einer den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Weise hinreichend dokumentiert.

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Nach alledem war der Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.

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III. Kosten

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungs-

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gesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die

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DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

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Es wird eine Gebühr in Höhe von 4.404,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

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Der zu Grunde zu legende Auftragswert für das streitbefangene Los 1 über die gesamte siebenjährige Vertragslaufzeit beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 12.698.119,00 EUR (netto, geprüft). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Nebenangebot 2 der Antragstellerin für das streitbefangene Los 1 und damit ihrem Interesse am Auftrag.

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Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. Euro; ca. 2 Mio. DM) zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 12.598.119,00 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 4.404,00 EUR.

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Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

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Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB hinsichtlich des Loses 1 unterlegen ist.

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Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten des Auftraggebers, die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Auftraggeber im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte sie für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

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Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

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Kosten der Beigeladenen:

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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden."

73

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdn. 1034).

74

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten eines durch die in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

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Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 4.404,00 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx

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auf folgendes Konto zu überweisen:

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xxx

Gause
Schulte
Conrad