Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.01.2020, Az.: 4 Sa 339/19 B
Angemessene Ratenzahlung für überzahlte Versorgungsbezüge
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 09.01.2020
- Aktenzeichen
- 4 Sa 339/19 B
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 11749
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2020:0109.4Sa339.19.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lüneburg - 03.04.2019 - AZ: 1 Ca 446/18
Rechtsgrundlagen
- § 389 BGB
- § 818 Abs. 4 BGB
- § 820 Abs. 1 BGB
- § 9 Abs. 4 VAHRG
- § 4 Abs. 2 VersAusglG
- § 353 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
- § 850b Abs. 2 ZPO
- § 850c Abs. 4 ZPO
- § 850e ZPO
- § 850f ZPO
Fundstelle
- FA 2020, 211
Amtlicher Leitsatz
Liegt kein überwiegendes Mitverschulden des Arbeitgebers für die Überzahlung von Versorgungsbezügen vor, genügt die Einräumung von angemessenen Ratenzahlungsmöglichkeiten regelmäßig den Erfordernissen einer im Rahmen der Rückforderung gemäß § 63 Abs. 2 Satz 3 NBeamtVG zu treffenden Billigkeitsentscheidung.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 3. April 2019 - 1 Ca 446/18 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Versorgungsbezügen.
Der am 00.00.1946 geborene Kläger war bei der Beklagten - der allgemeinen Ortskrankenkasse für das Land N. - als Dienstordnungsangestellter beschäftigt. Seit 1987 erhält er von der Beklagten ein Ruhegehalt nach den Vorschriften des N. Beamtenrechts. Dieses betrug im Februar 2018 € 2.629,76 netto. Von der d. Rentenversicherung erhält der Kläger seit dem 1. Juli 2017 eine monatliche Rente in Höhe von € 115,91 sowie einen Zuschuss zur privaten Rentenversicherung in Höhe von € 124,37.
Die Ehe des Klägers wurde durch Urteil des Amtsgerichts W. - Familiengericht - vom 00.00.1992 geschieden; zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Klägers wurden im Rahmen des Versorgungsausgleichs Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 884,27 DM begründet. Mit Schreiben vom 2. Juni 1992 teilte die N. Versorgungskasse dem Kläger mit, dass die Entscheidung vom 27. Februar 1992 nach Mitteilung des Amtsgerichts seit dem 24. April 1992 rechtskräftig sei. Eine Kürzung seiner Versorgungsbezüge gem. § 57 BeamtVG erfolge jedoch erst von dem Zeitpunkt an, von dem seine geschiedene Ehefrau eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalte.
Die am 00.00.1956 geborene, geschiedene Ehefrau des Klägers bezieht seit dem 1. Februar 2015 von der D. Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Wert der Entgeltpunkte entsprach zum Zeitpunkt des Rentenbeginns der geschiedenen Ehefrau € 666,29.
Nach Darstellung der Beklagten erhielt ihre Sachbearbeiterin B. im Rahmen eines Telefonanrufs von einer Mitarbeiterin der D. Rentenversicherung im September 2017 einen ersten Hinweis darauf, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers eine Rente bezieht. Die Mitarbeiterin B. bat mit Schreiben an die D. Rentenversicherung vom 23. Oktober 2017, 27. November 2017 und 16. Januar 2018 um verbindliche Mitteilung, ob die Ehefrau des Klägers eine Rente bezieht. Mit Telefaxschreiben vom 29. Januar 2018 teilte die D. Rentenversicherung der Beklagten mit, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers seit dem 1. Februar 2015 im Rentenbezug stehe.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Ruhegehalt nach § 69 NBeamtVG zu kürzen sei. Der aktuelle Kürzungsbetrag belaufe sich auf € 711,93 und werde erstmals ab den Bezügen für März 2018 in Abzug gebracht. Die aufgelaufenen Kürzungsbeträge für die Monate Februar 2015 bis Februar 2018 ergäben einen Gesamtbetrag von € 24.602,77 brutto. Um finanzielle Härten zu vermeiden und unter Berücksichtigung der monatlichen Pfändungsfreigrenze kürze sie die Versorgungsbezüge um den aktuellen Kürzungsbetrag und zur Abschmelzung der Überzahlung um einen weiteren Versorgungsausgleich. Der aktuell an den Kläger auszuzahlende Versorgungsbetrag belaufe sich auf € 1.589,10.
Mit der vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung der einbehaltenen Versorgungsbezüge für den Zeitraum vom 1. März 2018 bis zum 31. Oktober 2018 in Höhe von € 5.695,44 in Anspruch genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 3. April 2019, auf das in vollem Umfang Bezug genommen wird, abgewiesen. Gegen das ihm am 12. April 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. April 2019 Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Begründungsfrist am 11. Juli 2019 begründet.
Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe fehlerhaft angenommen, dass er sich nicht auf den Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen könne, da die Zahlung des Ruhegehaltes nach § 69 Abs. 5 NBeamtVG in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 der Vorschrift und des § 5 VAHRG unter dem Einwand des den Wegfalls der Bereicherung ausschließenden Vorbehalt der Rückforderung stehe. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit der entscheidungserheblichen Frage auseinandergesetzt, ob die Erwerbsminderungsrente seiner geschiedenen Ehefrau eine Rente im Sinne des § 69 Abs. 5 NBeamtVG sei. Das Arbeitsgericht habe ohne Berücksichtigung des unstreitigen Vortrages unterstellt, dass die Beklagte erst mit Schreiben der D. Rentenversicherung Bund vom 29. Januar 2018 über den Rentenbezug seiner geschiedenen Ehefrau informiert worden sei. Die Beklagte habe indes bereits im Jahre 2015 eine Mitteilung von der D. Rentenversicherung erhalten. Dieser Vortrag liege darin begründet, dass nach § 2 Abs. 1 VAErstV der Versicherungsträger (D. Rentenversicherung) innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres vom zuständigen Versorgungsträger (der Beklagten) informiert werde. Die Beklagte habe es unterlassen, eine Anfrage bei der D. Rentenversicherung zu stellen. Damit habe sie gegen Richtlinien verstoßen, die mit einem Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 17. Juli 2000 zur Durchführung des § 27 BeamtVG bzw. zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 5 VAHRG vorgegeben wurden. Bei der Heraufsetzung der Pfändungsfreigrenze habe das Gericht die allgemeinen Lebenshaltungskosten nur mit € 492,00 und nicht mit € 800,00 angesetzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 3. April 2019 - 1 Ca 446/18 - abzuändern und
1. festzustellen, dass der Beklagten keine Ansprüche auf Rückzahlung des Kürzungsbetrages nach § 69 NBeamtVG zustehen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 11.969,29 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
auf € 711,93 ab 01.03.2018,
auf weitere € 711,93 ab 01.04.2018,
auf weitere € 711,93 ab 01.05.2018,
auf weitere € 711,93 ab 01.06.2018,
auf weitere € 711,93 ab 01.07.2018,
auf weitere € 711,93 ab 01.08.2018,
auf weitere € 711,93 ab 01.09.2018,
auf weitere € 711,93 ab 01.10.2018,
auf weitere € 711,93 ab 01.11.2018,
auf weitere € 695,24 ab 01.12.2018,
auf weitere € 695,24 ab 01.01.2019,
auf weitere € 695,24 ab 01.02.2019,
auf weitere € 695,24 ab 01.03.2019,
auf weitere € 695,24 ab 01.04.2019,
auf weitere € 695,24 ab 01.05.2019,
auf weitere € 695,24 ab 01.06.2019 und
auf weitere € 695,24 ab 01.07.2019
zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, über die Bezüge des Klägers korrekt abzurechnen und keine Aufrechnungen mit bereits geleisteten Bezügen vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
B. Die Berufung ist nicht begründet.
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung der in der Zeit vom 1. März 2018 bis zum 1. Juli 2019 einbehaltenen Versorgungsbezüge in Höhe von € 11.969,29 zu. Der Anspruch des Klägers ist durch die mit Schreiben vom 14. Februar 2018 erklärte Aufrechnung mit den überzahlten Bezügen erloschen, § 389 BGB
1. Der Beklagten steht gegen den Kläger eine aufrechenbare Gegenforderung in Höhe von € 25.602,77 zu.
a) Gem. § 89 Abs. 3 NBeamtVG gilt für die am 1. Januar 2002 vorhandenen Ruhestandsbeamten § 88 Abs. 3 bis 8 Nrn. 1 bis 5 NBeamtVG entsprechend. Nach der Übergangsregelung in § 88 Abs. 6 NBeamtVG wird das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, abweichend von Abs. 2 erst dann gem. § 69 NBeamtVG gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist.
Die Voraussetzungen dieser Regelungen sind hier gegeben. Der Kläger hat im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich (24. April 1992) bereits Ruhegehalt erhalten, war also als "Pensionär" mit vorhandenem, zu schützendem Versorgungsbesitzstand von dem Versorgungsausgleich betroffen. Weiterhin ist aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten (frühere Ehefrau des Klägers) ab dem 1. Februar 2015 eine Rente zu gewähren. Das ergibt sich aus dem Schreiben der D. Rentenversicherung vom 14. Februar 2018, mit dem diese der Beklagten mitgeteilt hat, dass die frühere Ehefrau des Klägers ab dem 1. Februar 2015 eine Erwerbsminderungsrente beziehe.
Zwingende Rechtsfolge des Vorliegens der genannten Voraussetzungen ist nach alledem die Kürzung des Ruhegehalts des Klägers (erst) ab dem 1. Februar 2015.
b) Gem. § 63 Abs. 2 NBeamtVG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Die Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs gem. § 812 BGB sind erfüllt. Hiernach ist zur Herausgabe verpflichtet, wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt. Der Kläger hat durch Leistung der Beklagten in dem Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 28. Februar 2018 eine Überzahlung von Versorgungsbezügen in Höhe von € 25.602,77 ohne Rechtsgrund erlangt.
Die Auffassung des Klägers, die seiner geschiedenen Ehefrau gezahlte Erwerbsminderungsrente sei keine Rente im Sinne des § 69 NBeamtVG, findet schon im Wortlaut keine Stütze. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sind zudem eindeutig. § 69 NBeamtVG dient dem finanziellen Interesse des Dienstherrn, durch die Ehescheidung des Beamten bezüglich der gesamten Versorgungsaufwendungen nicht höher belastet zu werden, als wenn sich der Beamte nicht hätte scheiden lassen (BVerwG 22. Januar 1987 - BVerwG 2 B 49.86; BVerfG 9. November 1995 - 2 BvR 1762/92). Deshalb verliert der Versorgungsempfänger - vereinfacht ausgedrückt - Versorgungsbezüge in der Höhe, in der sein geschiedener Ehegatte eine Rente erhält und deshalb Zahlungspflichten des Dienstherrn entstehen (vgl. § 225 SGB VI)
2. Der Kläger kann sich gegenüber dem Rückforderungsanspruch nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung nach § 63 Abs. 2 Satz 1 NBeamtVG iVm. mit § 818 Abs. 3 BGB berufen. Danach ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass eine zumindest teilweise Entreicherung in diesem Sinne vorliegt.
a) Dieser Umstand muss jedoch unberücksichtigt bleiben, weil der Kläger der verschärften Haftung gem. §§ 820 Abs. 1 Satz 2, 818 Abs. 4 BGB unterliegt. Nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet der Empfänger der Leistung verschärft, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund später wegfällt. Dieser Rechtsgedanke kommt insbesondere bei unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen zur Anwendung. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Zahlung des vollen Ruhegehalts des im Rahmen des Versorgungsausgleichs gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau ausgleichspflichtigen Klägers stand gemäß §§ 89 Abs. 3, 88 Abs. 6 Satz 2 NBeamtVG unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Dieser Rückforderungsvorbehalt schließt eine Berufung des Klägers auf eine Entreicherung aus, weil der Wegfall der Auszahlung des maßgeblichen Teils der Versorgungsbezüge von vornherein erkennbar möglich war.
b) Zutreffend ist zwar der Hinweis des Klägers, dass § 57 BeamtVG (Kürzung der Bezüge nach der Ehescheidung) zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts W. vom 27. Februar 1992 keine Regelung über die Zahlung unter Vorbehalt enthielt und nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts das Ruhegehalt eines geschiedenen Beamten nach Durchführung des Versorgungsausgleichs gerade nicht unter einem gesetzesimmanenten Vorbehalt der Rückforderung für den Fall rückwirkender oder erst nachträglich bekanntwerdender Rentengewährung an den geschiedenen Ehegatten stand (BVerwG 24. September 1992 - 2 C 18.91). § 57 Abs. 5 BeamtVG wurde durch Art. 6 Nr. 29 des Versorgungsreformgesetzes 1998 (VReformG) vom 29. Juni 1998 eingeführt und trat nach Art. 24 Abs. 1 VReformG am 1. Januar 1999 in Kraft. Der Gesetzgeber wollte mit der Einfügung des § 57 Abs. 5 BeamtVG als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sicherstellen, dass in den Fällen des Pensionistenprivilegs überzahlte Versorgungsbezüge unschwer zurückgefordert werden können (BT-Drucksache 13/9527, S. 41). Damit ist die anders lautende frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses gesetzlichen Vorbehalts überholt.
Das N. Beamtenversorgungsgesetz enthielt zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens zum 1. Januar 2013 eine entsprechende Regelung in §§ 88 Abs. 6 Satz 2, 69 Abs. 5. Es war Sache des Klägers, sich über die Gesetzeslage zu informieren.
3. Die von der Beklagten nach § 63 Abs. 2 Satz 3 NBeamtVG getroffene Billigkeitsentscheidung, von der Rückforderung nicht ganz oder teilweise abzusehen, ist nicht zu beanstanden.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts bezweckt diese Billigkeitsentscheidung eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (BVerwG 21. Februar 2019 - 2 C 24.17).
Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessenentscheidung einzubeziehen (BVerwG 26. April 2012 - 2 C 15.10). Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen, in denen der Beamte zwar entreichert ist, sich aber auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen kann, muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Ein Beamter, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als ein Beamter, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Liegt kein überwiegendes behördliches Mitverschulden für die Überzahlung von Besoldungs- oder Versorgungsbezügen vor, genügt die Einräumung von angemessenen Ratenzahlungsmöglichkeiten regelmäßig den Erfordernissen einer im Rahmen des Rückforderungsbescheids zu treffenden Billigkeitsentscheidung (BVerwG 15. Mai 1997 - 2 C 26.95).
b) Im Fall des Klägers lässt sich kein überwiegendes Verschulden der Beklagten feststellen. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass ihre Mitarbeiterin B. erst im Rahmen eines Telefonanrufs der D. Rentenversicherung im September 2017 "inoffizielle Kenntnis" über den Rentenbezug der geschiedenen Ehefrau des Klägers erlangt habe. Die D. Rentenversicherung habe nach mehrmaligen schriftlichen Anfragen erst am 29. Januar 2018 mitgeteilt, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers seit dem 1. Februar 2015 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Versorgungsakte des Klägers mit einem handschriftlichen Vermerk der Mitarbeiterin B. vom 14. September 2017 zur Einsicht vorgelegt, wonach eine Mitteilung der D. Rentenversicherung über den Rentenbezug vor dem 5. September 2017 nicht erfolgt sei.
c) Der Kläger sieht ein Verschulden darin begründet, dass die Beklagte es unterlassen habe, eine Anfrage bei der D. Rentenversicherung zu stellen. Damit habe sie gegen Richtlinien verstoßen, die mit einem Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 17. Juli 2000 zur Durchführung des § 57 BeamtVG bzw. zur Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 5 VAHRG vorgegeben seien.
Der Kläger kann mit dieser Einwendung nicht durchdringen. Zum einen richtet sich das angezogene Rundschreiben an untergeordnete Behörden, nicht hingegen an die Beklagte als Körperschaft öffentlichen Rechts. Zum anderen ist nach dem Inhalt des Rundschreibens nur eine einmalige Anfrage an den zuständigen Rentenversicherungsträger des Ausgleichsberechtigten zu Beginn des Versorgungsfalles erforderlich. Eine Anfrage an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hat die Beklagte mit Schreiben vom 6. Dezember 1996 gestellt. Mit Antwortschreiben vom 18. Dezember 1996 hat die BfA mitgeteilt, dass seitens der geschiedenen Ehefrau des Klägers bisher kein Rentenantrag gestellt worden sei. Schließlich war die BfA an dem Verfahren vor dem Amtsgericht W. beteiligt und daher über den Versorgungsausgleich informiert.
4. Vorliegend lässt sich deshalb kein überwiegendes Verschulden der Beklagten feststellen. Vielmehr muss sich der Kläger leicht fahrlässiges Verhalten im Hinblick auf seine Pflichten vorhalten lassen.
a) Der Kläger trägt vor, zu seiner geschiedenen Ehefrau bereits seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt und deshalb über den Bezug einer Erwerbsminderungsrente nichts gewusst zu haben. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers standen ihm Erkenntnismöglichkeiten über den Rentenbezug seiner Ehefrau zu.
b) Der Gesetzgeber hat Regelungen geschaffen, die es dem Kläger auch im Fall des fehlenden Kontakts zu seiner geschiedenen Frau erlaubt hätten, Auskunft zu bekommen. § 9 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606) sah einen eigenen hilfsweisen Auskunftsanspruch jedes Ehegatten gegen den Versorgungsträger des anderen Ehegatten vor, wenn er erforderliche Auskünfte von diesem nicht erhält oder erhalten kann. Auch die Nachfolgevorschrift des § 4 Abs. 2 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG) vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700) sieht einen entsprechenden Auskunftsanspruch vor. Dieser Auskunftsanspruch gilt zeitlich unbegrenzt, er umfasst gerade auch Änderungsansprüche im Nachgang zur rechtskräftigen Entscheidung über den Versorgungsausgleich (Brudermüller, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 4 VersAusglG Rn. 3). Von diesen familienrechtlichen Möglichkeiten hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Der mögliche Einwand des Klägers, diese Möglichkeit nicht gekannt zu haben, ginge ins Leere, denn die Beklagten als ihre ehemalige Arbeitgeberin traf insoweit keine Belehrungspflicht (vgl. auch BVerwG 21. Februar 2019 - 2 C 24.17).
Im Übrigen hat es der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts selbst in einem Fall, in dem der versorgungsausgleichspflichtige Beamte ohne eigenes Zutun verspätet von dem Versterben des geschiedenen Ehegatten erfährt, als nicht unverhältnismäßig angesehen, dass die gesetzliche Regelung eine Aufhebung der Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 57 BeamtVG zeitlich erst nach der Antragstellung ermöglicht. Der Beamte steht aufgrund der eingegangenen Ehe in größerer Nähe zu den maßgeblichen Umständen beim geschiedenen Ehegatten als der Dienstherr. Deshalb obliegt es ihm, sich über das weitere Lebensschicksal des geschiedenen Ehegatten zu erkundigen und dem Dienstherrn daraus die für die Höhe seiner Versorgungsbezüge folgenden Umstände mitzuteilen (BVerwG 19. November 2015 - 2 C 48.18).
5. Die Aufrechnung der Beklagten verstößt nicht gegen das Aufrechnungsverbot gem. §§ 62 Abs. 2 Satz 1 NBeamtVG, § 394 BGB.
Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 NBeamtVG kann der Dienstherr gegenüber Ansprüchen auf Versorgungsbezüge ein Aufrechnungsrecht nur in Höhe des pfändbaren Teils der Versorgungsbezüge geltend machen. Diese Regelung stellt eine Schutzvorschrift für den Versorgungsempfänger gegenüber Ansprüchen seines Dienstherrn dar. Es soll sichergestellt werden, dass der Beamte zumindest über Bezüge verfügt, welche die Höhe der Pfändungsfreigrenze nach den §§ 850 ff. ZPO erreichen. Nach § 850 Abs. 1 ZPO kann Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO gepfändet werden. Gemäß § 850 Abs. 2 ZPO zählen zum Arbeitseinkommen im Sinne dieser Vorschrift auch die Versorgungsbezüge des Beamten, so dass die §§ 850ff. ZPO unmittelbar anwendbar sind.
Bei der Ermittlung des pfändbaren Betrages ist von dem jeweiligen Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 ZPO auszugehen, sodann ist festzustellen, welche unpfändbaren Beträge (§ 850a ZPO) hiervon abzuziehen und ob weitere Abzüge vorzunehmen sind (vgl. § 850e Nr. 1 ZPO), und schließlich wird für das festgestellte Einkommen anhand der Tabelle der Anlage zu § 850c ZPO der pfändbare Betrag ermittelt.
Der Kläger macht im Berufungsverfahren geltend, er habe im Zeitpunkt der erstmaligen Kürzung (1. März 2018) über ein Nettoeinkommen in Höhe von € 2.192,53 verfügt. In Anwendung der Tabelle zu § 850 c ZPO habe die Beklagte nur einen Betrag in Höhe von € 707,99 pfänden dürfen. Der Kläger übersieht bei seinem Vorbringen, dass nach der Pfändungstabelle für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2019 der pfändbare Betrag bei einem bereinigten Nettoeinkommen bis € 2.199,99 € 739,34 beträgt. Der von der Beklagten einbehaltene Betrag in Höhe von € 711,93 liegt unterhalb dieses Betrages.
Der Kläger kann nicht mit seiner Einwendung durchdringen, die Pfändungsfreigrenze sei auf einen Betrag in Höhe von € 2.155,30 heraufzusetzen. Der Gesetzgeber hat in den §§ 850 ff. ZPO den Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen im Einzelnen geregelt, insbesondere welche Einkünfte der Pfändung unterliegen und welche Beträge einem Pfändungsschuldner als Eigenbehalt bzw. zur Erfüllung seiner Unterhaltspflichten belassen werden müssen. In Einzelfällen lässt das Gesetz zu, dass grundsätzlich unpfändbare Einkünfte pfändbar werden, Unterhaltsverpflichtungen unberücksichtigt bleiben oder Freibeträge auf Grund besonderer Umstände erhöht werden (§ 850 b Abs. 2, § 850 c Abs. 4, § 850 e, § 850 f ZPO). Diese Ausnahmeregelungen bedürfen aber ausdrücklich einer rechtsgestaltenden gerichtlichen Anordnung durch die Vollstreckungsgerichte. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger nicht gestellt.
II. Der Feststellungsantrag zu 3) ist - soweit er auf die Feststellung der Beklagten gerichtet ist, über die Bezüge des Klägers "korrekt" abzurechnen, bereits unzulässig; es fehlt an der hinreichenden Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Urteil mit einem dem Antrag entsprechenden Tenor wäre nicht vollstreckbar. Die Frage, was eine "korrekte" Abrechnung meint, ist im Erkenntnisverfahren zu klären.
III. Der Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, "Aufrechnungen mit bereits geleisteten Bezügen vorzunehmen", ist unbegründet. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
C. Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.