Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.08.2020, Az.: 1 TaBV 102/19
Zwingende unternehmenseinheitliche Regelungen als Begründung für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 31.08.2020
- Aktenzeichen
- 1 TaBV 102/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 43025
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2020:0831.1TaBV102.19.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 30.10.2019 - AZ: 11 BV 6/19
Rechtsgrundlage
- § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
Fundstellen
- ArbR 2021, 56
- EzA-SD 10/2021, 12
- FA 2021, 22
- NZA 2020, 1729
- NZA-RR 2021, 18-20
Amtlicher Leitsatz
Der GBR ist nach § 50 I BetrVG zuständig für den Abschluss einer GBV zur Regelung der Entlohnungsgrundsätze für AT-Angestellte, wenn ein mit allen - nach Struktur und Aufgabe gleichartigen - Betrieben an denselben Mantel- und Entgelttarifvertrag gebundenes Unternehmen AT-Angestellte unternehmenseinheitlich nach einer an die Tarifverträge anknüpfenden Vergütungsstruktur behandeln will.
Redaktioneller Leitsatz
Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Regelung der Vergütungsstruktur der AT-Angestellten steht grundsätzlich den örtlichen Betriebsräten und nicht originär dem Gesamtbetriebsrat zu. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat für eine Angelegenheit, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betrifft, originär zuständig, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergeifende Regelung besteht. Dieses Erfordernis kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben. Will der Arbeitgeber eine unternehmenseinheitliche Vergütungsstruktur im Bereich der AT-Angestellten praktizieren, um der unternehmenseinheitlichen Lohn- und Gehaltsgerechtigkeit Rechnung zu tragen, ergibt sich daraus die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Tenor:
- 1.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 30. Oktober 2019 - 11 BV 6/19 - abgeändert:
Die vom Beteiligten zu 2) verweigerten Zustimmungen zur Eingruppierung
- der N. W. in die AT-Stufe 1 (GBV AT ntltd.)
- des H. Y. in die AT-Stufe 1 (GBV AT ntltd.)
- des M. M. in die AT-Stufe 1 (GBV AT ntltd.)
- des R. B. in die AT-Stufe 2 (GBV AT ntltd.)
werden ersetzt.
- 2.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten noch über die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2 zur Eingruppierung der außertariflichen Angestellten Frau W. und der Herren Y., M. und B..
Die Beteiligte zu 1 ist ein Tochterunternehmen der D... AG mit bundesweit ca. 8.500 Mitarbeiter/innen. Sie vertreibt in ca. 850 Finanzcentern Bank- und Finanzdienstleistungen der P.-bank sowie zusätzliche Angebote wie Postdienstleistungen, Telekommunikationsprodukte, Papier- und Schreibwaren. Für die Tarifbeschäftigten der Beteiligten zu 1 gilt bundesweit ein einheitlicher Manteltarifvertrag sowie ein einheitlicher Entgelttarifvertrag. Nach Maßgabe eines Zuordnungstarifvertrages sind bundesweit 12 Flächenbetriebe und ein Betrieb Zentrales Management gebildet, in denen jeweils Betriebsräte bestehen. Der Beteiligte zu 2 ist der Betriebsrat des Flächenbetriebs A-Stadt. Der Beteiligte zu 3 ist der bei der Beteiligten zu 1 im Zuge einer Umstrukturierung zum 1. Januar 2006 gebildete Gesamtbetriebsrat.
Seit 2006 werden die Arbeitsverhältnisse der außertariflichen Mitarbeiter der Beteiligten zu 1 durch die Gesamtbetriebsvereinbarung "Gehaltsregelungen für außertarifliche nichtleitende Arbeitnehmer bei der P.-bank Filialvertrieb AG" vom 10. Februar 2006 (nachfolgend GBV nltd.) geregelt. Diese GBV (Bl. 39-44 d. A.) regelt die Arbeitsbedingungen der außertariflichen nichtleitenden Angestellten im Hinblick auf die Mindestbedingungen des Arbeitsvertrages (§ 2) und die Gehaltsregelungen (§ 3). Nach § 3 Abs. 1 GBV nltd. setzt sich das Gehalt aus einem Jahresgrundgehalt und einem Bonus pro Geschäftsjahr zusammen und ergibt das Jahreszielgehalt. Die GBV nltd. regelt die Jahreszielgehälter und die Gehaltsbandbreiten der Jahreszielgehälter in den AT-Stufen sowie in § 4 die Höhe eines Bonus, welcher vom Unternehmenserfolg der Antragstellerin zu 1 und vom individuellen Zielerreichungsgrad abhängt.
Die Zuordnung der außertariflichen Angestellten in eine Vergütungsstruktur erfolgt nach der Anlage 1 (Bl. 44 d. A.) und den dort normierten "Orientierungssätzen für die Einordnung zu AT-Stufen" in 4 dort näher definierte Stufen. Die Beteiligten zu 1 und 3 haben die GBV nltd. 2006 regelmäßig im Hinblick auf die in § 3 Abs. 7 normierten Gehaltsobergrenzen angepasst, wenn im Tarifbereich die Gehälter erhöht wurden; auf diese Weise sollte das Abstandsgebot zwischen Tarifbeschäftigten und außertariflich Beschäftigten im Hinblick auf die gewährte Vergütung gewahrt bleiben.
Auch im Flächenbetrieb A-Stadt kam seit 2006 auf die außertariflichen Mitarbeiter/innen die GBV nltd. zur Anwendung, die Eingruppierung erfolgte nach Zustimmung des Beteiligten zu 2 jeweils nach Maßgabe der Anlage 1.
Ob bei Abschluss der GBV nltd. 2006 der Beteiligte zu 2 einen formwirksamen Beschluss nach § 50 Abs. 2 BetrVG gefasst und den Beteiligten zu 3 mit der Verhandlung der GBV nltd. 2006 beauftragt hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Die Beteiligte zu 1 lässt sich Delegationsbeschlüsse nicht schriftlich vorlegen, der Vorsitzende des Beteiligten zu 2 hat erklärt, nach Sichtung der Unterlagen sei nichts zu finden, was auf eine mögliche Delegation des Verhandlungsmandates 2006 hinweisen könnte.
Bei der Neuverhandlung der Gesamtbetriebsvereinbarung "Gehaltsregelungen für außertarifliche nichtleitende Arbeitnehmer bei der P.-bankfilialbetrieb AG" (Bl. 273 - 279 d. A.) hat der Beteiligte zu 2 der Beteiligten 3 zunächst ein Verhandlungsmandat zum Neuabschluss der GBV erteilt, dieses aber im April 2019 wieder zurückgezogen. Die Beteiligten zu 1 zu 3 haben am 8. August 2019 die neue GBV vereinbart.
Nach einer bundesweiten Neustrukturierung des Geschäftes der Beteiligten zu 1 auf Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung "Jump - neue Führungsstruktur vom 26. Februar 2018" (Bl. 45-50 d. A.) wurde die Führungsstruktur der Beteiligten zu 1 neu ausgerichtet und die Finanzcenter zu insgesamt 350 Märkten zusammengefasst. Damit einher ging der Wegfall der Stellen der Filialleiter, neu eingerichtet wurden Stellen der Marktleiter. Diese wurden zunächst intern und sodann extern ausgeschrieben.
Die Beteiligte zu 1 hat im Flächenbetrieb A-Stadt verschiedene Marktleiterstellen ausgeschrieben, den Beteiligten zu 2 zur Eingruppierung in die Anlage 1 der GBV nltd. angehört und um Zustimmung gebeten. Streitgegenständlich zwischen den Beteiligten ist zweitinstanzlich noch die vom Beteiligten zu 2 verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der N. W. in die AT-Stufe 1, des H. Y. in die AT-Stufe 1, des M. M. in die AT-Stufe 1 und des R. B. in die AT-Stufe 2. Der Beteiligte zu 2 hat der Eingruppierung der Frau W. am 25. April 2019 (Bl. 89 d. A.), des Herrn Y. am 1. August 2019, des Herrn M. am 14. August 2019 und des Herrn B. am 1. Oktober 2019 widersprochen unter Hinweis darauf, das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zur Regelung der Vergütungsgrundsätze für nichtleitende außertarifliche Angestellte stehe dem örtlichen Betriebsrat zu, die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems stelle eine mitbestimmungspflichtige Veränderung der betrieblichen Lohnstruktur dar. Die Anträge auf Zustimmung zu den streitgegenständlichen Eingruppierungen gingen beim Beteiligten zu 2 jeweils innerhalb von einer Woche vor Zustimmungsverweigerung ein.
Mit dem am 28. März 2019 beim Arbeitsgericht eingeleiteten und nachfolgend mehrfach erweiterten Verfahren begehrt die Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zu den streitgegenständlichen Eingruppierungen. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30.Oktober 2019 (11 BV 6/19) die Anträge zurückgewiesen unter Hinweis darauf, dass nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Regelung der Vergütungsgrundsätze der AT-Angestellten grundsätzlich den örtlichen Betriebsräten zustehe und eine Beauftragung nach § 50 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht festzustellen sei; auf den Beschluss vom 30.10.2019 (Bl. 173 - 181 d. A.) sowie die tragenden Erwägungen wird Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 1 hat gegen den am 21. November 2019 zugestellten Beschluss am 17. Dezember 2019 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 21. Februar 2020 am 21. Februar 2020 begründet. Im Kern vertritt sie die Auffassung, der Beteiligte zu 3 sei nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig für die Vereinbarung der GBV ntltd. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne jedenfalls auf die vorliegende Konstellation nicht zur Anwendung kommen; in der bundesweit einheitlichen Vergütungsstruktur von tarif- und außertariflich beschäftigten Mitarbeiter/innen bei der Beteiligten zu 1 sei der Beteiligte zu 3 zuständig für die Verhandlung der Vergütungsstruktur der außertariflichen Angestellten. Die Marktleiter seien überregional und teilweise betriebsübergreifend tätig, sodass einheitliche Vergütungsstrukturen rechtlich geboten seien. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigten, dass Gegenstand der GVB 2006 nltd. auch freiwillige Leistungen der Beteiligten zu 1 seien, wie die jährlich durch Änderung der GBV 2006 nltd. nachvollzogene Gehaltsanpassung aus dem Tarifbereich. Sollte die Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG nicht bestehen, gelte die GBV 2006 in der bisherigen Fassung weiter; nach der über ein Jahrzehnt gelebten Behandlung der AT-Angestellten nach dieser GBV sei davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 2 das Verhandlungsmandat auf die Beteiligte zu 3 delegiert habe. Auf die weiteren Rechtsauführungen der Beschwerdebegründung vom 21. Februar 2020 wird Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 1 beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 30. Oktober 2019 - 11 BV 6/19 - abzuändern und
die vom Beteiligten zu 2 verweigerten Zustimmungen zur Eingruppierung
- der N. W. in die AT-Stufe 1 (GBV AT nichtleitend)
- des H. Y. in die AT-Stufe 1 (GBV AT nichtleitend)
- des M. M. in die AT-Stufe 1 (GBV AT nichtleitend)
- des R. B. in die AT-Stufe 2 (GBV AT nichtleitend)
zu ersetzen.
Der Beteiligte zu 2 beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Der Beteiligte zu 3 hat keinen Antrag gestellt.
Bezüglich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird Bezug genommen auf die wechselseitigen zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die Erörterung in der mündlichen Anhörung vom 31. August 2020.
II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist zulässig und begründet.
1.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 87 Abs. 1 ArbGG und form- und fristgerecht i. S. v. § 87 Abs. 2 i. V. m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
2.
Die Beschwerde ist begründet. Der Antragsgegner hat seine Zustimmung zu den streitgegenständlichen Eingruppierungen zu Unrecht verweigert, der geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG liegt nicht vor. Die Zustimmung zu den streitgegenständlichen Eingruppierungen war deshalb zu ersetzen.
a.
Die Beteiligte zu 1 hat den Beteiligten zu 2 ordnungsgemäß über die beabsichtigten personellen Maßnahmen unterrichtet und damit das Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet; in Bezug auf alle Eingruppierungen ist der Beteiligte zu 2 unter Nennung von Namen und persönlichen Daten sowie beabsichtigter Eingruppierung angehört worden. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
b.
Die nach § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG form- und fristgerecht verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2 ist nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen. Der geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG liegt nicht vor.
(1)
Nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer geplanten personellen Einzelmaßnahme unter anderem verweigern, wenn die Maßnahme gegen ein Gesetz verstößt. Die beabsichtigte Eingruppierung eines Arbeitnehmers verstößt gegen ein Gesetz, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in ein anderes Entgeltschema eingruppieren will als dasjenige, welches im Betrieb zur Anwendung kommen muss. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber ein Vergütungsschema anwenden will, dass nicht den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen entspricht. Die darin liegende Änderung der bestehenden Entlohnungsgrundsätze bedarf nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrates; solange diese nicht erteilt ist, sind die bisher praktizierten Entlohnungsgrundsätze im Betrieb weiter anzuwenden (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAG 21. März 2018 - 7 ABR 38/16 -).
(2)
Bei der Regelung der Vergütungsgrundsätze der AT-Angestellten besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Der Betriebsrat hat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderungen mitzubestimmen. Auch bei außertariflichen Leistungen ist das Mitbestimmungsrecht durch den Einleitungssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht ausgeschlossen. Die Mitbestimmung des Betriebsrats soll die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung schützen. Sie dient der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des Lohngefüges. Der Mitbestimmung unterliegt die Entscheidung darüber, nach welchen Kriterien sich die Berechnung der einzelnen Leistungen und deren Höhe im Verhältnis zueinander bestimmen soll (vgl. BAG 23. März 2010 - 1 ABR 82/08 - Rn. 13; 18. Mai 2010 - 1 ABR 96/08 - Rn. 13).
(3)
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts soll das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Regelung der Vergütungsstruktur der AT-Angestellten grundsätzlich den örtlichen Betriebsräten und nicht originär dem Gesamtbetriebsrat zustehen. Nach § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG sei der Gesamtbetriebsrat für eine Angelegenheit, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffe, originär zuständig, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung bestehe. Dieses Erfordernis könne sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben. Davon sei auszugehen, wenn der Arbeitgeber im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung zu einer Maßnahme, Regelung oder Leistung nur betriebsübergreifend bereit sei. Wenn der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber entscheiden könne, ob er eine Leistung überhaupt erbringt, könne er sie von der überbetrieblichen Regelung abhängig machen und so die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung herbeiführen. Die bloße Zweckmäßigkeit oder der Wunsch nach einer unternehmenseinheitlichen Regelung sei hingegen nicht geeignet, in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zu begründen (BAG 23. März 2010 - 1 ABR 82/08 - Rn. 15; 18. Mai 2010 - 1 ABR 96/08 - Rn. 15). Auch aus dem arbeitsrechtlichen - auch unternehmensweit Anwendung findenden - Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich keine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats; weder der arbeits- noch betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wirkten zuständigkeitsbegründend (BAG 18. Mai 2010 - 1 ABR 96/08 - Rn. 17).
(4)
Diese in Abkehr von früheren Entscheidungen (BAG 29. März 1977 - 1 ABR 123/74; 6. Dezember 1988 - 1 ABR 44/87) stehende Rechtsprechungslinie ist in der Literatur zum Teil kritisiert worden (vgl. GK/Kreuz, § 50 BetrVG Rn. 35; Richardi/Annus § 50 BetrVG Rn. 15; Lunk/Leder NZA 2011, 249, 252), auch die Rechtsprechung ist ihr nicht in vollem Umfang gefolgt. Beinhalte die Regelung eine jährliche Gehaltsanpassung, handele es sich um eine freiwillig eingegangene Verpflichtung, die der Arbeitgeber von einer unternehmenseinheitlichen und deshalb mit dem GBR zu vereinbarenden Regelung abhängig machen könne (vgl. LAG Düsseldorf 17. Juni 2016 - 6 TaBV 20/16).
(5)
Einer eingehenden Auseinandersetzung mit den verschiedenen Lösungsansätzen bedarf es nicht. Zumindest im Fall eines - wie vorliegend - mit allen Betrieben im Hinblick auf Struktur, Aufgaben und Tätigkeit gleichartigen und mit allen Betrieben an denselben Mantel- und Entgelttarifvertrag gebundenen Unternehmens, dass die außertariflichen Angestellten unternehmenseinheitlich nach einer an die bindenden Tarifverträge anknüpfenden gleichartigen Vergütungsstruktur behandeln möchte, besteht die erforderliche sachliche Zuständigkeit des GBR für den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung (zutreffend MHdB ArbR/Nebendahl § 300, Rn. 54; ähnlich Fitting § 50 Rn 44); der Beteiligte zu 3 ist nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig für die Vereinbarung der GBV 2006 bzw. der GBV vom 8. August 2019.
(a)
§ 50 BetrVG enthält den Vorbehalt, dass eine Zuständigkeit des GBR dann nicht bestehen soll, wenn die Angelegenheiten "nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können". Damit hat die arbeitnehmernahe Repräsentation durch den Betriebsrat Vorrang und besteht grundsätzlich die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats. Zu kurz greift es aber, die Zuständigkeit des GBR nur in den Fällen anzunehmen, in denen entweder ein Fall subjektiver oder objektiver Unmöglichkeit einer Regelung durch die örtlichen Betriebsräte besteht oder der Arbeitgeber bei freiwilligen Leistungen auf einer unternehmensweiten Regelung besteht. Fälle einer echten Unmöglichkeit werden selten sein, da es nie unmöglich ist, in allen Betrieben gleiche Regelungen zu vereinbaren und das Regelungsziel umzusetzen; in der Praxis wäre dies aber ein glücklicher Zufall, auf den eine unternehmerische Planung nicht anknüpfen kann.
(b)
Ob unterhalb der Schwelle rechtlicher Unmöglichkeit ein zwingender Grund für eine unternehmenseinheitliche Regelung und damit für eine Zuständigkeit des GBR besteht, kann sich nur aus dem Inhalt und Zweck des Mitbestimmungsrechts, welches durch die Maßnahme betroffen ist und aus den Verhältnissen in dem betroffenen Unternehmen ergeben (vgl. BAG 18. Juli 2017 - 1 ABR 59/15). Je weniger ein Regelungsgegenstand mit den Besonderheiten eines einzelnen Betriebes zu tun hat, desto eher ist der GBR zuständig (MHdB ArbR/Nebendahl § 300 Rn. 48).
(c)
Vorliegend hat die Beteiligte zu 1 die unternehmerische Entscheidung getroffen, Vergütung nach unternehmenseinheitlichen Strukturen zu zahlen. Sie hat alle diesbezüglich erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Im Tarifbereich ist sie eine Tarifbindung eingegangen, sie hat die unternehmenseinheitliche Vergütungsstruktur durch Vereinbarung von Mantel- und Entgelttarifvertrag mit der zuständigen Gewerkschaft verbindlich umgesetzt; die betriebliche Mitbestimmung war insoweit nach § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgeschlossen. Die Beteiligte zu 1 hat damit in ihren nach Struktur, Aufgaben und ausgeübter Tätigkeit identischen Betrieben unternehmensweit eine einheitliche Vergütungsstruktur geschaffen und Lohngerechtigkeit umgesetzt.
(d)
Im außertariflichen Bereich gilt in der vorliegenden Konstellation nichts Anderes. Die Beteiligte zu 1 verfolgt das legitime und sachlich begründete Ziel, in ihren gleichartigen Betrieben und für identische außertarifliche Tätigkeiten ein einheitliches Vergütungssystem zu schaffen, welches auf dem unternehmensweit geltenden tariflichen System aufbaut. Welche Struktur greift, kann die Beteiligte zu 1 nicht vorgeben, insoweit greift die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Es bedeutete aber einen Eingriff in die unternehmerische Organisationsfreiheit, wenn die Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene bliebe und das legitime und überbetrieblich umsetzbare Regelungsziel damit faktisch unerreichbar bliebe. In diesem Fall kann die Angelegenheit nicht nach § 50 Abs. 1 Hs. 2 BetrVG durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden; vielmehr ist es zwingend geboten, die Vergütungsstruktur unternehmenseinheitlich festzulegen, so dass in der vorliegenden Konstellation nach § 50 Abs. 1 BetrVG der GBR zuständig ist.
(e)
Der Regelungsgegenstand hat vorliegend mit den Besonderheiten der einzelnen Betriebe der Beteiligten zu 1 nichts zu tun. Die Betriebe sind in Struktur, Aufgabe und Tätigkeit identisch, die Beteiligte zu 1 hat ihr Unternehmen bundesweit nach einheitlichen Strukturen organisiert. Sie ist tarifgebunden und wendet auf alle Tarifbeschäftigten in allen Betrieben denselben Manteltarifvertrag und denselben Entgelttarifvertrag an. Sie hat aufbauend auf diesen einheitlichen Tarifregelungen mit dem Beteiligten zu 3 die Gehaltsregelung für außertarifliche nichtleitende Arbeitnehmer vereinbart, ohne dass es auf betriebliche Besonderheiten angekommen soll. Nach § 1 Abs. 2 liegt ein außertarifliches Arbeitsverhältnis dann vor, wenn das fixe Jahresgrundentgelt mind. 15 von 100 höher ist als die Jahresgrundvergütung der höchsten Tarifgruppe, höchste Tätigkeitsstufe gem. Entgelttarifvertrag Postbankfilialvertrieb AG. Die Jahreszielgehälter werden jeweils zwischen der Antragstellerin und dem Beteiligten zu 3 bei einer Anpassung der Tarifgehälter erhöht, der Betrag wird entsprechend des Zeitpunktes und des Umfangs linearer Tariferhöhungen im Tarifbereich angepasst. Auch die Regelungen zur Höhe des Bonus (§ 4 der GBV Gehaltsregelungen AT nltd) dokumentieren den legitimen Wunsch der Antragstellerin nach einer unternehmensweit geltenden einheitlichen Vergütungsstruktur für einheitliche Betriebsstrukturen.
(f)
Darin liegt in der vorliegenden Konstellation keine einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierte Lohngestaltung, sondern eine auch an den Interessen der außertariflichen Beschäftigten orientierte transparente und durchsichtige Regelung des außertariflichen Lohn- und Gehaltsgefüges. Nur mit einer unternehmenseinheitlichen Vergütungsstruktur kann der erkennbar intendierten unternehmensweiten Lohn- und Gehaltsgerechtigkeit Rechnung getragen werden. Welche Struktur zur Anwendung kommt, obliegt der Mitbestimmung, die nach § 50 Abs. 1 BetrVG vorliegend vom GBR auszuüben ist. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von dem der Entscheidung des BAG vom 23. März 2010, wonach in vier Betrieben verschiedene Tarifverträge zur Anwendung gekommen sind, die unterschiedliche Eingruppierungsvoraussetzungen und Vergütungen in der jeweils höchsten Entgeltgruppe enthalten haben. Der Sachverhalt der Entscheidung vom 18. Mai 2010 verhält sich nicht über die Tarifstruktur der damaligen Arbeitgeberin.
(6)
Unabhängig von vorstehenden Erwägungen ergibt sich nach Auffassung der Kammer die Zuständigkeit des GBR für den Abschluss der streitbefangenen GBV auch auf Grundlage der Leitentscheidungen des BAG vom 23. März 2010 (1 ABR 82/08) und vom 18. Mai 2010 (1 ABR 96/08). Zwar ist der Arbeitgeber nach § 612 Abs. 2 BGB gesetzlich verpflichtet, eine übliche Vergütung zu zahlen, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Damit ist die Vergütung der AT-Angestellten grundsätzlich keine "freiwillige" Leistung, über deren "ob" der Arbeitgeber entscheiden und von der er absehen kann (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 1 ABR 96/08). In den Grenzen von § 612 BGB obliegt das Volumen der zur Vergütung aller Mitarbeiter bereitgestellten Mittel und die Entscheidung über zukünftige Aufstockungen dieses Volumens allerdings dem Arbeitgeber, mangels Tarifgebundenheit in diesem Bereich leistet er Vergütungsbestandteile "freiwillig", ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein; auch die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen oder nicht, ist mitbestimmungsfrei (BAG 27. April 2016 - 5 AZR 311/15), so dass er jährliche Gehaltsanpassungen an die Bedingung einer unternehmensweiten Regelung knüpfen kann (LAG Düsseldorf 17. Juni 2016 - 6 TaBV 20/16).
(7)
Die Beteiligte zu 2 hat in der Sache keine weitergehenden Einwände gegen die streitgegenständlichen Eingruppierungen erhoben. Die Zustimmungen waren deshalb zu ersetzen.
c)
Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob - die Zuständigkeit des Beteiligten zu 2 zur Vereinbarung einer Vergütungsstruktur für den Flächenbetrieb A-Stadt unterstellt - der Beteiligte zu 3 im Zeitpunkt der Vereinbarung der im Flächenbetrieb A-Stadt über ein Jahrzehnt der Vergütung und Eingruppierung der außertariflich beschäftigten Mitarbeitern zugrunde gelegten GBV 2006 ein Verhandlungsmandat i. S. v. § 50 Abs. 2 BetrVG gehabt hat. Eine weitergehende Aufklärung ist nicht möglich, da nach übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten im Termin zur Anhörung eine weitere Suche nach einem schriftlichen Delegationsbeschluss erfolglos bleiben würde.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 ArbGG zugelassen worden.