Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.03.2020, Az.: 11 TaBV 67/19
Abgrenzung zwischen Versetzung und Verlagerung eines Betriebsteils; Versetzungsbegriff des § 95 Abs. 3 BetrVG; Keine Änderung des Arbeitsbereichs durch längeren Anfahrtsweg
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 03.03.2020
- Aktenzeichen
- 11 TaBV 67/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 69227
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2020:0303.11TaBV67.19.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 26.06.2019 - AZ: 5 BV 2/19
Rechtsgrundlagen
- § 80 BetrVG
- § 81 Abs. 1 BetrVG
- § 95 Abs. 3 BetrVG
- § 99 BetrVG
- § 111 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG
Redaktioneller Leitsatz
1. Systematisch stellt sich die Verlagerung eines räumlich vom restlichen Betrieb getrennten Betriebsteils nicht als Summe personeller Einzelmaßnahmen dar. Die Veränderungen finden nicht auf der individuellen personellen Ebene, sondern auf der Ebene des gesamten Betriebsteils statt. Der Zweck des § 99 BetrVG gebietet in diesem Fall nicht die Mitbestimmung des Betriebsrats, denn diese wird über die Normen der Betriebsänderung (§§ 111 ff. BetrVG) gewahrt.
2. In § 95 Abs. 3 BetrVG wird der Begriff des Arbeitsbereichs verwendet. Dieser Begriff beschreibt die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Arbeitsbereich ist danach der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht.
3. Wird ein Team innerhalb derselben Stadt an einen neuen, zwölf Kilometer weiter entfernten Standort verlagert, ändert sich der Arbeitsbereich nicht. Der Gesetzestext des § 95 Abs. 3 BetrVG spricht nur von den Umständen, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Der Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte stellt aber weder unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsentgelts noch dem des Arbeitsschutzes selbst "Arbeit" dar.
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover - 5 BV 2/19 - vom 26.06.2019 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der Verlagerung des Beschäftigungsortes von drei Teams mit rund 60 Beschäftigten innerhalb B. um mitbestimmungspflichtige Versetzungen i. S. der §§ 95, 99 BetrVG handelt.
Die Beteiligte zu 2) erbringt Kundendienst- und Serviceleistungen u.a. für Kunden des Konzerns D. sowie den Vertrieb sämtlicher Produkte und Dienstleistungen des T. Konzerns. Durch Zuordnungstarifvertrag (Bl. d.A.) sind abweichend von den gesetzlichen Kriterien funktional bestimmte Betriebe gebildet worden. Der Beteiligte zu 1) ist der für die Region F. gebildete Betriebsrat. Sitz des Betriebes ist A-Stadt. Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) sind u.a. in mehreren Dienstgebäuden im Gebiet der Stadt B-Stadt untergebracht. Es gilt eine Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der D. GmbH (nach Umfirmierung jetzt Beteiligte zu 2) und dem Gesamtbetriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan "Zukunft Innendienst DTTS" (Bl. 184 - 192 d.A.).
Mit E-Mail vom 02.05.2018 (Bl. 39 f. d.A.) informierte die Beteiligte zu 2) den Beteiligten zu 1) darüber, dass der Umzug von Beschäftigten innerhalb B. vom Betriebsstandort B.Straße 4 - 12 an den Betriebsstandort W.straße 21 zum 18.06.2018 geplant sei. Die betroffenen Mitarbeiter, für deren Vertretung der Beteiligte zu 1) unstreitig zuständig ist, ergaben sich aus einer beigefügten Excel-Liste (Bl. 40 d.A.). Die Entfernung zwischen den Standorten beträgt mit den Kfz 12,1 km. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist eine Fahrzeit von mindestens 46 Minuten anzunehmen. Der Beteiligte zu 1) bat mit E-Mail vom 16.05.2018 (Bl. 44 d.A.) um weitere Informationen und eine Beteiligungsvorlage gemäß § 87 BetrVG zum Neubezug der Arbeitsstelle in B-Stadt W.Straße. Mit E-Mail vom 17.05.2018 (Bl. 45 d.A.) vertrat die Beteiligte zu 2) die Auffassung, eine mitbestimmungspflichte Versetzung liege nicht vor.
Die Beteiligte zu 2) setzt die vorgesehene Maßnahme um, wobei sämtliche Mitarbeiter vom früheren Standort B.Straße 4 -12 in B-Stadt an den Standort in der W.Straße 21 in B-Stadt umgesetzt werden. Am früheren Betriebsstandort waren die Mitarbeiter ca. zur Hälfte in einem Großraumbüro und daneben in mehreren kleineren Büros untergebracht. In der W.Straße arbeiten sämtliche Mitarbeiter in zwei Großraumbüros. Es werden sogenannte Desk-Sharing-Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, wonach jeder Mitarbeiter einen verschließbaren Wertschrank erhält und nicht über einen individuell zugewiesenen Arbeitsplatz verfügt.
Auf der Betriebsratssitzung am 05./06.12.2018 beschloss der Beteiligte zu 1) die Einleitung eines Beschlussverfahrens zur Durchsetzung von Ansprüchen nach §§ 101, 23 Abs. 3 BetrVG (Bl. 52 d.A.).
Der Beteiligte zu 1) vertritt die Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Aufhebung mitbestimmungswidrig erfolgter Versetzungen der im Antrag benannten Mitarbeiter zu. Darüber hinaus bestehe ein berechtigtes Interesse an dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag, da der Betriebsrat im Fall zukünftiger Verstöße gegen sein Mitbestimmungsrecht Unterlassungs-ansprüche geltend machen könne.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
1. die Versetzung der 59 namentlich benannten Arbeitnehmer vom Standort in der B.Str. 4 - 12, in B-Stadt, an den Standort in der W.str. 21, in B-Stadt, aufzuheben;
2. festzustellen, dass die Umsetzungen der o.g. Arbeitnehmer vom Standort in der B.Str. 4 - 12, in B-Stadt an den Standort in der W.Str. 21, in B-Stadt, mitbestimmungspflichtige Versetzungen im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG sind.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 1) vertritt die Auffassung, bei den innerstädtischen Umzügen im Rahmen der Umsetzung der Gesamtbetriebsvereinbarung habe allenfalls eine Unterrichtung nach § 80 BetrVG, nicht jedoch eine Beteiligung nach § 99 BetrVG, zu erfolgen.
Das betriebliche Umfeld, also die Zuordnung zum Team, die Aufgaben und Verantwortlichkeiten, habe sich durch den Umzug nicht verändert. Wirtschaftliche Nachteile, die sich im Einzelfall aus längeren Arbeitswegen ergeben könnten, würden durch den Interessenausgleich und Sozialplan ausgeglichen.
Das Arbeitsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 26.06.2019 die Anträge abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Hauptantrag zu 1. sei zwar zulässig, aber unbegründet. Bei der Verlagerung der Arbeitsplätze vom Standort B. Straße an den Standort W.Straße in B-Stadt handele es sich nicht um eine Versetzung gem. § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG. Bereits nach dem Sprachgebrauch liege eine Veränderung des Arbeitsortes nicht vor. An der Zuordnung zur politischen Gemeinde B-Stadt ändere sich durch den Umzug vom Stadtbezirk L. in den Stadtbezirk T. für die betroffenen Arbeitnehmer nichts. Auf die Frage, wie viele Einwohner ein "Ort" oder ein untergeordneter Bezirk verfüge, komme es nicht entscheidend an. Auch einer Veränderung des außerbetrieblichen Umfeldes komme für die Frage des Arbeitsbereiches regelmäßig keine wesentliche Bedeutung zu. Möglicherweise resultierende wirtschaftliche Nachteile könnten unter den Voraussetzungen des § 111 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG durch einen Sozialplan auszugleichen oder abzumildern sein.
Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beteiligten zu 2) finde auch keine funktionelle Veränderung für die betroffenen Mitarbeiter statt. Es ändere sich weder das betriebliche Umfeld, die Eingliederung in die betriebliche Gesamtstruktur, die Zuordnung zu Vorgesetzten sowie die übertragenen Tätigkeiten.
Es sei nicht maßgeblich, ob die Verlagerung der Arbeitsstätte wie vorliegend über eine Entfernung von ca. 12 Kilometern oder wie in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall eine Entfernung von 3 Kilometern erfolge. Ein Rechtssicherheit gewährleistender Maßstab dafür lasse sich auch nicht aus dem Rationalisierungsschutztarifvertrag herleiten. Im Übrigen führe die Entfernung zwischen altem und neuem Standort nicht zwangsläufig zu höheren Belastungen für die einzelnen Arbeitnehmer, da die Anfahrt auch vom Wohnort des einzelnen Arbeitnehmers abhänge.
Entscheidend sei aber, dass die Verlagerung eines räumlich vom restlichen Betrieb getrennten Betriebsteils sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht als Summe personeller Einzelmaßnahmen darstelle. Die Veränderungen fänden in solchen Fällen nicht auf der individuellen personellen Ebene, sondern auf der Ebene des gesamten Betriebes oder Betriebsteils statt. Es gehe nicht wie sonst bei personellen Einzelmaßnahmen um eine vom Betriebsrat zu kontrollierende Auswahl zwischen verschiedenen, in Betracht kommenden Arbeitnehmern.
Auch der Umstand, dass die betroffenen Mitarbeiter nunmehr in zwei Großraumbüros untergebracht seien und ein "Desk-Sharing" eingeführt worden sei, ändere weder den Ort der Tätigkeit, die Arbeitsaufgabe und die Einordnung in die betrieblichen Arbeitsabläufe.
Für den Antrag zu 2. sei das erforderliche Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO nicht gegeben.
Gegen diesen am 17.07.2019 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) am 19.08.2019 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist fristgemäß am 17.10.2019 begründet.
Bei den drei von dem Umzug betroffenen Teams aus dem Bereich Disposition (Innendienst) handele es sich nicht um einen Betriebsteil. Weitere vergleichbare Teams befänden sich auch in H., K., B. und A-Stadt.
Der Umzug sei nicht "eins zu eins" erfolgt, d. h. ohne jegliche weitere Änderungen der betrieblichen Umstände. Zusätzlich zur räumlichen Entfernung sei er mit einer wesentlichen Veränderung der Arbeitsplätze und der Arbeitsumgebung der Arbeitnehmer verbunden gewesen. So sei etwa die Hälfte der Arbeitnehmer aus mehreren kleineren Büros jetzt ebenfalls in einem Großraumbüro tätig. Außerdem gebe es dort keine individuellen Arbeitsplätze mehr. Es seien den Mitarbeitern lediglich Wertschränke zur Verfügung gestellt worden, in denen sie ihre persönlichen Gegenstände einschließen können.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts handelt es sich vorliegend um mitbestimmungspflichtige Versetzungen gem. §§ 99 Abs. 1 S. 1, § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG. Der Ortswechsel werde nach allgemeiner Anschauung als Versetzung angesehen. Das Bundesarbeitsgericht habe in seinem Beschluss vom 27.06.2006 - 1 ABR 35/05 - ausdrücklich offengelassen, ob die Verlagerung ganzer Betriebe oder Betriebsteile über größere Entfernungen als 3 Kilometer für sämtliche davon betroffenen Arbeitnehmer eine Versetzung darstellten. Auch in der Kommentarliteratur würden beim Versetzungsbegriff die Fälle, in denen die Arbeitsleistung in einem weit entfernten Betrieb oder Betriebsteil erbracht werden solle, von Bagatellfällen unterschieden. Dabei werde ganz überwiegend vertreten, dass bei einer nicht unerheblichen räumlichen Änderung auch eine Ortsveränderung innerhalb der politischen Gemeinde eine Versetzung i. S. der §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG darstellten könne. Eine genaue Prüfung der Umstände des Einzelfalls anstatt eines schematischen Abstellens auf die Grenzen der politischen Gemeinde sei erst Recht im Fall einer Großstadt wie B-Stadt zwingend geboten, wie dies auch das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in der Entscheidung vom 31.03.2009, 5 TaBV 13/08 getan habe.
Vor diesem Hintergrund sei auch eine Parallelwertung mit dem Tatbestand der Betriebsänderung in § 111 S. 3 Ziff. 2 BetrVG geboten. Das Bundesarbeitsgericht habe aber bereits mit der Entscheidung vom 17.08.1982 - 1 ABR 40/80 - anerkannt, dass die Verlegung eines Betriebs oder Betriebsteils vom Zentrum an den Stadtrand bei einer Entfernung von 4,3 Kilometern eine Betriebsänderung darstelle. Es handele sich um die Arbeitsaufnahme in einem mit dem alten Betrieb nicht mehr identischen Betrieb. Jedenfalls könne im vorliegenden Fall bei einer Entfernung von über 12 Kilometern in der Großstadt B-Stadt zwischen unterschiedlichen Stadtbezirken nicht von einer unerheblichen Ortsveränderung die Rede sein.
Der verlängerte Anfahrtsweg bedeute für die betroffenen Arbeitnehmer in jedem Fall auch eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen ihre Arbeit zu leisten sei. Gerade aus diesem Grunde seien in dem einschlägigen Tarifvertrag Rationalisierungsschutz Leistungen vorgesehen, wenn sich ein Fahrtmehraufwand von mehr als 6 Kilometern ergibt.
Der Betriebsrat habe zur näheren Konkretisierung der Belastungen durch verlängerte Wegezeiten die Arbeitgeberin bereits im November 2018 gebeten mitzuteilen, welche Arbeitnehmer entsprechende Leistungen nach dem TV Ratio beantragt bzw. bewilligt bekommen hätten. Die Arbeitgeberin habe diese Auskunft jedoch nicht erteilt. Mit Schriftsatz vom 24.02.2020 hat der Beteiligte zu 1) insoweit einen weiteren Hilfsantrag eingeführt.
Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Umzug für einen erheblichen Teil der Beschäftigten mit dem Entzug der individuellen Arbeitsplätze verbunden gewesen sei. Das Bundesarbeitsgericht beziehe regelmäßig solche Umstände in die Beurteilung mit ein, ob ein "anderes Arbeitsregime" i. S. einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung anzunehmen sei. Bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher eingetretener Änderungen sei vorliegend eine mitbestimmungspflichtige Versetzung festzustellen.
Bezüglich des Feststellungsantrages zu 2. verweist der Beteiligte zu 1) darauf, dass das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 23.06.2009 - 1 ABR 23/08 - auch bereits bezüglich vollzogener Maßnahmen einen vergleichbaren Feststellungsantrag anerkannt habe.
Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten den Antrag zu 1. hinsichtlich folgender Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für erledigt erklärt: A.S., S.N., R.B., R.R., J.D., Y.C., A.G., A.E., J.R., S.W. und G.S..
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hannover vom 26.06.2019 zum Aktenzeichen 5 BV 2/19 aufzuheben und
1. der Beteiligten zu 2. aufzugeben, die Versetzung der Arbeitnehmer
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P. | S. |
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vom Standort in der B.Str. 4-12, in B-Stadt, an den Standort in der W.Straße. 21, in B-Stadt, aufzuheben,
hilfsweise
2. festzustellen, dass die Umsetzungen der o.g. Arbeitnehmer vom Standort in der B. Str. 4-12, in B-Stadt an den Standort in der W.Str. 21, in B-Stadt, mitbestimmungspflichtige Versetzungen im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG sind.
3. der Beteiligten zu 2. aufzugeben, dem Betriebsrat Auskunft darüber zu erteilen, für welche der vom Umzug vom Standort in der B. Str. 4-12, in B-Stadt, an den Standort W.Str. 21, in B-Stadt, betroffenen Arbeitnehmer sich der Anfahrtsweg von ihrem jeweiligen Wohnort zum Zeitpunkt des Umzugs zum neuen Arbeitsort in der W.Str. 21 im Vergleich zum vormaligen Arbeitsort in der B.- Str. 4-12 um wie viele Kilometer verlängert hat.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Aus der Begründung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung 1 ABR 35/05 sei zu entnehmen, dass wenn sich bei einem räumlichen Wechsel einer ganzen betrieblichen Einheit innerhalb einer politischen Gemeinde am konkreten Arbeitsplatz des Arbeitnehmers und seiner Beziehung zur betrieblichen Umgebung nichts ändere, eine Versetzung nicht vorliege. Dann könne es auch nicht darauf ankommen, ob innerhalb der politischen Gemeinde die örtliche Veränderung über eine Entfernung von 3 oder 12 Kilometern erfolgt. Die Entfernung zwischen alter und neuer Betriebsstätte sage aber nichts darüber aus, welchen Anfahrtsweg der einzelne Arbeitnehmer tatsächlich habe. Dies zu Ende gedacht, müsste vom Antragsteller in jedem Einzelfall die Abhängigkeit vom Wohnort dargelegt werden, inwieweit sich der Anfahrtsweg tatsächlich ändere mit der Folge, dass diese betriebliche Veränderung für einzelne Arbeitnehmer eine Versetzung darstellen könnte, für andere hingegen nicht. Es sei insoweit nicht stimmig, dass der Beteiligte zu 1) selbst keine Einzelfallprüfung vornehme, sondern die 59 Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Anfahrtswegen einheitlich betrachte. Die Stadt B-Stadt sei auch nicht anders zu betrachten als Großstädte wie M., K. oder H.. Umgekehrt sei zu berücksichtigen, dass die Stadt B-Stadt sich - wie andere Großstädte auch - durch sehr gute Verkehrsanbindungen durch den öffentlichen Personennahverkehr auszeichne. Dies trage dazu bei, dass die Auswirkungen, die die Verlegung eines Betriebes oder Betriebsteils für die Arbeitnehmer habe, innerhalb einer Großstadt bedeutend geringer seien, als in einer kleineren politischen Gemeinde.
Der Beteiligte zu 1) gehe auch fehl in der Annahme, dass Veränderungen in der Raumsituation wie z. B. der Wechsel in ein Großraumbüro oder die Einführung von Desk-Sharing eine Versetzung i. S. von § 95 Abs. 3 BetrVG darstellten. Alle zur Stützung des Antrags herangezogenen Aspekte könnten Beteiligungsrechte des Betriebsrats begleiten. Dies führe aber nicht automatisch dazu, dass die Maßnahme gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern sich als Versetzung i. S. des § 95 Abs. 3 BetrVG darstelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärungen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie bleibt aber einschließlich des neu gestellten Hilfsantrages zu 3. erfolglos. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Veränderungen des Arbeitsortes, die Gegenstand des Verfahrens sind, keine Versetzungen i. S. der §§ 99, 95 BetrVG darstellen. Auch die Beschwerdebegründung führt zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung.
1.
Unter Anwendung der ständigen Formel des Bundesarbeitsgerichts ist auch im vorliegenden Fall eine Verlagerung der betrieblichen (Teil-)Tätigkeit an einen anderen Standort innerhalb der Stadt B-Stadt in der Gesamtwürdigung nicht als Versetzung zu bewerten.
a)
Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht im Beschluss vom 27.06.2006 - 1 ABR 35/05 - (BAGE 118, 314) bei einer Verlagerung um nur 3 Kilometer das Vorliegen einer Versetzung verneint und ausdrücklich offengelassen, ob Verlagerungen von Betriebsteilen über größere Entfernungen eine Versetzung i. S. des § 95 Abs. 3 BetrVG darstellen können. Eine eindeutige höchstrichterliche Klärung liegt insoweit noch nicht vor.
b)
In Rn. 13 des Beschlusses hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, systematisch stelle sich die Verlagerung eines räumlich vom restlichen Betrieb getrennten Betriebsteils nicht als Summe personeller Einzelmaßnahmen dar. Die Veränderungen fänden nicht auf der individuellen personellen Ebene, sondern auf der Ebene des gesamten Betriebsteils statt. Der Zweck des § 99 BetrVG gebiete in einem solchen Fall nicht die Mitbestimmung des Betriebsrats. Es gehe nicht sonst wie bei personellen Einzelmaßnahmen um eine vom Betriebsrat zu kontrollierende Auswahl zwischen verschiedenen in Betracht kommenden Arbeitnehmern. Dieses Argument gilt allerdings unabhängig von der räumlichen Entfernung der Verlegung. Mit einem derartigen Schwerpunkt der Begründung hätte das Bundesarbeitsgericht bereits im Jahr 2006 eine umfassendere Aussage treffen können.
c)
Die §§ 99 BetrVG (personelle Einzelmaßnahmen) und § 111 BetrVG (Interessenausgleich, Sozialplan) betreffen unterschiedliche Regelungsbedarfe. Aus dem Vollzug eines Interessenausgleichs können sich mitbestimmungspflichtige Versetzungen ergeben. Jedoch lassen sich aus der rechtlichen Beurteilung, ob eine Gesamtmaßnahme interessenausgleichspflichtig ist oder nicht, weder positive noch negative allgemeine Aussagen über eine Mitbestimmungspflicht nach § 99 BetrVG treffen. Auch die Kriterien der inhaltlichen Ausgestaltung von Vereinbarungen nach § 111 BetrVG lassen nicht typischerweise Aussagen über die Beurteilung nach § 95 Abs. 3, § 99 BetrVG zu.
d)
Der Begriff des Arbeitsorts ist in den zugrundeliegenden Normen des § 95 Abs. 3 und § 81 Abs. 1 BetrVG nicht enthalten. Dort wird vielmehr der Begriff des Arbeitsbereichs verwendet. Nach der Definition des Bundesarbeitsgerichts a.a.O. Rn. 11 beschreibt dieser Begriff maßgeblich die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Arbeitsbereich ist danach der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes stellt sich danach (lediglich) als typischer Anwendungsbereich einer Veränderung des Arbeitsbereiches dar.
Wie das Bundesarbeitsgericht a.a.O. Rn. 12 selbst darstellt, hat allerdings die Veränderung des Arbeitsortes im Verlauf der Rechtsprechung eine gewisse Eigenständigkeit erlangt. Den beim Bundesarbeitsgericht ergangenen Entscheidungen lagen allerdings nicht Fallgestaltungen zugrunde, in denen ein Betrieb oder Betriebsteil in seiner Gesamtheit verlagert wurde, vielmehr ging es jeweils um Abordnungen einzelner Arbeitnehmer oder kleiner Arbeitnehmergruppen in andere Einheiten.
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall sind zweierlei Besonderheiten zu beachten: Zum einen ist im Unternehmen der Beteiligten zu 2) durch Zuordnungstarifvertrag eine von den §§ 1, 4 BetrVG abweichende Betriebsstruktur gebildet worden. Der Betriebsbegriff knüpft hier an bestimmte ablauforganisatorische Funktionen an. Im Betrieb "Nord", für den der Beteiligte zu 1) gewählt ist, ist die Organisation des Außendienstes zusammengefasst. Der Betrieb erstreckt sich über mehrere norddeutsche Bundesländer, der formale Sitz befindet sich in A-Stadt. In mehreren Städten sind "Teams" gebildet, die möglicherweise nicht einmal die Anforderungen eines Betriebsteils nach § 4 BetrVG erfüllen. Diese arbeiten an ihrem jeweiligen Standort im Wesentlichen IT-gestützt mit anderen Betrieben der Beteiligten zu 2) sowie anderen Gesellschaften des T.-Konzerns zusammen.
Die andere Besonderheit liegt darin, dass der streitige Vorgang sich innerhalb der politischen Einheit "Stadt B-Stadt" abgespielt hat. Die Beteiligte zu 2) nutzt verteilt auf das Stadtgebiet B-Stadt an mehreren Standorten Dienstgebäude gemeinsam mit anderen Unternehmen des T.-Konzerns. In dem Gesamt-Interessenausgleich, der die Neustrukturierung des Unternehmens der Beteiligten zu 2) regelt, ist die Stadt B-Stadt lediglich als Standort ausgewiesen, ohne weiter auf die einzelnen innerstädtischen Standorte einzugehen. Sowohl was die Einwohnerzahl, die räumlichen Entfernungen und auch die besonderen örtlichen Gegebenheiten angeht, wäre es durchaus denkbar, innerhalb der Stadt B-Stadt für die Bestimmung eines "Arbeitsorts" auf den jeweiligen Stadtbezirk abzustellen. Das könnte zur Folge haben, dass im vorliegenden Fall eine Versetzung zu bejahen wäre. Umgekehrt ist allerdings zu beachten, dass infolge eines sehr gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs eine räumliche Veränderung für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möglicherweise tatsächlich weniger spürbare Auswirkungen mit sich bringt, als in einer größeren Flächengemeinde eines anderen Bundeslandes.
e)
Grundlegend problematisch ist allerdings, ob die Länge des Arbeitsweges als solcher überhaupt ein geeignetes Kriterium für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 95 Abs. 3 BetrVG sein kann. Der Gesetzestext spricht von den Umständen, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Der Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte stellt aber weder unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsentgelts noch dem des Arbeitsschutzes selbst "Arbeit" dar (vgl. in mitbestimmungsrechtlicher Hinsicht zuletzt BAG 22.10.19, 1 ABR 11/18, NZA 20, 325). Das Bundesarbeitsgericht hat in dem Beschluss vom 27.06.2006 unter Rn. 15 jedenfalls formuliert, dass sich durch die sich ändernden Anfahrtswege der Arbeitsbereich der beschäftigten Arbeitnehmer sich nicht ändere. Dann bleibt allerdings unklar, weswegen das Bundesarbeitsgericht eine Aussage zu einer räumlich weiteren Verlegung ausdrücklich offengelassen hat.
Zutreffend hat auch die Beteiligte zu 2) auf die Konsequenz hingewiesen, dass es sonst innerhalb der betroffenen Arbeitnehmer von individuellen Wohnort abhinge, ob eine Versetzung vorliegt oder nicht.
f)
Nach den vom Arbeitsgericht zugrunde gelegten und auch in der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen haben sich infolge der örtlichen Verlagerung der Arbeitsplätze die funktionalen Beziehungen, Zuständigkeiten von Vorgesetzen etc. der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer untereinander nicht geändert.
2.
Das Bundesarbeitsgericht hatte ferner bereits auch in dem Beschluss vom 27.06.2006 mit zu beurteilen, inwieweit ein Wechsel aus Großraumbüros in Einzelarbeitsplätze zu einer Änderung des Arbeitsbereichs führen können. Dies hat das Bundesarbeitsgericht zumindest als allgemeines Argument nicht als ausreichend gewichtig angesehen. Für die Bewertung im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass infolge technischen Wandels sich die konkreten Arbeitsbedingungen an den Arbeitsplätzen völlig unabhängig von der Frage örtlicher Verlagerungen gerade bei einem Unternehmen im IT-Bereich in den letzten Jahren verändert haben. Dies gilt etwa auch für die Einführung des Organisationsmodells "Desk-Sharing". Es ist vorliegend nicht zu beurteilen, ab welcher Änderungsqualität gegebenenfalls ein Tatbestand des § 111 BetrVG erfüllt wäre. Im Rahmen des § 95 Abs. 3 BetrVG ergeben sich daraus aber keine durchgreifenden zusätzlichen Aspekte.
3.
Es mag dahinstehen, ob dem Feststellungsantrag zu Ziff. 2. ein ausreichendes Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO zugrunde liegt (vgl. BAG 23.6.09, 1 ABR 23/08, BAGE 131, 145). Jedenfalls folgt aus der Unbegründetheit des Antrags zu 1. auch die Unbegründetheit des Antrags zu 2.
4.
Der weiter hilfsweise mit Schriftsatz vom 24.02.2020 gestellte Auskunftsantrag zu Ziff. 3. ist unzulässig.
Die Beteiligte zu 2) hat der Antragserweiterung weder zugestimmt noch hat sie sich gem. § 87 Abs. 3, § 81 Abs. 3 ArbGG widerspruchslos auf den Antrag eingelassen. Dem bloßen Antrag auf Abweisung kann ein solcher positiver Inhalt nicht entnommen werden, da er verbunden war mit der ausdrücklichen Bitte um Gewährung einer Schriftsatzfrist.
Der Antrag war auch nicht als sachdienlich zuzulassen. Dies kommt in Betracht, wenn der bisherige Prozessstoff weiter als Entscheidungsgrundlage verwertbar bleibt und durch die Zulassung ein neuer Prozess vermieden wird (vgl. BAG 15.3.11, 1 ABR 112/09, AP Nr. 74 zu § 80 BetrVG 1972; 12.9.06, 9 AZR 271/06, BAGE 119, 238). Wenn die Kammer die Arbeitswege der einzelnen Beschäftigten für rechtserheblich halten würde, wäre dies im Rahmen der Amtsermittlung in diesem Verfahren selbst aufzuklären. Da der Beteiligte zu 1. nach eigenen Angaben bereits im Herbst 2018 - erfolglos - um diese Auskunft gebeten hatte, wäre es ggf. sachdienlich gewesen, diesen Antrag bereits zu Beginn des Verfahren mit einzuführen.
Zumindest wäre geboten gewesen, den Antrag rechtzeitig, d.h. ggf. bereits in der Beschwerdebegründung zu stellen und nicht erst so kurzfristig vor dem Anhörungstermin, dass eine inhaltliche Einlassung der Beteiligten zu 2. nicht mehr gewährleistet war.
5.
Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen worden im Hinblick auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts 1 ABR 35/05 gem. § 92 Abs. 1, § 72 Abs. 2 ArbGG.