Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.02.2020, Az.: 13 Ta 59/20
Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit bei nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangener unerlaubter Handlung; Einzelfallbezogener innerer Zusammenhang zwischen beendetem Arbeitsverhältnis und späterer unerlaubter Handlung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 26.02.2020
- Aktenzeichen
- 13 Ta 59/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 22009
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2020:0226.13Ta59.20.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Braunschweig - 04.02.2020 - AZ: 8 Ca 452/19
Rechtsgrundlagen
- § 17a Abs. 4 GVG
- § 567 Abs. 1 S. 1 ZPO
Fundstelle
- FA 2020, 250
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG ist weit auszulegen. Der Anspruch muss nicht nur auf Schadensersatz gerichtet sein. Erfasst werden etwa auch Ansprüche auf Unterlassung. Der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen steht es auch nicht von vorneherein entgegen, wenn die unerlaubte Handlung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden ist. Erforderlich ist jedoch ein innerer Zusammenhang zwischen der unerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhältnis.
- 2.
Im Streitfall war der innere Zusammenhang dadurch gegeben, dass die beklagte Arbeitgeberin rund 4 Wochen nach arbeitnehmerseitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf der Webseite ihrer Firma eine Luftbildaufnahme von der neuen Wohnumgebung der ehemaligen Arbeitnehmerin eingestellt und mit dem Untertext -Tja _ soweit ist Sie gekommen _ bei uns gekündigt und nun in S. im Hochhaus und arbeitslos. Manchmal fehlen einem die Worte liebe & Alles Gute &._ versehen und 2 Wochen später gegenüber einer Mitarbeiterin die unzutreffende Behauptung aufgestellt haben soll, die Klägerin gehe nunmehr der Prostitution nach.
Tenor:
- 1.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 04.02.2020 (8 Ca 452/19) abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
- 2.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Klägerin war bei der Beklagten mehrjährig als Friseurin beschäftigt. Das der Beschäftigung zugrundeliegende Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 31.07.2019 wegen des Umzugs der Klägerin nach A-Stadt bei Bonn.
Mit der vor dem Arbeitsgericht Braunschweig erhobenen Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld und Unterlassung von Äußerungen mit der Begründung in Anspruch, diese habe ihr Persönlichkeitsrecht verletzt, indem sie am 29.08.2019 auf ihrer Website "M." eine Luftbildaufnahme ihrer neuen Wohnumgebung von Google-Maps übernommen und mit dem Untertext "Tja - soweit ist Sie gekommen - bei uns gekündigt und nun in A-Stadt im Hochhaus und arbeitslos. Manchmal fehlen einem die Worte liebe J. Alles Gute ... ." versehen habe.
Ferner habe die Beklagte gegenüber einer Mitarbeiterin am 13.09.2019 die unzutreffende Behauptung aufgestellt, sie, die Klägerin, gehe nunmehr der Prostitution nach.
Es gebe keinen anderen Bezug zwischen den Parteien als das Arbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 04.02.2020 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht C-Stadt verwiesen. Gegen den ihr am 06.02.2020 zugegangenen Beschluss richtet sich die am 11.02.2020 bei dem Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde, wegen deren Begründung auf Bl. 50 bis 52 d.A. verwiesen wird.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit Beschluss vom 12.02.2020 dem Beschwerdegericht vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 17 a Abs. 4 GVG, 567 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht im Sinne des § 569 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet. Der beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG gegeben.
1.
Die Klägerin stützt den Anspruch auf eine unerlaubte Handlung ihrer ehemaligen Arbeitgeberin. Der Begriff der unerlaubten Handlung ist weit auszulegen. Der Anspruch muss nicht nur auf Schadensersatz gerichtet sein. Erfasst werden etwa auch Ansprüche auf Unterlassung. Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass es der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht von vorneherein entgegensteht, wenn die unerlaubte Handlung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden ist.
2.
Ebenfalls zutreffend geht das Arbeitsgericht von dem von der Rechtsprechung entwickelten Verständnis des Begriffs des inneren Zusammenhangs zwischen unerlaubter Handlung und dem Arbeitsverhältnis aus. Die Annahme des Arbeitsgerichts, die behaupteten Vorgänge stünden in keiner inneren Beziehung zu dem beendeten Arbeitsverhältnis, beruht jedoch auf einer unzureichenden Würdigung des klägerischen Sachvortrags.
Hinsichtlich des Vorgangs vom 29.08.2019 ergibt sich der Zusammenhang nach dem Vortrag der Klägerin sowohl aus der Veröffentlichung des beanstandeten Inhalts auf einer Website, deren Bestandteil gerade der Name des Friseursalons ist, in dem die Klägerin gearbeitet hat, als auch aus dem Inhalt des Untertextes, der ausdrücklich die Kündigung durch die Klägerin und eine (angebliche) nachfolgende Arbeitslosigkeit thematisiert.
Hinsichtlich des Vorgangs vom 13.09.2019 folgt der innere Zusammenhang nach dem Vortrag der Klägerin aus der Äußerung gegenüber einer Mitarbeiterin der Beklagten und vormaligen Kollegin der Klägerin.
Beide Äußerungen erfolgten nach dem Klagevortrag zudem im zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Da nach dem Klagevorbringen schließlich kein anderer Bezug zwischen den Parteien als das Arbeitsverhältnis besteht, ist anzunehmen, dass es ohne dieses nicht zu den streitgegenständlichen Äußerungen gekommen wäre. Damit ist die erforderliche innere Beziehung gegeben.
3.
Soweit die Beklagte die Behauptungen der Klägerin pauschal zurückgewiesen hat, ist dies für die Bestimmung des Rechtswegs unerheblich. Für die Zulässigkeit des Rechtswegs ist der jeweilige Streitgegenstand maßgebend. Diesen bestimmt ausschließlich die klagende Partei durch den gestellten Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG, i.V.m. § 574 Abs. 1 und 2 ZPO, §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel daher nicht gegeben.