Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.09.2013, Az.: 2 LB 165/12
Beurteilung der besonderen Gefährlichkeit des Schulweges ausschließlich nach objektiven Gegebenheiten hinsichtlich Erstattung der Kosten für die Beförderung eines Schülers zur Schule; Durchschnittliche Belastbarkeit der Schüler eines Schuljahrgangs als Bewertungsmaßstab
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.09.2013
- Aktenzeichen
- 2 LB 165/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 45717
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:0911.2LB165.12.0A
Rechtsgrundlagen
- § 114 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 NSchG
- § 114 Abs. 2 NSchG
- § 1 Abs. 1a SBS
- § 3 Abs. 1 SBS
Fundstellen
- DÖV 2013, 992
- NdsVBl 2013, 4
- NdsVBl 2014, 77-79
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die besondere Gefährlichkeit des Schulweges beurteilt sich - vorbehaltlich ausdrücklich anderslautenden Satzungsrechts - ausschließlich nach objektiven Gegebenheiten.
- 2.
Daher kommt es auf die durchschnittliche Belastbarkeit der Schülerinnen und Schüler eines Schuljahrgangs, nicht aber auf die individuelle Belastbarkeit einzelner Schülerinnen und Schüler oder ihre subjektive Ängstlichkeit und die ihrer Eltern an.
Tatbestand
[Tatbestand]
Die Kläger begehren die Erstattung der Kosten für die Beförderung ihres Sohnes F. zur Schule im Schuljahr 2011/2012.
Der Sohn der Kläger besuchte im streitgegenständlichen Schuljahr den 3. Schuljahrgang der in der G. straße in H. gelegenen Grundschule. Er wohnt mit seiner jüngeren Schwester I., die im streitgegenständlichen Schuljahr den 1. Schuljahrgang der genannten Schule besuchte, bei seinen Eltern in der J. Straße in H.. Die Entfernung zwischen Wohnung und Grundschule beträgt weniger als 2,2 km.
Nachdem der Beklagte im 1. und 2. Schuljahrgang die Fahrtkosten für ihren Sohn übernommen hatte, beantragten die Kläger die kostenlose Schülerbeförderung für diesen für den 3. Schuljahrgang und für ihre Tochter für den 1. Schuljahrgang. Mit Bescheid vom 7. April 20 bewilligte der Beklagte die Übernahme der Beförderungskosten für die Tochter für die 1. Klasse, lehnte den auf den Sohn der Kläger für die 3. Klasse bezogenen Antrag hingegen ab. Zur Begründung verwies der Beklagte auf die Einschätzung des beteiligten Gutachterausschusses, der den Schulweg nach einer Ortsbesichtigung wegen der Querung der K. Straße (Landesstraße ) im Bereich der Einmündung der J. Straße lediglich für Schülerinnen und Schüler des 1. und 2. Grundschuljahrgangs als besonders gefährlich ansehe.
Daraufhin haben die Kläger am 9. Mai 20 Klage erhoben, mit der sie ihr Ziel weiterverfolgen. Zur Begründung haben sie vorgetragen, der Schulweg sei sowohl in verkehrlicher als auch in sonstiger Hinsicht besonders gefährlich. Gerade die Querung der L im Bereich der Einmündung der J. Straße stelle einen Gefahrenpunkt dar. Die L sei sehr stark befahren, sodass wegen der Verkehrsdichte die gewissenhafte Beobachtung des Straßenverkehrs für einen Drittklässler nicht zu leisten sei, zumal die Kraftfahrer in diesem Bereich sehr schnell führen und es eine Verkehrsbeschränkung nicht gebe. Ebenso gebe es in Teilbereichen der Strecke keine Fluchtmöglichkeiten bei potentiellen gewaltsamen Übergriffen.
Die Kläger haben sinngemäß beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 7. April 20 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Sohn F. im Schuljahr 2011/12 kostenlos zur Grundschule in H. zu befördern bzw. tatsächlich für die Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs entstandene Kosten zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und zur Begründung ausgeführt, dass die besondere Gefährlichkeit des Schulweges für ein Kind im 3. Schuljahr nicht anzunehmen sei. Bei der Querung der Landesstraße handele es sich um ein im ländlichen Raum durchaus übliches Verkehrsereignis, das nicht geeignet sei, die Verkehrssituation im Vergleich zu anderen Ortschaften besonders herauszuheben. Es seien auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Einschätzung der Kläger ersichtlich, dass der Kreuzungsbereich als besonderer Gefahren- oder gar Unfallschwerpunkt zu würdigen sei. Die Verkehrsdichte im Bereich der Querung erreiche bei weitem nicht die Qualität, die Schülerlotsen oder eine Ampelregelung erforderlich machen könnten. Ein Schüler, der die 3. Klasse besuche, sei mit einer derartigen Situation einer nicht stark frequentierten Straße keinesfalls überfordert. Von einem achtjährigen Schüler, der in der Nähe einer Landesstraße aufwachse und mit dieser von klein auf vertraut sei, könne erwartet werden, dass er mit Hilfe seiner Eltern an die Bewältigung normaler verkehrsspezifischer Hindernisse sowie das Überqueren einer Straße herangeführt werde. Die L sei weit einsehbar, sodass ein Gefahrenelement in der Querung nicht liege. Auch in sonstiger Hinsicht gebe es keine Besonderheiten, die über das normale Maß von Wegegefahren in dünner besiedelten Regionen hinausgingen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage nach Durchführung einer Ortsbesichtigung stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus § 114 Abs. 1 NSchG in Verbindung mit der Schülerbeförderungssatzung des Beklagten. Zwar werde die nach der Satzung erforderliche Mindestentfernung von 2,2 km nicht überschritten, der Schulweg sei aber als besonders gefährlich anzusehen. Er stelle jedenfalls bei der Querung der L im Bereich der J. Straße Anforderungen an die Verkehrstauglichkeit, die ein achtjähriger Schüler nicht zuverlässig bewältigen könne. Der Sohn der Kläger sei durch den vom Beklagten bemühten Gutachterausschuss nicht bei der Bewältigung und Würdigung des Schulweges beteiligt worden. Nicht erkennbar sei zudem, dass der Gutachterausschuss sich über seine, des Sohnes der Kläger, besondere Situation Kenntnis verschafft habe. Diese Notwendigkeit sei aus der Fassung des § 3 Abs. 1 der Schülerbeförderungssatzung des Beklagten zu folgern, wonach auf die jeweilige Schülerin oder den jeweiligen Schüler abgestellt werde. Aus der Verwendung des bestimmten Artikels folge, dass die Satzung des Beklagten nicht pauschalierend auf typische Schülerinnen oder Schüler bestimmter Jahrgangsstufen oder eines bestimmten Lebensalters abstelle, sondern auf das individuelle Vermögen des Schülers oder der Schülerin, deren Schulweg zur Begutachtung anstehe. Damit unterscheide sich die Fassung für die Bewilligung im Ausnahmefall nach § 3 Abs. 1 von der an typische Merkmale anknüpfenden entfernungsgebundenen Kostenübernahme nach § 1 Abs. 1 der Schülerbeförderungssatzung. Weil die individuellen Gegebenheiten des Schülers auch im vorliegenden Fall maßgeblich zu berücksichtigen seien, komme es darauf an, inwieweit der Sohn der Kläger bei der Querung der L den Straßenverlauf einsehen könne. Hier spiele zum einen der im Bereich der Einmündung der J. Straße festzustellende Bewuchs wie auch der Straßenverlauf eine Rolle, auf der anderen Seite die Größe des Sohnes der Kläger. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass bei einem am Straßenrand in nördlicher Richtung zu erwartenden Bewuchs ein zur Überquerung bereit stehender Schüler von den Fahrzeugführern, die hier ohne Geschwindigkeitsbeschränkung herannahen könnten, nicht oder nur schwer, jedenfalls nicht zuverlässig wahrnehmbar seien. Der Sohn der Kläger habe aufgrund seiner Körpergröße nicht eine hinreichende Einsichtsmöglichkeit in den Verlauf der Straße. Schon bei normaler Sicht seien aus der Blickhöhe des Schülers zumindest die Beleuchtungseinrichtungen von Kraftfahrzeugen vor einem kleinen, ca. 150 m vor der Einmündung der J. Straße liegenden Buckel im ansonsten geraden Straßenverlauf nicht zu erkennen. Besonders in der dunklen Jahreszeit, in der die Straße von ihm überquert werden müsse, berge diese Einschränkung eine besondere Gefährlichkeit, weil seine Sichtmöglichkeit beschränkt und er für andere Verkehrsteilnehmer auch erschwert wahrnehmbar sei. Ein anderes Ergebnis sei nicht im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass es derartig besonders gefährliche Schulwege im Kreisgebiet des Beklagten aufgrund seiner dünnen Besiedelung häufiger als im Landesdurchschnitt gebe. Diesem Umstand werde hinreichend durch die Regelungen des Landesfinanzausgleichs Rechnung getragen.
Gegen dieses Urteil führt der Beklagte die von dem Senat zugelassene Berufung. Zur Begründung verweist er darauf, dass weder in verkehrlicher noch in sonstiger Hinsicht eine besondere Gefährlichkeit des Schulweges gegeben sei. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei insbesondere die Querung der L im Bereich der Einmündung der J. Straße für einen normal entwickelten achtjährigen Drittklässler nicht besonders gefährlich. Bei dieser Betrachtung sei pauschalierend auf typisch entwickelte Schülerinnen und Schüler bestimmter Schuljahrgänge oder eines bestimmten Lebensalters abzustellen, nicht hingegen auf das individuelle Leistungsvermögen des konkreten Kindes. Etwas anderes folge entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht aus der aktuellen Fassung seiner Schülerbeförderungssatzung, die statt den unbestimmten den bestimmten Artikel verwende und insoweit lediglich im Wortlaut eine sprachliche Ungenauigkeit aufweise. Die Querung sei nach Auskunft der Polizeiinspektion L. auch nicht als Unfallschwerpunkt anzusehen. In der dunklen Jahreszeit sei es für einen Schüler zumutbar und möglich, durch eigenes Verhalten sowie geeignete Kleidung und Hilfsmittel ein mögliches Unfallrisiko zu minimieren.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen,
und verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts. Die Querung der L sei aufgrund der Körpergröße und des Alters ihres Sohnes und der Verkehrsdichte sehr wohl besonders gefährlich. Kinder im Grundschulalter könnten aufgrund der noch nicht vollständig entwickelten Tiefenschärfe die Geschwindigkeiten von Fahrzeugen nicht richtig einschätzen. Der Grünstreifen in Höhe der Querung werde nicht ganzjährig und dann lediglich in einer Breite von nur einem Meter gemäht. Die im weiteren Verlauf des Schulweges befindlichen Betriebe (Molkerei, Schlosserei und Tankstelle) mit regelmäßigen Kunden- und Lieferungsverkehr mit Lastkraftwagen über den Rad- und Fußweg stellten einen weiteren Gefahrenpunkt dar.
Wegen des Ergebnisses der durch den Berichterstatter des Senats am 24. Juni 2013 vorgenommenen Ortsbesichtigung wird auf das Protokoll der Beweisaufnahme vom selben Tage, wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.
Die Kläger haben für das streitgegenständliche Schuljahr 2011/2012 keinen Anspruch auf kostenlose Schülerbeförderung ihres Sohnes F. gehabt, sodass auch ein Erstattungsanspruch entfällt mit der Folge, dass das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen ist.
Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NSchG hat der Beklagte als Träger der Schülerbeförderung grundsätzlich die in seinem Gebiet wohnenden Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern oder ihnen oder ihren Erziehungsberechtigten die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten. Die Schülerbeförderung gehört zum eigenen Wirkungskreis der Landkreise und kreisfreien Städte (§ 114 Abs. 1 Satz 3 NSchG), die die weiteren Voraussetzungen der Beförderungs- und Erstattungspflicht, insbesondere auch die Mindestentfernungen zwischen Wohnung und Schule, von der an die Beförderungs- oder Erstattungspflicht besteht, unter Berücksichtigung der Belastbarkeit der Schüler und der Sicherheit des Schulweges selbst festlegen können (§ 114 Abs. 2 NSchG).
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung für die Schülerbeförderung des Beklagten vom 30. Juni 2008 - SBS - bestehen nicht (dazu 1.). Die Entfernung zwischen dem Wohnhaus der Kläger und der von ihrem Sohn besuchten Grundschule in H. unterschreitet die Mindestentfernung des § 1 Abs. 1a SBS (dazu 2.), und schließlich liegen die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 3 SBS nicht vor (dazu 3.).
1. Bedenken gegen die Schülerbeförderungssatzung bestehen nicht; solche machen die Kläger auch nicht geltend. Insbesondere hat der Beklagte den ihm in § 114 Abs. 2 NSchG eingeräumten Entscheidungsspielraum durch die vorgenannte Satzung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgefüllt, indem er als Voraussetzung eines Beförderungs- oder Erstattungsanspruchs eine Mindestentfernung von 2,2 km für Schülerinnen und Schüler des Primarbereichs festgelegt hat. Dem Beklagten steht bei der Ausgestaltung seiner Schülerbeförderungssatzung ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der - soweit er sich in dem Rahmen des für die Schülerinnen und Schüler Zumutbaren hält - eine Pauschalierung und Generalisierung zulässt. In diesem Zusammenhang ist von maßgeblicher Bedeutung, dass die Anknüpfung an bestimmte Schülerjahrgänge bei der Festlegung von Mindestentfernungen sachlich gerechtfertigt ist und nicht willkürlich erscheint; demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob es andere denkbare Regelungen gibt, die ebenfalls sachlich gerechtfertigt sind oder möglicherweise sogar sinnvoller erscheinen (Senat, Urt. v. 11.11.2010 - 2 LB 318/09 -, NdsVBl. 2011, 166 = [...] Langtext Rdnr. 21 m.w.N.; vgl. hierzu auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 22.1.2013 - 2 M 187/12 -, [...] Langtext Rdnr. 10 m.w.N.)
Mit Blick auf den Zeitaufwand, den ein Schüler des Primarbereichs für den Schulweg in Anspruch nimmt, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass dieser sich im Rahmen des Zumutbaren hält, soweit er die Dauer von 45 Minuten je Wegstrecke nicht überschreitet, was gleichzeitig bedeutet, dass ein Schüler in dieser genannten Zeitspanne einen Schulweg bis zu 3 km Länge zurücklegen kann (vgl. Senat, Urt. v. 11.11.2010 - 2 LB 7/09 -; Urt. v. 4.6.2008 - 2 LB 5/07 -; Beschl. v. 23.9.2009 - 2 LA 585/07 -, NdsVBl. 2010, 18 = [...] Langtext Rdnr. 6).
Auch die Regelung in § 3 Abs. 1 SBS, wonach in besonders begründeten Ausnahmefällen ein Anspruch auf Schülerbeförderung besteht, wenn der Schulweg zu Fuß nach den objektiven Gegebenheiten besonders gefährlich oder ungeeignet ist, wobei üblicherweise auftretende Gefahren den Ausnahmefall nicht auslösen, hält sich im Rahmen des zweiten in § 114 Abs. 2 NSchG genannten normativen Kriteriums der Sicherheit.
2. Die in § 1 Abs. 1a SBS festgelegte Mindestentfernung von 2,2 km erreicht der Schulweg des Sohnes der Kläger nicht, da die Entfernung zwischen ihrem Wohnhaus und der Grundschule nach den unbestrittenen Feststellungen des Beklagten unter der 2,2 km-Grenze liegt.
3. Auch wenn - wie hier - die in der Schülerbeförderungssatzung festgelegte Mindestentfernung nicht erreicht wird, kann nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SBS gleichwohl in besonders begründeten Ausnahmefällen ein Anspruch auf Schülerbeförderung bestehen, wenn der Schulweg zu Fuß nach den objektiven Gegebenheiten besonders gefährlich oder aus sonstigen Gründen, insbesondere nach den örtlichen Gegebenheiten, für die Schülerinnen und Schüler ungeeignet ist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 SBS lösen die im Straßenverkehr üblicherweise auftretenden Gefahren den Ausnahmetatbestand nicht aus.
Der Begriff der besonderen Gefährlichkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung vollständiger gerichtlicher Nachprüfung unterliegt, ohne dass dem Träger der Schülerbeförderung bei Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ein eigener, der gerichtlichen Kontrolle nicht mehr zugänglicher Beurteilungsspielraum einzuräumen ist. Danach sind für die Beurteilung der besonderen Gefährlichkeit eines Schulweges nicht die - unter Umständen noch so verständlichen - subjektiven Befürchtungen und Sorgen von Eltern und Schülern, sondern die "objektiven Gegebenheiten" maßgebend. Der Begriff "Gefahr" bzw. "gefährlich" ist allgemein als Wahrscheinlichkeit der Schädigung von Rechtsgütern wie Leben, Leib und körperliche sowie persönliche Unversehrtheit zu verstehen. Das zusätzliche Merkmal "besonders" umschreibt und verlangt die gesteigerte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Hiermit bringt der Satzungsgeber - wie in § 3 Abs. 1 Satz 2 SBS noch einmal verdeutlicht - zum Ausdruck, dass die üblichen Risiken, denen Schüler auf dem Weg zur Schule, insbesondere im modernen Straßenverkehr, ausgesetzt sind, schülerfahrtkostenrechtlich unbeachtlich sein sollen. Nur wenn konkrete Umstände hinzutreten, die das Schadensrisiko als überdurchschnittlich hoch erscheinen lassen, soll unabhängig von der Länge des Schulwegs der Anspruch auf Fahrtkostenerstattung begründet werden (Senat, Urt. v. 11.11.2010 - 2 LB 318/09 -, a.a.O. m.w.N.; Littmann, in: Brockmann/Littmann/ Schippmann, NSchG, Stand: Juni 2003, § 114 Anm. 3.2; ferner OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 7.10.2012 - 19 A 2625/07 -, [...] Langtext Rdnr. 10 m.w.N.)
Von einem solchen Begriff der besonderen Gefährlichkeit ausgehend ist der zwischen den Beteiligten umstrittene Schulweg sowohl in verkehrsspezifischer Sicht (dazu a) wie auch im Hinblick auf eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit sonstiger Schadensereignisse (dazu b) für die genannten Rechtsgüter nicht besonders gefährlich.
a) Unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit ist der Ausnahmetatbestand des § 3 SBS nur begründet, wenn der Schulweg aufgrund der örtlichen Gegebenheiten für die Schüler Gefahren mit sich bringt, die über die im Straßenverkehr üblicherweise auftretenden Gefahren hinausgehen. Hierbei ist auf Gefahren, Erschwernisse und sonstige Umstände abzustellen, die die Schüler normalerweise zu bewältigen haben. Auf gelegentlich auftretende extreme Straßenverhältnisse - etwa infolge von Schneefall oder Eisregen - kommt es dagegen nicht an (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 22.1.2013 - 2 M 187/12 -, [...] Langtext Rdnr. 13 m.w.N.). Eine besondere Gefährlichkeit kann ihre Ursachen unter anderem in verkehrsspezifischen Gegebenheiten finden. Die § 114 Abs. 2 Satz 2 NSchG umsetzende satzungsrechtliche Regelung des § 3 Abs. 1 SBS setzt insoweit eine gesteigerte Gefahrenlage voraus, um einen Schulweg als besonders gefährlich einstufen zu können. Diese kann beispielsweise aus dem Fehlen von Gehwegen oder einer Notwendigkeit der Querung höher frequentierter Straßen ohne Schülerlotsen oder Ampelregelung begründet sein. Auch die auf einem Verkehrsweg zugelassene Höchstgeschwindigkeit, Art und Frequenz der Verkehrsbelastung, die Übersichtlichkeit des fraglichen Straßenbereichs sowie Breite und Beleuchtung der jeweiligen Straße können insoweit von Bedeutung sein. Gleichwohl ist es unter Berücksichtigung der mit dem Straßenverkehr verbundenen Gefahren nicht Sinn und Zweck des § 3 SBS - wie der Wortlaut der Vorschrift verdeutlicht - jedes theoretisch noch verbleibende Risiko des Schulwegs auszuräumen (Senat, Beschl. v. 12.8.2011 - 2 LA 283/10 -, [...] Langtext Rdnr. 16; Urt. v. 11.11.2010 - 2 LB 318/09 -, a.a.O. m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ergeben sich in verkehrlicher Hinsicht derartige besondere Gefahren für den Schulweg des Sohnes der Kläger nicht (dazu bb). Hierbei ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch mit Blick auf die Schülerbeförderungssatzung des Beklagten pauschalierend auf einen normal entwickelten Schüler in der betreffenden Jahrgangsstufe abzustellen (dazu aa).
aa) Die besondere Gefährlichkeit des Schulweges beurteilt sich ausschließlich nach objektiven Gegebenheiten. Diese Objektivität bezieht sich zum einen auf die verkehrlichen Verhältnisse und die daraus abzuleitende Gefahrenlage. Zum anderen besagt sie aber auch, dass es im Ergebnis lediglich auf die durchschnittliche Belastbarkeit der Schülerinnen und Schüler, etwa bezogen auf einen Schuljahrgang, auf eine Schulform oder einen Schulbereich, ankommt. Nicht entscheidungserheblich ist die individuelle Belastbarkeit einzelner Schülerinnen oder Schüler oder ihre subjektive Ängstlichkeit oder die ihrer Eltern (so auch Littmann, in: Brockmann u.a., a.a.O., § 114 Anm. 3.2). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts besagt die Schülerbeförderungssatzung des Beklagten nichts Gegenteiliges. § 3 Abs. 1 Satz 1 SBS verwendet zwar in diesem Zusammenhang den Singular und den bestimmten Artikel ("wenn der Schulweg ... für die Schülerin oder den Schüler besonders gefährlich oder ungeeignet ist."). Diese grammatikalische Fassung der Norm hat aber nicht die von dem Verwaltungsgericht beigegebene Bedeutung, wie sich bereits aus der weiteren in der Norm festgelegten Voraussetzung der "objektiven Gegebenheiten" ergibt. Eine - hier nicht gegebene - Ausnahme besteht nach § 1 Abs. 3 SBS lediglich im Fall einer dauernden oder vorübergehenden Behinderung. Daher war der Gutachterausschuss, der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SBS überdies lediglich eine unterstützende Funktion hat, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht gehalten gewesen, den Sohn der Kläger zu beteiligen und sich gerade über seine besondere Situation Kenntnis zu verschaffen.
bb) Der von dem Sohn der Kläger im streitgegenständlichen Schuljahr 2011/2012 zu bewältigende Schulweg war und ist für einen normal entwickelten Schüler der 3. Jahrgangsstufe einer Grundschule nach den oben genannten Kriterien in verkehrlicher Hinsicht nicht besonders gefährlich.
Der Schulweg verläuft vom elterlichen Wohnhaus in einem ersten Teilstück auf der J. Straße. Auch wenn diese nicht über einen gesonderten Rad- und Gehweg, sondern nur über beidseitige Grünstreifen verfügt, ist nicht ersichtlich, dass ein Drittklässler hier besonderen Gefahren in verkehrlicher Hinsicht ausgesetzt ist. Die J. Straße ist wenig befahren, entgegen kommenden Fahrzeugen kann ohne weiteres durch ein Betreten der Grünstreifen ausgewichen werden.
In Höhe der Einmündung der J. Straße in die K. Straße befindet sich zwar keine Querungshilfe und die Verkehrsdichte ist aufgrund des Umstandes, dass es sich bei letzterer um eine Landesstraße ohne gesonderte Geschwindigkeitsbegrenzung handelt, relativ hoch. Auf der - in Richtung H. gesehen - linken Seite der K. Straße befindet sich lediglich ein Grünstreifen, der kombinierte Rad- und Gehweg ist auf der rechten Straßenseite gelegen. Unabhängig davon, dass es sich in diesem Bereich nicht um einen besonderen Unfallschwerpunkt handelt, kann gleichwohl von einem achtjährigen Schüler - zumal dann, wenn er wie hier in unmittelbarer Nähe einer Landesstraße aufwächst und mit dieser von klein auf vertraut ist - erwartet werden, dass er mit Hilfe seiner Eltern an die Bewältigung normaler verkehrsspezifischer Hindernisse wie das Überqueren einer sieben bis acht Meter breiten Straße herangeführt wird. Eine andere Einschätzung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Grünstreifen in Höhe der Einmündung nach Darstellung der Kläger nicht ganzjährig gemäht wird. Dieser Sichtbehinderung kann der Sohn der Kläger in zumutbarer Weise dadurch begegnen, dass er umsichtig wenige Schritte auf die Fahrbahn tritt, um so ein freies Sichtfeld in beide Richtungen zu haben. Die Landesstraße in diesem Bereich verläuft geradlinig. Wie die Beweisaufnahme gezeigt hat, gibt es im Verkehrsfluss immer wieder Lücken, die abgewartet werden können. Die sich auf der Straße in Richtung M. in rund 100 bis 150 m Entfernung befindliche kleine Delle in der Fahrbahn behindert die Sicht eines normal gewachsenen achtjährigen Drittklässler nicht übermäßig und führt nicht dazu, dass er herannahende Kraftfahrzeuge nicht oder zu spät erkennt. Dem Umstand, dass der Sohn der Kläger insbesondere in der dunklen Jahreszeit für die Kraftfahrer schwerer zu erkennen ist, kann durch geeignete Kleidung und Hilfsmittel begegnet werden. Soweit die Kraftfahrer in diesem Bereich tatsächlich mit überhöhter Geschwindigkeit fahren, müsste dem mit verstärkten Verkehrskontrollen begegnet werden.
Im weiteren Verlauf des Schulweges kann durchgängig der kombinierte Rad- und Gehweg benutzt werden, der von der Straße durch einen Grünstreifen abgegrenzt ist, sodass es in verkehrlicher Hinsicht keine besonderen Gefährdungslagen gibt. Dies gilt zum einen trotz des Umstandes, dass die K. Straße bis zur Bushaltestelle in Höhe der N. straße nicht durchgängig beleuchtet ist, da diesem Umstand in den dunklen Jahreszeiten wiederum durch geeignete Kleidung und Hilfsmittel Rechnung getragen werden kann. Zum anderen gilt dies aber auch im Hinblick darauf, dass sich in der Ortslage von H. beidseitig Gewerbebetriebe mit Kunden- und Lieferverkehr befinden. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Verkehre über das für Gewerbebetriebe normale Maß hinausgehen, sodass es sich hierbei um im ländlichen Raum durchweg übliche Verkehrsereignisse handelt, die nicht geeignet sind, die Verkehrssituation im Vergleich zu anderen Ortschaften besonders herauszuheben, und die ein Achtjähriger mit entsprechender Einübung zu bewältigen nicht in der Lage ist. Diese Einschätzung wird dadurch unterstrichen, dass auch in diesem Bereich von einem besonderen Unfallschwerpunkt nichts bekannt ist. Im Ort schließlich befindet sich eine Lichtzeichenanlage mit einer Querungshilfe, sodass der Sohn der Kläger gefahrlos auf die andere Straßenseite, an der sich die Grundschule befindet, gelangen kann.
b) Die besondere Gefährlichkeit eines Schulweges im Sinne von § 3 SBS kann sich aber nicht nur aus Gefährdungen durch den motorisierten Straßenverkehr ergeben, sondern auch mit der gesteigerten Wahrscheinlichkeit des Eintritts sonstiger Schadensereignisse verbunden sein. Eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit von Gewaltstraftaten ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der betreffende Schüler aufgrund seines Altes oder seines Geschlechts zu einem risikobelasteten Personenkreis gehört und wenn er sich auf seinem Schulweg in einer schutzlosen Situation befindet, insbesondere, weil nach den örtlichen Verhältnissen eine rechtzeitige Hilfeleistung durch Dritte nicht gewährleistet ist. Als Kriterien der Beurteilung können insoweit etwa angenommen werden, ob der betreffende Schüler im Falle einer Gefahr seitlich ausweichen und eine etwaige naheliegende Wohnbebauung erreichen kann, ob die Wegstrecke, namentlich Anfang oder Ende eines Waldstücks, gut einzusehen ist, ob Unterholz in nennenswerter Ausdehnung vorhanden ist, das potenziellen Gewalttätern ein geeignetes Versteck bieten könnte, und ob während der dunklen Tages- oder Jahreszeit Straßenlaternen eine ausreichende Beleuchtung gewährleisten. Die Würdigung der besonderen Gefährlichkeit eines Schulwegs erfordert ungeachtet dieser Kriterien eine Gesamtbetrachtung, die sich nicht in der Einschätzung eines einzelnen Aspekts erschöpfen darf. Erforderlich ist vielmehr eine Abweichung des Sachverhalts, die die zu beurteilende Situation von gewöhnlichen oder normalen Gegebenheiten erkennbar unterscheidet (Senat, Beschl. v. 12.8.2011 - 2 LA 283/10 -, [...] Langtext Rdnr. 19; Beschl. v. 9.6.2008 - 2 LA 263/08 -; Urt. des Einzelrichters des Senats v. 4.4.2008 - 2 LB 7/07 -, [...] Langtext Rdnr. 63 ff. m.w.N.; vgl. ferner Nds. OVG, Urt. v. 19.6.1996 - 13 L 5072/91 -, NdsVBl. 1997, 63 f. = [...] Langtext Rdnr. 27 ff.; Bayerischer VGH, Urt. v. 17.2.2009 - 7 B 08.1027 -, [...] Langtext Rdnr. 23; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.11.2006 - 19 A 4675/04 -, [...] Langtext Rdnr. 5 ff. m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen sind auch im Hinblick auf andere als durch den motorisierten Straßenverkehr hervorgerufene Gefährdungen die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach § 3 Abs. 1 SBS nicht erfüllt. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass der Sohn der Kläger in dem vorliegend streitbefangenen Schuljahr 2011/2012 als Schüler der dritten Jahrgangsstufe zu einem Personenkreis gezählt werden konnte, der dem gesteigerten Risiko von kriminellen Übergriffen ausgesetzt sein kann (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 9.6.2008 - 2 LA 263/08 - m.w.N.: hierzu zählen in der Regel Schülerinnen und Schüler bis zum 14. Lebensjahr). Die Örtlichkeiten seines Schulweges sind jedoch nicht so beschaffen, als dass sich die Annahme rechtfertigt, ein Schüler, der den Weg zwischen dem Wohnhaus der Kläger und der Grundschule H. zurücklegt, befinde sich in einer schutzlosen Situation. Wie die Ortsbesichtigung ergeben hat, ist der Schulweg Bestandteil eines aufgrund seiner geologischen Beschaffenheit gut einsehbaren Geländes. Hohlwege oder tiefere Geländeeinschnitte, in die sich ein Straftäter zurückziehen könnte, finden sich in der flachen Landschaft nicht. Das im Verlauf der K. Straße entlang des Rad- und Gehweges zum Teil vorhandene Buschwerk stellt sich lediglich als schmaler Streifen dar und besitzt keine nennenswerte seitliche Ausdehnung. Die bis zur Ortslage von H. befindlichen Felder sind gut einsehbar. Dass die Wegstrecke bis zur in Höhe der N. straße befindlichen Bushaltestelle nicht durchgängig beleuchtet ist und sich in diesem Bereich bis zur Ortslage von H. nur vereinzelt Wohnbebauung befindet, stellt nach dem Gesamteindruck in der Beweisaufnahme keine besondere Gefahrenquelle dar. Diese Wegstrecke ist gut einsehbar sowie nicht übermäßig lang, aufgrund der Verkehrsfrequenz der Landesstraße ist davon auszugehen, dass im Fall eines gewaltsamen Übergriffes auf Schulkinder von vorbeifahrenden Kraftfahrern Hilfe zu erlangen ist. Diese Wegstrecke ist zudem nicht so beschaffen, dass ein Schüler in die Enge getrieben werden könnte, sondern es bleibt die Möglichkeit zum Ausweichen.
Im Ergebnis weist der Schulweg, den der Sohn der Kläger im streitbefangenen Schuljahr als Drittklässler zurückzulegen hatte, im Vergleich mit anderen Schulwegen keine Besonderheit auf, die über das normale Maß von Wegegefahren in dünner besiedelten Regionen hinausgehen. Eine wie hier anzutreffende ländliche Prägung einer Region allein begründet noch nicht die Annahme einer besonderen Wegegefährlichkeit. Wäre dies anders, hätte der Beklagte als Träger der Schülerbeförderung gegenüber Schülern, die außerhalb einer geschlossenen Bebauung leben, stets eine wohnortunabhängige Schülerbeförderungspflicht, die angesichts des erkennbaren Ausnahmecharakters von § 3 Abs. 1 SBS nicht begründet sein kann. Es bedarf auch im Hinblick von Schulwegen, die durch ein von der Bebauung abgesetztes Gebiet führen, stets der Feststellung von Merkmalen, die die Annahme einer besonderen Gefährlichkeit rechtfertigen, eines Gefahrentatbestandes mithin, den der Senat für den Schulweg des Sohnes der Kläger nicht festzustellen vermag, zumal von Übergriffen auf Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich nichts bekannt ist.