Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.09.2009, Az.: 2 LA 585/07
Beförderungsunternehmen; Gesamtbelastung; Hausaufgaben; Primarbereich; Schule; Schulweg; Schülerbeförderung; Schülerbeförderungssatzung; Wegezeiten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.09.2009
- Aktenzeichen
- 2 LA 585/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 45318
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0923.2LA585.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 28.06.2007 - AZ: 6 A 305/05
Rechtsgrundlagen
- 114 I 2 NSchG
Fundstellen
- FStNds 2010, 177-179
- NdsVBl 2010, 18-19
Amtlicher Leitsatz
Der reine Zeitaufwand eines Schülers des Primarbereichs, der die Dauer von 45 Minuten je Wegstrecke nicht überschreitet, muss nicht schon deshalb als unzumutbar im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG angesehen werden, weil der Schüler ansonsten einer sich aus Schulweg, Wartezeiten, Unterricht, unterrichtsergänzenden Angeboten und Hausaufgaben zusammensetzenden schulischen Gesamtbelastung ausgesetzt wäre, die das Zeitmaß von sechs Stunden überschreitet.
Gründe
Die Kläger begehren von dem Beklagten die Erstattung von Schülerbeförderungskosten, die ihnen dadurch entstanden sind, dass sie im Schuljahr 2004/05 mit ihrem Personenkraftwagen ihre am 1998 geborene Tochter schultäglich von ihrem Wohnort C. zu der 15 km entfernt liegenden Katholischen Grundschule D. nach E. befördert haben, deren 1. Klasse das Kind aus konfessionellen Gründen sowie angesichts des Hochbegabtenverbundes der Grundschule mit einem F. Gymnasium besucht hat. Nachdem der Beklagte sich mit den angefochtenen Bescheiden lediglich bereit erklärt hatte, die entstandenen Fahrtkosten bis zur Höhe der für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel anfallenden Aufwendungen (427,80 EUR) zu erstatten, haben die Kläger vor dem Verwaltungsgericht in Höhe von 532,20 EUR eine weitergehende Verpflichtung des Beklagten verfolgt. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
Der hiergegen gerichtete Antrag der Kläger, die Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung zuzulassen, bleibt ohne Erfolg, da die nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden sind.
Die Zulassung der Berufung erfordert, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO bezeichneten Zulassungsgründe eindeutig geltend gemacht und innerhalb der Antragsfrist aus sich heraus verständlich näher dargelegt wird (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), dass und aus welchen Gründen dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. An die Darlegung sind nicht geringe Anforderungen zu stellen (vgl. Nds. OVG, Beschl.v. 16.9.1997 - 12 L 3580/97 -, NdsVBl. 1997, 282; Bader, DÖV 1997, 442; derselbe, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Aufl. 2007, Rdnr. 77 ff. zu § 124a; Seibert, DVBl. 1997, 932; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Rdnr. 34 zu § 124a). Die dem Revisionsrecht nachgebildete Darlegungspflicht bestimmt als selbständiges Zulässigkeitserfordernis den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts. Sie verlangt qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen. Das bloße Benennen oder Geltendmachen eines Zulassungsgrundes genügt dem Darlegungserfordernis ebenso wenig wie eine nur bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens oder gar eine - ergänzende - Bezugnahme hierauf (vgl. Bader, NJW 1998, 409f). Insgesamt ist bei den Darlegungsanforderungen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats , Beschl.v. 21.1.2000 - BvR 2125/97 -, DVBl. 2000, 407).
Für den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, auf den die Kläger ihr Zulassungsbegehren maßgeblich stützen, ist für die Darlegung als Mindestvoraussetzung zu verlangen, dass geltend gemacht wird, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist und die Sachgründe hierfür bezeichnet und erläutert werden. Insoweit reicht es nicht aus, dass die Unrichtigkeit lediglich allgemein behauptet wird, sich diese aber nicht aus dem Antrag selbst, sondern erst aus einer Durchsicht der Akten erschließt. Ernstliche Zweifel sind dann anzunehmen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist dann der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 [BVerfG 23.06.2000 - 1 BvR 830/00]; Beschl.d. Sen. v. 17.1.2006 - 2 LA 1259/04 -). Dabei kommt es nicht darauf an, ob einzelne Begründungselemente der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unrichtig sind, sondern allein darauf, ob sich diese im Ergebnis als unrichtig erweist (vgl. Senatsbeschl.v. 17.1.2006, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall.
Die vorstehend genannten Maßstäbe rechtfertigen es nicht, die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und ist nach sorgfältiger Aufklärung des Sachverhalts mit einer umfassenden und überzeugenden Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass den Klägern der geltend gemachte höhere Erstattungsanspruch nicht zusteht, so dass sich der Senat die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen macht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Die Darlegungen des Zulassungsantrags rechtfertigen keine abweichende Beurteilung der Rechtslage.
Insbesondere ist der Senat mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der reine Zeitaufwand eines Schülers des Primarbereichs für den Schulweg, der die Dauer von 45 Minuten je Wegstrecke nicht überschreitet, nicht als unzumutbar im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG angesehen werden kann, so dass es angesichts des Umstands, dass für den Schulweg der Tochter der Kläger an reiner Fahr- und Gehzeit eine Zeitspanne von 38 Minuten je Richtung in Ansatz zu bringen ist, nicht darauf ankommt, ob die weitergehende Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung des Beklagten über die Schülerbeförderung, der für Schüler des Primarbereichs Wegezeiten von bis zu 60 Minuten je Richtung für zumutbar erachtet, noch als Konkretisierung zumutbarer Bedingungen nach § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG angesehen werden kann. Zu diesem Personenkreis der Schüler des Primarbereichs zählt auch die Tochter der Kläger, ohne dass es darauf ankommen kann, dass diese mit Beginn des Schuljahres 2004/05 im Alter von fünf Jahren eingeschult worden ist. Denn nach § 64 Abs. 1 NSchG werden die Kinder, die zu Beginn des Schuljahres noch nicht schulpflichtig sind, angesichts ihrer Schulreife auf Antrag ihrer Erziehungsberechtigten aber vorzeitig in die Schule aufgenommen werden, mit der Aufnahme schulpflichtig, so dass sie im Hinblick auf die Beurteilung zumutbarer Schülerbeförderungsbedingungen grundsätzlich allen Grundschülern, die ihren Schulweg teilweise unter Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zurücklegen, gleichzustellen sind.
Abweichendes folgt auch nicht aus dem Hinweis der Kläger auf die Hochbegabteneigenschaft ihrer Tochter und die in diesem Zusammenhang nicht näher begründete Einschätzung, sie sei einem behinderten Kind gleichzustellen, da es im Hinblick auf die Anerkennung einer individuellen schulwegspezifischen Behinderung im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 2 der Schülerbeförderungssatzung an einer amtsärztlichen Feststellung und Bescheinigung fehlt. Dass das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Fehlen einer etwaigen Feststellung der schulwegspezifischen Behinderung einem Verfahrensfehler unterliegt, zeigt der Zulassungsantrag schon deshalb nicht auf, weil der insoweit maßgebliche Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO unbenannt bleibt.
Dem Verwaltungsgericht ist ferner in der Auffassung zu folgen, dass der von der Tochter der Kläger von ihrem Elternhaus bis zur Haltestelle des Schulbusses zurückzulegende Fußweg keine Gefahren in sich birgt, die über die im Straßenverkehr üblicherweise auftretenden Risiken hinausgehen (§ 2 Abs. 5 Schülerbeförderungssatzung) und daher ausnahmsweise auch dann einen Beförderungsanspruch begründen können, wenn die Schulwegmindestentfernung von 2 000 m nicht gegeben ist. Insoweit knüpft das Verwaltungsgericht nach einer gründlichen und umfassenden Beweisaufnahme an die Rechtsprechung des beschließenden Senats an, nach der sich die besondere Gefährlichkeit eines Schulwegs im schülerbeförderungsrechtlichen Sinn neben der Gefährdung durch den motorisierten Straßenverkehr auch aus der gesteigerten Wahrscheinlichkeit sonstiger Schadensereignisse, die mit der Benutzung des Schulwegs verbunden sein können, ergeben kann. Hierzu gehört auch die Gefahr krimineller Übergriffe, wenn Schüler zu einem risikobelasteten Personenkreis gehören und sich auf dem Schulweg in einer schutzlosen Situation befinden, die auch dadurch begründet sein kann, dass nach den örtlichen Verhältnissen eine rechtzeitige Hilfeleistung durch Dritte nicht gewährleistet ist (vgl. Urt.d. Sen. - Einzelrichter - v. 4.4.2008 - 2 LB 7/07 -; Urt.v. 4.6.2008 - 2 LB 5/07 -). Anhaltspunkte, die die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der von der Tochter der Kläger zur Haltestelle des Schulbusses zurückzulegende Fußweg sei sicher, in Frage stellen könnten, lassen sich dem Zulassungsantrag nicht entnehmen.
Entgegen der Annahme der Kläger ergeben sich besondere, die Unzumutbarkeit der Schülerbeförderung begründende Erschwernisse auch nicht aus der Benutzung der von C. nach E. fahrenden Schul- bzw. Linienbusse. Abgesehen davon, dass der Zulassungsantrag keine Darlegungen enthält, die Zweifel an der Sicherheit des den Linienverkehr durchführenden Beförderungsunternehmens begründen könnten, ist der Träger der Schülerbeförderung, abgesehen von seiner Koordinierungspflicht nach § 109 NSchG, für die Modalitäten der Beförderung im Einzelnen nicht verantwortlich, wenn er den Schülertransport nicht mit eigenen oder angemieteten Transportmitteln selbst durchführt, sondern sich hierfür eines Beförderungsunternehmens des öffentlichen Personennahverkehrs bedient (Urt.d. Sen. v. 4.6.2008 - 2 LB 5/07 -). Ob Abweichendes dann zu gelten hat, wenn der Träger der Schülerbeförderung über Erkenntnisse verfügt, die auf eine fehlende Zuverlässigkeit des Transportunternehmens schließen lassen, braucht vorliegend nicht beurteilt zu werden.
Schließlich folgt der Senat dem Verwaltungsgericht in der Einschätzung, dass die zwischen den Beteiligten umstrittene Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zu einer nicht mehr hinnehmbaren schulischen Gesamtbelastung für die Tochter der Kläger führen würde. Den allein für den täglichen Schulbesuch erforderlichen Zeitaufwand hat die Vorinstanz mit sechs Stunden und 37 Minuten ermittelt und dabei die für die Hausaufgaben noch zusätzlich aufzuwendende Zeit unberücksichtigt gelassen. Ohne dass die Ausführungen der Vorinstanz durch die Darlegungen des Zulassungsantrags insoweit in Zweifel gezogen werden, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Tochter der Kläger das Elternhaus etwa um 7.00 Uhr hätte verlassen müssen, um den um 7.15 Uhr abfahrenden Schulbus zu erreichen; nach der Beendigung des Schulunterrichts hätte der Bus den Wohnort C. um 13.23 Uhr wieder erreicht, so dass die Tochter der Kläger nach einem weiteren Gehweg von 14 Minuten um 13.37 Uhr wieder in der elterlichen Wohnung eingetroffen wäre. Diese sich aus Schulweg und Schulunterricht ergebende tägliche Beanspruchung der Tochter der Kläger hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die heutige Konzeption einer Grundschule mit zuverlässigen Unterrichtszeiten zu Recht als hinnehmbar angesehen und der Anerkennung einer festen zeitlichen Belastungsgrenze von sechs Zeitstunden rechtsfehlerfrei eine Absage erteilt.
Soweit der vormals mit dem Schulrecht befasste 13. Senat des beschließenden Gerichts in seinem Beschluss vom 12. Februar 2004 - 13 LA 312/03 - für den Primarbereich eine Schulwegzeit von 60 Minuten als nicht mehr zumutbar im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG angesehen hat, wenn ein Schulweg der genannten Zeitdauer den betroffenen Schüler einer täglichen Beanspruchung von mehr als sechs Zeitstunden aussetzen würde, vermag der beschließende Senat einer mit sechs Zeitstunden anzunehmenden schulischen Gesamtbelastung einen allein ausschlaggebenden Stellenwert für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Schulwegs im Primarbereich nicht mehr beizumessen. Dies folgt aus der geänderten Konzeption des Grundschulwesens, wobei diese Änderung insbesondere darauf beruht, dass es mit einer Stundenzahl von 20 Pflichtstunden für Schülerinnen und Schüler des 1. Schuljahrgangs nicht mehr sein Bewenden hat. Nach Teilziffer 4.1.9 des Runderlasses des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 3. Februar 2004 (-301-31020-, SVBl. 2004, 85) haben die Grundschulen für Schülerinnen und Schüler des 1. und 2. Schuljahrgangs über die in Ziffer 4 genannte Stundentafel (20 Schulstunden für den 1. Schuljahrgang) hinaus durch unterrichtsergänzende Angebote ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot sicherzustellen. Dieses Konzept für die unterrichtsergänzenden Angebote ist Teil des pädagogischen Konzepts der Schule. Für die unterrichtsergänzenden Angebote werden die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt, die im Rahmen eines Stundenbudgets von der Schule eingestellt werden. Das hierdurch zum Ausdruck gebrachte Konzept einer "verlässlichen Grundschule", welches ein tägliches Betreuungsangebot von fünf Zeitstunden sicherstellt, ist Ausdruck der im neueren Bildungsrecht auch als Folge der Pisa-Studie gebildeten Überzeugung, dass schulische Angebote auch schon im Primarbereich auszuweiten sind, um Bildungsrückstände auch im Vergleich zum europäischen Gefälle aufzuholen. Unerheblich ist insoweit, dass es sich nur um ein schulisches Angebot handelt, das die Erziehungsberechtigten der Schulpflichtigen nicht annehmen müssen. Entscheidend ist vielmehr, dass sie es annehmen können und der Fall der Annahme dieses Angebots der Würdigung der schulischen Gesamtbelastung und damit letztlich auch der Betrachtung und Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zumutbarkeit eines Schulweges zugrunde zu legen ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der pflichtige Träger der Schülerbeförderung die Inanspruchnahme des Angebots der verlässlichen Grundschule nicht steuern kann.
In dem Angebot einer verlässlichen Grundschule kommt zum Ausdruck, dass das Kultusministerium aktuell schon eine schulische Belastung von fünf Zeitstunden als möglich und angemessen ansieht. Hinzu tritt der Zeitaufwand für die von den Schülern zu fertigenden Hausaufgaben, der nach Ziffer 3 des Runderlasses des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 16. Dezember 2004 (-33-82100-, SVBl. 2005, 76) für den Primarbereich mit 30 bis 45 Minuten zu veranschlagen ist. Diese Betrachtung zeigt, dass bei Annahme einer Höchstbelastungsgrenze einer Schülerin oder eines Schülers im Primarbereich von sechs Zeitstunden dieses Zeitbudget allein schon durch ein fünfstündiges Unterrichtsangebot zuzüglich 45 Minuten Hausaufgaben nahezu vollständig, nämlich bis auf 15 Minuten, ausgeschöpft wäre. Die bis zur Ausschöpfung der Belastungsgrenze für den Weg zur Schule und den Rückweg zum Elternhaus verbleibende Zeit betrüge damit je Wegstrecke nur noch ca. 7,5 Minuten. Derartige Schulwegzeiten wären indes allein im unmittelbaren Nahbereich der Wohnung eines Schülers und regelmäßig nicht mehr bei Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs realisierbar.
Bestätigt werden die vorstehenden Überlegungen durch weitere schulische Entwicklungen, die ebenfalls gegen die Annahme starrer Belastungsobergrenzen im schulischen Bereich sprechen. So ist in Niedersachsen durch die Neufassung des § 11 NSchG geregelt worden, dass die Abiturprüfung künftig nach 12 - und nicht wie bisher nach 13 - Schuljahren an einem Gymnasium abgelegt wird; nach § 11 Abs. 2 NSchG werden im Gymnasium Schülerinnen und Schüler der Schuljahrgänge 5 bis 12 unterrichtet (nur bis 2011 der Schuljahrgänge 5 bis 13). Der erfolgreiche Besuch des 10. Schuljahrgangs berechtigt zum Eintritt in die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe (§ 11 Abs. 3 Satz 1 NSchG). Am Ende der Qualifikationsphase - und damit nach 12 Schuljahren - kann durch die Abiturprüfung die Allgemeine Hochschulreife erworben werden. Diese Neuregelung zeigt ebenfalls, dass Schülerinnen und Schülern andere, weitergehende schulische Belastungen auferlegt werden, um identische Bildungsgänge wie in der Vergangenheit erfolgreich abzuschließen.
Letztlich wandeln sich Schullandschaft und Schulwirklichkeit in Niedersachsen kontinuierlich zu einem verstärkten Ganztagsschulangebot hin. So arbeiten seit dem 1. August 2008 insgesamt 665 niedersächsische Schulen als genehmigte Ganztagsschulen, wobei mit Beginn des Schuljahres 2009/10 220 neue Ganztagsschulen genehmigt worden sind (http://www.mk.niedersachsen.de/master/C44368606 L20 D0 I579h1.htm/#). Nach § 23 Abs. 1 Satz 4 NSchG sollen bei Ganztagsschulen Unterricht und zusätzliches Förder- und Freizeitangebot acht Stunden an einem Tag nicht überschreiten. Auch wenn derartige Ganztagsangebote freiwillig wahrgenommen werden und in den Betreuungszeiten die Hausaufgaben erledigt werden können, so ist doch nicht zu verkennen, dass die vom Niedersächsischen Kultusministerium als möglich und zumutbar angesehene zeitliche Belastung der Schülerinnen und Schüler nicht mehr mit früheren Vorstellungen und Empfehlungen übereinstimmen kann. Auch insoweit ist die Nutzung des schulischen Angebots im Übrigen dem Einfluss des Trägers der Schülerbeförderung entzogen.
Der Senat vermag daher an einem Richtwert der maximalen schulischen Belastung, nach dem Schulweg, Schulunterricht und die Erledigung von Hausaufgaben für Schüler bis zu zehn Jahren eine tägliche Beanspruchung von sechs Stunden nicht überschreiten sollen, nicht festzuhalten, sondern erachtet es für geboten, im Rahmen einer Gesamtabwägung festzustellen, ob sich im Einzelfall eine unzumutbare Belastung des betroffenen Schülers ergibt, die dazu führt, dass der Schüler täglich einer schulischen Inanspruchnahme ausgesetzt ist, die das Hinzutreten einer bestimmten, in der Regel langen Schulwegdauer als unzumutbar erscheinen lässt. Im Rahmen dieser Abwägung fällt zugunsten der Kläger ins Gewicht, dass ihre Tochter in dem hier maßgeblichen Schuljahr 2004/05 die erste Klasse einer Grundschule besucht hat und daher als Schulanfängerin besonders wenig belastbar erscheint. Andererseits haben die Kläger als Erziehungsberechtigte ihres Kindes mit der D. -Schule in E. eine Grundschule gewählt, die von ihrer Wohnung um ein Vielfaches weiter entfernt liegt als die nächst erreichbare Grundschule in ihrem Wohnort C.. Die Kläger müssen sich daher schon bei der Wahl der Bildungseinrichtung von vornherein bewusst gewesen sein, dass der für ihre Tochter täglich zurückzulegende Weg mit einer nicht unerheblichen Belastung verbunden sein würde (zu diesem Kriterium Senatsurt. v. 4.6.2008 - 2 LB 5/07 -). Die Wahl des Schulstandortes - auch wenn sie durch die Hochbegabung und die Konfession des Kindes geprägt ist - war und ist daher unmittelbar kausal für die schulische Gesamtbelastung des Kindes. Auch wenn den Klägern mit Blick auf die Beschulung ihrer Tochter eine Wahlfreiheit zusteht, so bedeutet dies doch nicht, dass sie von allen aus dieser Wahl resultierenden nachteiligen Folgen - wie auch der Schülerbeförderung - freizustellen wären. Jedenfalls dann, wenn Schulwegezeiten wie vorliegend die Dauer von 38 Minuten nicht überschreiten, muss eine derartige Ursache in die Würdigung der Gesamtbelastung einbezogen werden.
Die Kläger können ihren Zulassungsantrag auch nicht auf § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO stützen, da die Voraussetzungen für die Annahme einer Divergenz nicht erfüllt sind. Eine Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist anzunehmen, wenn das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung einen entscheidungserheblichen abstrakten Grundsatz tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgestellt hat, der mit einem ebensolchen Grundsatz in einer Entscheidung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeführten Gerichte nicht übereinstimmt. Ein solcher Grundsatz, den das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, muss zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen sein, er muss sich aber aus der angefochtenen Entscheidung hinreichend deutlich ergeben. Eine Divergenz liegt dagegen nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht einen im Einzelfall nicht in Frage gestellten Grundsatz stillschweigend übergeht, nicht hinreichend anwendet, außer Acht lässt oder rechtsfehlerhaft für nicht anwendbar erachtet (vgl. Beschl.d. Sen. v. 19.1.2005 - 2 LA 1282/04 -).
Ausgehend von diesen Maßstäben fehlt es nach den Darlegungen der Kläger an zwei miteinander divergierenden Rechtssätzen. Die danach gebotene Abweichung setzt voraus, dass beide Entscheidungen auf der Grundlage derselben Rechtsvorschrift, möglicherweise auch auf der Grundlage inhaltsgleicher Vorschriften verschiedener Gesetze ergangen sind (vgl. Roth, in: Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 124 Rdnr. 69f m.w.N. aus der Rspr.), wobei sich die Abweichung zusätzlich auf den jeweils tragenden rechtlichen Entscheidungsgrund beziehen muss. Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung war sowohl für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts wie auch für die Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dessen von den Klägern angeführten Beschluss vom 12. Februar 2004 - 13 LA 312/03 -, von der die Vorinstanz nach Darlegung der Kläger abgewichen sein soll, die Bestimmung des § 114 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NSchG, nach der die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger der Schülerbeförderung die in ihrem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern haben. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit hat der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts eine satzungsrechtlich geregelte Schulwegzeit von 60 Minuten für den Primarbereich, gemessen für die einzelne Wegstrecke, als nicht mehr hinnehmbar angesehen, und zur Begründung ausgeführt, dass das betroffene Schulkind in einem solchen Fall einer täglichen schulischen Gesamtbeanspruchung von mehr als sechs Zeitstunden ausgesetzt wäre; für die Bewertung der zumutbaren Belastung sei ergänzend § 2 Abs. 2 Satz 2 der inzwischen außer Kraft getretenen Verordnung über den Schülertransport vom 17. August 1978 (NdsGVBl. 625) heranzuziehen, der den Beförderungsanspruch für Schüler des Primarbereichs unter anderem danach ausgerichtet habe, dass der zeitliche Aufwand für den Schulweg mehr als 45 Minuten je Richtung überschreite. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Schulweg für einen Schüler des Primarbereichs dann nicht unzumutbar sei, wenn die reine Wegstrecke in 45 Minuten bewältigt werden könne, und sich in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die frühere Regelung der Verordnung über den Schülertransport vom 17. August 1978 berufen. Die Frage, ob - wie von dem Beklagten satzungsrechtlich geregelt - für Grundschüler Schulwegezeiten von bis zu 60 Minuten zumutbar sind, hat das Verwaltungsgericht dagegen nicht beantwortet, sondern offen gelassen. Mit diesen Überlegungen weicht das Verwaltungsgericht nicht von der Rechtsauffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ab, da dieses in dem angeführten Beschluss vom 12. Februar 2004 nicht darüber befunden hat, das für Schüler des Primarbereichs ein Schulweg mit einem Zeitaufwand bis zu 45 Minuten je Richtung oder sogar weniger auch dann unter dem Zumutbarkeitsgesichtspunkt des § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG nicht mehr hinnehmbar ist, wenn der Schüler auch insoweit noch einer täglichen Gesamtbeanspruchung von mehr als sechs Zeitstunden ausgesetzt wäre.