Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.2013, Az.: 9 LB 42/12

Zutreffender Ermittlungsraum für Straßenausbaubeiträgen in Niedersachsen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.09.2013
Aktenzeichen
9 LB 42/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 49793
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0924.9LB42.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 10.05.2011 - AZ: 8 A 163/08

Fundstellen

  • FStNds 2014, 203-205
  • Gemeindehaushalt 2014, 68

Tenor:

Die Bildung von Abrechnungseinheiten ist im niedersächsischen Straßenausbaubeitragsrecht unzulässig.

[Tatbestand]

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag. Sie ist Inhaberin eines Erbbaurechts an dem im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen Buchgrundstück Immanuel-Kant-Straße Nr. D., das aus dem mit einem Wohnhaus bebauten rückwärtigen Flurstück E. der Flur D. sowie aus dem Flurstück 121/190 besteht. Letzteres ist mit einer gepflasterten Wegefläche bebaut, die vom Wohnhaus zur Immanuel-Kant-Straße führt. Diese Zuwegung dient auch der Erschließung der beiden benachbarten Hinterliegergrundstücke Immanuel-Kant-Str. Nr. F. (Flurstück 121/126) sowie Immanuel-Kant-Str. Nr. G. (Flurstück 121/177). Die Immanuel-Kant-Straße zweigt nach Norden vom südlichen Zug der Gerhard-Hauptmann-Straße ab, die ihrerseits von der Eichendorffstraße etwa in ost-nordöstlicher Richtung zur Wolfsburger Straße (L 290) führt. Die Immanuel-Kant-Straße verläuft zunächst etwa in nördlicher Richtung, biegt dann in einer Linkskurve nach Westen ab und behält diese Richtung bis zu einer weiteren Linkskurve bei. Dort endet die Immanuel-Kant-Straße, und es beginnt der nördliche Zug der Gerhard-Hauptmann-Straße, der nach Süden zum südlichen Zug der Gerhard-Hauptmann-Straße zurückführt und in diesen einmündet. Von der Kurve, in der die Immanuel-Kant-Straße und der nördliche Zug der Gerhard-Hauptmann-Straße aufeinander treffen, führt nach Norden eine ebenfalls als Gerhart-Hauptmann-Straße bezeichnete kurze Straßenverbindung zu dem Weg "Am Lerchenfeld", der von der Eichendorffstraße in ost-nordöstlicher Richtung zur Wolfsburger Straße führt, aus einer auf dem befestigten Untergrund aufgebrachten Schotterschicht besteht und nur auf einer Teilstrecke an seinem östlichen Ende für den öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Die Grundstücke entlang der Immanuel-Kant-Straße und der beiden Züge der Gerhard-Hauptmann-Straße sind mit Wohnhäusern bebaut. Ihre Grundflächen werden zum Teil von noch vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes beschlossenen Teilortsbauplänen sowie von später beschlossenen Bebauungsplänen erfasst. Die Beklagte sieht diese Pläne überwiegend als unwirksam und im Übrigen nur als einfache Bebauungspläne an.

Im Frühjahr 2008 stellte die Beklagte ein Bauprogramm für den Ausbau der beiden Züge der Gerhard-Hauptmann-Straße sowie der Immanuel-Kant-Straße als Mischverkehrsflächen auf. Vorgesehen waren ferner Baumaßnahmen an der Straßenentwässerung und der Straßenbeleuchtung. Am 24. April 2008 beschloss der Rat der Beklagten, "den Hauptstraßenzug Gerhard-Hauptmann-Straße von der Wolfsburger Straße bis zur Eichendorffstraße mit der ringförmig verlaufenden öffentlichen Einrichtung Immanuel-Kant-Straße/Gerhard-Hauptmann-Straße" zu einer Abrechnungseinheit gemäß § 3 Abs. 1 ihrer Straßenausbaubeitragssatzung vom 17. Dezember 2007 - SABS - zusammen zu fassen.

Nachdem mit der Ausführung der Baumaßnahmen begonnen worden war, setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin und ihrem - zwischenzeitlich verstorbenen - Ehemann mit Bescheid vom 1. Juli 2008 für das Grundstück "Immanuel-Kant-Straße D., Flur D., Flurstück(e) E." eine Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 8.900,- Euro fest. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid: Die Ausbaumaßnahmen stellten eine nach der Straßenausbaubeitragssatzung beitragspflichtige Verbesserung der öffentlichen Einrichtung dar. Aufgrund der funktionalen Abhängigkeit der Immanuel-Kant-Straße von der Gerhard-Hauptmann-Straße werde der Ausbauaufwand für diese Straßen gemeinsam ermittelt und der Straßenausbaubeitrag im Rahmen einer Abrechnungseinheit festgesetzt. Da mit der Verbesserungsmaßnahme zwischenzeitlich begonnen worden sei, würden Vorausleistungen in Höhe von 85% des voraussichtlichen Straßenausbaubeitrags erhoben. Die zu einer Abrechnungseinheit verbundenen öffentlichen Einrichtungen dienten überwiegend dem Anliegerverkehr; so dass der voraussichtliche beitragsfähige Aufwand zu 75 % von den beitragspflichtigen Anliegern zu tragen sei.

Die Klägerin hat zur Begründung der von ihr gegen diesen Bescheid erhobenen Klage vorgetragen: Das zu einer Vorausleistung veranlagte Grundstück sei nur teilweise bebaubar; ein weiteres Wohnhaus könne nicht errichtet werden, da hierfür ein Zugang nicht angelegt werden könne. Ihr Haus stelle eines der minderwertigsten Häuser an der Immanuel-Kant-Straße dar und werde durch den Straßenausbau keine Wertsteigerung erlangen. Außerdem nutze sie die Straße nur zur Durchfahrt und parke auf dem eigenen Grundstück.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2008 aufzuheben, soweit darin eine höhere Vorausleistung als 6.000,- EUR festgesetzt worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Rechtmäßigkeit ihres Bescheids wie folgt verteidigt: Es komme für die Berechnung der rechtlich geschuldeten Vorausleistung nur darauf an, dass das veranlagte Grundstück vollständig im Innenbereich liege; unerheblich sei, ob die Grundstücksfläche vollständig überbaut werden könne. Ferner habe es für die Vorausleistungserhebung keine Bedeutung, ob die Bebauung des Grundstücks minderwertig sei. Schließlich komme es auch nicht darauf an, ob die Klägerin die ausgebaute Straße als Parkfläche nutze oder nicht; es sei ausreichend, dass die öffentliche Straße von dem veranlagten Grundstück aus genutzt werden könne.

Mit Urteil vom 10. Mai 2011 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit ein höherer Vorausleistungsbetrag als 6.500,- EUR festgesetzt worden ist, und im Übrigen die Klage abgewiesen. In der Begründung des Urteils heißt es im Wesentlichen: Der Vorausleistungsbescheid erweise sich, soweit er angefochten worden sei, teilweise als rechtswidrig. Die Beklagte sei nicht befugt gewesen, die Immanuel-Kant-Straße sowie die beiden Züge der Gerhard-Hauptmann-Straße, bei denen es sich um drei separate öffentliche Einrichtungen handele, zu einer Abrechnungseinheit zusammenzufassen. Es komme insoweit nicht darauf an, ob nach dem niedersächsischen Kommunalabgabenrecht die Bildung von Abrechnungseinheiten generell ausgeschlossen sei. Jedenfalls sei die Bildung einer Abrechnungseinheit deshalb nicht statthaft, weil zwischen den drei öffentlichen Einrichtungen kein Verhältnis einer funktionalen Abhängigkeit bestehe. Infolgedessen könne die Klägerin nur zu einer Vorausleistung für den Ausbau der Immanuel-Kant-Straße herangezogen werden. Bei der Aufwandsverteilung seien das 3.721 qm große Grundstück Flurstück 121/53 ebenso wie die Hausgrundstücke Immanuel-Kant-Straße Nr. H., I. und J. (Flurstücke 121/40, 121/39 und 121/38) mit ihrer gesamten Fläche als im Innenbereich gelegene eingeschossig bebaubare Grundstücke zu berücksichtigen. Für die Innenbereichslage der Grundstücke spreche die sich nördlich anschließende Bebauung jenseits der Straße "Am Lerchenfeld" sowie die sich östlich der Wolfsburger Straße anschließende lockere Einfamilienhausbebauung. Die Hinterliegergrundstücke mit den Flurstücksbezeichnungen 121/163, 121/164, 121/166 und 121/167 seien nicht als Außenbereichsgrundstücke, sondern als zweigeschossig bebaubare Grundstücke in die Aufwandsverteilung einzubeziehen, da die Eigentumsverhältnisse an diesen Grundstücken identisch zu den an der Immanuel-Kant-Straße anliegenden Vorderliegergrundstücken seien und jeweils auch eine einheitliche Grundstücksnutzung bestehe. Die Hinterliegergrundstücke mit den Flurstücksbezeichnungen 121/159, 121/160, 121/161 und 121/165 seien dagegen nicht in die Aufwandsverteilung einzubeziehen, denn sie stünden nicht im selben Eigentum wie die daran angrenzenden Vorderliegergrundstücke. Zu korrigieren sei die von der Beklagten vorgelegte Vergleichsberechnung zur Aufwandsermittlung und -verteilung bei einer separaten Abrechnung der Immanuel-Kant-Straße, soweit den Hausgrundstücken Immanuel-Kant-Straße F., K., L., J. und M. eine falsche Geschosszahl zugeordnet worden sei und infolgedessen die Grundstücksflächen mit falschen Nutzungsfaktoren multipliziert worden seien. Hingegen könne die Klägerin könne nicht beanspruchen, dass ihr Hausgrundstück teilweise nur als Außenbereichsfläche in die Aufwandsverteilung einbezogen werde, da das Grundstück aufgrund der umliegenden gleichartigen Bebauung vollständig im Innenbereich liege. Es sei für die Berechnung der Vorausleistung auch unerheblich, ob die Bebauung des Grundstücks minderwertig sei und ob die Klägerin die ausgebaute Straße als Parkfläche nutze. Im Ergebnis errechne sich auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Vergleichsberechnung für das Grundstück der Klägerin eine Vorausleistung von 6.500,- EUR. Der Bescheid sei daher rechtswidrig, soweit ein darüber hinaus gehender Betrag festgesetzt worden sei.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 26. April 2012 (9 LA 116/11) die Berufung zugelassen, soweit das Urteil die Festsetzung einer Vorausleistung von mehr als 6.500,- Euro und nicht mehr als 7.400,- Euro zum Gegenstand hatte; hinsichtlich des 7.400,- Euro übersteigenden Betrags hat der Senat den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, soweit das Verwaltungsgericht die Grundstücke Immanuel-Kant-Straße H., I. und J. sowie das Grundstück Flurstück 121/53 mit der vollen Fläche dem bebaubaren Innenbereich zugeordnet und mit einem entsprechend höheren Nutzungsfaktor in die Verteilung des umlagefähigen Aufwands einbezogen habe. Dies rechtfertige allerdings keine unbeschränkte Zulassung der Berufung, da bei einer vom Verwaltungsgericht abweichenden Bewertung die Erhebung einer Vorausleistung nur in Höhe von 7.400,- Euro, nicht aber in der festgesetzten Höhe von 8.900,- Euro zulässig sei.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor: Das Verwaltungsgericht habe die Hausgrundstücke Immanuel-Kant-Straße Nr. H., I. und J. zu Unrecht als vollständig im Innenbereich liegend bewertet. Der Bebauungszusammenhang setze sich nicht in nördlicher Richtung über diese Grundstücke hinweg fort, denn die Bebauung nördlich des Weges "Am Lerchenfeld" stelle eine Splittersiedlung im Außenbereich dar. Das überdurchschnittlich große Flurstück 121/53 sei selbst dann dem Außenbereich zuzurechnen, wenn man die Bebauung nördlich des Weges Am Lerchenfeld nicht als Splittersiedlung ansehe, da es für eine Baulücke im Innenbereich zu groß sei.

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren ursprünglich beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie die Festsetzung einer Vorausleistung von mehr als 6.500,- Euro und nicht mehr als 7.400,- Euro zum Gegenstand hat. In der mündlichen Verhandlung hat sie die Berufung hinsichtlich des 7.200,- Euro übersteigenden Betrags, also in Höhe von 200,- Euro, zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie die Festsetzung einer Vorausleistung von mehr als 6.500,- Euro und nicht mehr als 7.200,- Euro zum Gegenstand hat.

Die Klägerin stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Das Berufungsverfahren ist einzustellen, soweit die Beklagte die Berufung in der Berufungsverhandlung in Höhe eines Teilbetrags von 200,- EUR zurückgenommen hat. Die aufrechterhaltene Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, soweit sie sich gegen die Festsetzung einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von mehr als 6.500,- EUR und nicht mehr als 7.200,- EUR richtet. Der angefochtene Bescheid ist nämlich in Höhe eines Beitrags von 7.200,- EUR rechtmäßig.

Zutreffender Ermittlungsraum für die von der Klägerin geschuldete Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag ist der Straßenzug Immanuel-Kant-Straße/Gerhard-Hauptmann-Straße (Nord). Wie die Ortsbesichtigung durch den Senat ergeben hat, bildet dieser Straßenzug bei natürlicher Betrachtungsweise einen zusammengehörenden Teil im Straßenverkehrsnetz der Beklagten. Der Übergangsbereich zwischen beiden Straßen entfaltet keine trennende Wirkung, weil die einheitliche und darüber hinaus kurvige (graue bzw. rötliche) Pflasterung von Fahrbahn und Gehweg den Eindruck erweckt, dass der bisherige Straßenverlauf nicht endet, sondern weitergeführt wird. Die Verbindungsstraße vom Übergangsbereich zum Weg Am Lerchenfeld stellt keine unselbstständige und daher zum Straßenzug Immanuel-Kant-Straße/Gerhard-Hauptmann-Straße (Nord) gehörende Sackgasse dar. Sie ist vielmehr trotz ihrer relativen Kürze sowie des Umstands, dass der Weg Am Lerchenfeld im Einmündungsbereich zur Verbindungsstraße nicht für den öffentlichen Verkehr gewidmet ist, eine eigenständige öffentliche Einrichtung. Entscheidend für den Verbindungscharakter ist nämlich die Einmündung in eine Außenbereichsstraße, die zur Aufnahme von Kraftfahrzeugverkehr hinreichend breit ausgebaut und befestigt ist, so dass sie als Privatstraße genutzt werden kann, und bei der die allein zugelassene Nutzung durch Anlieger und landwirtschaftlichen Verkehr faktisch geduldet wird. Nicht zur öffentlichen Einrichtung Immanuel-Kant-Straße/Gerhard-Hauptmann-Straße (Nord) gehört auch die Zuwegung auf dem der Klägerin gehörenden Wegeflurstück 121/190. Zuwegungen auf Privatgrundstücken mit zufahrtsähnlichem Charakter sind, soweit sie auch andere Grundstücke erschließen, private Erschließungsanlagen und damit nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung, in die sie einmünden. Als Verkehrsfläche ist das Wegeflurstück 121/190 auch nicht bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen.

Die von der Beklagten gebildete Abrechnungseinheit zwischen der Immanuel-Kant-Straße, der Gerhard-Hauptmann-Straße (Nord) und der Gerhard-Hauptmann-Straße (Süd) ist rechtswidrig und daher wirkungslos. Die Bildung von Abrechnungseinheiten ist nach niedersächsischem Landesrecht unzulässig. § 6 NKAG legt die zulässigen Ermittlungsräume abschließend dahingehend fest, dass allein nach öffentlichen Einrichtungen (Abs. 1 Satz 1) sowie nach Abschnitten (Abs. 4) abgerechnet werden kann. Eine Abrechnung durch Zusammenfassung mehrerer öffentlicher Einrichtungen, ähnlich der Erschließungseinheit im Erschließungsbeitragsrecht (§ 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB), sieht das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz nicht vor. Dies bedeutet - da der Einrichtungsbegriff nach dem NKAG auf eine natürliche Betrachtungsweise und nicht auf das Bauprogramm abstellt -, dass mehrere nach dem tatsächlichen Erscheinungsbild selbstständige öffentliche Einrichtungen in Niedersachsen nicht gemeinsam abgerechnet werden können. Entgegenstehende Satzungsregelungen, wie diejenige in § 3 Abs. 1 Satz 2 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 29. November 2007 (SABS), sind unwirksam.

Die gebildete Abrechnungseinheit ist ferner deshalb rechtswidrig, weil es sich bei dem Straßenzug Immanuel-Kant-Straße/Gerhard-Hauptmann-Straße (Nord) um eine Anliegerstraße und bei der Gerhard-Hauptmann-Straße (Süd) um eine Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr handelt und weil unterschiedliche Straßentypen mit verschiedenen Anliegeranteilssätzen - selbst wenn die Bildung von Abrechnungseinheiten grundsätzlich zulässig wäre - nicht zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden können. Letzteres folgt daraus, dass die bei einer Abrechnungseinheit mit unterschiedlichen Straßentypen einheitlich festgesetzten Beiträge nicht mehr die Verschiedenheit der den Anliegern durch die öffentlichen Einrichtungen vermittelten Vorteile berücksichtigen würden und die dem Vorteilsprinzip entsprechende gestaffelte Festlegung der Anliegeranteilssätze somit unterlaufen würde. Gegen die Einstufung der Gerhard-Hauptmann-Straße (Süd) als Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr spricht nicht, dass die Gerhard-Hauptmann-Straße (Süd) nur auf einer Teilstrecke geringfügig breiter ausgebaut ist als der Straßenzug Immanuel-Kant-Straße/Gerhard-Hauptmann-Straße (Nord) oder dass ihre Mischverkehrsfläche nicht den typischen Ausbau einer Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr aufweist. Entscheidend fällt nämlich ins Gewicht, dass die Gerhard-Hauptmann-Straße (Süd) nach ihrer Lage im Straßenverkehrsnetz der Beklagten dazu bestimmt ist, auch den Verkehr vom Straßenzug Immanuel-Kant-Straße/Gerhard-Hauptmann-Straße (Nord) aufzunehmen. Da sich an diesem Straßenzug mehr Anliegergrundstücke befinden als an der Gerhard-Hauptmann-Straße (Süd) und das Verlassen des Baugebiets nach Norden über den Weg Am Lerchenfeld straßenverkehrsrechtlich nur eingeschränkt möglich ist, muss der vom genannten Straßenzug ausgehende Ziel- und Quellverkehr die Gerhard-Hauptmann-Straße (Süd) in einem Umfang nutzen, der es ausschließt, die Gerhard-Hauptmann-Straße (Süd) noch als eine überwiegend dem Anliegerverkehr dienende Straße und damit nicht als Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr einzustufen.

Bezüglich der Verteilung des beitragsfähigen Aufwands auf die bevorteilten Grundstücke hat die Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten durch den Senat ergeben, dass im nordöstlichen Bereich der Immanuel-Kant-Straße auch bei den dort nach Norden angrenzenden Grundstücken Nr. H., I. und J. (Flurstücke 121/40, 121/39 und 121/38) von einer im hinteren Bereich bestehenden Außenbereichslage auszugehen ist. Entsprechendes gilt für das Flurstück 121/53, das mit dem - ein selbstständiges Buchgrundstück bildenden - Vorderliegergrundstück Immanuel-Kant-Straße K. (Flurstück 121/41) in Eigentümeridentität steht. Die Bebauung setzt sich im in Rede stehenden Bereich zur Überzeugung des Senats nach Norden nicht über den Privatweg Am Lerchenfeld fort, weil die dortige uneinheitliche Bebauung mit nur wenigen Wohngebäuden einen Siedlungssplitter darstellt. Zudem haben sowohl das große, nach Norden hin unbebaute Flurstück 121/53 als auch der Weg Am Lerchenfeld, der aufgrund seines provisorischen Ausbauzustands als Schotterstrecke optisch Außenbereichscharakter besitzt, trennende Wirkung. Zwar sind die im Nordosten an die Immanuel-Kant-Straße angrenzenden Wohngebäude nicht weit entfernt von der Bebauung nördlich des Weges Am Lerchenfeld. Gleichwohl ist die Bebauung noch nicht so nahe zusammengerückt, dass von einer zusammenhängenden Bebauung gesprochen werden könnte.

Der Senat hat im Termin vor Ort den Eindruck gewonnen, dass das Stallgebäude auf dem Flurstück 121/53 aufgrund der engen räumlichen Anbindung an das benachbarte Wohnhaus und wegen seiner massiven Bauweise, die das Gebäude nicht als minderwertig erscheinen lässt, noch dem Innenbereich zuzurechnen ist. Infolgedessen ist die satzungsmäßige Tiefenbegrenzung (§ 6 II Abs. 1 Nr. 3a SABS) mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Tiefenbegrenzungslinie 50 m nördlich der Grundstücksgrenze zum Fußweg, der die Immanuel-Kant-Straße mit der Wolfsburger Straße verbindet, zu ziehen ist. Diese Verfahrensweise erscheint sachgerecht, weil sie von der Systematik her eine parallele Behandlung zu den nördlich an die Immanuel-Kant-Straße angrenzenden Nachbargrundstücken gewährleistet.

Bei Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte ergibt sich nach den Berechnungen der Beklagten in der Berufungsverhandlung, gegen die aus der Sicht des Senats durchgreifende Bedenken nicht bestehen, bezogen auf die 1.406 m2 große beitragspflichtige Fläche des Grundstücks der Klägerin, das eingeschossig bebaut ist und dessen Fläche daher mit dem Faktor 1,0 zu multiplizieren ist (§ 6 III Abs. 1 Nr. 1 SABS), und unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich die Beklagte im Rahmen des ihr von § 6 Abs. 7 Satz 1 NKAG eröffneten Ermessens dafür entschieden hat, Vorausleistungen in Höhe von 85 % des voraussichtlichen Beitrags - abgerundet auf volle 100,- EUR - zu erheben, eine Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 7.200 EUR.

Das Verwaltungsgericht hat die Einwände, welche die Klägerin mit der Klage gegen ihre Heranziehung zu einer Vorausleistung geltend gemacht hat, aus zutreffenden Gründen als nicht berechtigt angesehen, so dass der Senat insoweit gemäß § 130b Satz 2 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht.