Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.09.2013, Az.: 4 LC 116/11

Kostenfreiheit hinsichtlich Amtshandlungen der Verwaltungsvollstreckung (hier: Auskunftsverlagen bzgl. wirtschaftlicher Verhältnisse); Erhebung von Gebühren und Auslagen für die erfolgte Zwangsgeldfestsetzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.09.2013
Aktenzeichen
4 LC 116/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 45822
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0918.4LC116.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 10.03.2011 - AZ: 2 A 315/10

Fundstellen

  • DÖV 2013, 996
  • NdsVBl 2013, 3
  • NordÖR 2013, 547

Amtlicher Leitsatz

Die Kostenfreiheit nach § 64 Abs. 1 SGB X erfasst nicht Amtshandlungen der Verwaltungsvollstreckung, mit denen ein Auskunftsverlangen, das auf § 47 Abs. 4 BAföG i. V. § 60 Abs. 1 SGB I gestützt ist, durchgesetzt werden soll. Das Vollstreckungsverfahren stellt kein Verfahren "nach diesem Gesetzbuch" im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB X dar, sondern erfolgt aufgrund der Verweisung in § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X nach landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines Zwangsgelds und die Erhebung von Gebühren und Auslagen für die erfolgte Zwangsgeldfestsetzung.

Der Kläger ist der Vater von B. A., der seit dem Wintersemester 2007/2008 an der beklagten Universität Biologie studiert hat und für dieses Studium Ausbildungsförderungsleistungen bezogen hat. Auf den Folgeantrag vom 21. Juni 2010 forderte das im Auftrag der Beklagten als Amt für Ausbildungsförderung handelnde Studentenwerk Göttingen den Kläger unter dem 22. Juni 2010 auf, seine wirtschaftlichen Verhältnisse in der ihm übersandten Erklärung (Formblatt 3) vollständig anzugeben und Belege beizufügen. Am 22. Juli 2010 forderte das Studentenwerk Göttingen den Kläger erneut auf, das Formblatt 3 innerhalb von zwei Wochen vollständig ausgefüllt vorzulegen, ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an und drohte dem Kläger für den Fall, dass er der Aufforderung nicht vollständig nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR an. Da auch diese Aufforderung erfolglos geblieben war, setzte das Studentenwerk Göttingen das angedrohte Zwangsgeld mit Bescheid vom 16. August 2010 fest und erhob zugleich Kosten für die erfolgte Zwangsgeldfestsetzung (Gebühren in Höhe von 106,00 EUR und Auslagen in Höhe von 3,45 EUR).

Der Kläger hat am 27. August 2010 Klage erhoben und am selben Tage das Formblatt 3 vollständig ausgefüllt nebst dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 an das Studentenwerk Göttingen übersandt. Zur Begründung seiner Klage hat er vorgebracht, dass er die notwendigen Unterlagen bereits vor ca. vier Wochen abgeschickt habe, sich jedoch kein Einschreiben leisten könne, weil er kurz vor der Privatinsolvenz stehe.

Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren sinngemäß beantragt,

den Bescheid des Studentenwerks Göttingen vom 16. August 2010 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und erwidert, dass mit Bescheid vom 22. Juli 2010 die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Klägers unter Anordnung der sofortigen Vollziehung konkretisiert und das Zwangsgeld schriftlich unter ausreichender Fristsetzung angedroht worden sei. Die von dem Kläger geforderte Erklärung sei nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist eingegangen, so dass das angedrohte Zwangsgeld habe festgesetzt werden können. Da die gebotene Handlung inzwischen ausgeführt worden sei, werde das Zwangsgeld aber in Anwendung von § 67 Abs. 2 S. 2 Nds. SOG nicht beigetrieben. Der Kostenansatz für Gebühren und Auslagen, der seine Grundlage in §§ 1, 3, 5, 7, 13 NVwKostG i.V.m. Nr. 26.2.2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 AllGO finde, bleibe jedoch bestehen. Die in § 64 SGB X angeordnete Kostenfreiheit betreffe das Vollstreckungsverfahren nicht.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 10. März 2011 den Bescheid des Studentenwerks Göttingen vom 16. August 2010 aufgehoben, soweit darin Kosten festgesetzt worden sind, und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klage im Hinblick auf die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Kostenfestsetzung begründet sei, da der Bescheid insoweit rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze. Die Zwangsgeldfestsetzung selbst sei hingegen rechtmäßig. Gemäß § 47 Abs. 4 BAföG i.V.m. § 60 Abs. 1 SGB I sei der Kläger verpflichtet, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung von Ausbildungsförderung an seinen Sohn erheblich seien, und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen; gemäß § 46 Abs. 3 BAföG habe er die entsprechenden Angaben auf dem dafür vorgesehenen Formblatt 3 zu machen. Diese gesetzliche Verpflichtung habe das Studentenwerk Göttingen gemäß § 66 Abs. 3 S. 1 SGB X i.V.m. § 70 Abs. 1 des Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetzes und §§ 65 Abs. 1 Nr. 2 und 67 Abs. 1 Nds. SOG zwangsweise gegen den Kläger durchsetzen dürfen, indem es zunächst ein Zwangsgeld angedroht und später festgesetzt habe. Die Festsetzung von Verwaltungskosten (Gebühren und Auslagen) für die Zwangsgeldfestsetzung sei jedoch rechtswidrig. Das BAföG sei ein Sozialleistungsgesetz im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 18 SGB I. Aus § 37 Abs. 1 SGB I folge, dass das SGB I und das SGB X für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches gelten, soweit sich aus den übrigen Büchern (des SGB) und dem jeweiligen Fachgesetz (hier: dem BAföG) nichts Abweichendes ergebe. § 64 Abs. 1 SGB X bestimme rechtsgrundsätzlich, dass für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch keine Gebühren und Auslagen erhoben werden. Im SGB X selbst würden von diesem Grundsatz in § 7 Abs. 2 für eine von einer ersuchten Behörde - die nicht selbst Sozialleistungsbehörde ist - durchgeführte Amtshilfe, in § 19 Abs. 2 für die Hinzuziehung eines Dolmetschers und in § 25 Abs. 5 für die Anfertigung von Auszügen, Abschriften oder Ablichtungen aus der Behördenakte Ausnahmen normiert. Weder aus dem SGB X noch aus dem BAföG ergebe sich, dass erforderlich werdende Vollstreckungshandlungen gebührenpflichtig seien. § 66 Abs. 3 SGB X bestimme lediglich, dass für die Vollstreckung der Behörden, die nicht Bundesbehörden sind, die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren gelten. Das Vollstreckungsverfahren werde damit aber nicht gewissermaßen von dem Erkenntnisverfahren abgekoppelt und führe ein rechtliches Eigenleben, sondern bleibe Teil der Verwaltungstätigkeit der Beklagten als Sozialleistungsbehörde (im Sinne von § 1 Abs. 1 SGB X) und des Verfahrens im Sinne von § 64 Abs. 1 SGB X. Verfahren in diesem Sinne sei nämlich nicht nur das Verwaltungsverfahren im Sinne von § 8 des Gesetzes, an dem die Beklagte und der Sohn des Klägers (nicht aber der Kläger selbst) beteiligt gewesen seien; hierunter fielen auch Tätigkeiten der Sozialbehörden im Vorfeld und überhaupt im Zusammenhang mit der Aufgabe, die in dem jeweiligen Sozialleistungsgesetz normiert sei. Zwar bestehe das Ziel der in § 64 Abs. 1 SGB X normierten Kostenfreiheit darin, sicherzustellen, dass ein Beteiligter nicht aus Kostengründen von der Stellung eines Antrags auf Sozialleistungen oder der sonstigen Inanspruchnahme der Sozialverwaltung absehe; die Formulierung der Vorschrift sei jedoch weiter gefasst; hätte der Gesetzgeber das Vollstreckungsverfahren von der Kostenbefreiung ausnehmen wollen, hätte er dies - was auch in anderen Fällen akribisch geschehen sei - ausdrücklich geregelt.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung, soweit der Klage stattgegeben worden ist, gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO mit der Begründung zugelassen, dass das Gericht nach seinem Verständnis von dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. April 2007 - 4 OB 456/07 - abweiche.

Die Beklagte hat am 15. April 2011 gegen das ihm am 21. März 2011 zugestellte erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung führt die Beklagte aus, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die in dem Bescheid vom 16. August 2010 enthaltene Festsetzung von Kosten (Gebühren und Auslagen) aufgehoben habe. Das Verwaltungsvollstreckungsverfahren sei weder ein Teil des Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 8 SGB X noch Teil des Vorverfahrens, sondern ein neues, selbständiges Verwaltungsverfahren. Dies komme durch die Vorschrift des § 66 Abs. 3 SGB X zum Ausdruck, wonach für die Vollstreckung der Behörden, die nicht Bundesbehörden sind, die gesonderten landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren gelten. Zudem werde in dem erstinstanzlichen Urteil dem Zweck der gesetzlichen Regelung über die Kostenfreiheit nach § 64 Abs. 1 SGB X nur ungenügend Rechnung getragen. Der am Verwaltungsverfahren beteiligte Bürger solle nicht bereits aus Kostengründen davon absehen müssen, seine Rechte im Sozialleistungsbereich in Anspruch zu nehmen. Eine Kostenfreiheit für ein vom Vollstreckungsschuldner - hier dem Kläger - verursachtes Zwangsvollstreckungsverfahren wäre indes nicht gerechtfertigt. Im Übrigen weiche die erstinstanzliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dem Beschluss vom 27. April 2007 - 4 OB 456/07 - ab.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - Einzelrichter der 2. Kammer -vom 10. März 2011 zu ändern, soweit die in dem Bescheid vom 16. August 2010 enthaltene Kostenfestsetzung aufgehoben worden ist, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren weder einen Antrag gestellt noch in der Sache vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die vom Verwaltungsgericht nach den §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hinsichtlich des klagestattgebenden Teils der Entscheidung zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Diese Entscheidung trifft der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten nach § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung der Beklagten einstimmig für begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht als notwendig erachtet.

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid vom 16. August 2010 zu Unrecht aufgehoben, soweit mit diesem für die Festsetzung eines Zwangsgelds Kosten erhoben worden sind. Denn die Kostenerhebung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Kostenerhebung findet ihre Grundlage in § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X i.V.m. § 73 Abs. 1 NVwVG. Gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X gelten für die Vollstreckung zugunsten der übrigen Behörden - also nicht zugunsten der Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X und zugunsten der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung nach § 66 Abs. 2 SGB X - die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Gemäß § 73 Abs. 1 NVwVG erheben die in § 1 genannten Behörden für ihre Amtshandlungen zur Durchsetzung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen, die nicht unter § 2 Abs. 1 bis 4 fallen, Kosten (Gebühren und Auslagen). Das Studentenwerk Göttingen hat im Auftrag der Beklagten den Kläger mit Bescheid vom 22. Juli 2010 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgefordert, gemäß § 47 Abs. 4 BAföG i.V.m. § 60 Abs. 1 SGB I die zur Feststellung des BAföG-Anspruchs seines Sohnes erforderlichen Tatsachen auf dem dafür bestimmten Formblatt (hier dem Formblatt 3, Anlage 3 der BAföG-FormblattVwV) anzugeben. Zur Durchsetzung dieses Verwaltungsakts, dessen Vollstreckung nicht in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 bis Abs. 4 NVwVG fällt, konnte das Studentenwerk Göttingen auf der Grundlage von § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2 und 67 Nds. SOG nach zuvor erfolgter Androhung gemäß § 70 Nds. SOG ein Zwangsgeld festsetzen. Da es sich sowohl bei dem Studentenwerk Göttingen als auch bei der Beklagten um rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts handelt, die der Rechtsaufsicht des Landes unterstehen (vgl. §§ 68 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. und Abs. 5, 55 Abs. 1 i.V.m. § 1 der Verordnung über die Errichtung der Stiftung "Georg-August-Universität Göttingen Stiftung öffentlichen Rechts" vom 17. Dezember 2002 (Nds. GVBl. 2002, 812), 62 Abs. 1 Satz 1 NHG), und beide damit in § 1 Abs. 1 NVwVG genannte Behörden sind, sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 1 NVwVG für die Amtshandlung der Festsetzung eines Zwangsgelds zur Durchsetzung von Handlungen Kosten zu erheben. Diese beinhalten gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 NVwVG i.V.m. §§ 3, 13 Abs. 3 Nr. 3 NVwKostG und Nr. 26.2.2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Allgemeinen Gebührenordnung Verwaltungsgebühren für die Festsetzung eines Zwangsgelds von mehr als 250,- Euro bis 1500,- Euro in Höhe von 106,- EUR und Auslagen für eine Postzustellungsurkunde in Höhe von 3,45 EUR.

Der Erhebung von Kosten steht die Vorschrift des § 64 Abs. 1 SGB X (in der bis zum 31. Dezember 2012 gültigen Fassung) nicht entgegen. Danach werden für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch keine Gebühren und Auslagen erhoben. Die Kostenfreiheit nach § 64 Abs. 1 SGB X erfasst "Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch". Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X gelten die Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X (§§ 1 bis 66 SGB X) für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach diesem Gesetzbuch ausgeübt wird. Nach diesem Gesetzbuch wird eine Verwaltungstätigkeit ausgeübt, wenn sie sich auf Vorschriften der einzelnen Bücher des Sozialgesetzbuchs oder der in § 68 Abs. 1 SGB I aufgeführten Gesetze stützt, die bis zu ihrer Einordnung in das Sozialgesetzbuch als dessen besondere Bestandteile gelten. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 1 SGB I besonderer Bestandteil des Sozialgesetzbuchs, so dass die Verwaltungstätigkeit auf der Grundlage von Bestimmungen des Bundesausbildungsgesetzes Verwaltungstätigkeit nach "diesem Gesetzbuch" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, für die gemäß § 64 Abs. 1 SGB X keine Gebühren und Auslagen erhoben werden.

Die hier mit Bescheid vom 16. August 2010 erfolgte Festsetzung eines Zwangsgelds ist jedoch keine Verwaltungstätigkeit nach den Bestimmungen des Bundeausbildungsförderungsgesetzes als Bestandteil des Sozialgesetzbuchs. Zwar ergibt sich die Verpflichtung des Klägers, Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben, aus § 47 Abs. 4 BAföG i.V.m. § 60 Abs. 1 SGB I und damit aus Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs. Der Erlass eines Verwaltungsaktes, mit dem Eltern oder Ehegatten eines Auszubildenden aufgefordert werden, ihrer Auskunftspflicht gemäß § 47 Abs. 4 BAföG i.V.m. § 60 SGB I nachzukommen, ist damit Verwaltungstätigkeit nach "diesem Gesetzbuch", für die keine Kosten erhoben werden können. Dies gilt indes nicht für ein sich anschließendes Verwaltungszwangsverfahren, mit dem ein Auskunftsverlangen , das auf § 47 Abs. 4 BAföG i. V. § 60 Abs. 1 SGB I gestützt ist, durchgesetzt werden soll. Denn das sich anschließende Vollstreckungsverfahren richtet sich gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X nicht nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder anderer Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, insbesondere nicht nach Verfahrensvorschriften zum Verwaltungsverfahren nach dem SGB X, sondern nach landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren, hier nach den oben genannten einschlägigen Bestimmungen des NVwVG. Das Verwaltungsvollstreckungsverfahren ist mithin kein Verfahren "nach diesem Gesetzbuch" im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB X. Aufgrund der Verweisung in § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X erfolgt die Vollstreckung nämlich nicht auf der Grundlage von Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs, so dass die Kostenfreiheit nach § 64 Abs. 1 SGB X Amtshandlungen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung nicht erfasst (so auch Roos, in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 66 Rn 23 und Freischmidt, in Hauck/Noftz, SGB X, § 66 Rn 27 zur Verwaltungsvollstreckung nach dem VwVG des Bundes; ferner App, Mahngebühren bei Anmahnung rückständiger Erstattungsansprüche nach dem Sozialgesetzbuch, KKZ 2002, S. 7 f.).

Auch nach der Gesetzesbegründung zu der Kostenvorschrift des § 64 SGB X, die am 1. Januar 1981 in Kraft getreten ist (vgl. Art. II § 40 Sozialgesetzbuch (SGB) - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1469)), ist davon auszugehen, dass - wie oben ausgeführt - die Kostenfreiheit von Verfahren nach diesem Gesetzbuch nicht auch Amtshandlungen einer sich anschließenden Verwaltungsvollstreckung umfasst. Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 8/2034 S. 36 f.) sollten mit der Regelung des § 64 Abs. 1 SGB X (im Gesetzentwurf § 62) unter Zugrundelegung von § 118 BSHG die (bisherigen) verschiedenen Kostenvorschriften des Sozialrechts (u.a. § 54 Abs. 2 BAföG) zusammengefasst werden. Zu § 54 Abs. 2 BAföG in der bis zum 31. Dezember 1980 gültigen Fassung hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Zwangsgeldfestsetzungen keine Entscheidungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz seien und demnach nicht der Kostenfreiheit nach § 54 Abs. 2 BAföG unterliegen (Urteil vom 18. März 1982 - 5 C 22.78 -, Buchholz 436.36 § 54 BAföG Nr. 1). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob mit dem Inkrafttreten des § 64 SGB X etwas anderes zu gelten hat. Der Umstand, dass der Wortlaut des § 54 Abs. 2 BAföG, wonach "Entscheidungen nach diesem Gesetz einschließlich Entscheidungen über einen Widerspruch" kostenfrei ergingen, der gesetzlichen Formulierung in § 64 Abs. 1 SGB X insoweit entspricht, als sich die Kostenfreiheit auf Verfahren ebenfalls "nach diesem Gesetzbuch" bezieht, spricht aber ebenso wie der Umstand, dass ausweislich der Gesetzesbegründung mit § 64 Abs. 1 SGB X verschiedene Kostenvorschriften lediglich "zusammengefasst" werden sollten, gegen eine sachliche Erweiterung der Kostenfreiheit mit dem Inkrafttreten des § 64 Abs. 1 SGB X. Hinzu kommt, dass es in der Gesetzesbegründung zu der in Absatz 2 des § 64 SGB X geregelten Kostenfreiheit für Geschäfte und Verhandlungen, die aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder der Erstattung einer Soziallleistung nötig werden, heißt, dass die Erstattung von Sozialleistungen einmal die Erstattung durch die Betroffenen an Leistungsträger (Ersatz) erfasse, sodann auch Erstattungen von Leistungsträgern untereinander und die Vorschrift insoweit (Hervorhebung durch den Senat) eine Erweiterung der Kostenfreiheit darstelle. Ein Hinweis des Gesetzgebers, dass auch mit dem Absatz 1 dieser Vorschrift eine sachliche Erweiterung der Kostenfreiheit verbunden sei, findet sich in der Gesetzesbegründung hingegen nicht.

Schließlich ist daraus, dass in § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB X besondere Regelungen zur Auslagenerstattung und zu von Dritten geschuldeten Kosten im Rahmen der Amtshilfe, in 19 Abs. 2 Satz 3 SGB X zum Aufwendungsersatz für die Übersetzung von Dokumenten und in § 25 Abs. 5 Satz 2 SGB X zum Aufwendungsersatz im Rahmen einer Akteneinsicht bestehen, nicht zu schließen, dass der Gesetzgeber im SGB X ebenfalls eine ausdrückliche Regelung getroffen hätte, wenn er das Vollstreckungsverfahren von einer Kostenbefreiung hätte ausnehmen wollen. Denn gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X gelten für die Vollstreckung die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren, ohne dass Bestimmungen zur Kostentragung in diesen Vorschriften von der in § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X angeordneten Geltung ausgenommen worden sind. § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist insoweit ebenfalls eine spezielle Regelung im SGB X, nach welcher für Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen eine Kostenpflicht besteht, soweit diese in dem jeweils anwendbaren landesrechtlichen Vorschriften zur Verwaltungsvollstreckung vorgesehen ist.

Dem Kläger steht auch keine Kostenfreiheit nach § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X zu. Nach dieser Vorschrift sind "Geschäfte und Verhandlungen, die aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder der Erstattung einer Sozialleistung nötig werden", kostenfrei. Hiermit wird zwar die in § 64 Abs. 1 SGB X geregelte Kostenfreiheit erweitert auf Verwaltungsverfahren anderer Behörden, d.h. auf Verfahren von Behörden, die nicht unter die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs fallen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1987 - 8 C 70.85 -, BVerwGE 77, 364). Eine Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift scheidet hier jedoch bereits deshalb aus, weil es sich bei der Vollstreckungsmaßnahme der Zwangsgeldfestsetzung durch die Beklagte nicht um "ein Geschäft" oder eine "Verhandlung" gehandelt hat, die aus Anlass der Beantragung von Sozialleistung nötig geworden ist. Die Vollstreckung des an den Kläger gerichteten Auskunftsverlangens ist vielmehr erforderlich geworden wegen seiner fehlenden Mitwirkung und damit nicht unmittelbar aus Anlass der Beantragung einer Sozialleistung durch dessen Sohn erfolgt. Selbst wenn man dies aufgrund des weit gefassten Wortlauts des § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X anders sähe, stünde einer Kostenfreiheit nach § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X jedenfalls entgegen, dass es sich bei § 66 Abs. 3 SGB X i.V.m. § 73 NVwVG um eine spezielle Regelung zur Kostenerhebung bei Vollstreckungsmaßnahmen handelt, die der allgemeinen Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X vorgeht.