Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.09.2013, Az.: 4 ME 192/13

Statthaftigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO bei Erlangung ausreichenden vorläufigen Rechtsschutzes in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.09.2013
Aktenzeichen
4 ME 192/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 46592
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0917.4ME192.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 02.08.2013 - AZ: 13 B 5292/13

Fundstelle

  • DÖV 2014, 47

Amtlicher Leitsatz

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist nach § 123 Abs. 5 VwGO auch dann nicht statthaft, wenn der Antragsteller ausreichenden vorläufigen Rechtsschutz in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO in der Gestalt eines Antrags auf Feststellung, dass seine Klage aufschiebende Wirkung hat, erlangen kann.

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den erstinstanzlichen Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, der Antragstellerin ab dem 8. August 2013 bis zum letzten Schultag vor den Herbstferien am 2. Oktober 2013 Hilfe zur Erziehung nach § 32 SGB VIII in Form der Unterbringung ihrer Tochter B. in einer Tagesgruppe zu gewähren, ist begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht für die Zeit vom 8. August 2013 bis zum 2. Oktober 2013 stattgegeben. Dieser Antrag ist nach § 123 Abs. 5 VwGO nämlich nicht statthaft und damit unzulässig, weil die Antragstellerin in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO ausreichenden vorläufigen Rechtsschutz hätte erlangen können.

Nach § 123 Abs. 5 VwGO gelten die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80 a VwGO. Danach ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht statthaft und damit unzulässig, wenn ausreichender vorläufiger Rechtsschutz nach §§ 80 und 80 a VwGO oder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erlangt werden kann. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auf deren Antrag durch Bescheid vom 13. Mai 2011 ab dem 4. Mai 2011 Hilfe zur Erziehung in Form der Unterbringung ihrer Tochter B. in einer Tagesgruppe nach § 32 SGB VIII gewährt. Diese Leistungsgewährung ist nicht befristet worden. Für eine Befristung gibt der Bescheid vom 13. Mai 2011 nämlich nichts her. Der in Bezug genommene Antrag der Antragstellerin ist ebenfalls nicht auf die Hilfegewährung für einen bestimmten Zeitraum beschränkt gewesen. Da der Leistungsbescheid nicht konkret auf den Hilfeplan vom 4. Mai 2011 Bezug genommen hat, ergibt sich auch aus dem Bescheid in Verbindung mit dem Hilfeplan keine Befristung der Hilfegewährung; abgesehen davon enthält dieser Hilfeplan ohnehin keine eindeutige Angabe zu dem Ende der Jugendhilfemaßnahme, da der 30. April 2013 in dem Hilfeplan lediglich als Datum des voraussichtlichen Endes der Maßnahme genannt ist. Schließlich lässt sich eine Befristung der Hilfegewährung auch nicht daraus herleiten, dass der Antragsgegner dem Caritasverband unter dem 13. Mai 2011 die Übernahme der Kosten für die Unterbringung in der Tagesgruppe zugesichert und dabei das Ende der Hilfe auf den 3. Mai 2013 datiert hat. Denn dieses Schreiben betrifft ausschließlich die Kostenzusage gegenüber der Einrichtung, in der B. untergebracht werden sollte, und nicht die Bewilligung der Jugendhilfe, die gegenüber der Antragstellerin zu erfolgen hatte und erfolgt ist.

Mangels Befristung der Leistungsgewährung hat der Antragsgegner die Gewährung der Jugendhilfe durch Bescheid vom 21. Mai 2013 eingestellt. Gegen diesen Einstellungsbescheid hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Diese Klage hat nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung, die auf den Zeitpunkt des Erlasses des Einstellungsbescheides zurückwirkt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 18. Aufl., § 80 Rn. 54). Folglich hätte der Antragsgegner die mit Bescheid vom 13. Mai 2011 der Antragstellerin bewilligte Hilfe zur Erziehung weiterhin gewähren müssen. Da dies nicht geschehen ist und der Antragsgegner damit die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Einstellungsbescheid missachtet hat, hätte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO in der Gestalt eines Antrags auf Feststellung, dass ihre gegen den Einstellungsbescheid vom 21. Mai 2013 erhobene Klage aufschiebende Wirkung hat, nachsuchen können (vgl. dazu Kopp/Schenke, § 80 Rn. 181 m.w.N.).

Da die Antragstellerin mit einem solchen Antrag ausreichenden vorläufigen Rechtsschutz erlangt hätte und Anträge nach den §§ 80 und 80 a VwGO oder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften gegenüber Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO vorrangig sind (§ 123 Abs. 5 VwGO), erweist sich der von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin in der Antragsschrift gestellte und in dem Erörterungstermin am 25. Juli 2013 ausdrücklich wiederholte Antrag, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufzugeben, die bisher gewährte Jugendhilfe als Hilfe zur Erziehung in Form der Unterbringung ihrer Tochter B. in einer Tagesgruppe weiter zu gewähren, als unzulässig. Folglich hätte das Verwaltungsgericht diesem Antrag auch nicht teilweise entsprechen dürfen.