Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.09.2013, Az.: 11 KS 288/12
Klagebefugnis; Vereinigung; Vereinsverbot
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.09.2013
- Aktenzeichen
- 11 KS 288/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64367
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 VereinsG
- § 3 VereinsG
- § 42 Abs 2 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Anfechtung eines Vereinsverbots ist regelmäßig nur die verbotene Vereinigung befugt. Auf die Anfechtungsklage einer natürlichen Person, der das Vereinsverbot zugestellt worden ist, kann lediglich geprüft werden, ob die Merkmale einer Vereinigung nach dem VereinsG vorliegen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen ein von dem Beklagten erlassenes Vereinsverbot.
Mit Bescheid vom 24. September 2012 verbot der Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Vereinigung „Besseres Hannover“ und löste sie auf. Weiter untersagte er, Ersatzorganisationen für die Vereinigung zu bilden oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen, und ordnete an, den Betrieb der Internetseite der Vereinigung unverzüglich einzustellen und sämtliche Benutzerkonten in allen sozialen Netzwerken zu schließen. Zudem wurde das Vermögen der Vereinigung beschlagnahmt und eingezogen. Zur Begründung gab der Beklagte im Wesentlichen an, dass es sich bei der Gruppierung um eine Vereinigung im Sinne des Vereinsgesetzes handele, deren Zweck die Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie und die Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung sei. Die Tätigkeit der Vereinigung laufe den Strafgesetzen zuwider, weil ihre Mitglieder vielfach durch Straftaten wie Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, gefährliche Körperverletzung, Bedrohung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in Erscheinung getreten seien und ihr Handeln der Vereinigung zurechenbar sei. Ferner richte sich das Handeln der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung.
Das Vereinsverbot wurde vier Personen, darunter dem Kläger zu 1., zugestellt, die in dem Bescheid der Führungsebene zugeordnet werden. Dem Kläger zu 1. wurde der Bescheid vom 24. September 2012 am 25. September 2012 zugestellt.
Der Kläger zu 1. hat am 25. Oktober 2012 Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 24. September 2012 erhoben.
Mit Schreiben vom 25. März 2013 hat der Kläger zu 1. beantragt, das Aktivrubrum dahingehend zu ergänzen, dass die Klage von der durch ihn vertretenen Vereinigung „Besseres Hannover“ erhoben worden sei. Der Senat hat daraufhin die Vereinigung „Besseres Hannover“ als Klägerin zu 2. in das Aktivrubrum aufgenommen.
Zur Begründung tragen die Kläger vor, dass es bei Klageerhebung unterlassen worden sei, anzugeben, dass die Klage für die Vereinigung „Besseres Hannover“, vertreten durch den Kläger zu 1., erhoben werde. Die Unvollständigkeit des Aktivrubrums sei erkennbar gewesen, weil sowohl im Klageantrag als auch in der Klagebegründung ausgeführt worden sei, dass Ziel der Klage die Aufhebung der Verbotsverfügung sei. Als prozessuale Willenserklärungen seien auch die Parteibezeichnungen nach ihrem erkennbaren objektiven Willen auszulegen. Falsche Bezeichnungen seien unschädlich, wenn nach dem Inhalt der Klage erkennbar sei, wer Partei sein solle und in welcher Parteirolle. Die Ergänzung des Aktivrubrums diene daher lediglich der nachträglichen Klarstellung der Parteistellung. Sollte die Ergänzung als Klageänderung anzusehen sein, sei sie jedenfalls sachdienlich.
Weiter machen die Kläger geltend, dass die Verbotsverfügung gegen Art. 9 Abs. 1 GG verstoße und das Recht der Klägerin zu 2. auf Vereinigungsfreiheit verletze. Eine Vereinigung „Besseres Hannover“ bestehe nicht. Es gebe lediglich Personen, zu denen auch der Kläger zu 1. gehöre, welche verschiedene künstlerische Projekte durchführten. Der Oberbegriff der Projekte laute „Besseres Hannover“. Hierzu gehörten beispielsweise das Satireprojekt „Abschiebär“ sowie das Schülerzeitungsprojekt „Bock“. Die einzelnen Projekte seien in der Vergangenheit unter unterschiedlicher personeller Zusammenarbeit geplant, organisiert und durchgeführt worden. Es gebe keine verfestigten Führungsstrukturen dergestalt, dass die der sogenannten Führungsebene zugerechneten Personen wie der Kläger zu 1. berechtigt wären, Dritten Anordnungen zu erteilen, und es finde auch keine organisierte Willensbildung statt. Vereinsähnliche Strukturen seien nicht vorhanden.
Bei dem Begriff „Besseres Hannover“ handele es sich um eine Marke im werberechtlichen Sinne. Dass diese Marke nicht für Tätigkeiten stehe, die den Strafgesetzen zuwider laufen, ergebe sich bereits daraus, dass die eingeleiteten Ermittlungsverfahren bisher nicht zu rechtskräftigen Verurteilungen einzelner angeblicher Angehöriger einer Vereinigung „Besseres Hannover“ geführt hätten.
Die Marke „Besseres Hannover“ richte sich auch nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Dabei dürfe die verfassungsmäßige Ordnung durch die Vereinigung nicht lediglich abgelehnt werden, sondern sie müsse das Ziel ihrer Überwindung kämpferisch verwirklichen wollen. Dies sei bei den unter der Marke „Besseres Hannover“ durchgeführten Aktionen nicht der Fall. Es gebe in der Bevölkerung die Auffassung, dass die Gefahr einer Überfremdung durch die unzureichende Anwendung der gesetzlich geregelten Abschiebemöglichkeiten bestehe. Der aus Sicht dieses Personenkreises bestehende Missstand werde in sprachlich überspitzter und verspottender Form thematisiert. Nichts anderes geschehe durch den Auftritt des „Abschiebärs“ vor einem türkischen Imbiss, auf dem Flughafen Hannover und bei der Auslegung von Bananen für eine Person mit Affenmaske. Insbesondere entbiete der „Abschiebär“ nicht den Hitlergruß. Der Beklagte unterlege ein inhaltlich nicht angreifbares Satirevideo mit einer Bedeutung, um es zu kriminalisieren. Es sei der Beklagte, der auf die Interpretation gekommen sei, dass eine mit einer Affenmaske verkleidete Person „offensichtlich einen Menschen schwarzafrikanischer Herkunft darstellen soll“ und dass es möglich sei, Schwarzafrikaner mit Bananen aus den Häusern zu locken, einzufangen und dann abzuschieben. Mit dem Video werde die Absicht verfolgt, mit den Assoziationen der Zuschauer zu spielen und ihnen einen Spiegel vorzuhalten. Die Aktion „Abschiebär“ stelle Realsatire dar. Dass die Autoren der Zeitschrift „Bock“ diese als Rebellenblatt und das Staatswesen in Deutschland als Bananenrepublik bezeichneten, stelle ebenfalls politische Satire dar. Auch wenn auf der Internetseite kritische Beiträge zur politischen Einordnung von Vereinsverboten eingestellt seien, ergebe sich hieraus noch nicht die Zielsetzung der Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung.
Die Marke „Besseres Hannover“ richte sich auch nicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Der „Abschiebär“ habe offenkundig versucht, bei Personen mit Migrationshintergrund das freiwillige Verlassen der Bundesrepublik Deutschland zu fördern, um das gesetzlich geregelte Instrumentarium der Abschiebung nicht einsetzen zu müssen.
Der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 24. September 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass der Kläger zu 1. im eigenen Namen klage, zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung aber regelmäßig nur die verbotene Vereinigung selbst und nicht ein einzelnes Mitglied befugt sei. Die angegriffene Verbotsverfügung betreffe nicht die individuelle Rechtsstellung des Klägers zu 1. als natürliche Person, sondern vielmehr die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung. Der Kläger zu 1. habe die Klage ausdrücklich im eigenen Namen erhoben. Einer nachträglichen Änderung der Klage werde widersprochen. Zudem wäre bei einem Parteiwechsel die Klagefrist bereits verstrichen. Die Klage sei daher unzulässig und, wie sich aus der angefochtenen Verbotsverfügung ergebe, auch unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 24. September 2012 hat keinen Erfolg.
1. Die von der Klägerin zu 2. erhobene Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 24. September 2012 ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO von einem Monat nach Zustellung des Bescheides eingegangen ist.
Die mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2012 eingegangene Klage ist von dem Kläger zu 1. im eigenen Namen und nicht als Vertreter der Vereinigung „Besseres Hannover“ erhoben worden. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Dabei ist die Klageerhebung - und damit auch die Bezeichnung der Beteiligten - als Prozesserklärung nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auszulegen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.3.2001 - BVerwG 8 B 262.00 -, Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 20, juris, Rn. 2; siehe auch: Schoch/Schneider/Birr, VwGO, Kommentar, § 82, Rn. 4; Bader/Funke-Kaiser / Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, Kommentar, 5. Aufl., § 82, Rn. 4 f.; jeweils m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist auf das Verständnis aus der Sicht der Empfänger, also des Gerichts und des Beklagten, abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.3.2001 - BVerwG 8 B 262.00 -, a.a.O.). Liegt nach objektiver Auslegung eine falsche Bezeichnung des Klägers vor, ist das Rubrum entsprechend zu berichtigen. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
In der Klageschrift vom 25. Oktober 2012 wird der Kläger zu 1. eindeutig als Kläger bezeichnet („Klage des Herrn Marc-Oliver A., …, - Kläger -“). Auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die objektiv erkennen lassen, dass der Kläger zu 1. die Klage nicht im eigenen Namen, sondern für die verbotene Vereinigung, die Klägerin zu 2., erheben wollte. Die in der Klageschrift verwendeten weiteren Formulierungen:
- „Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage mit den Anträgen: 1. Die Verbotsverfügung des Beklagten vom 24.09.2012 … aufzuheben.“
- „In Bezug auf den Kläger wird in der Verbotsverfügung Seite 5 ausgeführt, dass er zur sogenannten Führungsebene der verbotenen Vereinigung zählen soll.“
- „Damit der Kläger sich gegen die Verbotsverfügung zur Wehr setzen kann, ist er zunächst einmal darauf angewiesen, dass ihm Einsicht in den gesamten Verwaltungsvorgang gewährt wird.“
- „Es ist darauf hinzuweisen, dass dieser Verbotsverfügung kein Verwaltungsverfahren und insbesondere auch keine Anhörung des Klägers vorausgegangen war.“
liefern aus objektiver Sicht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klage von der Vereinigung „Besseres Hannover“ erhoben werden sollte, sondern sprechen vielmehr eindeutig dagegen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick darauf geboten, dass der Kläger zu 1. neben drei anderen Personen in der Anschrift des angefochtenen Bescheides als Empfänger („z.Hd.“) aufgeführt ist. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass der Kläger zu 1. als Vertreter der Vereinigung handeln wollte. Ein Handeln für eine Vereinigung setzt eine organisationsinterne Vertretungsbefugnis oder die Erwartung seiner Genehmigung voraus, die ohne entsprechende Hinweise nicht unterstellt werden kann (BVerwG, Beschl. v. 2.3.2001 - BVerwG 6 VR 1.01, 6 A 1.07 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34, juris, Rn. 6). Derartige Hinweise liegen hier nicht vor.
Die Einbeziehung der Klägerin zu 2. in das Klageverfahren kann daher nicht durch Berichtigung des Aktivrubrums vorgenommen werden, sondern stellt eine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO dar, die hilfsweise auch beantragt worden ist. Eine Klageänderung - hier in Gestalt eines Parteiwechsels - ist dann zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Der Beklagte hat in die Klageänderung nicht eingewilligt. Sachdienlichkeit ist anzunehmen, wenn für die geänderte Klage der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streits fördert. Ob die Klageänderung im Hinblick darauf als sachdienlich anzusehen ist, dass sie zur endgültigen Klärung der Bestandskraft des angefochtenen Bescheides beitragen kann, lässt der Senat offen.
Denn selbst wenn eine zulässige Klageänderung angenommen wird, ist die Klage der Klägerin zu 2. unzulässig, weil sie erst nach Ablauf der Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 VwGO erhoben worden ist.
Für die geänderte Klage gelten sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen. Der Bescheid des Beklagten vom 24. September 2012 ist den in der Anschrift des Bescheides genannten vier Personen, darunter dem Kläger zu 1., als Empfänger für die Klägerin zu 2. am 25. September 2012 und damit auch der Klägerin zu 2. zu diesem Zeitpunkt zugestellt worden. Die Klagefrist für die Klägerin zu 2. ist daher am 25. Oktober 2012 abgelaufen. Ihre Klage ist aber erst am 25. März 2013 eingegangen. Dass der Kläger zu 1. am 25. Oktober 2012 rechtzeitig Klage erhoben hat, wahrt für die Klägerin zu 2. nicht die Klagefrist. Die Klagefrist muss von demjenigen eingehalten werden, der den Bescheid angreift. Dass ein anderer Betroffener Klage gegen den Bescheid erhoben hat, ändert nichts an dem Umstand, dass dem neu in das Verfahren eintretenden Kläger nach Ablauf seiner Klagefrist die Bestandskraft des angefochtenen Bescheides entgegen gehalten werden kann.
2. Die von dem Kläger zu 1. erhobene Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 24. September 2012 hat ebenfalls keinen Erfolg.
Der Kläger zu 1. hat in dem Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er seinen ursprünglichen Anfechtungsantrag aus der Klageschrift vom 25. Oktober 2012 neben dem Antrag der Klägerin zu 2. aufrechterhält.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger zu 1. nicht die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 VwGO.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung regelmäßig nur die verbotene Vereinigung im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, nicht hingegen ein Mitglied. Die Verbotsverfügung betrifft nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher Personen, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen. Sofern das Vereinsverbot Rechte verletzt, können dies nur Rechte der verbotenen organisierten Personengesamtheit sein. Diese ist ungeachtet ihrer Rechtsform nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig und wird im Rechtsstreit gemäß § 62 Abs. 3 VwGO durch ihren Vorstand vertreten (BVerwG, Beschl. v. 19.7.2010 - BVerwG 6 B 20.10 -, NVwZ 2011, 372, juris, Rn. 14; Beschl. v. 4.7.2008 - BVerwG 6 B 39.08 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 45, juris, Rn. 5; Beschl. v. 2.3.2001 - BVerwG 6 VR 1.01, 6 A 1.01 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34, juris, Rn. 5, 7; BVerwG Urt. v. 13.8.1984 - BVerwG 1 A 26/83 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 7, juris, Rn. 6 f.). Auf die Klage einer als solche in Anspruch genommenen „Vereinigung“ ist grundsätzlich auch zu klären, ob die Voraussetzungen des Vereinsbegriffs nach § 2 Abs. 1 VereinsG erfüllt sind.
Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist weiter zu entnehmen, dass einzelne Personen ein individuelles und damit nach § 42 Abs. 2 VwGO zulässiges Rechtsschutzbegehren dann verfolgen können, wenn ihnen die Verbotsverfügung zugestellt wurde und soweit sie geltend machen, die Voraussetzungen einer Vereinigung lägen nicht vor (Beschl. v. 4.7.2008 - BVerwG 6 B 39.08 -, a.a.O., Beschl. v. 2.3.2001 - BVerwG 6 VR 1.01, 6 A 1.01 -, a.a.O., siehe auch: Beschl. v. 19.7.2010 - BVerwG 6 B 20.10 -, a.a.O.).
Dem Kläger zu 1. ist der Bescheid des Beklagten vom 24. September 2012 zugestellt worden. Mit seinen Ausführungen, dass ein Verein, der verboten werden könne, nicht bestehe und dass er wegen der gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren ein besonderes Interesse daran habe, dies feststellen zu lassen, da die Staatsanwaltschaft Hannover an die angebliche Vereinigungseigenschaft anknüpfe und daraus den gegen ihn erhobenen Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ableite, hat er gemäß § 42 Abs. 2 VwGO eine Verletzung in eigenen Rechten hinreichend geltend gemacht.
Die Klage ist aber nicht begründet.
In den Fällen der zulässigen Anfechtung eines Vereinsverbots durch natürliche Personen mit der Begründung, die Voraussetzungen eines Vereins lägen nicht vor, sind die Personen auf jenes Vorbringen beschränkt. Auf die Anfechtungsklage einer natürlichen Person gegen ein Vereinsverbot kann daher nur geprüft werden, ob die Merkmale einer Vereinigung nach § 2 Abs. 1 VereinsG vorliegen. Mit sonstigen Einwendungen gegen das Vereinsverbot wie etwa das Vorliegen der materiellen Verbotsgründe ist die betreffende Person dagegen ausgeschlossen (BVerwG, Beschl. v. 4.7.2008 - BVerwG 6 B 39.08 -, a.a.O.).
Nach § 2 Abs. 1 VereinsG ist Verein im Sinne der Verbotsbestimmung des § 3 VereinsG ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Ein Zusammenschluss im Sinne des Vereinsbegriffes setzt ein gewolltes Handeln in Bezug auf die Gründung einer Vereinigung voraus. Insoweit genügt auch ein stillschweigendes Übereinkommen, wenn aus den Umständen des Einzelfalles der Wille zur Vereinsgründung hervorgeht (OVG Hamburg, Beschl. v. 6.10.2000 - 4 Bs 269/00 -, NordÖR 2001, 108, juris, Rn. 20; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 20.10.2010 - 3 K 380/10 -, juris, Rn. 27, jeweils m.w.N.). Die von dem Beklagten in der angefochtenen Verfügung angeführten und durch den Inhalt der Verwaltungsvorgänge belegten Hinweistatsachen rechtfertigen die Annahme, dass sich 40 Personen, die in dem angefochtenen Bescheid namentlich benannt sind, für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck unter dem Namen „Besseres Hannover“ zusammengeschlossen haben.
Nach den vorliegenden Erkenntnissen haben mehrere Personen aus dem Raum Hannover unter dem Namen „Besseres Hannover“ zahlreiche, einem gemeinsamen Zweck dienende Aktivitäten entfaltet. Der Name „Besseres Hannover“ ist seit 2008 bekannt. Seit November 2009 bestand eine eigene Internetseite der Gruppierung, über die Text- und Videobotschaften verbreitet wurden, darunter die eigenproduzierten „Abschiebär“-Videos. Die selbst erschaffene Figur des sogenannten "Abschiebären" wurde auf der Internetseite der Gruppierung als "neue Waffe" gegen angebliche Überfremdung angekündigt. In den „Abschiebär“-Videos ist ein Mensch in einem Bärenkostüm zu sehen, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „Abschiebär“ trägt, Kontakt zu Personen mit Migrationshintergrund aufnimmt und diese durch demonstrative Gesten verhöhnt. Zu den öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der Gruppierung gehörte auch die Erstellung und Verteilung der Schülerzeitung „bock - Das Sprachrohr der Gegenkultur“, die erstmals im März 2010 und bis zum Erlass des Vereinsverbots im September 2012 insgesamt fünfmal herausgegeben und vor Schulen in der Stadt und Region Hannover verteilt wurde. Zwei Ausgaben der Zeitung wurden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wegen der propagierten Hinwendung zum Nationalsozialismus und der Diskriminierung von Ausländern und Juden als jugendgefährdend eingestuft. Daneben wurden weitere Druckerzeugnisse wie „Der Anschlag“ und diverse Flyer unter dem Namen „Besseres Hannover“ herausgegeben. Dass derartige Aktivitäten effektiv von Einzelpersonen durchgeführt werden können, behauptet auch der Kläger zu 1. nicht. Die Anzahl und Vielfalt der durchgeführten Aktivitäten, die sich im Einzelnen aus dem angefochtenen Bescheid ergeben, zeigen vielmehr, dass dafür Strukturen erforderlich waren, die für eine Vereinigung kennzeichnend sind. Die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Videos sowie die Auszüge aus den Veröffentlichungen im Internet und den Druckerzeugnissen verdeutlichen zudem, dass gemeinsamer Zweck der Gruppierung die Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie mit dem Ziel der Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist. Dem Vorbringen des Klägers zu 1., bei den Aktivitäten handele es sich um künstlerische Projekte von unterschiedlichen Personen unter der Marke „Besseres Hannover“, ohne dass eine Vereinigung vorliege, kann daher nicht gefolgt werden.
Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass die Gruppierung Strukturen aufweist, die zu einer organisierten Willensbildung führen. Eine organisierte Willensbildung, durch die sich der Verein im Sinne des Vereinsgesetzes von bloßen Versammlungen oder ähnlich lockeren Zusammenschlüssen unterscheidet, liegt immer dann vor, wenn der Verein eine vom Willen jedes einzelnen Mitgliedes losgelöste Gesamtwillensbildung besitzt und das Einzelmitglied kraft der Verbandsdisziplin dieser Gesamtwillensbildung unterworfen ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 6.10.2000 - 4 Bs 269/00 -, a.a.O., juris, Rn. 20; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 20.10.2010 - 3 K 380/10 -, juris, Rn. 27, jeweils m.w.N.; siehe auch: Begründung zu § 1 des Entwurfs des Vereinsgesetzes, BT-Drs. IV/430, S. 10).
Der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid umfassend dargelegt, dass „Besseres Hannover“ über eine in drei Ebenen (Führungsebene, Autorenteam/Redakteure, Aktivisten) gegliederte Organisationsstruktur verfügt und die Personen aufgelistet, die zu den verschiedenen Ebenen gehören. Dabei wird der Kläger zu 1. mit drei anderen Personen der Führungsebene zugerechnet. Dem ist der Kläger zu 1. nicht überzeugend entgegengetreten. So wird der Kläger zu 1. nicht nur deshalb als Führungsperson angesehen, weil er gebeten worden ist, einen „Führerbefehl“ herauszugeben. Nach den polizeilichen Erkenntnissen, die dem Vereinsverbot zugrunde gelegt worden sind, hat der Kläger zu 1. bestimmt, wann und wo Druckerzeugnisse zu verteilen waren, an welchen Veranstaltungen Mitglieder der Gruppierung teilnehmen und ob befreundete Gruppierungen unterstützt werden sollen. Er hat auch die Figur des „Abschiebär“ entwickelt. Sämtliche Aktivitäten der Vereinigung wurden im Vorfeld mit ihm oder seinem Vertreter abgesprochen. Weiter fanden regelmäßige Mitglieder- und Arbeitstreffen der Gruppierung sowie Mitgliederschulungen statt.