Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.01.1996, Az.: 5 (4) (7) Sa 262/95

Eingruppierung einer staatlich anerkannten Erzieherin als Spielkreisgruppenleiterin in einem Kinderspielkreis

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
15.01.1996
Aktenzeichen
5 (4) (7) Sa 262/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 10784
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1996:0115.5.4.7SA262.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Celle 13.12.1994 - 2 Ca 441/94 E
nachfolgend
BAG - 28.01.1998 - AZ: 4 AZR 164/96

Verfahrensgegenstand

Feststellung

über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Amtlicher Leitsatz

Eingruppierung einer staatlich anerkannten Erzieherin als Spielkreisgruppenleiterin in einem Kinderspielkreis nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 b des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) vom 16. Dezember 1992 (Nieders. GVBl. 1992, 353): Die Klägerin hat nicht darzulegen, daß für die von ihr auszuübende Tätigkeit eine bestimmte Ausbildungsvoraussetzung erfüllt sein muß. Sie genügt vielmehr ihrer Darlegungslast, wenn sie diese ihre Tätigkeit so schildert, daß das Gericht daraus auf die Erfüllung der erforderlichen Tarifmerkmale schließen kann. Wird für die Erfüllung der Tarifmerkmale eine bestimmte formelle Qualifikation gefordert, so hat die Klägerin nachzuweisen, daß sie diese Qualifikation besitzt.

In dem Rechtsstreitverfahren
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht
sowie der ehrenamtlichen Richter ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 1996
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 13. Dezember 1994 - 2 Ca 441/94E - geändert.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 1. September 1992 Vergütung aus der Vergütungsgruppe VI b der Anlage X a des Tarifvertrages über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes anstelle gewährter Vergütung aus der Vergütungsgruppe VII zu zahlen und die Nettodifferenzbeträge, soweit sie bis zum 17. August 1994 fällig geworden sind, ab 18. August 1994, im übrigen ab jeweiliger Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin. Sie ist seit dem 1. Oktober 1990 bei dem Beklagten, und zwar aufgrund des Arbeitsvertrages vom 31. August 1990 (Fotokopie Bl. 8 f. d. A.) als Spielkreisgruppenleiterin im Kinderspielkreis ... tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des ... Anwendung. Die Klägerin meint, anstelle der ihr gewährten Vergütung aus der Vergütungsgruppe VII der Anlage X a zu diesem TV habe sie als Erzieherin mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit Anspruch auf Vergütung aus der Vergütungsgruppe VI b (Fallgruppe 38). Der Beklagte meint dagegen, eine Spielkreisgruppenleiterin benötige nicht die Qualifikation einer Erzieherin. Die Klägerin übe daher nicht die einer Erzieherin entsprechende Tätigkeit aus, so daß sie zutreffend vergütet werde.

2

Zur Darstellung der Einzelheiten ihres Vorbringens im ersten Rechtszug sowie der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, die dieses Vorbringen dort erfahren hat, wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 13. Dezember 1994 (Bl. 80 bis 95 d. A.) Bezug genommen.

3

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt und den Streitwert auf 4.142,16 DM festgesetzt.

4

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund ihrer formellen Qualifikation als Erzieherin mit staatlicher Anerkennung anzusehen, aus ihrem Vorbringen sei jedoch nicht erkennbar, daß die von ihr auszuübende Tätigkeit eine Erzieherausbildung erfordere. Es wäre Aufgabe der Klägerin gewesen, darzulegen, warum für die Ausübung der ihr übertragenen Tätigkeit die abgeschlossene Berufsausbildung einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung erforderlich gewesen sei. Hierzu fehle es an jeglichem Vortrag. Die Klägerin habe sich darauf beschränkt, ihre ausgeübte Tätigkeit darzustellen. Dies sei nicht ausreichend, da nicht erkennbar sei, warum gerade in ihrem Fall die Ausbildung zur Erzieherin für die sachgerechte Erledigung der in ihrem Arbeitsbereich anfallenden Tätigkeiten unerläßlich sei.

5

Es existiere kein Erfahrungssatz oder eine tatsächliche Vermutung des Inhalts, daß ihre Ausbildung für die ordnungsgemäße Erfüllung der ausgeübten Tätigkeit etwa deshalb notwendig sei, weil sie bei der Beschäftigung mit den Kindern unzweifelhaft Arbeiten mit pädagogischem Inhalt leiste. Der Einsatz einer Angestellten in einem Kinderspielkreis erfordere nicht stets eine abgeschlossene Ausbildung zum Erzieher mit staatlicher Anerkennung. Das Vorliegen pädagogischer Grundkenntnisse sei für die Ausübung dieser Tätigkeit ausreichend. Hiervon gehe auch die Richtlinie für Kinderspielkreise vom 10. Mai 1972 (Nds. MBl. 72, 835) aus. Danach müsse die Gruppenleiterin lediglich einen Befähigungsnachweis haben, der durch einen berufsbegleitenden Lehrgang erbracht werden könne.

6

Gegen dieses Urteil, das ihr am 9. Januar 1995 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit einem am 9. Februar 1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, die sie, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. April 1995 verlängert worden war, mit einem am 10. April 1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten begründet hat.

7

Die Klägerin tritt der Auffassung des Arbeitsgerichts entgegen, sie übe nicht eine Erzieherinnentätigkeit aus. Nach ihrem Arbeitsvertrag umfasse sie die Tätigkeit als Spielkreisgruppenleiterin vor allem folgende Aufgaben:

"

  • Vor- u. Nachbereitung der pädagogischen Arbeit im Kinderspielkreis

  • Durchführung der pädagogischen Arbeit im Kinderspielkreis

  • Aktivitäten außerhalb des Spielkreises und zusätzlicher Art. (z. B. Ausflüge, Schwimmen, Feiern/Feste, Elternabende).

"

8

Bereits aus dieser Tätigkeitszuweisung gehe hervor, daß das wesentliche Element ihrer Tätigkeit die pädagogische, also die erzieherische Tätigkeit sei. Die Tarifvertragsparteien verständen unter einem Erzieher im tariflichen Sinne einen sogenannten Gruppenerzieher. Ein Erzieher oder eine Erzieherin habe demnach die Kinder sozialpädagogisch und fürsorgerisch bewahrend zu betreuen. Bei der Tätigkeit einer Erzieherin im Kindergarten solle sie durch ihre pädagogische Arbeit in spielerischer Form zur aktiven Gestaltung mit der kindlichen Umwelt herausfordern. Neugier wecken, neue Erkenntnisse, Fähigkeiten, soziale Erfahrungen, Verhaltensweisen und Einstellungen anbahnen, die dem Kind helfen, seine jetzigen und zukünftigen Lebenssituationen angemessen zu bewältigen. Ferner solle das Kind in unterschiedlichen Spielgruppen im Wechsel von freiem und gelenktem Spiel, von Beschäftigung und Muße, von Bewegung und Ruhe Erfahrungen sammeln und verarbeiten (Blätter zur Berufskunde, Erzieher/Erzieherin, 1.2.2. Seite 12).

9

Exakt eine solche Tätigkeit ergebe sich aus der Dienstpostenbeschreibung für Spielkreisgruppenleiterinnen. Danach gehe die Spielkreisgruppenleiterin von nachfolgenden pädagogischen Zielsetzungen aus:

  1. a)

    Förderung der Bereitschaft und Fähigkeit des Kindes, sich realitäts- und sachangemessen zu seiner gegenständlichen und natürlichen Umwelt zu verhalten.

  2. b)

    Förderung der Bereitschaft und Fähigkeit des Kindes, neben dem Anmelden der eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Interessen und Erwartungen jene anderer wahrzunehmen und die Befriedigung auch dieser zu akzeptieren.

10

Durch eine so zielgerichtete Förderung solle die Spielkreisgruppenleiterin zusammen mit ihrer Mitarbeiterin den Kindern die Möglichkeit geben, ihre gegenständliche und soziale Umwelt kennzulernen sowie Zusammenhänge zu durchschauen und zu begreifen. Die Kinder sollten lernen, entsprechende Kenntnisse anzuwenden, um sich zunehmend im Leben zurechtzufinden und es mitverantwortlich zu gestalten.

11

Die Spielkreisgruppenleiterin sei auf der Basis der vorstehenden Zielsetzungen und gründlicher Abstimmung mit der Kreiskindergärtnerin für die konsequente Anwendung eines in sich geschlossenen Konzeptes für die pädagogische Arbeit verantwortlich.

12

Die Tätigkeit der Klägerin sei im einzelnen im Schriftsatz vom 25. Oktober 1994 dargelegt worden. Daß es sich bei ihrer Tätigkeit um eine gleichwertige im Verhältnis zur Tätigkeit einer Erzieherin handele, ergebe sich auch aus dem Gesetzüber Tageseinrichtungen für Kinder (Kita-Gesetz). Nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 b könne der Rechtsanspruch auf einen Platz im Kindergarten auch durch das Angebot eines Platzes in einer Nachmittagsgruppe eines Kindergartens oder in einem Kinderspielkreis erfüllt werden, wenn in dem Kinderspielkreis, der sich außerhalb einer Tagesstätte befinden müsse, die Kinder wöchentlich mindestens fünfzehn Stunden am Vormittag betreut würden. Diese Voraussetzungen seien im Kinderspielkreis des Beklagten gegeben.

13

Da der Anspruch jedes Kindes nach § 12 Abs. 1 Kita-Gesetz auf einen Kindergartenplatz auch durch das Angebot eines Platzes in einem Kinderspielkreis mit den obigen Voraussetzungen erfüllt werde, lasse sich dem entnehmen, daß von der pädagogischen Tätigkeit her ein wesentlicher Qualitätsunterschied zwischen der Arbeit im Kindergarten und in einem Kinderspielkreis, wie er von der Klägerin geleitet werde, nicht bestehe.

14

Zur Darstellung aller Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 10. April 1995 (Bl. 112 bis 114 d. A.) Bezug genommen.

15

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 13. Dezember 1994 zu ändern und festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit dem 1. September 1992 Vergütung nach der Vergütungsgruppe VI b der Anlage X a der Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes zu zahlen und die sich jeweils ergebenden Nettodifferenzbeträge zwischen gezahlter und beantragter Vergütung seit Rechtshängigkeit und danach jeweils seit Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.

16

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Er verteidigt das angefochtene Urteil als der Rechtslage entsprechend. Die Klägerin sei in ihrer Ausbildung überqualifiziert für ihre Tätigkeit als Spielkreisgruppenleiterin. Sie könne deshalb einer Erzieherin nicht in der Bezahlung gleichgestellt werden. Das gebe die Stelle einer Spielkreisgruppenleiterin eben ausdrücklich nicht her.

18

Es sei und bleibe auch nach der gesetzlichen Grundlage und nach dem Willen des Gesetzgebers ein entscheidender Unterschied zwischen Kindertagesstätten und kleinen Kindertagesstätten einerseits und Kinderspielkreisen andererseits. Nur im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kindertagesstätten-Gesetzes bereits bestehende Spielkreise könnten aufgrund der bestehenden Besitzstandswahrung Plätze bieten, die als Kindergartenplatz Anrechnung fänden. Neue Kinderspielkreise erfüllten diese Voraussetzungen unstreitig nicht. Insoweit werde auf § 4 des Kindertagesstätten-Gesetzes ausdrücklich verwiesen. Betreuungskräfte, die für die Spielkreise benötigt würden, seien eben keine Fachkräfte im Sinne des Kindertagesstätten-Gesetzes.

19

Kinderspielkreise stellten eben nun einmal keine Kindertagesstätten und keine kleinen Kindertagesstätten im Sinne des Gesetzes oder im Sinne der Verordnung über Mindestanforderungen an besondere Tageseinrichtungen für Kinder dar. Abgesehen davon, daß diese Regelung ohnehin nur die Finanzhilfe regele und insoweit allenfalls Anhaltspunkt sein könne, seien eben auch nach dieser Regelung die Kinderspielkreise den Kindertagesstätten nicht gleichzusetzen.

20

Die pädagogische Tätigkeit im Kinderspielkreis werde zwar durchaus erwartet, sei aber im Verhältnis zu den anderen Aufgaben des Kinderspielkreises eine eher untergeordnete Tätigkeit und erlaube keinesfalls eine Gleichstellung der Kinderspielkreisgruppenleiterin mit einer Erzieherin im Sinne der hier geltenden Arbeitsbedingungen des ... Die Tätigkeitsmerkmale einer Spielkreisgruppenleiterin seien mit der Tätigkeit einer Erzieherin eben gerade nicht vergleichbar. Deshalb könne auch eine Gleichstellung insoweit nicht erfolgen.

21

Es werde für die Kinderspielkreisgruppenleiterin eben nicht eine Erzieherausbildung gefordert oder zumindest für notwendig gehalten. Vielmehr reiche ausdrücklich für die Ausübung der Tätigkeit einer Spielkreisgruppenleiterin eine mindere Ausbildung gegenüber der Erzieherin aus. Die Klägerin sei somit für die Ausübung einer Tätigkeit als Kinderspielkreisgruppenleiterin mit ihrer Ausbildung als Erzieherin deutlich überqualifiziert. Sie könne deshalb nicht wie eine Erzieherin bezahlt werden; denn sie übe eine Tätigkeit als Erzieherin nicht aus, wenn sie als Spielkreisgruppenleiterin tätig sei.

22

Zur Darstellung aller Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 16. Mai 1995 (Bl. 127 f. d. A.) und auf den Schriftsatz vom 15. Januar 1996 (Bl. 199 f. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die aufgrund der Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

24

Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien unzutreffend entschieden. Das Arbeitsgericht meint, es sei nicht ausreichend, daß die Klägerin sich darauf beschränkt habe, ihre ausgeübte Tätigkeit darzustellen. Es sei nämlich nicht erkennbar, warum gerade in ihrem Fall die Ausbildung zur Erzieherin für die sachgerechte Erledigung der in ihrem Arbeitsbereich anfallenden Tätigkeiten unerläßlich sei. Diese Betrachtungsweise verkennt die Anforderungen, die an die Darlegungslast in einem Eingruppierungsprozeß zu stellen sind. Die Klägerin hat nicht darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß für die von ihr auszuübende Tätigkeit eine bestimmte Ausbildungsvoraussetzung erfüllt sein muß. Sie genügt vielmehr ihrer Darlegungslast, wenn sie ihre Tätigkeit so schildert, daß das Gericht daraus auf die Erfüllung der erforderlichen Tarifmerkmale schließen kann. Wird für die Erfüllung der Tarifmerkmale eine bestimmte formelle Qualifikation gefordert, so hat die Klägerin nachzuweisen, daß sie diese Qualifikation besitzt.

25

Die Klägerin meint, sie erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Fallgruppe 38 der Vergütungsgruppe VI b. Diese ist vorgesehen für "Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben".

26

Ausweislich des Zeugnisses der Bezirksregierung Lüneburg vom 1. August 1983 (Fotokopie Bl. 7 d. A.) ist die Klägerin berechtigt, die Berufsbezeichnung "Staatlich anerkannter Erzieher" zu führen. Die Klägerin erfüllt damit die in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 38 geforderte Qualifikation einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung. Die Frage, ob ihr Vergütung aus der Vergütungsgruppe VI b zusteht, muß deswegen positiv beantwortet werden, wenn auch das Tarifmerkmal "mit entsprechender Tätigkeit" erfüllt ist.

27

Das ist der Fall. Nach ihrem Arbeitsvertrag obliegen der Klägerin "vor allem" die Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit im Kinderspielkreis, die Durchführung der pädagogischen Arbeit im Kinderspielkreis wie Aktivitäten außerhalb des Spielkreises und zusätzlicher Art. (z. B. Ausflüge, Schwimmen, Feiern/Feste, Elternabende). Der Beklagte hat die Aufgaben der Spielkreisgruppenleiterin in der Dienstpostenbeschreibung für Spielkreisgruppenleiterinnen und Spielkreismitarbeiterinnen vom 12. September 1990 (Bl. 12 bis 17 d. A.) näher umschrieben. Darin heißt es u. a.:

"I. Pädagogische Arbeit

  1. 1.

    Die Spielkreisgruppenleiterin ist die bestimmende Kraft im Spielkreis; sie ist weisungsbefugt gegenüber ihrer Mitarbeiterin. Sie ist dafür verantwortlich, daß sich die Arbeit im Spielkreis vollzieht nach

    • den Richtlinien für Kinderspielkreise

    • der Spielkreisordnung für die Kinderspielkreise

    • den Weisungen der sozialpädagogischen Fachkraft (Kreiskindergärtnerin).

    Die Ergebnisse der Fortbildungsmaßen sind in der Spielkreisarbeit in die Praxis umzusetzen.

  2. 2.

    Die Spielkreisgruppenleiterin geht bei der Betreuungsarbeit vor allem von nachfolgenden pädagogischen Zielsetzungen aus:

    1. a.

      Förderung der Bereitschaft und Fähigkeit des Kindes, sich realitäts- und sachangemessen zu seiner gegenständlichen und natürlichen Umwelt zu verhalten.

    2. b.

      Förderung der Bereitschaft und Fähigkeit des Kindes, neben dem Anmelden der eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Interessen und Erwartungen jene anderer wahrzunehmen und die Befriedigung auch dieser zu akzeptieren.

    Durch eine so zielgerichtete Förderung soll die Spielkreisgruppenleiterin zusammen mit ihrer Mitarbeiterin den Kindern die Möglichkeit geben, ihre gegenständliche und soziale Umwelt kennenzulernen, sowie Zusammenhänge zu durchschauen und zu begreifen. Die Kinder sollen lernen, entsprechende Kenntnisse anzuwenden, um sich zunehmend im Leben zurechtzufinden und es mitverantwortlich zu gestalten.

  3. 3.

    Die Spielkreisgruppenleiterin ist auf der Basis vorstehender Zielsetzungen und gründlicher Abstimmung mit der Kreiskindergärtnerin für die konsequente Anwendung eines in sich geschlossenen Konzeptes für die pädagogische Arbeit verantwortlich.

    Ziel und Inhaltsfindung für dieses Konzept erfolgen aus der Alltagspraxis heraus. Voraussetzung dafür ist eine sorgfältige Beobachtung der Kinder, um aufzugreifen und auszuwerten, was sie an Fragen, Problemen und Informationen einbringen.

    Als Folgeaufgabe stellt sich für die Spielkreisgruppenleiterin und ihre Mitarbeiterin die aktuelle Situation zu verarbeiten und die darin enthaltenen Lernmöglichkeiten und Erfahrungsräume zu erschließen.

    Praxis muß also lebensnahes Lernen in und aus der alltäglichen Situation heraus sein.

    Dazu soll keineswegs Schule vorweggenommen, wohl aber erreicht werden, daß die Kinder in ihrer ganzheitlichen Entwicklung altersgerecht gefördert werden.

    Dies erfordert eine Ausrichtung der pädagogischen Arbeit auf alle, d. h. die seelischen, geistigen und körperlichen Kräfte der anvertrauten Kinder.

  4. 4.

    Die Spielkreisgruppenleiterin stellt zusammen mit ihrer Mitarbeiterin sicher, daß der pädagogischen Arbeit im Sinne des o.a. Konzeptes in der Praxis zur Wirksamkeit verholfen wird. Dies erfordert auch gemeinsame Vor- und Nachbereitung mit der Mitarbeiterin.

  5. 5.

    Atmosphäre und Wirksamkeit der Bemühungen im Kinderspielkreis hängen maßgeblich davon ab, ob die Arbeit von den Eltern mitgetragen wird.

    Die Spielkreisgruppenleiterin trägt deshalb für ein harmonisches Verhältnis mit der Elternschaft Sorge.

    Es gilt einen möglichst engen Kontakt und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Dies kann letztlich nur über positiv zu bewertende pädagogische Arbeit und eben einen vertrauenswürdigen Umgang mit den Eltern erreicht werden.

    Deshalb ist eine Mitwirkung der Eltern an der Spielkreisarbeit zuzulassen und sind Anregungen aufzugreifen, soweit sich diese mit dem pädagogischen Zielkonzept vereinbaren lassen. Jegliche Ungleichbehandlungen müssen dabei unterbleiben. Einzelheiten sind in der Spielkreisordnung konkretisiert."

28

Zur Darstellung der der Klägerin weiter obliegenden Führungs- und Verwaltungsaufgaben wird auf die Dienstpostenbeschreibung Bezug genommen.

29

Daß die Klägerin die ihr übertragenen Aufgaben tatsächlich ausübt - den täglichen Ablauf ihrer Arbeit hat sie in ihrem Schriftsatz vom 25. Oktober 1994 (Bl. 55 bis 59 d. A.) geschildert -, ist unstreitig.

30

Die Tätigkeit der Klägerin ist die typische Tätigkeit einer Erzieherin im Kindergarten. § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) vom 16. Dezember 1992 (Nieders. GVBl. 1992, 353) bestimmt denn auch, daß sich die Arbeit der Kinderspielkreise an den Bildungs- und Erziehungszielen der Kindergärten ausrichte. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, daß eine Erzieherin die Kinder sozialpädagogisch und fürsorgerisch bewahrend zu betreuen habe. Im Kindergarten solle sie durch ihre pädagogische Arbeit in spielerischer Form zur aktiven Gestaltung mit der kindlichen Umwelt herausfordern, Neugier wecken, neue Erkenntnisse, Fähigkeiten, soziale Erfahrungen, Verhaltensweisen und Einstellungen anbahnen, die dem Kind helfen, seine jetzigen und zukünftigen Lebenssituationen angemessen zu bewältigen. Das Kind solle in unterschiedlichen Spielgruppen im Wechsel von freiem und gelenktem Spiel, von Beschäftigung und Muße, von Bewegung und Ruhe Erfahrungen sammeln und verarbeiten.

31

Zwischen dem pädagogischen Anspruch in einem Kindergarten (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 b KiTaG) und einer sonstigen Tageseinrichtung, insbesondere eines Kinderspielkreises, (§ 1 Abs. 3 KiTaG) besteht grundsätzlich kein Unterschied. So ist es zu erklären, daß der Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens, soweit ein ausreichendes Angebot an Plätzen nicht zur Verfügung steht, auch durch das Angebot eines Platzes in einem Kinderspielkreis erfüllt werden kann, wenn die Kinder in dem Kinderspielkreis, der sich außerhalb einer Kindertagesstätte befinden muß, wöchentlich mindestens fünfzehn Stunden am Vormittag betreut werden (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 b KiTaG). Es gibt keinen Grund, der es rechtfertigen könnte, in einem Kinderspielkreis an die Qualität der pädagogischen Betreuung prinzipiell geringere Anforderungen zu stellen als an die Qualität pädagogischer Betreuung in einem Kindergarten. Allerdings hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, daß es, insbesondere bedingt durch die Knappheit der kommunalen Finanzmittel, nicht in allen Fällen möglich ist, Kindertagesstätten, zu den auch Kindergärten gehören, und kleine Kindertagesstätten mit dem in§ 4 und § 9 KiTaG vorgeschriebenen Personal einzurichten und so den Anspruch eines jeden Kindes auf den Besuch eines Kindergartens (§ 12 Abs. 1 KiTaG) zu erfüllen. Das für Tageseinrichtungen zuständige Ministerium ist deswegen ermächtigt worden, durch Verordnung für die Kinderspielkreise hinsichtlich der personellen Ausstattung, der Verfügungszeiten, der Räume, der Außenflächen zum Spielen, Größe und Anzahl der Gruppen sowie der Betreuungszeiten von Kindertagesstätten abweichende Anforderungen vorzusehen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 KiTaG). Diese Bestimmung zeigt, daß der Gesetzgeber die personelle Ausstattung von Kindertagesstätten als den Normalfall betrachtet. Von der Ermächtigung hat das zuständige Ministerium in der Verordnung über Mindestanforderungen an besondere Tageseinrichtungen für Kinder sowie über die Durchführung der Finanzhilfe vom 11. Mai 1993 (Nieders. GVBl. 1993, 103) in der Weise Gebrauch gemacht, daß in Kinderspielkreisen, in denen Kinder mindestens zehn Stunden in der Woche betreut werden, die Gruppenleitung einer Spielkreisgruppenleiterin mit entsprechendem Befähigungsnachweis übertragen werden darf (§ 2 Abs. 3), daß es sich bei einer Spielkreisgruppenleiterin also nicht um eine Person mit der in § 4 Abs. 1 und 2 KiTaG genannten Qualifikation handeln muß. Aus dieser Ausnahmebestimmung kann jedoch nicht geschlossen werden, daß eine Erzieherin für eine Tätigkeit als Spielkreisgruppenleiterinüberqualifiziert sei. Die aus der Not geborene Möglichkeit, die Gruppenleitung einer Spielkreisgruppenleiterin mit entsprechendem Befähigungsnachweis zu übertragen, bedeutet nicht, daß die von einer Erzieherin als Spielkreisgruppenleiterin auszuübende Tätigkeit nicht die einer Erzieherin entsprechende Tätigkeit ist. Das Gegenteil ist richtig.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Streitwert ist unverändert.

33

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden.