Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.04.1996, Az.: 5 Sa 1921/95
Anwendbarkeit von § 13 Abs. 2 GmbHG auf die Gesellschafter einer errichteten, jedoch noch nicht in das Handelsregister eingetragenen GmbH
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 29.04.1996
- Aktenzeichen
- 5 Sa 1921/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 10794
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1996:0429.5SA1921.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 02.08.1995 - AZ: 11 Ca 75/95
Rechtsgrundlage
- § 13 Abs. 2 GmbHG
Verfahrensgegenstand
Forderung
Prozessführer
1. ...
2. ...
Prozessgegner
...
Amtlicher Leitsatz
§ 13 Abs. 2 GmbHG findet auf die Gesellschafter einer errichteten, jedoch (noch) nicht in das Handelsregister eingetragenen GmbH (Vor-Gesellschaft) jedenfalls dann keine Anwendung, wenn die Vor-Gesellschaft unternehmerisch tätig geworden ist. In diesem Fall haften die Gesellschafter unbeschränkt und akzessorisch neben der Vor-Gesellschaft für deren Verbindlichkeiten nach dem Modell der§§ 128 ff. HGB.
In dem Rechtsstreitverfahren
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht ... und
der ehrenamtlichen Richter 3 ... und ... von ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 1996
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 2. August 1995 - 11 Ca 75/95 - wird auf Kosten des Beklagter zu 1) zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagten waren Gesellschafter der ... bei der u. a. der Kläger beschäftigt war. Mit Urkunde des Notars ... errichteten die Beklagten die ... mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM, von denen die Beklagten jeweils eine Stammeinlage von je 25.000,00 DM übernahmen. Alle Stammeinlagen sollten sofort in hälftiger Höhe fällig und bar an die Gesellschaft einzuzahlen sein. Die zweite Hälfte der Stammeinlage sollte auf separaten Gesellschafterbeschluß fällig sein. In einer gleichzeitig abgehaltenen ersten Gesellschafterversammlung bestellten sich die Beklagten zu Geschäftsführern, die die Gesellschaft allein vertreten sollten. Sie befreiten sich als Gesellschafter von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Anmeldung auf Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 17. Januar 1995 zurückgewiesen, weil trotz Erinnerung und Fristsetzung der erforderliche Kostenvorschuß nicht gezahlt worden war. Am 1. Mai 1994 unterzeichneten der Beklagte zu 2) und der Kläger einen "Angestelltenvertrag/Übernahmevertrag" (Fotokopie Bl. 66 bis 69 d. A.), in dem als Vertragspartner die ... auf der einen und der Kläger auf der anderen Seite genannt worden. Dort heißt es, die Angestellte werde zu den in der ... geltenden Konditionenübernommen. Sie werde zum 1. Mai 1994 als Verwaltungs-Sachbearbeiterin eingestellt. Auf dem übrigen Vertragsinhalt wird Bezug genommen.
Am 3. Februar 1995 trafen die Beklagten folgende schriftliche Vereinbarung (Fotokopie Bl. 58 d. A.):
Zuständigkeiten
Die beiden Unterzeichnenden, jeweils Gesellschafter der ... und der ... erklären und vereinbaren hinsichtlich der Aktivitäten der ... und der ... Einzelunternehmung dortselbst folgendes:
- 1.
... hat ab 1.5.94 jegliche Geschäftstätigkeit eingestellt. Die Aktivitäten der Betriebsteile ... (Zuständigkeit MK) wurden bereits mit Wirkung zum 1.4.94 in die ... überführt. Die Ausstattung beider Betriebsteile sind Privatbesitz von ... vom 1.1.93 bis 1.4.94 zu Verfügung gestellt.
- 2.
Zur Weiterführung der Aktivitäten der Betriebsstätte ... wurde zunächst die Gründung einer GmbH mit den Gesellschaftern/Geschäftsführern ... beschlossen .... Es wurden von MK 12.500,00 DM als Gründungskapital auf ein neu eingereichtetes Konto der ... eingezahlt. Kurz nach der Anmeldung einigten sich die Gesellschafter aufgrund aktueller Entwicklungen und nach Abwägung der steuerlichen Aspekte, diese Unternehmens form nicht gemeinsam weiterzuführen, der Anteil von ... wurde nicht eingezahlt. Die Geschäfte wurden nach entsprechendem Beschluß von ... alleinverantwortlich weitergeführt, um sie schnellstmöglich in eine Einzelunternehmung ... überzuleiten. Dieser Vorgang ist mit Wirkung zum 1.10.94 abgeschlossen. Der von ... eingezahlte Betrag von 12.500,00 DM wird von ... bis Ende 1995 zurückgeführt.
- 3.
Ausstattung und ... übernommen, ebenso alle ... bestehenden Verbindlichkeiten aus den Geschäftstätigkeiten von ...über die Bewertung der Ausstattung und des KnowHow sowie der Gesellschaftsanteile von ... und deren Ausgleich gegenüber den Gesellschaftern werden bis Ende Juni 1995 gesonderte Vereinbarungen getroffen.
- 4.
An den Aktivitäten von ... beteiligt sich ... durch Einsatz der Möglichkeiten von ... um die Vermarktung der von produzierten Interaktiven Systeme aquisitorisch zu unterstützen. Von entsprechend an ... vermittelten Aufträgen erhält ... eine Provision von 5% des Auftragsvolumens. Bei von ... vermittelten Aufträgen erhält ... eine Provision von 5% des Auftragsvolumens.
Mit Schreiben vom 26. September 1994 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Dezember 1994 gekündigt. Die ... bestätigte der Klägerin mit Schreiben vom 1. Oktober 1994 (Bl. 15 d. A.), daß sie fristgemäß zum 31. Dezember 1994 gekündigt und gleichzeitig bezüglich seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt sei.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung der ihr für die Zeit von September bis Dezember 1994 zustehenden Vergütung in der unstreitigen Höhe von 16.236,52 DM brutto abzüglich eines von der Bundesanstalt für Arbeit gezahlten Betrages von 4.890,60 DM netto sowie die Erstattung dieses Nettobetrages an die Bundesanstalt.
Zur Darstellung des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, die dieses Vorbringen dort erfahren hat, wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 2. August 1995 (Bl. 31 bis 37 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 16.236,52 DM brutto abzüglich 4.890,60 DM netto sowie 4.890,60 DM netto an die Bundesanstalt für Arbeit zur Stammnummer ... zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt und den Streitwert auf 16.236,52 DM festgesetzt.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht u. a. ausgeführt, die Beklagten hafteten als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB i. V. m. § 718 BGB gegenüber der Klägerin für die Schuld der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Gründung. Der seiner Höhe nach unstreitige Anspruch ergebe sich aus § 615 BGB und zu einem geringen Teil aus § 611 Abs. 1 BGB.
Vor der Eintragung in das Handelsregister habe die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 11 Abs. 1 GmbHG nicht bestanden. Die Gesellschafter bildeten insoweit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter für die Schuld der GmbH i. Gr. bis zur Eintragung als Gesamtschuldner zumindest bis zur Höhe der Einlageschuld hafteten.
Darüber hinaus hafteten die Gesellschafter einer GmbH i. Gr., wenn sie mit der Aufnahme der Tätigkeit vor Eintragung einverstanden seien. Dies müsse im vorliegenden Fall als zugestanden angesehen werden; denn die Beklagten hätten weder vorgetragen, woraus sich eine Haftungsbeschränkung ergeben würde, noch sei substantiiert von ihnen vorgetragen worden, welcher Gesellschafter zu welchem Zeitpunkt aus der Gesellschaft aufgrund welcher Vereinbarung ausgeschieden sei bzw. wann vereinbart worden sei, zu welchem Zeitpunkt die Gesellschaft erst habe tätig werden sollen.
Der Beklagte zu 2) hafte darüber hinaus gegenüber der Klägerin gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG; denn er habe als Geschäftsführer der GmbH i. Gr. gegenüber der Klägerin gehandelt und hafte insoweit für die Schuld der GmbH i. Gr. als Handelnder.
Die Forderung sei in Hohe des von der Bundesanstalt für Arbeit gezahlten Nettobetrages auf diese gemäß § 153 AFG per Gesetz übergegangen. Die Klägerin habe insoweit die Zahlung an die Bundesanstalt verlangen können. Sie selbst sei nicht mehr Gläubiger dieser Forderung gewesen.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 29. September 1995 zugestellt worden ist, hat der Beklagte zu 1) mit einem am 27. Oktober 1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, die er, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. Januar 1996 verlängert worden war, mit einem am 3. Januar 1996 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten begründet hat.
Der Beklagte zu 1) führt aus, er müsse bereits bestreiten, daß die Klägerin überhaupt bei der ... angestellt worden sei. Vielmehr seien die Angestellten bei der Einzelunternehmung ... angestellt gewesen. Der Beklagte zu 1) habe mit sämtlichen Aktivitäten in ... außer seiner beabsichtigten, aber rückgängig gemachten Beteiligung nicht das geringste zu tun gehabt. Vielmehr habe er sich schon unmittelbar nach der Gründung der Gesellschaft und vor deren Eintragung mit dem Mitgesellschafter ... darauf verständigt, getrennte Wege zu gehen, wie sich aus dem Protokoll vom 3. Februar 1995 ergebe.
Es sei zu betonen, daß sämtliche Aktivitäten der Vorgesellschaft ... ausschließlich vom Geschäftsführer vorgenommen worden seien.
Es möge sein, daß die Gesellschafter der Vorgesellschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden könnten. Bezüglich des Gesellschaftszwecks Herbeiführung der Eintragung der Vorgesellschaft, würden sie dies im Innenverhältnis auch tun. Damit entstehe aber noch keine BGB-Gesellschaft mit Außenwirkung. Dem würde auch die herrschende Auffassung entgegenstehen, daß die Vorgesellschaft bereits partei- und konkursfähig sei.
Angestellte wie die Klägerin seien im übrigen bestens in die Verhältnisses eingeweiht gewesen und genössen demzufolge auch keinerlei "Vertrauensschutz". Sie blieben mit ihren Ansprüchen auf die Inanspruchnahme des Handelnden im Sinne von § 11 Abs. 2 GmbHG beschränkt. Das sei der Beklagte zu 1) aber gerade nicht.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 2. August 1995 teilweise zu ändern und die Klage gegen den Beklagten zu 1) abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückgewiesen.
Sie führt aus, der Vortrag des Beklagten zu 1) entspreche nicht der Wahrheit. Zur Darstellung der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 16. Januar 1996 nebst Anlagen (Bl. 61 bis 64 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die aufgrund der Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien zutreffend entschieden. Der Beklagte zu 2), gegen den das Urteil des Arbeitsgerichts inzwischen in Rechtskraft erwachsen ist, und der Beklagte zu 1) schulden die eingeklagte Summe als Gesamtschuldner. Die Beklagten haben am 21. April 1994 die ... errichtet. Zu einer Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ist es jedoch nicht nicht gekommen, so daß die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht zur Entstehung gelangt ist (§ 11 Abs. 1 GmbHG). Deswegen können diejenigen Bestimmungen, die das Bestehen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche, die also die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister voraussetzen, für die Frage der persönlichen Haftung der Gesellschafter vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister hier keine Anwendung finden. Zu diesen Bestimmungen gehört auch § 13 Abs. 2 GmbHG. Der entgegengesetzten Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Vorlagebeschluß vom 23. August 1995 - 10 AZR 908/94 (A) -) kann jedenfalls dann nicht gefolgt werden, wenn die zwischen Errichtung und Eintragung in das Handelsregister bestehende Vor-Gesellschaft unternehmerisch tätig geworden ist. In einem derartigen Fall haften die Gesellschafter unbeschränkt und akzessorisch neben der Vorgesellschaft für deren Verbindlichkeiten nach dem Modell der §§ 128 f. HGB. Die Kammer schließt sich vollumfänglich der von Gummert (MünchHdb. GesR III § 16 Rdnrn. 59 bis 65 mit zahlreichen Literaturhinweisen) vertretenen Auffassung an. Der deutlich formulierte Wille zur Haftungsbeschränkung allein reicht noch nicht aus, eine Haftung auf das Gesellschaftsvermögen zu erreichen. Vielmehr setzt der Ausschluß persönlicher Haftung der Gesellschafter und die Anwendung von § 13 Abs. 2 GmbHG das Prüfungsverfahren des Registergerichts voraus, an dessen Ende - die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften vorausgesetzt - die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister steht (Gummert a.a.O. Rdnr. 59 unter Hinweis auf Knobbe-Keuk Festschrift für Stimpel Seite 187 f.).
Auch die Frage, ob die Gesellschafter der sich bereits unternehmerisch betätigenden Vorgesellschaft ihre persönliche Haftung beschränken können, ist, und zwar aus den gleichen Gründen, zu verneinen (Gummert a.a.O. Rdnr. 63). Demzufolge schuldet der Beklagte zu 1) der Klägerin das restliche Gehalt in der unstreitigen Höhe von 16.236,52 DM brutto abzüglich der von der Bundesanstalt geleisteten Zahlungen von 4.890,60 DM netto. Dagegen, daß der Beklagte verurteilt worden ist, die gemäß § 153 AFG auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangene Forderung durch Zahlung an diese zu erfüllen, enthält die Berufungsbegründung keine Einwendungen, so daß die Kammer davon ausgehen muß, die Klägerin sei zur Geltendmachung dieser Forderung in fremden Namen legitimiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen, weil die Entscheidung von dem Vorlagebeschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 23. August 1995 - 10 AZR 908/94 (A) - abweicht.