Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.06.1996, Az.: 12 Sa 81/96
Wirksamkeit eines befristeten Arbeitsvertrages; Bundeswehrverwaltung; Kettenarbeitsverträge
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 04.06.1996
- Aktenzeichen
- 12 Sa 81/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 10765
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1996:0604.12SA81.96.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg 11.07.1995 - 5 Ca 257/95
- nachfolgend
- BAG - 03.12.1997 - AZ: 7 AZR 651/96
Rechtsgrundlage
- § 620 BGB
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
Amtlicher Leitsatz
Zur Wirksamkeit eines befristeten Arbeitsvertrages, welcher abgeschlossen wurde, nachdem ein zuvor befristeter Arbeitsvertrag durch Zeitablauf beendet worden war und die Angestellte weitergearbeitet hatte.
In dem Rechtsstreit
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündlichen Verhandlung vom 04.06.1996
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht und
die ehrenamtlichen Richter
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 11.07.1995 - 5 Ca 257/95 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die am 19.12.1969 geborene Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage von drei befristeten Arbeitsverträgen als Angestellte bei der Bundeswehrverwaltung (Nachschubbuchführerin) beschäftigt und verdiente zuletzt 2.800,00 DM brutto im Monat.
Nach Abschluß ihrer Berufsausbildung bei der Beklagten war die Klägerin zunächst aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 19.06.1992 (Fotokopie Bl. 6 d.A.) befristet bis zum 31.12.1993 beim Hubschraubertransportgeschwader 64, welches zum 31.12.1993 aufgelöst worden ist, in Ahlhorn beschäftigt. Anschließend schlossen die Parteien am 22.12.1993 einen weiteren bis zum 31.05.1994 befristeten Arbeitsvertrag (Fotokopien Bl. 7, 8 d.A.) und die Klägerin wurde aufgrund dessen in der Standortverwaltung ... bei der Versorgungsstaffel der Lufttransportgruppe des Lufttransportgeschwaders 62 (LTG 62) beschäftigt. Nach dem 31.05.1994 arbeitete die Klägerin weiter und schloß schließlich am 16.12.1994 einen weiteren bis zum 31.12.1995 befristeten Vertrag (Fotokopie Bl. 5 d.A.) mit der Beklagten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bereits die nach Mai 1994 erfolgte Weiterbeschäftigung habe zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis der Parteien geführt. Durch den Arbeitsvertrag vom 16.12.1994 werde der für sie bestehende Kündigungsschutz umgangen, so daß es auch an einem sachlichen Grund für die Befristung dieses letzten Vertrages fehle.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß zwischen den Parteien des Rechtsstreites auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 16.12.1994 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, für die Befristung des Arbeitsvertrages vom 16.12.1994 als letztem Arbeitsvertrag sei ein sachlicher Grund vorhanden, weil wegen Auflosung der Beschäftigungsdienststelle (LTG 62) zum 31.12.1995 der Arbeitsplatz der Klägerin ersatzlos weggefallen sei.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im einzelnen wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 34, 35 d.A.) sowie die vor dem Arbeitsgericht gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen verwiesen.
Das Arbeitsgericht Oldenburg hat durch das am 11.07.1995 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil (Bl. 33-38 d.A.) die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 8.400,00 DM festgesetzt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien werde mit Ablauf der Befristung am 31.12.1995 beendet. Die Klägerin könne sich nicht auf die Unwirksamkeit der Befristung berufen. Prüfungsgegenstand sei der letzte befristet abgeschlossene Vertrag. Der Abschluß dieses Vertrages sei nicht allein deshalb unwirksam, weil die Klägerin ihn zu einem Zeitpunkt abgeschlossen habe, als sie durch Weiterarbeit nach Ablauf eines zuvor befristet abgeschlossenen Arbeitsvertrages eigentlich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gewesen sei. Für die Frage, ob dem Arbeitnehmer durch die Befristung ein zwingender Bestandsschutz genommen werde, sei es gleichgültig, ob die Befristung von vornherein vereinbart werde oder ob sie erst später im Laufe eines schon bestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses eingeführt werde. Als sachlichen Grund gebe die Beklagte die Schließung der Beschäftigungsstelle zum 31.12.1995 an. Es sei unstreitig, daß diese Beschäftigungsstelle tatsächlich am 31.12.1995 eingestellt werde. Mithin entfalle der Beschäftigungsbedarf für die Arbeitnehmer dieser Dienststelle mit deren Auflösung. Da die Beklagte bereits im Sommer 1993 geplant habe, die Dienststelle in ... zum 31.12.1995 aufzulösen, habe sie bei Abschluß des zuletzt geschlossenen befristeten Vertrages die Prognose stellen können, daß die Arbeitskraft der Klägerin spätestens zum 31.12.1995 nicht mehr benötigt werde. In einem solchen Fall sei es sachlich gerechtfertigt, ein Arbeitsverhältnis zu befristen, weil durch Auflosung der Dienststelle der Arbeitskräftebedarf entfalle. Der Befristungsgrund habe sowohl nach dem Grund an sich und der Dauer vorgelegen und habe von der Beklagten so am 16.12.1994 zutreffend prognostiziert werden können.
Gegen das ihr am 20.12.1995 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.01.1996 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Sie macht insbesondere geltend, im Gegensatz zu den sogenannten Kettenbefristungen liege ihr Fall anders. Durch Weiterbeschäftigung ab 31.05.1994 habe sie sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befunden. Insoweit werde nicht die Nachprüfung früherer Gründe verlangt. Es solle nur die Tatsache, daß sie sich bereits eindeutig in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befunden habe, bei der Beurteilung des sachlichen Grundes mit berücksichtig werden. Die Befristung sei nach allgemeinen Grundsätzen unzulässig, da sie allein der Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Bestimmungen diene. Das Erfordernis der betriebsbedingten Kündigung habe umgangen werden sollen. Nach dem endgültig klar gewesen sei, daß die Dienststelle zum 31.12.1995 auf gelost werden solle, habe das Problem bestanden, überflüssiges Personal abzubauen. Vor diesem Hintergrund sei die Tatsache ausgenutzt worden, daß sie der Auffassung gewesen sei, sie befände sich in einem vertragslosen Zustand. Nur deshalb habe sie den Vertrag am 16.12.1994 unterschrieben, da nach ihrer Auffassung ein befristeter Vertrag besser als gar kein Vertrag gewesen sei. Auf einen vorherigen Bestandsschutz durch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis habe sie nicht verzichtet. Dies werde auch in ihren Bemühungen um einen unbefristeten Vertrag deutlich. Sie sei bewußt im unklaren über den rechtlichen Status des Arbeitsverhältnisses gelassen worden, um dann einen befristeten Arbeitsvertrag nachschieben zu können.
Die Klägerin beantragt,
das am 11.07.1995 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg, AZ. 5 Ca 257/95, aufzuheben und festzustellen, daß zwischen den Parteien des Rechtsstreits auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 16.12.1994 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 20.02.1996 (Bl. 56-58 d.A. nebst Anlagen Bl. 59-61 d.A.).
Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer vor dem Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund rechtswirksamer Befristung mit Ablauf des 31.12.1995 geendet hat.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht den letzten Arbeitsvertrag der Parteien vom 16.12.1994 der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle unterzogen und einen sachlichen Grund in der Auflösung der Beschäftigungsstelle LTG 62 zum 31.12.1995 gesehen. Dieser Würdigung schließt sich das Landesarbeitsgericht an und sieht zwecks Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen ausführlichen Darlegung der Rechtslage gem. § 543 Abs. 1 ZPO ab.
Im Hinblick auf die Angriffe der Berufung ist ergänzend noch folgendes auszuführen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa die Nachweise bei Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Auflage 1995, Rdn. 37) dürfen die Parteien befristete Arbeitsverträge abschließen, wenn bei Vertragsschluß sachliche Gründe für die Befristung vorgelegen haben. Befristungen sind dann unzulässig, wenn sie als Gestaltungsmittel objektiv funktionswidrig verwendet werden. Dies ist anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer der durch die Kündigungsschutzbestimmungen gewährleistete Bestandsschutz seines Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen Grund entzogen wird. In einem derartigen Fall hatte ein verständig und sozial denkender Arbeitgeber von vornherein einen Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die befristeten Vertrage müssen deshalb ihre sachliche Rechtfertigung so in sich tragen, daß sie die Kündigungsschutzvorschriften nicht beeinträchtigen.
Hinsichtlich mehrerer aneinander gereihter befristeter Vertrage (sogenannte Kettenarbeitsverträge) vertritt das Bundesarbeitsgericht - dem die Kammer insoweit ständig gefolgt ist - seit dem Jahre 1985 (AP Nr. 97 zu § 620 BGB, Befristeter Arbeitsvertrag) die Auffassung, daß grundsätzlich nur die Befristung des letzten Vertrages auf ihre sachliche Berechtigung hin zu überprüfen ist. Ob vorausgegangene Vertrage wirksam befristet waren, ist dabei unerheblich. Wenn nämlich die Arbeitsvertragsparteien im Anschluß an einen früheren befristen Vertrag einen weiteren befristeten Vertrag abschließen, bringen sie jedenfalls regelmäßig zum Ausdruck, daß dieser neue Vertrag fortan für ihre Rechtsbeziehungen maßgeblich sein soll. Das gilt auch dann, wenn die Befristung erst im Laufe eines schon bestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses vereinbart wird (vgl. BAG AP Nr. 47 zu § 620 BGB, Befristeter Arbeitsvertrag m. w. Nachw.; KR-Lipke, 4. Aufl. 1996, § 620 BGB, Rdn. 94 a). Es kommt deshalb im Streitfall nicht darauf an, ob ab 01.06.1994 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis der Parteien bestanden hat (anderer Ansicht LAG Berlin, LAGE Nr. 39 zu§ 620 BGB welches annimmt, daß die nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses keines sachlichen Grundes bedarf). Nur dies entspricht der notwendigen Rechtssicherheit. Die Klägerin hatte diese Regel nur durchbrechen können, wenn sie den Vertrag vom 16.12.1994 unter dem Vorbehalt abgeschlossen hatte, daß nicht bereits aufgrund der vorangehenden Beschäftigung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe. Sie hat jedoch - wie das Arbeitsgericht unangefochten ausgeführt hat - den letzten Vertrag vorbehaltlos abgeschlossen. Die damit verbundene Auflosung des bis dahin bestehenden - möglicherweise unbefristeten - Arbeitsverhältnisses, tritt automatisch und unabhängig von einem auf diese rechtliche Nebenfolge gerichteten Willen der Vertragsparteien ein. Die Unkenntnis dieser Rechtsfolge berechtigt z. B. den Arbeitnehmer nicht, den von ihm abgeschlossenen befristeten Anschlußarbeitsvertrag nach § 119 Abs. 1 BGB wegen Irrtums über den Inhalt seiner Erklärung anzufechten (vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 119 BGB).
Die Befristung ist auch - wie das erstinstanzliche Gericht zutreffend ausgeführt hat - unter dem Gesichtspunkt der Auflosung der Dienststelle sachlich gerechtfertigt. Die Besetzung eines Arbeitsplatzes bis zur Stillegung eines Betriebes ist als Befristungsgrund allgemein anerkannt (vgl. Stahlhacke/Preis, a. a. O. Rdn. 42; MünchArbR/Wank, 1993,§ 113 Rdn. 73; KR-Lipke, a. a. O. Rdn. 168). Zwar steigen mit zunehmender Dauer der Beschäftigung des Arbeitnehmers die Anforderungen an den sachlichen Grund der Befristung. Im Streitfall liegt jedoch der bindende Organisationsbefehl des Verteidigungsministeriums hinsichtlich der Auflösung der LTG 62 vor und dieser wurde tatsächlich unstreitig durchgeführt. Damit bestand nur ein vorübergehender Bedarf für die Tätigkeit der Klägerin und ihre Arbeitskraft war mit Ablauf des 31.12.1995 entbehrlich.
Die Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Streitwertbeschluss:
Streitwert: unverändert.