Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.09.1996, Az.: 16a (3) Sa 1587/95

Anteilige Gewährung tariflicher Ansprüche von Teilzeitkräften im Verhältnis zu Vollzeitkräften

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
12.09.1996
Aktenzeichen
16a (3) Sa 1587/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 14935
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1996:0912.16A3SA1587.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Göttingen - 10.07.1995

In dem Rechtsstreit
hat die 16 a-Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 12.09.1996
durch
den Richter am Arbeitsgericht Dr. Voigt als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter Herbst und Hippler
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 10.07.95 dahingehend abgeändert, daß zu Ziff. 3) die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 760,35 DM brutto abzüglich 297,00 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen auf den Nettobetrag seit dem 1.12.93 zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Frage, inwieweit die Klägerin als geringfügig Beschäftigte tarifliche Leistungen in Anspruch nehmen kann.

2

Die Klägerin ist seit dem 01.08.1977 im Reinigungsdienst der beklagten Sparkasse mit einer Arbeitszeit von 10 Stunden in der Woche tätig. In § 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages war ursprünlich eine Monatsvergütung von 370,00 DM vereinbart, die sich auf zuletzt 456,00 DM monatlich erhöht hat. Die Klägerin erhält 18 Tage Urlaub im Jahr, ferner eine Jahressonderzuwendung. Einer weiteren Erwerbstätigkeit geht die Klägerin nicht nach. Aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit käme grundsätzlich der BMT-G auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung. § 3 Abs. 1 d BMT-G II sieht jedoch vor, daß aus dessen Geltungsbereich auch Mitarbeiter ausgenommen sind, die geringfügig i. S. d. § 8 SGB IV beschäftigt sind.

3

Die Klägerin macht im vorliegenden Rechtsstreit die anteilige Gewährung tariflicher Ansprüche hinsichtlich der Höhe der Stundenvergütung, Dauer des Urlaubs, zusätzlichem Urlaubsgeld, Jahressonderzahlung, Freistellungstagen und Zusatzversorgung geltend. Eine außergerichtliche Geltendmachung erfolgte mit Schreiben vom 05.08.7993 (Bl. 13 bis 15 d. A.).

4

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, der Ausschluß geringfügig Beschäftigter aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages gemäß § 3 Abs. 1 b BMT-G II verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und sei daher unwirksam. Der Klägerin stünden daher zu:

  1. 1.

    Die Differenz zwischen tatsächlich gezahltem Entgelt und anteiligem Tariflohn für die Zeit von Februar 1993 bis Januar 1994. Einer entsprechenden Vollzeitkraft steht nach Lohngruppe 1 a, Stufe 8 unstreitig für diese Zeit ein Stundenlohn von 17,56 DM brutto zu.

  2. 2.

    Anteiliges tarifliches Urlaubsgeld für 1993 und 1994.

  3. 3.

    Anteilige Jahreszuwendungen für 1993.

  4. 4.

    12 weitere Tage tariflicher Urlaub 1993.

  5. 5.

    Gewährung eines freien Tages je Halbsatz gemäß § 14 a BMT-G II und

  6. 6.

    anteilige Zusatzversorgung nach dem Versorgungstarifvertrag.

5

Die Klägerin hat beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.368,77 DM brutto abzüglich 5.016,00 DM netto nebst 4 % Zinsen auf den sich jeweils auf 760,80 DM brutto abzüglich 546,00 DM netto ergebenden Nettodifferenzbetrag seit dem 15. eines jeden Monats, beginnend ab dem 15.02.1993 und endend mit dem 15.01.1994, zu zahlen,

    hilfsweise,

    festzustellen, daß die Klägerin gegen die Beklagte im Falle der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankenbeihilfe nach Maßgabe des § 35 des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) hat;

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 285,74 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus 116,91 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 15.07.1993 und nebst 4 % Zinsen auf den sich aus 168,83 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 15.07.1994 zu zahlen;

  3. 3.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 760,35 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.12.1993 zu zahlen;

  4. 4.

    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 12 Resturlaubstage aus dem Jahre 1993 zu gewähren;

  5. 5.

    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin restliche zwei freie Tage gemäß § 14 a BMT-G II aus dem Jahre 1993 einen freien Tag aus dem ersten Halbjahr 1994 zu gewähren;

  6. 6.

    festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin nach den Voraussetzungen der Satzung der ENDER Zusatzversorgungskasse für Sparkassen eine monatliche Rente in der Höhe zu zahlen, die zu zahlen wäre, wenn die Klägerin in der Zeit vom 01.08.1977 bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem die Versicherung der Klägerin bei der ENDER Zusatzversorgungskasse für Sparkassen erfolgt, bei dieser ENDER Zusatzversorgungskasse für Sparkassen versichert gewesen wäre und Leistungen ab Eintritt des Versorgungsfalles zu erbringen und zwar nebst 4 % Zinsen ab jeweiliger Fälligkeit.

6

Die Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

7

Die Beklagte hat sich im wesentlichen auf den Tarifwortlaut des § 3 Abs. 1 d BMT-G II gestützt, wonach das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin als geringfügig Beschäftigte nicht dem Tarifvertrag unterliege.

8

Das Arbeitsgericht Göttingen hat mit Teil-Urteil vom 10.07.1995 den Anträgen zu 1) bis 5) stattgegeben, den Streitwert auf 4.926,00 DM festgesetzt und die Kostenentscheidung dem Schlußurteil vorbehalten. Die Problematik der Zusatzversorgung hat das Arbeitsgericht wegen zu erwartender und zwischenzeitlich auch erfolgter Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht entschieden. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche wegen des Verbotes der Ungleichbehandlung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gemäß § 2 Abs. 1 BeschFG zu. Diese Vorschrift konkretisiere den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern sei nur dann zulässig, wenn sachliche Gründe eine solche gestatteten. Eine unterschiedliche Behandlung allein wegen der Teilzeitarbeit sei unzulässig. Diesen Rechtsgrundsätzen seien auch die Tarifvertragsparteien unterworfen, da sie Gesetze im materiellen Sinne schüfen. Auch § 6 Abs. 1 BeschFG erlaube den Tarifvertragsparteien nicht, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Soweit in § 8 SGB IV besondere Regelungen in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht enthalten seien, stelle dies keinen ausreichenden Differenzierungsgrund dar.

9

Die Beklagte und Berufungsklägerin hat gegen das ihr am 28.07.1995 zugestellte Urteil am 28.08.1996 Berufung eingelegt, die nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.10.1995 am 30.10.1995 begründet wurde.

10

Die Berufungsklägerin hält weiterhin die Herausnahme der gemäß § 8 SGB IV geringfügig Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des BMT-G II für wirksam. Die entsprechenden Vorschriften des § 3 Abs. 1 d i.V.m. § 67 Nr. 7 seien erst mit Wirkung vom 01.04.1991 in Kenntnis der Rechtsprechung des BAG zum BeschFG in den BMT-G aufgenommen worden. § 6 BeschFG sehe insoweit auch ausdrücklich die Möglichkeit vor, daß von den Vorschriften des § 2 zuungunsten des Arbeitnehmers durch Tarifvertrag abgewichen werden könne. Soweit das BAG mit Urteil vom 22.08.1990 - Az. 5 AZR 543/89 -, AP Nr. 8 zu § 2 BeschFG eine andere Ansicht vertreten habe, könne dem nicht gefolgt werden. Die durch das BAG vorgenommene Auslegung würde vom Wortlaut des § 6 Abs. 1 BeschFG nicht gedeckt. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, daß die Formulierung in § 6 BeschFG sicherstellen würde, daß in bestehenden Tarifverträgen enthaltene Ausnahmeregelungen für Teilzeitbeschäftigte nicht berührt würden. Im übrigen sei die Herausnahme geringfügig Beschäftigter auch sachlich gerechtfertigt. Die geringfügig Beschäftigten stellten eine eigene Gruppe dar. Eine zeitlich oder finanziell über die Geringfügigkeitsgrenze hinausgehende Beschäftigung sei für eine Vielzahl der Arbeitnehmer uninteressant. Dies gelte andererseits auch für den Arbeitgeber. Wäre der BMT-G II auch auf die Arbeitsverhältnisse geringfügig Beschäftigter anwendbar, so würde dies zu einer verstärkten Übertragung von Reinigungstätigkeiten auf Privatunternehmer führen.

11

Die Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 10.07.1995 - 1 Ca 165/94 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

12

Die Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Die Berufungsbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie bezieht sich dabei insbesondere auf bereits vorhandene Rechtsprechung des BAG, wonach es unerheblich sei, mit welchen rechtstechnischen Mitteln der Ausschluß teilzeitbeschäftigter gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern erreicht werde. § 6 Abs. 1 BeschFG gestatte dies den Tarifvertragsparteien jedenfalls nicht. Für die Art der Gruppenbildung fehle es insoweit an einem sachlichen Grund. Auch die Tarifvertragsparteien dürften Gruppen nur nach sachlichen Kriterien bilden.

Gründe

14

Die zulässige Berufung ist im wesentlichen unbegründet. Das Arbeitsgericht hat aus zutreffenden Gründen der Klage stattgegeben; allein die von der Klägerin nicht in Anrechnung gebrachte Sonderzahlung für das Jahr 1993 war zugunsten der Beklagten anzurechnen.

15

Die Klägerin kann die anteilige Gewährung tariflicher Ansprüche im Verhältnis zu Vollzeitkräften verlangen. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 BeschFG.

16

Nach § 2 Abs. 1 BeschFG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln. Das BAG hat zu dieser Vorschrift erklärt, sie konkretisiere lediglich den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. Urteil vom 22.08.1990 - 5 AZR 543/89 - AP Nr. 8 zu § 2 BeschFG 1985). Dies betrifft zunächst und entscheidend die vertragliche Grundvergütung der Klägerin. Unstreitig ergab sich im Jahr 1993 aus der untersten tariflichen Vergütungsgruppe, der Lohngruppe 1 a in Stufe 8, für Vollzeitbeschäftigte ein Monatsbruttoeinkommen von 2.929,07 DM, das entspricht 17,56 DM brutto/-Stunde. Demgegenüber erhielt die Klägerin als geringfügig Beschäftigte sozialversicherungs- und steuerfrei ca. 11,00 DM netto/Stunde. Zieht man von 17,56 DM brutto die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ab, verbleibt bei der Nettoauszahlung nur eine ganz geringfügige Differenz zwischen beiden Vergütungsweisen. Beim tariflich "verdienten" Lohn ist aber vom Bruttobetrag auszugehen. Insbesondere die Sozialversicherungspflichtigkeit führt zu versicherungsrechtlichen Ansprüchen der Arbeitnehmerin bei Krankheit und Rente. Daraus ergibt sich, daß bei Prüfung des § 2 Abs. 1 BeschFG nicht ausschließlich ein Netto-Vergleich durchzuführen ist, sondern das vertragliche Entgelt - bei der Klägerin 11,00 DM/Stunde, bei Vollzeitbeschäftigung 17,56 DM brutto/Stunde - gegenüberzustellen sind.

17

§ 2 Abs. 1 BeschFG verbietet seinem klaren Wortlaut nach, Teilzeitbeschäftigte allein wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung zu benachteiligen gegenüber Vollzeitbeschäftigten. So hat hinsichtlich der Grundvergütung das BAG bereits entschieden, daß bei einer in Teilzeit beschäftigten Lehrerin eine Vergütungsabrede unwirksam ist, wenn die Stundenvergütung geringer ist als die anteilmäßige Vergütung für Vollzeitkräfte (Urteil vom 16.06.1993 - 4 AZR 317/92 - AP Nr. 26 zu § 2 BeschFG 1985); ferner daß eine Stundenlohnerhöhung, die dem Ausgleich einer Arbeitszeitverkürzung dient, auch an Teilzeitbeschäftigte weitergegeben werden muß (Urteil vom 29.08.1992 - 4 AZR 293/91 -, NZA 1992, 611). Gleiches gilt auch im vorliegenden Fall. Die Stundenvergütung der Klägerin bleibt ausschließlich aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung hinter der entsprechender Vollzeitkräfte zurück.

18

Allerdings läßt § 2 Abs. 1 BeschFG - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der rechtlichen Gleichbehandlung - Abweichungen zu, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sind. Ein solcher liegt jedoch nicht vor. Er ergibt sich insbesondere auch nicht daraus, daß - wie die Beklagte geltend macht - gemäß § 3 Abs. 1 d BMT-G II geringfügig Beschäftigte aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen sind. Soweit § 3 Abs. 1 d BMT-G II geringfügig Beschäftigte aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages generell herausnimmt, ist er seinerseits unwirksam.

19

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in umfangreicher Rechtsprechung der letzten Jahre zunächst damit beschäftigt, inwieweit Tarifklauseln mit § 2 Abs. 1 BeschFG vereinbar sind, die Teilzeitbeschäftigte überhalb der Grenze der geringfügig Beschäftigten von den für Vollzeitbeschäftigte geltenden Regelungen ausnehmen. Das BAG hat dazu ausgeführt, daß die Tarifvertragsparteien selbst an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden seien (Urteil vom 22.08.1990 - 5 AZR 543/89 - in AP Nr. 8 zu § 2 BeschFG 1985; Urteil vom 27.02.1996 - 3 AZR 886/94: Urteil vom 22.05.1996 - 10 AZR 618/95 -. Ebenso BVerfG AP Nr. 9 zu § 1542 RVO, Becker/Dahme/Lang/Lipke/Mikorsch/Steinwedel GK-TzA § 6 BeschFG Rdnr. 12). Es entspricht insoweit herrschender Dogmatik, daß auch Tarifverträge als Rechtsnormen (§ 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 TVG) nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen dürfen (vgl. nur Wiedemann, TVG, 5. Auflage 1 l. Rdnr. 127).

20

Eine gewisse Sonderstellung haben in der Rechtsprechung des BAG die Fälle der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst gespielt. Hier hatte das BAG zunächst offengelassen, ob weiter zu differenzieren sei zwischen sozialversicherungspflichtigen und sozialversicherungsfrei geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern i. S. d. § 8 SGB IV (Urteil vom 07.03.1995 - 3 AZR 182/94 -; Urteil vom 16.01.1996 - 3 AZR 767/94 -). Mit Urteil vom 27.02.1996 - 3 AZR 886/94 - hat der 3. Senat nunmehr entschieden, daß die Herausnahme geringfügig Beschäftigter bezüglich der Altersversorgung auf sachlichen Gründen beruhe. Dies ergebe sich aus der Ergänzungsfunktion der Zusatzversorgung, die auf der gesetzlichen Altersversorgung aufbaut.

21

Die hier im Hinblick auf die Altersversorgung getroffene Begründung läßt sich jedoch nicht auf die Frage der Bemessung der Grundvergütung eines Arbeitnehmers übertragen. Hinsichtlich der Zusatzversorgung ist sachlicher Grund einer Differenzierung zwischen sozialversicherungspflichtigen und sozialversicherungsfreien Teilzeitbeschäftigten die gesetzliche Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechtes, die auch der Europäische Gerichtshof anerkannt hat (Urteil vom 14.12.1995 - Rs. C-317/93 - in NZA 1996, 129). Hinsichtlich der Bemessung der Stundenvergütung ist insoweit aber ein derartiger Sachzusammenhang nicht gegeben. Gerade im Gegenteil würde die Klägerin durch eine Gleichbehandlung bei der Stundenvergütung auch gesetzliche Rentenansprüche im Rahmen des Sozialversicherungssystems erwerben können.

22

Die durch Ausschluß der geringfügig Beschäftigten in § 3 Abs. 1 d BMT-G II bewirkte Ungleichbehandlung ist auch nicht erlaubt durch § 6 Abs. 1 BeschFG. Diese Vorschrift besagt zwar, daß von den Vorschriften dieses Abschnittes des Gesetzes - damit auch von § 2 Abs. 1 - durch Tarifvertrag auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Der Regelungsgehalt des § 6 BeschFG ist insbesondere durch teleologische, d. h. zweckbestimmte Auslegung des Gesamtsystems des BeschFG zu ermitteln. § 2 BeschFG ist konkrete Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens, der auch eine unmittelbare verfassungsrechtliche Garantie in Artikel 3 GG findet. Da auch die Tarifvertragsparteien an diese Grundsätze gebunden sind, kann die Tariföffnungsklausel des § 6 BeschFG nur dahingehend, zu interpretieren sein, daß sie eine tarifvertragliche Abweichung im Rahmen der gesetzlichen Bedingungen zuläßt. Ähnliches ist auch aus anderen Gesetzen bekannt (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Die Annahme, § 6 BeschFG wolle den Tarifvertragsparteien insgesamt Befreiung von den Grundsätzen der Gleichbehandlung erteilen, findet, insbesondere angesichts ihrer weitreichenden Konsequenzen für die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien, keinen hinreichenden Anhaltspunkt im Gesetz. Angesichts des Verfassungsranges des Gleichbehandlungsgrundsatzes wäre sogar die Wirksamkeit einer derartigen gesetzlichen Regelung in Frage zu stellen. Das BAG hat deshalb bereits mehrfach entschieden, daß § 6 Abs. 1 BeschFG den Tarifvertragsparteien nicht gestattet, vom Grundsatz der Gleichbehandlung i. S. d. § 2 Abs. 1 BeschFG abzuweichen (Urteil vom 23.06.1993 - 10 AZR 127/92 -; Urteil vom 22.05.1996 - 10 AZR 618/95 -). Vielmehr hat das BAG entschieden, daß es bei einer festgestellten Ungleichbehandlung i. S. d. § 2 Abs. 1 BeschFG rechtlich unerheblich sei, aufgrund welcher rechtlichen Gestaltung, mit welchen rechtstechnischen Mitteln (hier: Herausnahme aus dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages) die Ungleichbehandlung erfolgt (BAG vom 29.08.1989 - 3 AZR 370/88 - in AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985).

23

Wenn aber die Herausnahme der geringfügig Beschäftigten aus dem persönlichen Geltungsbereich des § 3 Abs. 1 d BMT-G II insgesamt unwirksam ist, folgt daraus, daß die Klägerin nicht nur hinsichtlich des Stundenlohnes, sondern auch bezüglich aller anderen tariflichen Leistungen, die hinsichtlich ihrer rechnerischen Höhe zwischen den Parteien unstreitig sind, ggf. gemäß § 2 Abs. 1 BeschFG mit den Vollzeitbeschäftigten anteilig gleichzustellen ist. Bezüglich dieser weiteren Leistungen kommt es allerdings auf § 2 Abs. 1 BeschFG nicht mehr entscheidend an. Denn wenn die Beklagte die anteiligte Bruttovergütung von monatlich ca. 760,00 DM zu zahlen verpflichtet ist, ist der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1 d BMT-GII ohnehin nicht mehr erfüllt.

24

Bei der. Tenorierung war allerdings hinsichtlich der Jahreszuwendung 1993 die unstreitig an die Klägerin erbrachte und der Höhe nach von der Klägerin auch nicht bestrittene Zahlung abzuziehen.

25

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO.

26

Die Zulassung der Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG erfolgt.