Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.04.1996, Az.: 5 (6) Sa 1922/95

Anwendbarkeit des § 13 Abs. 2 GmbHG auf die Gesellschafter einer errichteten, jedoch noch nicht in das Handelsregister eingetragenen GmbH

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
29.04.1996
Aktenzeichen
5 (6) Sa 1922/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 10795
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1996:0429.5.6SA1922.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 02.08.1995 - AZ: 11 Ca 76/95
nachfolgend
BAG - 27.05.1997 - AZ: 9 AZR 483/96

Verfahrensgegenstand

Forderung

Prozessführer

1. ...

2. ...

Prozessgegner

...

Amtlicher Leitsatz

§ 13 Abs. 2 GmbHG findet auf die Gesellschafter einer errichteten, jedoch (noch) nicht in das Handelsregister eingetragenen GmbH (Vo-Gesellschaft) jedenfalls dann keine Anwendung, wenn die Vor-Gesellschaft unternehmerisch tätig geworden ist. In diesem Fall haften die Gesellschafter unbeschränkt und akzessorisch neben der Vorgesellschaft für deren Verbindlichkeiten nach dem Modell der §§ 128 ff. HGB.

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht ...
und der ehrenamltichen Richter ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 1996
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 2. August 1995 - 11 Ca 76/95 - wird auf Kosten des Beklagten zu 1) zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beklagten waren Gesellschafter der ... bei der u. a. der Kläger beschäftigt war. Mit Urkunde des Notars ... errichteten die Beklagten die ... mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM, von denen die Beklagten jeweils eine Stammeinlage von je 25.000,00 DM übernahmen. Alle Stammeinlagen sollten sofort in hälftiger Höhe fällig und bar an die Gesellschaft einzuzahlen sein. Die zweite Hälfte der Stammeinlage sollte auf separaten Gesellschafterbeschluß fällig sein. In einer gleichzeitig abgehaltenen ersten Gesellschafterversammlung bestellten sich die Beklagten zu Geschäftsführern, die die Gesellschaft allein vertreten sollten. Sie befreiten sich als Gesellschafter von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Anmeldung auf Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 17. Januar 1995 zurückgewiesen, weil trotz Erinnerung und Fristsetzung der erforderliche Kostenvorschuß nicht gezahlt worden war. Am 1, Mai 1994 unterzeichneten der Beklagte zu 2) und der Kläger einen "Angestelltenvertrag/Übernahmevertrag" (Fotokopie Bl. 56 bis 59 d. A.), in dem als Vertragspartner die Inter Aktive Systeme GmbH i. Gr. auf der einen und der Kläger auf der anderen Seite genannt worden. Dort heißt es, der Angestellte werde zu den in der ... geltenden Konditionen übernommen. Er werde zum 1. Mai 1994 als technischer Sachbearbeiter und für Bildbearbeitung im ... MultiMedia-Bereich eingestellt. Auf dem übrigen Vertragsinhalt wird Bezug genommen.

2

Am 3. Februar 1995 trafen die Beklagten folgende schriftliche Vereinbarung (Fotokopie Bl. 47 d. A.):

3

Zuständigkeiten

4

Die beiden Unterzeichnenden, jeweils Gesellschafter der ... und der ... erklären und vereinbaren hinsichtlich der Aktivitäten der ... und der Einzelunternehmung ... dortselbst folgendes:

  1. 1.

    Die CR1 hat ab 1.5.94 jegliche Geschäftstätigkeit eingestellt. Die Aktivitäten der Betriebsteile Frankfurt und Wedel (Zuständigkeit MK) wurden bereits mit Wirkung zum 1.4.94 in die CR2überführt. Die Ausstattung beider Betriebsteile sind Privatbesitz von MK und wurde CR1 vom 1.1.93 bis 1.4.94 zu Verfügung gestellt,

  2. 2.

    Zur Weiterführung der Aktivitäten der Betriebsstätte Hannover wurde zunächst die Gründung einer GmbH mit den Gesellschaftern/Geschäftsführern UK und MK beschlossen (CR3). Es wurden von MK 12,500,00 DM als Gründungskapital auf ein neu eingereichtetes Konto der ... eingezahlt. Kurz nach der Anmeldung einigten sich die Gesellschafter aufgrund aktueller Entwicklungen und nach Abwägung der steuerlichen Aspekte, diese Unternehmensform nicht gemeinsam weiterzuführen, der Anteil von UK wurde nicht eingezahlt. Die Geschäfte wurden nach entsprechendem Beschluß von UK alleinverantwortlich weitergeführt, um sie schnellstmöglich in eine Einzelunternehmung (CR4) überzuleiten. Dieser Vorgang ist mit Wirkung zum 1.10.94 abgeschlossen. Der von MK eingezahlte Betrag von 72.500,00 DM wird von UK bis Ende 1995 zurückgeführt,

  3. 3.

    Ausstattung und ... (interimsweise von CR3 genutzt) werden von CR4 übernommen, ebenso alle bestehenden Verbindlichkeiten aus den Geschäftstätigkeiten von .... Über die Bewertung der Ausstattung und des ... sowie der Gesellschaftsanteile von CR1 und deren Ausgleich gegenüber den Gesellschaftern werden bis Ende Juni 1995 gesonderte Vereinbarungen getroffen,

  4. 4.

    An den Aktivitäten von CR4 beteiligt sich MK durch Einsatz der Möglichkeiten von CR2, um die Vermarktung der von CR4 produzierten Interaktiven Systeme aquisitorisch zu unterstützen. Von entsprechend an CR4 vermittelten Aufträgen erhält MK eine Provision von 5% des Auftragsvolumens. Bei von CR4 an CR2 vermittelten Aufträgen erhält UK eine Provision von 5% des Auftragsvolumens.

5

Mit Schreiben vom 26. September 1994 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Dezember 1994 gekündigt. Die ... bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 1. Oktober 1994 (Bl. 14 d. A.), daß er fristgemäß zum 31. Dezember 1994 gekündigt und gleichzeitig bezüglich seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt sei.

6

Der Kläger begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung der ihm für die Zeit vom 27. September bis 31. Dezember 1994 zustehenden Vergütung in der unstreitigen Höhe von 18.856,55 DM brutto abzüglich eines von der Bundesanstalt für Arbeit gezahlten Betrages von 5.569,20 DM netto sowie die Erstattung dieses Nettobetrages an die Bundesanstalt.

7

Zur Darstellung des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, die dieses Vorbringen dort erfahren hat, wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 2. August 1995 (Bl. 23 bis 29 d. A.) Bezug genommen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 18.856,55 DM brutto abzüglich 5.569,20 DM netto sowie 5.569,20 DM netto an die Bundesanstalt für Arbeit zur Stammnummer III 310458599 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt und den Streitwert auf 18.856,55 DM festgesetzt.

9

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht u. a. ausgeführt, die Beklagten hafteten als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB i. V. m. § 718 BGB gegenüber dem Kläger für die Schuld der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Gründung. Der seiner Höhe nach unstreitige Anspruch ergebe sich aus § 615 BGB und zu einem geringen Teil aus § 611 Abs. 1 BGB.

10

Vor der Eintragung in das Handelsregister habe die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 11 Abs. 1 GmbHG nicht bestanden. Die Gesellschafter bildeten insoweit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter für die Schuld der GmbH i. Gr. bis zur Eintragung als Gesamtschuldner zumindest bis zur Höhe der Einlageschuld hafteten.

11

Darüber hinaus hafteten die Gesellschafter einer GmbH i. Gr., wenn sie mit der Aufnahme der Tätigkeit vor Eintragung einverstanden seien. Dies müsse im vorliegenden Fall als zugestanden angesehen werden; denn die Beklagten hätten weder vorgetragen, woraus sich eine Haftungsbeschränkung ergeben würde, noch sei substantiiert von ihnen vorgetragen worden, welcher ... Gesellschafter zu welchem Zeitpunkt aus der Gesellschaft aufgrund welcher Vereinbarung ausgeschieden sei bzw. wann vereinbart worden sei, zu welchem Zeitpunkt die Gesellschaft erst habe tätig werden sollen.

12

Der Beklagte zu 2) hafte darüber hinaus gegenüber dem Kläger gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG; denn er habe als Geschäftsführer der GmbH i. Gr. gegenüber dem Kläger gehandelt und hafte insoweit für die Schuld der GmbH i. Gr. als Handelnder.

13

Die Forderung sei in Hohe des von der Bundesanstalt für Arbeit gezahlten Nettobetrages auf diese gemäß § 153 AFG per Gesetz übergegangen. Der Kläger habe insoweit die Zahlung an die Bundesanstalt verlangen können. Er selbst sei nicht mehr Gläubiger dieser Forderung gewesen.

14

Gegen dieses Urteil, das ihm am 29. September 1995 zugestellt worden ist, hat der Beklagte zu 1) mit einem am 27. Oktober 1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, die er, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. Januar 1996 verlängert worden war, mit einem am 3. Januar 1996 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten begründet hat.

15

Der Beklagte zu 1) führt aus, er müsse bereits bestreiten, daß der Kläger überhaupt bei der ... angestellt worden sei. Vielmehr seien die Angestellten bei der Einzelunternehmung ... angestellt gewesen. Der Beklagte zu 1) habe mit sämtlichen Aktivitäten in ... außer seiner beabsichtigten, aber rückgängig gemachten Beteiligung nicht das geringste zu tun gehabt. Vielmehr habe er sich schon unmittelbar nach der Gründung der Gesellschaft und vor deren Eintragung mit dem Mitgesellschafter ... darauf verständigt, getrennte Wege zu gehen, wie sich aus dem Protokoll vom 3. Februar 1995 ergebe.

16

Es sei zu betonen, daß sämtliche Aktivitäten der Vorgesellschaft ... Gr. ausschließlich vom Geschäftsführer vorgenommen worden seien.

17

Es möge sein, daß die Gesellschafter der Vorgesellschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden könnten. Bezüglich des Gesellschaftszwecks Herbeiführung der Eintragung der Vorgesellschaft, würden sie dies im Innenverhältnis auch tun. Damit entstehe aber noch keine BGB-Gesellschaft mit Außenwirkung. Dem würde auch die herrschende Auffassung entgegenstehen, daß die Vorgesellschaft bereits partei- und konkursfähig sei.

18

Angestellte wie der Kläger seien im übrigen bestens in die Verhältnisses eingeweiht gewesen und genössen demzufolge auch keinerlei "Vertrauensschutz". Sie blieben mit ihren Ansprüchen auf die Inanspruchnahme des Handelnden im Sinne von§ 11 Abs. 2 GmbHG beschränkt. Das sei der Beklagte zu 1) aber gerade nicht.

19

Der Beklagte zu 1) beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 2. August 1995 teilweise zu ändern und die Klage gegen den Beklagten zu 1) abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückgewiesen.

21

Er führt aus, der Vortrag des Beklagten zu 1) entspreche nicht der Wahrheit. Zur Darstellung der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 15. Januar 1996 nebst Anlagen (Bl. 53 bis 61 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die aufgrund der Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

23

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien zutreffend entschieden. Der Beklagte zu 2), gegen den das Urteil des Arbeitsgerichts inzwischen in Rechtskraft erwachsen ist, und der Beklagte zu 1) schulden die eingeklagte Summe als Gesamtschuldner. Die Beklagten haben am 21. April 1994 die ... errichtet. Zu einer Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ist es jedoch nicht nicht gekommen, so daß die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht zur Entstehung gelangt ist (§ 11 Abs. 1 GmbHG). Deswegen können diejenigen Bestimmungen, die das Bestehen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche, die also die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister voraussetzen, für die Frage der persönlichen Haftung der Gesellschafter vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister hier keine Anwendung finden. Zu diesen Bestimmungen gehört auch § 13 Abs. 2 GmbHG. Der entgegengesetzten Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Vorlagebeschluß vom 23. August 1995 - 10 AZR 908/94 (A) -) kann jedenfalls dann nicht gefolgt werden, wenn die zwischen Errichtung und Eintragung in das Handelsregister bestehende Vor-Gesellschaft unternehmerisch tätig geworden ist. In einem derartigen Fall haften die Gesellschafter unbeschränkt und akzessorisch neben der Vorgesellschaft für deren Verbindlichkeiten nach dem Modell der §§ 128 f. HGB. Die Kammer schließt sich vollumfänglich der von Gummert (MünchHdb. GesR III § 16 Rdnrn. 59 bis 65 mit zahlreichen Literaturhinweisen) vertretenen Auffassung an. Der deutlich formulierte Wille zur Haftungsbeschränkung allein reicht noch nicht aus, eine Haftung auf das Gesellschaftsvermögen zu erreichen. Vielmehr setzt der Ausschluß persönlicher Haftung der Gesellschafter und die Anwendung von § 13 Abs. 2 GmbHG das Prüfungsverfahren des Registergerichts voraus, an dessen Ende - die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften vorausgesetzt - die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister steht (Gummert a.a.O. Rdnr. 59 unter Hinweis auf Knobbe-Keuk Festschrift für Stimpel Seite 187 f.).

24

Auch die Frage, ob die Gesellschafter der sich bereits unternehmerisch betätigenden Vorgesellschaft ihre persönliche Haftung beschränken können, ist, und zwar aus den gleichen Gründen, zu verneinen (Gummert a.a.O. Rdnr. 63). Demzufolge schuldet der Beklagte zu 1) dem Kläger das restliche Gehalt in der unstreitigen Höhe von 18.856,55 DM brutto abzüglich der von der Bundesanstalt geleisteten Zahlungen von 5.569,20 DM netto. Dagegen, daß der Beklagte verurteilt worden ist, die gemäß § 153 AFG auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangene Forderung durch Zahlung an diese zu erfüllen, enthält die Berufungsbegründung keine Einwendungen, so daß die Kammer davon ausgehen muß, der Kläger sei zur Geltendmachung dieser Forderung in fremden Namen legitimiert.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

26

Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen, weil die Entscheidung von dem Vorlagebeschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 23. August 1995 - 10 AZR 908/94 (A) - abweicht.