Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.11.1996, Az.: 7 (12) Sa 350/96
Anspruch auf eine höhere als vertraglich zunächst vereinbarte Abfindung im Hinblick auf einen nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages abgeschlossenen Sozialplan
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 12.11.1996
- Aktenzeichen
- 7 (12) Sa 350/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 14936
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1996:1112.7.12SA350.96.0A
In dem Rechtsstreit
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 12.11.1996
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 07.09.1995, 5 Ca 621/94, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.642,00 DM nebst 6,25 % Zinsen seit dem 31.08.1994 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin im Hinblick auf einen nach Abschluß eines Aufhebungsvertrages abgeschlossenen Sozialplan eine höhere Abfindung als vertraglich zunächst vereinbart beanspruchen kann.
Die am 03. Juli 1939 geborene Klägerin war seit dem 28. Februar 1962 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin in der Bereitstellung tätig. Ausweislich der Verdienstabrechnung für den Monat Juli 1994 (Bl. 58 d. A.) bezog sie zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 3.597,00 DM.
Die Daimler-Benz-Luft- und Raumfahrt Holding AG faßte im Rahmen eines Struktur- und Kapazitätsanpassungskonzepts vom 20. Oktober 1993 u. a. den Beschluß, das Werk der Beklagten in Lemwerder, in dem die Klägerin beschäftigt war, zu schließen.
Die Parteien schlossen sodann unter dem 22. November 1993 einen Aufhebungsvertrag, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 6 bis 8 d. A.). Nach Ziffer 1) dieser Vereinbarung endet das Arbeitsverhältnis am 30. November 1993 "im gegenseitigen Einvernehmen aufgrund des Beschlusses der Geschäftsführung über die Schließung des Standortes Lemwerder". Gleichzeitig wurde ein befristeter Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01. Dezember 1993 bis 31. Juli 1994 geschlossen, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 21 d. A.).
In Ziffer 2) der Aufhebungsvereinbarung vom 22. November 1993 verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 88.350,00 DM brutto. Ziffer 15) dieser Vereinbarung lautet:
"Bei Austritt nach dem 31. Dezember 1993, aber vor Abschluß eines bis zum 31.12.1995 geschlossenen Sozialplanes aus dem Unternehmen aufgrund eines Aufhebungsvertrages, erhält die Mitarbeiterin auf Antrag eine Nachzahlung, sofern der Anspruch aus dem Sozialplan zum Zeitpunkt des Austritts höher gewesen wäre als die vom Unternehmen geleistete Abfindung."
Am 29. Juni 1994 wurde zwischen der Daimler-Benz-Luft- und Raumfahrt Holding AG und dem Konzernbetriebsrat dieser AG ein Interessenausgleich (Bl. 38 bis 42 d. A.) sowie ein Sozialplan (Bl. 29 bis 37 d. A.) vereinbart, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. In dem Interessenausgleich ist hinsichtlich des Werkes Lemwerder ausgeführt:
"Insbesondere wurden mit Hilfe des Landes Niedersachsen Regelungen gefunden, die es erlauben, den Standort Lemwerder aus dem Konzern zu lösen, gleichwohl allen Mitarbeitern Arbeitsplätze zu sichern."
Der Sozialplan enthält unter Ziffer 5) eine Sonderregelung Lemwerder folgenden Inhalts:
"Arbeitnehmer des Betriebs Lemwerder, deren Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB auf eine Auffanggesellschaft des Landes Niedersachsen übergeht, erhalten im Falle eines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang und einer dann erforderlichen Kündigung keine Leistungen aus diesem Sozialplan, wenn das Land Niedersachsen die im Telefax gemäß Anlage b angekündigten Zusagen macht.
Das gleiche gilt für die Arbeitnehmer, die durch Eigenkündigung nach Inkrafttreten dieses Sozialplans ausscheiden.
Bereits abgeschlossene Aufhebungs- und Vorruhestandsvereinbarungen werden vertragsgemäß abgewickelt."
Ziffer 2) des Sozialplans sieht Sozialplanleistungen beim Ausscheiden ohne Vorruhestand vor. Der Klägerin hätte hiernach eine Abfindung in Höhe von 107.992,00 DM zugestanden (vgl. zur Berechnung Bl. 69 d. A.).
Nach Ziffer 1) gilt der Sozialplan für alle Mitarbeiter, die infolge der in dem Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen ab 01. Januar 1994 u. a. einen Aufhebungsvertrag abschließen oder abgeschlossen haben.
Ziffer 2.1.8 des Sozialplanes besagt, daß für Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr und älter anstelle der Abfindungsregelung ausschließlich die Vorruhestandsregelung gilt. Nach Ziffer 4) des Sozialplanes werden beiderseits freiwillig abgeschlossene Vorruhestandsverträge gemäß den Vorgaben im Interessenausgleich nach den in der Anlage a) auf gelisteten Regelungen ausgestaltet.
Die Parteien hatten vor Abschluß der Aufhebungsvereinbarung über eine Vorruhestandsregelung gesprochen. Die Klägerin wurde ausführlich über alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände eines Vorruhestandes beraten. Die Beklagte berechnete eine Abfindung für die Klägerin nach dem bei ihr geltenden sogenannten 55er-Modell, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 128 bis 144 d. A.). Tatsächlich wurde dann allerdings eine Abfindung nach dem sogenannten Divisor-100-Modell vereinbart. Nach dieser Formel wurden Abfindungen jüngerer Mitarbeiter berechnet.
Im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen im gesamten Daimler-Benz-Konzern schloß die Beklagte in den Jahren 1993 und 1994 mit einer Vielzahl von Mitarbeitern Aufhebungsverträge ab, die inhaltlich wie die von den Parteien am 22. November 1993 getroffene Vereinbarung ausgestaltet waren. Dabei wurden Aufhebungsverträge nach gleichem Muster abgeschlossen, unabhängig davon, ob es sich um Vorruhestandsvereinbarungen handelte oder nicht.
Mit Schreiben vom 22. August 1994 (Bl. 16 d. A.) machte die Klägerin Nachforderungen aus dem Sozialplan vom 29.06.1994 geltend. Dies wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 13. September 1994 abgelehnt (Bl. 17 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat durch ein der Klägerin am 14. Februar 1996 zugestelltes Urteil vom 07. September 1995, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 78 bis 82 d. A.), die auf Zahlung von 19.642,00 DM nebst 6,25 % Zinsen seit dem 30.06.1994 gerichtete Klage kostenpflichtig abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, nur diejenigen Mitarbeiter hätten einen Anspruch aus dem Sozialplan, die ab dem 01.01.1994 einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen hätten. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall, so daß sie nicht unter den Geltungsbereich des Sozialplanes falle. Es sei nicht ersichtlich, daß die Betriebsparteien bei der Festlegung des Stichtages ihr Ermessen überschritten hätten.
Hiergegen richtet sich die am 04. März 1996 eingelegte und am 20. März 1996 begründete Berufung der Klägerin.
Die Klägerin ist der Auffassung, auch der Standort Lemwerder werde von dem Sozialplan aufgrund der Regelungen im Interessenausgleich erfaßt. Unschädlich sei, daß ein Teil der Arbeitsplätze durch die von dem Land Niedersachsen gegründete Auffanggesellschaft ASL übernommen worden seien, da dies für ihren Arbeitsplatz gerade nicht gelte. Ein teilweiser Erhalt der Arbeitsplätze sei zudem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbar gewesen. Im übrigen folge aus Ziffer 5) des Sozial planes, daß bereits abgeschlossene Aufhebungsverträge vertragsgemäß abgewickelt werden sollten, wozu auch die Nachzahlung aus dem Sozialplan gehöre.
Die Stichtagsregelung des Sozialplanes stehe dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Diese Regelung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Grund für den Abschluß des Aufhebungsvertrages vom 22. November 1993 wie auch für alle anderen nach dem 01. Januar 1994 abgeschlossenem gleichlautenden Verträge sei ausschließlich die Schließung des Werkes Lemwerder gewesen. Die Klägerin unterscheide sich bezüglich ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit nicht von den Mitarbeitern, die einen solcher. Vertrag sechs Wochen später abgeschlossen und damit einen entsprechenden Nachzahlungsanspruch aus dem Sozialplan hätten. Bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei nicht bekannt gewesen, welche Stichtagsregelung in den Sozialplan aufgenommen würde. Deswegen sei in Ziffer 15) des Aufhebungsvertrages eine Nachbesserungsklausel aufgenommen worden.
Für die Stichtagsregelung des Sozialplanes sei kein sachlicher Grund gegeben. Diese Stichtagsregelung hätte sich orientieren können etwa an den Daten des Beschlusses der Geschäftsführung über die Schließung des Standortes Lemwerder. Die Festsetzung des 01. Januar 1994 sei demgegenüber willkürlich.
Ein Vorruhestandsvertrag sei von den Parteien nicht abgeschlossen worden. Ein entsprechender Hinweis fehle in dem Aufhebungsvertrag vom 22. November 1993. Auch sei die gezahlte Abfindung gerade nicht nach der Vorruhestandsregelung des 55er-Modells berechnet worden.
Im übrigen gelte wegen der Regelung in Ziffer 2.1.8 des Sozialplanes die Abfindungsberechnung nach Ziffer 2) des Sozialplanes nur nicht für Mitarbeiter ab vollendetem 58. Lebensjahr.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 07. September 1995, 5 Ca 621/94, die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.642,00 DM nebst 6,25 % Zinsen seit dem 30.06.1994 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Wahl des Stichtages sei sachlich gerechtfertigt. Die Betriebsverfassungsparteien hätten den Geltungsbereich des Sozialplanes relativ weit in die Vergangenheit ab Januar 1994 erstreckt. Dieser Stichtag sei nach Abwägung aller gegenseitigen Interessen bestimmt worden. Sie, die Beklagte, gebe davon aus, daß der Stichtag so gewählt worden sei, weil im Januar 1994 die Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan begonnen hätten.
Im übrigen sei der Sozialplan auf die Klägerin nicht anwendbar, da Vorruhestandsregelungen nach den hierfür geltenden Bestimmungen und nicht nach den Bestimmungen des Sozialplanes abgewickelt würden. Die Parteien seien sich darüber einig gewesen, eine Vorruhestandsregelung abzuschließen (Beweis: Gitte Ohlenbusch). Da die Beklagte sämtliche Vorruhestandsvereinbarungen als Aufhebungsverträge abgeschlossen habe, habe keine Notwendigkeit bestanden, die Vorruhestandsvereinbarungen textlich anders als die sonstigen Aufhebungsverträge zu fassen. Daß eine Abfindung nach der damals üblichen Abfindungsformel für Aufhebungsverträge jüngerer Mitarbeiter mit dem Divisor 100 vereinbart worden sei, ändere nichts an der Tatsache, daß ein Vorruhestandsvertrag, nur mit entsprechend höherer Abfindung, abgeschlossen worden sei.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG.
Sie ist auch begründet. Die Klägerin hat nämlich gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 19.642,00 DM aus Ziffer 15) der Vereinbarung vom 22. November 1993 i. V. m. dem Sozialplan vom 29.06.1994.
Nach Ziffer 15) des Aufhebungsvertrages vom 22. November 1993 erhält die Klägerin eine Nachzahlung, wenn der Anspruch aus dem Sozialplan zum Zeitpunkt des Austritts höher gewesen wäre als die vom Unternehmen geleistete Abfindung. Voraussetzung ist ferner nach dem Wortlaut ein "Austritt nach dem 31. Dezember 1993 aber vor Abschluß eines bis zum 31.12.1995 geschlossenen Sozialplanes aus dem Unternehmen aufgrund eines Aufhebungsvertrages".
Die letztgenannten Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin ist nämlich nicht vor Abschluß des Sozialplans vom 29.06.1994 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Vielmehr sieht der Aufhebungsvertrag gemäß Ziffer 8) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses letztlich zum 31. Juli 1994 vor. Zwar haben die Parteien in der Ziffer 1) der Aufhebungsvereinbarung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum, 30. November 1993 vereinbart. Sie haben jedoch gleichzeitig in Ziffer 8) dieser Vereinbarung die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Juli 1994 vorgesehen. Nach dem gleichzeitig abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag sollte allerdings die bis zum 30. November 1993 erreichte Betriebszugehörigkeit auf das befristete Arbeitsverhältnis voll angerechnet werden. Zudem sollten die bisher vereinbarten Bedingungen in unveränderter Weise fortgelten. Nach dem Willen der Vertragsparteien muß deshalb letztlich davon ausgegangen werden, daß das gesamte Arbeitsverhältnis als Einheit anzusehen ist (so auch LAG Bremen vom: 19.06.1996, 2 Sa 236/95, für eine gleichgelagerte Fallgestaltung).
Eine Auslegung der Ziffer 15) der Aufhebungsvereinbarung ergibt jedoch, daß gleichwohl die Voraussetzungen für eine Nachzahlung gegeben sind.
Gemäß den §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie es dem wirklichen Willen der Parteien entspricht und Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordert. Auszugehen ist dabei von dem Wortlaut der Erklärung. Besteht allerdings ein von dem Wortlaut abweichender übereinstimmender Wille, ist dieser allein rechtlich maßgebend, eine weitere Auslegung ist dann nicht erforderlich (BAG vom 06.02.1974, 3 AZR 232/73, AP Nr. 38 zu § 133 BGB).
Aus Sinn und Zweck der Nachbesserungsklausel folgt, daß der Klägerin der im Streit stehende Anspruch zusteht. Zu berücksichtigen ist, daß die Parteien in Ziffer 1) des Aufhebungsvertrages ausdrücklich auf den Beschluß der Geschäftsführung über die Schließung des Standortes Lemwerder Bezug genommen haben. Aus diesem Grunde wurde das Arbeitsverhältnis letztlich zum 31. Juli 1994 gegen Zahlung einer Abfindung beendet. Bei Abschluß der Vereinbarung war den Parteien jedoch nicht bekannt, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Inhalt es wegen dieser und der anderen geplanten Maßnahmen zu einem Abschluß eines Sozialplans kommt. Vor diesem: Hintergrund ist die Nachbesserungsklausel der Ziffer 15) dahingehend zu verstehen, daß die Klägerin hinsichtlich der Abfindungszahlung nicht schlechterstehen soll, nur weil sie sich bereits frühzeitig mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt hat. Sie soll deshalb so behandelt werden, als wenn der Sozialplan bereits bei Vertragsabschluß gegolten hätte.
Ein Festhalten an dem Wortlaut der Ziffer 15) des Aufhebungsvertrages würde zu einem Verstoß gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz führen. Hiernach hat ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleichzubehandeln. Er darf weder einzelne Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe willkürlich schlechterstellen, noch sachfremde Gruppen bilden. Wenn er Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder bestimmte Zwecke festlegt, ist der Arbeitgeber an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden (BAG in ständiger Rechtsprechung, vgl. BAG vom 23. August 1995, 5 AZR 293/94).
Eine derartige generalisierende Regelung ist vorliegend anzunehmen. Die Beklagte hat nämlich eine Vielzahl von Aufhebungsverträgen nach einem einheitlichen Muster abgeschlossen, dem auch der Aufhebungsvertrag vom 22. November 1993 zugrunde lag. Ein sachlicher Grund dafür, einen Nachbesserungsanspruch davon abhängig zu machen, ob der aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausscheidende Mitarbeiter vor oder nach Abschluß des Sozialplans tatsächlich aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ist jedoch nicht gegeben. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein Mitarbeiter, der nach Abschluß des Sozialplans ausscheidet, schlechtergestellt sein soll als ein Mitarbeiter, dessen Arbeitsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt beendet worden ist. Vielmehr ist die Ausgangssituation in beiden Fällen die gleiche. Der Mitarbeiter verliert seinen Arbeitsplatz, weil die Beklagte die Schließung des Standortes Lemwerder beschlossen hatte. Die Beklagte war deshalb auch verpflichtet, diese beiden Sachverhalte gleichzubehandeln.
Für die Richtigkeit dieser Auslegung spricht auch die tatsächliche Handhabung der Nachbesserungsklausel durch die Beklagte. Nach den von der Beklagten vorgelegten Urteilen des Arbeitsgerichts Bremen vom 14.06.1995 (7 Ca 7019/95, Bl. 753 ff., 159 d. A.) und auch nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 06. August 1996 (1 Sa 238/95, Seite 11, 12) ist davon auszugeben, daß die Beklagte in vergleichbaren Fällen die Nachbesserungsklausel so handhabt, wie dies vorstehend festgestellt worden ist.
Aber auch aus dem erstinstanzlichen Vortrag beider Parteien wird der wirkliche Wille bezüglich des Inhalts der Nachbesserungsklausel deutlich. So hatte die Beklagte im Schriftsatz vom 24. November 1994 unter Beweisantritt vorgetragen, daß die vertragliche Klausel nach Sinn und Zweck nicht lediglich auf die mathematische Berechnungsmethode zum Errechnen einer Abfindung aus einem noch abzuschließenden Sozialplan verweise, sondern vielmehr gewährleisten solle, daß im Falle einer Schließung des Standortes Lemwerder die betriebsbedingt gekündigten Mitarbeiter nicht bessergestellt sein sollten als die freiwillig ausgeschiedenen (Bl. 27 d. A.). Die Klägerin hatte dies auf Seite 4 ihres Schriftsatzes vors 08. Dezember 1994 (Bl. 46 d. A.) bestätigt. Daraus folgt aber, daß die Parteien durch die Nachbesserungsklausel erreichen wollten, daß die aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausscheidenden Mitarbeiter nicht anders behandelt werden sollten als die Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt unter Anwendung des Sozialplans beendet wird. Dies bedeutet zugleich, daß es nicht entscheidend darauf ankommen kann, ob ein Mitarbeiter vor oder nach Abschluß des Sozialplans aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, jedenfalls so lange dies vor dem 31. Dezember 1995 und nach dem 31. Dezember 1993 der Fall ist.
Aus vorstehenden Ausführungen folgt aber zugleich auch, daß es für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits auf die in dem Sozialplan enthaltene Stichtagsregelung nicht ankommt. Den Parteien war nämlich, wie dargelegt, bei Abschluß des Aufhebungsvertrages gerade nicht bekannt, mit welchem Inhalt ein Sozialplan zustande kommen werden. Sie wußten mithin auch nicht, ob dieser eine Stichtagsregelung enthalten würde. Genausowenig war bekannt, welchen Stichtag genau die Betriebsparteien vereinbaren würden. Gerade wegen dieser Ungewißheit wurde die Nachbesserungsklausel vereinbart, um den Arbeitnehmern einen Anreiz zu geben, frühzeitig im Hinblick auf die geplante Werksschließung das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Im übrigen ist die Kammer der Auffassung, daß auch der oben bereits dargelegte allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz dafür spricht, daß die Parteien eine von Ziffer 15) abweichende Stichtagsregelung gerade nicht zum Inhalt ihres Nachbesserungsanspruchs machen wollten. Denn ein sachlicher Grund dafür, hinsichtlich der Abfindungshöhe zu differenzieren zwischen Arbeitnehmern, die vor oder nach dem 01. Januar 1994 einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben, besteht nicht. Vielmehr ist die beiderseitige Interessenlage unabhängig von dem 01. Januar 1994. Entscheidend für die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses war vielmehr immer der Beschluß der Geschäftsleitung vom Oktober 1993, u. a. den Standort Lemwerder zu schließen.
Ob aus diesen Gründen auch die in dem Sozialplan direkt enthaltene Stichtagsregelung willkürlich und damit unwirksam ist, braucht jedoch nicht entschieden zu werden.
Nach den vorstehenden Ausführungen ist Ziffer 15) des Aufhebungsvertrages mithin dahin zu verstehen, daß die Parteien einen Nachbesserungsanspruch hinsichtlich der Abfindungssumme vereinbart haben für den Fall, daß bei einem Ausscheiden unter Geltung des Sozialplanes eine höhere Abfindung als die vereinbarte geschuldet gewesen wäre.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, daß für den Standort Lemwerder eine Auffanggesellschaft des Landes Niedersachsen gegründet wurde, die eine Vielzahl der Arbeitnehmer gemäß § 613 a BGB übernommen hat. Zwar ist einzuräumen, daß der Klägerin ohne den Aufhebungsvertrag ein Anspruch auf Abfindung aus dem Sozialplan nicht zugestanden hätte, da ihr Arbeitsverhältnis dann auf die genannte Auffanggesellschaft übergegangen wäre. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß ein derartiger Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wegen des Abschlusses des Aufhebungsvertrages verwehrt ist. Vielmehr hat sie Ihren Arbeitsplatz aufgrund des Beschlusses der Daimler Benz Luft- und Raumfahrt Holding AG über die Schließung des Standortes Lemwerder und den Personalabbau mit einem Gesamtvolumen von über 10.000 Mitarbeitern verloren.
Der Sozialplan vom 29.06.1994 erfaßt von seinem Geltungsbereich her im übrigen auch den Standort Lemwerder. Dies folgt zum einen daraus, daß aus der Sicht der Beklagten jedenfalls eine Lösung des Werkes aus dem Konzern und damit eine Schließung von Standorten irr: Sinne des Interessenausgleichs vorliegt.
Zum anderen ist für Lemwerder in Ziffer 5) des Sozialplanes eine ausdrückliche Sonderregelung enthalten. Daraus folgt, daß auch die Betriebsparteien davon ausgegangen sind, daß das Werk Lemwerder grundsätzlich unter den Geltungsbereich des Sozialplanes fällt.
Dies folgt im übrigen aber auch daraus, daß die Auffanggesellschaft nicht sämtliche Arbeitsplätze im Betrieb Lemwerder übernommen hat. Vielmehr sind für den militärischen Bereich auch nach Gründung der Auffanggesellschaft Arbeitsverhältnisse bei der Beklagten verblieben, die im Laufe der Zelt dann betriebsbedingt und unter Anwendung des Sozialplanes gekündigt wurden.
Der Anspruch der Klägerin wird durch Ziffer 5) des Sozialplanes nicht ausgeschlossen. Dort ist nämlich ein Ausschluß von Leistungen aus dem Sozialplan nur für die Arbeitnehmer vereinbart worden, die einen Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a BGB auf eine Auffanggesellschaft widersprechen oder durch Eigenkündigung nach Inkrafttreten des Sozialplanes ausscheiden. Beide Voraussetzungen liegen für die Klägerin nicht vor. Es bleibt deshalb bei der in Ziffer 5) letzter Absatz des Sozialplanes getroffenen Regelung, wonach bereits abgeschlossene Aufhebungs- und Vorruhestandsvereinbarungen vertragsgemäß abgewickelt werden. Die vertragsgemäße Abwicklung beinhaltet aber auch ein Erfüllen des Anspruches aus Ziffer 15) des Aufhebungsvertrages.
Dem Anspruch der Klägerin steht schließlich such nicht Ziffer 4) des Sozialplanes vom 29.06.1994 entgegen.
Ein Abfindungsanspruch nach Ziffer 2) des Sozialplanes ist gemäß Ziffer 4) nur dann ausgeschlossen, wenn ein "beiderseits freiwillig" abgeschlossener Vorruhestandsvertrag gemäß den Vorgaben im Interessenausgleich vorliegt. Zu berücksichtigen ist dabei, daß nach Ziffer 2.1.8 des Sozialplanes für Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr anstelle der Abfindungsregelung ausschließlich die Vorruhestandsregelung gilt. Wenn dann Ziffer 4) des Sozialplanes von einem beiderseits freiwillig abgeschlossenen Vorruhestandsvertrag spricht, bedeutet dies, daß Arbeitnehmer, die vor Vollendung des 58. Lebensjahres ausscheiden, ein Wahlrecht haben, ob sie eine Vorruhestandsregelung gemäß den Vorgaben im Interessenausgleich abschließen oder eine Sozialabfindung nach einer Beendigungskündigung, einem Aufhebungsvertrag oder einer Eigenkündigung erhalten wollen.
Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, daß zwischen den Parteien zunächst Einigung darüber bestand, eine Vorruhestandsregelung abzuschließen. Dies ändert jedoch nichts daran, daß eine Einigung über eine Vorruhestandsregelung im Sinne von Ziffer 4) des Sozialplanes nicht vorliegt. Dies folgt entscheidend daraus, daß die Parteien gerade keine Abfindung in Höhe des Betrages vereinbart haben, der einer Vorruhestandsregelung nach dem 55er-Modell entspricht. Vielmehr wurde Einigung darüber erzielt, daß die Klägerin eine Abfindung unter Zugrundelegung der Berechnungsformel erhalten sollte, die auch bei jüngeren Arbeitnehmern angewandt wird. Dies hat aber zur Folge, daß eine Vorruhestandsregelung im technischen Sinne von den Parteien gerade nicht getroffen worden ist. Der Klägerin ist es deshalb auch nicht verwehrt, nach Ziffer 15) des Aufhebungsvertrages Nachbesserung zu verlangen. Denn auch bei einem Ausscheiden aufgrund eines Tatbestandes, der unter den Geltungsbereich des Sozialplanes fällt, hätte die Klägerin aufgrund ihres Alters nicht zwingend auf den Abschluß einer Vorruhestandsregelung verwiesen werden können. Vielmehr hätte sie mit der geringeren Abfindungshöhe ausdrücklich einverstanden sein müssen, was jedoch bereits anläßlich der Verhandlungen über das Ausscheiden im November 1993 nicht der Fall war.
Es kann mithin auch nicht festgestellt werden, daß die Klägerin dadurch bessersteht, daß sie den Aufhebungsvertrag bereits im November 1993 abgeschlossen hat, als sie dastehen würde, wenn ein betriebsbedingter Aufhebungsvertrag wegen der Schließung des Werkes Lemwerder im Juli 1994 geschlossen wäre oder wenn der Sozialplan bereits im November 1993 gegolten hätte. In beiden Fällen hätte der Klägerin nämlich ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung gemäß Ziffer 2) des Sozialplanes zugestanden.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Klägerin gegen die Beklagte aus Ziffer 15) des Aufhebungsvertrages vom 22. November 1993 i. V. mit dem Sozialplan vom 19.06.1994 einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer weiteren Abfindung in unstreitiger Höhe von 19.642,00 DM hat.
Dieser Betrag ist gemäß den §§ 284 Abs. 2, 286 BGB ab Fälligkeit mit 6,25 % (vgl. die Bestätigung der Volksbank Bookholzberg-Lemwerder vom 06. März 1995, Bl. 59 d. A.) zu verzinsen. Fällig wurde die Forderung gemäß Ziffer 2) des Aufhebungsvertrages i. V. mit Ziffer 2.1.5 des Sozialplanes i. V. mit der Geltendmachung vom 22. August 1994 am 31. August 1994. Soweit Zinsen bereits seit dem 30. Juni 1994 begehrt werden, war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, so daß es insoweit bei der die Klage abweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts bleibt.
Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß den §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
Gegen dieses Urteil findet, wie sich aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.