Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.04.1996, Az.: 16 (4) TaBV 111/95

Auflösung eines kraft gesetzlicher Fiktion begründeten Dauerarbeitsverhältnisses; Anforderungen an die Zumutbarkeitsprüfung; Möglichkeit der Beschränkung der Zumutbarkeitsprüfung auf den Betrieb in dem der Auszubildende Mitglied der Jugendvertretung und Auszubildendenvertretung war

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
26.04.1996
Aktenzeichen
16 (4) TaBV 111/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 14938
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1996:0426.16.4TABV111.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 11.08.1995 - AZ: 1 BV 18/95

Amtlicher Leitsatz

Bei der gerichtlichen Zumutbarkeitsprüfung nach§ 78 a Abs. 4 BetrVG für die Auflösung einer kraft gesetzlicher Fiktion begründeten Dauerarbeitsverhältnisses ist darauf abzustellen, ob ein freier Arbeitsplatz im Unternehmen vorhanden ist. Eine Beschränkung auf den Betrieb, in dem der Auszubildende Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung war, widerspricht der Wertung des Gesetzgebers im Verhältnis zu den §§ 1 Abs. 2, Nr. 1 b, 15 Abs. 4 KSchG.

In dem Beschlussverfahren
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 26.04.1996
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht und
die ehrenamtlichen Richter
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.08.1995, Az. 1 BV 18/95, wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) begehrt im vorliegenden Verfahren die Auflösung des nach § 78 a Abs. 2 BetrVG mit der Beteiligten zu 2) begründeten Arbeitsverhältnisses.

2

Die Beteiligte zu 2) absolvierte im Werk ... Geschäftsbereich Werke der Arbeitgeberin seit dem 01.09.1991 eine Ausbildung zur Industriemechanikerin/Betriebstechnik. Das Ausbildungsverhältnis endete durch Ablegung der mündlichen Prüfung am 09.06.1995.

3

Seit April 1994 war die Beteiligte zu 2) Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung des Werkes ... Grundlage des Ausbildungsverhältnisses war der Vertrag vom 03.02.1992. Wegen des Inhalts wird auf diesen (Bl. 7 d.A.) verwiesen.

4

Mit Schreiben vom 17.02.1995 teilte die Arbeitgeberin der Beteiligten zu 2) mit, daß sie nicht beabsichtige, sie nach Beendigung der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Mit Schreiben vom 30.03.1995 verlangte die Beteiligte zu 2) die Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis nach Abschluß ihres Ausbildungsverhältnisses.

5

Mit Gründung der ... wurde zum 01.01.1994 eine tarifvertragliche Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben vorgenommen. Die Gliederung der ... ist dergestalt, daß diese in neun Geschäftsbereiche aufgegliedert wurde, nämlich in die Geschäftsbereiche Fernverkehr, Nahverkehr, Personenbahnhöfe, Ladungsverkehr, Stückgutverkehr, Netz, Bahnbau, Traktion und Werke. Die einzelnen Geschäftsbereiche sind wiederum untergliedert in Regionalbereiche und Niederlassungen.

6

Gemäß der Anlage 9 zum Tarifvertrag über die Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben im Geschäftsbereich Werke ist auch der Regionalbereich eingerichtet mit der Regionalbereichsleitung in ... sowie den Niederlassungen ... Gemäß dem Zuordnungstarifvertrag sind die dem Regionalbereich ... zugeordneten Werke als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes festgeschrieben worden. Ab 01.01.1996 sind diese Werke zusammengefaßt worden. Mangels Einigung der Tarifvertragsparteien auf einen Tarifvertrag bezüglich der betriebsverfassungsrechtlichen Folgerungen ist insoweit eine Änderung noch nicht eingetreten.

7

In den einzelnen Werken ist ein Betriebsrat sowie jeweils eine Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt.

8

Durch Mitteilung des Zentralbereiches Personalplanung/-betreuung der ... vom 17.01.1995 wurden die Ausbildungsbetriebe der Arbeitgeberin darüber informiert, daß gemäß eines Vorstandsbeschlusses entschieden worden sei, von den 6.300 im Jahre 1995 auslernenden Auszubildenden rund 2.300 Auszubildende auf Dauerarbeitsplätze zu übernehmen, denübrigen 4.000 Auszubildenden auf 6 Monate befristete Arbeitsverhältnisse anzubieten. In der Sonderausgabe der Bekanntgaben der ... vom 09.12.1994 wurden Arbeitsplatzangebote für auslernende Auszubildende der ... ausgeschrieben. Hierbei befinden sich unter dem Geschäftsbereich Bahnbau eine Ausschreibung für 10 Industriemechaniker/innen (Schlosser), 8 Energieelektroniker/innen (Elektriker) in der Niederlassung ... sowie unter den Ziffern 63 und 64 Ausschreibungen bei dem Geschäftsbereich Bahnbau für Industriemechaniker/innen in der Niederlassung ... wie auch für Kommunikationselektroniker/innen in der Niederlassung ... Insoweit wird auf die Anlage des Erwiderungsschriftsatzes zur Antragsschrift der Beteiligten zu 2) verwiesen.

9

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, eine Weiterbeschäftigung aller Jugend- und Auszubildendenvertreter habe für 1995 nicht gewährleistet werden können. Am 27.09.1994 habe der Vorstand entschieden, daß die im ersten Quartal 1995 auslernenden Auszubildenden keine Übernahme angeboten erhielten. Im gesamten Regionalbereich Hannover des Geschäftsbereiches Werke seien keine Auszubildenden in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen worden.

10

In dem Werk, in dem die Beteiligte zu 2) tätig gewesen sei, sei ein erheblicher Personalüberhang vorhanden gewesen. Dieses gelte gleichermaßen, wenn man den Beruf der Beteiligten zu 2) zugrunde lege. Die Personalbedarfsplanung beruhe auf der Wirtschaftsplanung für das Jahr 1995, die wiederum auf der erwarteten Auftragslage basiere. Die Arbeitgeberin habe bezüglich der Personalbedarfsplanung eine nichtüberprüfbare unternehmerische Entscheidung getroffen, an die das Arbeitsgericht gebunden sei.

11

Im übrigen ist die Arbeitgeberin der Auffassung, daß allein auf den Ausbildungsbetrieb abzustellen sei.

12

Die Antragstellerin hat beantragt,

das Arbeitsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin wird aufgelöst.

13

Die Beteiligten zu 2), 3) und 4) haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

14

Sie haben die Auffassung vertreten, die Personalplanungen der Antragstellerin seien weder nachvollziehbar noch unter Beteiligung der Betriebsvertretungen zustande gekommen. Tatsächlich ergebe sich aus den Veröffentlichungen der Arbeitgeberin selbst, daß Dauerarbeitsplätze für ausgelernte Auszubildende vorhanden seien. Die Prüfung, ob eine Beschäftigungsmöglichkeit gegeben sei, könne sich nicht nur auf den Ausbildungsbetrieb geschränken.

15

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 11.08.1995 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, daß die Beteiligte zu 2) dem Schutzbereich des§ 78 a Betriebsverfassungsgesetz unterliege. Sie habe fristgemäß ihre Weiterbeschäftigung verlangt.

16

Es könne dahinstehen, ob die Personalbedarfplanung der Arbeitgeberin im Rahmen der Wirtschaftsplanung für das Jahr 1995 dem tatsächlichen Personalbedarf auf der Basis der bestehenden und erwarteten Arbeitsmenge entspreche. Eine Weiterbeschäftigung sei möglich, weil im gesamten Unternehmensbereich der Arbeitgeberin freie Arbeitsplätze im Jahr 1995 für ausgelernte Auszubildende bestünden. Dieses ergebe sich aus der Mitteilung des Zentralbereiches Personalplanung und -betreuung der DB AG vom 17.01.1995. Die Prüfung könne sich nicht nur auf den Ausbildungsbetrieb beschränken, vielmehr erfordere das Gesetz, daß eine Prüfung im Unternehmensbereich erfolge. Wegen der Gründe im einzelnen wird auf II. des Beschlusses des Arbeitsgerichtes vom 11.08.1995 (S. 6 bis 11 d.A.) verwiesen.

17

Der Beschluß des Arbeitsgerichtes wurde der Arbeitgeberin am 28.09.1995 zugestellt. Hiergegen legte diese am 27.10.1995 Beschwerde ein und begründete diese mit einem am 24.11.1995 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.

18

Zur Begründung trägt die Arbeitgeberin vor, im Geschäftsbereich Werke seien keine freien Arbeitsplätze im Ausbildungsberuf der Beteiligten zu 2) vorhanden, wie sich aus dem vorgelegten Zahlenmaterial ergebe. Maßgebend sei allein der Bereich, in dem die Beteiligte zu 2) in die Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt worden sei. Aus dem Schutzzweck der Norm lasse sich nicht ableiten, daß die Prüfung auf Unternehmensebene erfolgen müsse.

19

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.08.1995, Az. 1 BV 18/95, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin aufgelöst ist.

20

Die Beteiligten zu 2), 3) und 4) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

21

Sie verteidigen den erstinstanzlichen Beschluß nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 13.02.1996. Hierauf wird verwiesen. Sie verweisen insbesondere darauf, daß vor, während und nach Beendigung der Ausbildung der Beteiligten zu 2) ein intensiver Personalaustausch im Facharbeiterbereich stattgefunden habe, insbesondere auch auf der Ebene der Industriemechaniker. Die von der Arbeitgeberin genannten Zahlen seien längst überholt. So seien in der Werken Leinhausen und Pferdeturm 11 Schlosserstellen ausgeschrieben worden. In Leinhausen sei ein personeller Mehrbedarf von 74 Personen festgestellt worden. Im Werk Seelze seien 15 mit der Beteiligten zu 2) vergleichbare Personen ausgeschieden.

22

Insoweit sei auch abzustellen bezüglich der Prüfung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, nicht auf den Zeitpunktüber die Entscheidung über die Übernahme.

23

Im übrigen sei der erhöhte Personalbedarf bereits Ende Januar 1995 absehbar gewesen.

24

Im übrigen wird die Auffassung vertreten, daß eine unternehmensbezogene Prüfung stattzufinden habe, ob es freie Arbeitsplätze und damit Beschäftigungsmöglichkeiten für die Auszubildendenvertreter gebe.

25

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig (§§ 86, 87 Abs. 2, 89 ArbGG).

26

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

27

§ 78 a BetrVG regelt den Schutz Auszubildender in besonderen Fällen. Beabsichtigte die Arbeitgeberin, einen Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist, nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, so hat er dies drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden schriftlich mitzuteilen. Verlangt ein Auszubildender, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist, innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung, so gilt zwischen Auszubildenden und Arbeitgeberin im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. Gem.§ 78 a Abs. 4 BetrVG kann der Arbeitgeber spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim Arbeitsgericht beantragen, daß gemäß der oben zitierten Vorschrift begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann.

28

Vorliegend hat die Beteiligte zu 2) innerhalb der genannten Frist ihre Weiterbeschäftigung verlangt. Die Mitteilung der Arbeitgeberin gem.§ 78 a Abs. 1 BetrVG stellt nur eine Ordnungsvorschrift dar, wie sich aus § 78 Abs. 5 BetrVG ergibt, so daß das Fehlen der Mitteilung innerhalb der dort genannten Frist keine Auswirkungen auf das Verfahren hat. Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann sich auch aus betrieblichen Gründen ergeben. Danach ist der Arbeitgeberin die Weiterbeschäftigung eines Auszubildenden aus betrieblichen Gründen unzumutbar, wenn zum Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist. Insoweit kann von der Arbeitgeberin nicht verlangt werden, durch organisatorische Maßnahmen neue Arbeitsplätze zu schaffen, um die Weiterbeschäftigung zu gewährleisten (so ständige Rechtssprechung des BAG, Beschlüsse vom 24.07.1991, Az. 7 ABR 68/90 in AP Nr. 23 zu § 78 a BetrVG 1972, Beschluß vom 29.11.1989 in AP Nr. 20 zu § 78 a BetrVG 1972, Beschluß des BAG vom 16.08.1995, Az. 7 ABR 52/94). Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer in vollem Umfange an, da das Unternehmen die betriebliche Organisation bestimmt und die Arbeitsgerichte nicht befugt sind, in die insoweit bestehende unternehmerische Entscheidungsfreiheit einzugreifen.

29

Betriebliche Gründe sind jedoch nur in diesem engen Umfange und ausnahmsweise zu berücksichtigen, da der Begriff der Unzumutbarkeit aus dem Kündigungsschutzrecht, § 626 BGB entstammt und deshalb nicht nur dringende betriebliche Gründe es rechtfertigen, von einer Unzumutbarkeit auszugehen, vielmehr müssen diese Gründe zwingend sein. Es darf deshalb der Arbeitgeberin unter keinen Umständen vernünftigerweise zugemutet werden, den Auszubildenden weiter zu beschäftigen. Vorliegend sind aber freie Arbeitsplätze im Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vorhanden. Dieses ergibt sich aus der Mitteilung des Zentralbereiches Personalplanung/-betreuung der Arbeitgeberin vom 17.01.1995 im Zusammenhang mit der Sonderausgabe der Bekanntgaben der Deutschen Bahn AG vom 09.12.1994. Hieraus ist ersichtlich, daß 2.300 Auszubildende auf Dauerarbeitsplätze übernommen werden sollen und im Geschäftsbereich Bahnbau Industriemechaniker/innen bzw. Kommunikationselektroniker/innen in einer Niederlassung in Hannover gesucht werden. Damit ist tatsächlich ein auf Dauer angelegter Arbeitsplatz zur Verfügung, auf dem die Beteiligte zu 2) mit ihrer durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation beschäftigt werden kann. Diese Arbeitsplätze sind eingerichtet und unbesetzt. Ein zwingender Grund dafür, die Beteiligten zu 2) nicht weiter zu beschäftigen, ist damit nicht vorhanden.

30

Dabei kommt es nicht darauf an, daß dieser freie Arbeitsplatz nicht im Ausbildungsbetrieb bzw. in der betriebsverfassungsrechtlichen Einheit des Werkes der Beteiligten zu 2) vorhanden ist. Die Prüfung, ob ein freier, unbesetzter Arbeitsplatz vorhanden ist, ist vielmehr auf unternehmerischer Ebene vorzunehmen.

31

Dieses ergibt sich einerseits aus einem Vergleich mit § 1 KSchG, zum weiteren aus einem Vergleich mit den Schutzvorschriften gegenüber Betriebsräten wie auch aus dem Sinn und Zweck des § 78 a BetrVG.

32

Eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage durch das Bundesarbeitsgericht ist bislang nicht erfolgt. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluß vom 15.10.1985, Az. 6 P 13.84 (BVerwGE Band 72, 154 ff.) für den Bereich des Personalvertretungsrechtes ausgeführt, daß der öffentliche Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, einen ausbildungsgerechten Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle oder Einrichtung des Landes zuzuweisen, weil der Weiterbeschäftigungsanspruch bei rechtem Verständnis der Vorschrift nicht landesweit bestehe, sondern nur gegenüber der Dienststelle oder Einrichtung des Landes, bei der das Mitglied der Jugendvertretung seine Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz erhalten habe. Eine nähere Begründung wird hierfür nicht gegeben. Demgegenüber wird in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.12.1994, Az. 6 P 13/94, der Rahmen weiter gezogen, da hier nicht auf den Ausbildungsbetrieb abgestellt wird, sondern auf den Direktionsbereich und darauf, daß bei verschiedenen Dienststellen Arbeitsplätze frei und besetzbar gewesen seien. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat in der Entscheidung vom 19.09.1995, Az. 8 TaBV 41/95 demgegenüber nur auf den Betrieb abgestellt, für den der Auszubildende in das betriebsverfassungsrechtliche Organ gewählt wurde.

33

a)

Ist bei § 78 a BetrVG auf den Begriff der Unzumutbarkeit abzustellen, so können die Anforderungen an die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht geringer sein als die der betriebsbedingten Gründe nach § 1 KSchG.

34

§ 1 Abs. 2 Nr. 1 b KSchG regelt ausdrücklich, daß eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in dem selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Das Kündigungsschutzgesetz geht insoweit über den betrieblichen Rahmen hinaus und sieht die Unwirksamkeit auch dann vor, wenn unternehmensweit ein freier Arbeitsplatz tatsächlich vorhanden ist. Ist aber schon bei dem allgemeinen Kündigungsschutzgesetz bei der Betriebsbedingtheit eine Unternehmensbezogenheit herzustellen, so muß dieses erst recht dann gelten, wenn über die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Mitgliedes der Jugend- und Auszubildendenvertretung zu entscheiden ist.

35

b)

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 78 a BetrVG. Dieser hat im wesentlichen die Aufgabe, die Ausübung des Amtes des einzelnen Mitgliedes ohne Furcht vor Nachteilen für die zukünftige berufliche Entwicklung zu sichern. Gleichzeitig wird damit eine Sicherung der Unabhängigkeit des Gremiums erreicht, denn dieses kann nur dann sachgerecht agieren, wenn die Mitglieder nicht zu befürchten haben, für ihre Entscheidungen Nachteile zu erleiden. Damit liegt einerseits ein Schutz im Individualarbeitsrecht vor, das die Mitglieder der Jugend- und Auszubildenden auch bevorteilt, was aber damit zu rechtfertigen ist, daß das Betriebsverfassungsgesetz die Unabhängigkeit der Gremien sichern will und damit eine Wertung dahin gehend trifft, daß der Schutz der Vertretung selber als wichtiger anzusehen ist, als eine mögliche Besserstellung und damit Bevorteilung der Vertreter der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Neben diesem individuellen Schutz liegt ein kollektiver Schutz der Jugend- und Auszubildendenvertretung vor, der als vorrangig anzusehen sind.

36

Soweit auch ein Schutzzweck insoweit erreicht sein soll, daß die Kontinuität der Jugend- und Auszubildendenvertretung gewährleistet ist, wenn der Auszubildende im Betrieb weiterbeschäftigt wird, so ist auch dieses eine weitere Intention des Gesetzgebers, die jedoch nicht im Vordergrund der Beurteilung steht. Die Kontinuität der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird insbesondere gewährleistet durch §§ 25, 65 BetrVG, wonach für den Fall, daß Mitglieder aus der Jugend- und Auszubildendenvertretung ausscheiden, ein Ersatzmitglied nachrückt. Da die Wahlen regelmäßig alle 2 Jahre gem. § 64 BetrVG stattfinden, ist auch gewährleistet, daß trotz eines Wechsels aufgrund der Beendigung von Ausbildung oder Beschäftigung in diesem Bereich eine Vertretung zur Verfügung steht.

37

Wie das Arbeitsgericht damit zutreffend ausgeführt hat, liegt der Schwerpunkt im individuellen Schutz des Vertreters und der damit eng zusammenhängenden Unabhängigkeit der Vertretung. Dies ergibt sich imübrigen auch aus der Begründung zur Einführung des Gesetzes, wonach nicht die Kontinuität der Vertretung im Vordergrund stand, vielmehr der durch den Schutz des Einzelnen wesentlich erhöhte Schutz der Vertretung selber (vgl. hierzu KR-Weigand, 4. Aufl., § 78 a BetrVG Rdnr. 3 m. w. Nachw.).

38

Steht demnach insbesondere der individuelle Schutz der Beteiligten zu 2) sowie die Unabhängigkeit der Beteiligten zu 3) im Vordergrund, so besteht keine Notwendigkeit, die Prüfung auf den Betrieb zu beschränken. Vielmehr ergibt sich hieraus, daß eine unternehmensweite Überprüfung stattzufinden hat, die das Unternehmen auch sonst sachgemäß vornehmen würde, um Auszubildende, die von ihr ausgebildet worden sind mit entsprechenden Kosten, weiter zu beschäftigen, um die Früchte dieser Ausbildung tatsächlich zu nutzen.

39

Dem steht auch nicht entgegen, daß bei der Arbeitgeberin eine derartige Menge von Arbeitsplätzen im gesamten Bundesgebiet vorhanden sind, so daß eine sachgerechte Überprüfung nicht stattfinden könnte. Auch im Kündigungsschutzverfahren wäre im Falle einer betriebsbedingten Kündigung zu prüfen, ob die Arbeitgeberin einen geeigneten freien Arbeitsplatz zur Verfügung hat. Dieses müßte gegebenenfalls im Kündigungsschutzverfahren durch das Gericht nach Vortrag der Arbeitgeberin überprüft werden. Das Problem stellt sich deshalb nicht speziell bei der Übernahme eines Vertreters einer Jugend- und Auszubildendenvertretung. Es kommt hinzu, daß auch in den Fällen, in denen mehrere Vertreter ihre Weiterbeschäftigung verlangen, jedoch nur weniger freie Arbeitsplätze als Bewerber vorhanden sind, im Rahmen der Sozialauswahl eine Wertung vorgenommen werden muß. Eine besondere Problematik stellt sich deshalb bei der unternehmensbezogenen Prüfung nicht.

40

c)

Ein Vergleich mit § 15 Abs. 4 KSchG gebietet es, daß eine unternehmensbezogene Betrachtungsweise angezeigt ist. Wie das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 13.08.1992, Az. 2 AZR 22/92 (AP Nr. 39 zu § 15 KSchG n. F.), ausgeführt hat, ist bei der Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen Betriebsstillegung nach§ 15 Abs. 4 KSchG über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf Unternehmensebene zu prüfen. Das Bundesarbeitsgericht führt zutreffend aus, daß der Zweck des § 15 KSchG dem dort aufgeführten geschützten Personenkreis einen verstärkten Schutz geben soll, der lediglich im Fall der Betriebsstillegung eine ordentliche Kündigung zuläßt. Da dieser Schutz aber verstärkt sein sollte, kann es nicht angehen, daß insoweit ein schwächerer Schutz als den von § 1 KSchG erfaßten Arbeitnehmern gewährt wird, als hier lediglich auf den Betrieb, nicht auf das Unternehmen abzustellen ist. Wenn das Betriebsratsamt auch betriebsbezogen ist, so ändert das nichts daran, daß auch einem Betriebsratsmitglied der unternehmensbezogene Kündigungsschutz, wenn auch unter Verlust des Betriebsratsamtes, der aufgrund der Betriebsstillegung eintritt, zugute kommen muß. Dieselbe Wertung ist deshalb für den Jugend- und Auszubildendenvertreter vorzunehmen, der in einer vergleichbaren Situation wie ein Betriebsratsmitglied ist und einen besonders verstärkten Schutz genießen soll, wie oben ausgeführt. Rechtstechnisch war der Schutz des Jugend- und Auszubildendenvertreters anders vorzunehmen, da im Bereich des Berufsbildungsgesetzes befristete Arbeitsverträge geschlossen werden, während bei Betriebsratsmitgliedern regelmäßig unbefristete Arbeitsverträge bestehen. Da das Betriebsverfassungsgesetz aber sowohl das Betriebsratsamt wie auch das Amt eines Vertreters in der Jugend- und Auszubildendenvertretung gleichermaßen regelt und wertet, kann der Schutz des Vertreters der Jugend- und Auszubildendenvertretung nicht geringer ausfallen, als der Schutz des Betriebsrates. Wird auf der einen Seite ein verstärkter Kündigungsschutz herangezogen, so wird bei der Jugend- und Auszubildendenvertretung eine Weiterbeschäftigung über die Befristung hinaus unter bestimmten Bedingungen angeordnet mit der Ausnahme, daß dieses aus besonderen Gründen nicht erfolgen kann. Diese besonderen Gründe müssen sich aber, wenn sie sich auf die Betriebsbedingtheit beziehen, auch im selben unternehmensbezogenen Kündigungsschutz abspielen, wie dieses bei Betriebsräten der Fall ist.

41

Aus alledem folgt, daß eine Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses nicht in Betracht kommt, da ein freier Arbeitsplatz im Unternehmen, vorliegend sogar im Regionalbereich Hannover, wenn auch in einem anderen Geschäftsbereich vorhanden war. Aus diesem Grunde war die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

42

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt gem. § 92 Abs. 1 ArbGG.