Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.07.1996, Az.: 14 Sa 1904/94
Fortbildung einer Leitenden Krankenschwester zur Hygiene-Fachkraft ; Anspruch auf Rückzahlung von Fortbildungskosten bei vergütungsrelevanten Bildungsmaßnahmen; Tarifliche Rückzahlungsregelungen für Fortbildungskosten und Weiterbildungskosten; Übernahme der Lehrgangskosten und Freistellung für die Lehrgangsteilnahme unter Fortzahlung des Gehalts; Aufgabenübertragung als Voraussetzung einer Umgruppierung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 25.07.1996
- Aktenzeichen
- 14 Sa 1904/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 15954
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1996:0725.14SA1904.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hameln - 23.06.1994 - AZ: 1 Ca 291/94
Rechtsgrundlagen
- § 7 II SR 2 a MT Ang-BfA
- § 814 BGB
- § 818 Abs. 2 BGB
- § 818 Abs. 3 BGB
- § 611 BGB
Amtlicher Leitsatz
Ein Anspruch auf Rückzahlung von Fortbildungskosten gemäß Nr. 7 SR 2 a MT Ang-BfA besteht nur bei vergütungsrelevanten Bildungsmaßnahmen (im Anschluß an BAG Urt. v. 06.09.1995 Az. 5 AZR 174/94). Die Fortbildung einer Leitenden Krankenschwester, die in VergGr. Kr VIII Fallg. 7 d. Anlage 1 b zum MT Ang-BfA eingruppiert ist zur Hygiene-Fachkraft ist nicht vergütungsrelevant.
In dem Rechtsstreit
hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 25.07.1996
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 23.06.1994 Az. 1 Ca 291/94 teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im übrigen insgesamt wie folgt gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 1.875,- nebst 5,983% Zinsen seit dem 15.01.1994 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 12/13 und der Beklagten zu 1/13 auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt DM 25.015,30.
Tatbestand
Die Beklagte war bei der Klägerin in der Zeit vom 01.07.1991 bis zum 30.09.1993 als Leitende Krankenschwester in der Weser-Rehabilitationsklinik in ... beschäftigt. In § 2 des Arbeitsvertrages ist die Geltung des Mantel-Tarifvertrages für die Angestellten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (KT Ang-BfA) und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung sowie die Geltung der für die BfA jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge vereinbart.
Die Klägerin ist in die Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 7 der Anlage 1 b zum MT Ang-BfA eingruppiert gewesen.
Auf Veranlassung der Klägerin hat die Beklagte in der Zeit vom 04.11.1991 bis zum 06.07.1993 an einer Weiterbildung zur Hygiene-Fachkraft teilgenommen.
Diese Weiterbildung umfaßte folgende Einzelmaßnahmen:
04.11. | bis | 06.12.1991 | Grundkurs |
---|---|---|---|
04. | bis | 29.05.1992 | Aufbaukurs |
17.08. | bis | 04.09.1992 | Praktikum |
19. | bis | 31.10.1992 | Aufbaukurs |
16.06. | bis | 06.07.1993 | Praktikum. |
Hierfür wandte die Klägerin an Gehaltszahlung und Reisekosten DM 23.140,30 sowie an Lehrgangsgebühren DM 1.875,- auf.
Das Arbeitsverhältnis ist durch Kündigung der Beklagten vom 01.08. zum 30.09.1993 beendet worden.
Die Klägerin nimmt die Beklagte unter Bezugnahme auf Nr. 7 der Sonderregelungen für Angestellte in den Rehabilitationskliniken und Kurkliniken der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (SR 2a MT Ang-BfA) auf Rückzahlung der Weiterbildungskosten in Höhe von insgesamt DM 25.015,30 nebst 5, 983% Zinsen seit dem 15.01.1994 in Anspruch.
Das Arbeitsgericht, auf dessen Entscheidung auch wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, wie er in erster Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, hat die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagziel weiter. Die Klägerin meint weiterhin, daß die Beklagte gemäß Nr. 7 II SR 2 a MT Ang-BfA zum Ersatz der Aufwendungen für die Weiterbildung zur Hygiene-Fachkraft verpflichtet sei und behauptet: Sie habe die Beklagte zur Teilnahme an der Weiterbildung zur Hygienefachkraft bestimmt. Da die Aufgaben der Leitenden Krankenschwester einer Rehaklinik in ihrem Bereich die Tätigkeit eine Hygiene-Fachkraft mit einschließen würden. Bei der zeitlichen Festlegung der Teilnahme der Beklagten an den einzelnen Veranstaltungen habe sie die jeweilige Personallage in der Klinik berücksichtigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 23.06.1994 Az. 1 Ca 291/94 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 25.015,30 nebst 5,983% Zinsen seit dem 15.01.1994 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält sich auch weiterhin zur Rückzahlung nicht für verpflichtet und meint: Einer Rückzahlungsverpflichtung stehe bereits entgegen, daß die Klägerin sie auf das Rückzahlungsrisiko nicht hingewiesen habe. Zudem hätte die Weiterbildung in kürzerer Zeit stattfinden können, was zu einer Verringerung des Umfangs einer etwaigen Rückzahlungspflicht geführt hätte.
Die Beklagte behauptet: Ihre spätere Kündigung vom 01.08.1993 habe darauf beruht, daß für ihre Familie aus beruflichen Gründen ihres Ehemanns ein Umzug nach ... erforderlich geworden sei und sie von dort ihre Tätigkeit in ... nicht weiter hätte ausüben können. Diese Entwicklung sei bereits im Herbst 1991 absehbar gewesen. Wäre ihr seinerzeit die Rückzahlungspflicht bekannt gewesen, hätte sie eine Teilnahme an der Weiterbildung abgelehnt.
Die Klägerin entgegnet hierzu, daß sie bei Kenntnis des von der Beklagten behaupteten Sachverhalts einer bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine andere Arbeitnehmerin für die Weiterbildung zur Hygiene-Fachkraft bestimmt hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist nur teilweise begründet.
Die Klage ist lediglich hinsichtlich eines Teilbetrages von DM 1.875,- in Höhe der von der Klägerin gezahlten Lehrgangskosten aus dem Gesichtspunkt einer entsprechenden ungerechtfertigten Bereicherung der Beklagten begründet.
Ein Anspruch auf Rückzahlung der Aufwendungen der Klägerin für die Weiterbildung der Beklagten zur Hygiene-Fachkraft aufgrund der über die Inbezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages als Vertragsrecht geltenden Regelungen der Nr. 7 II SR 2 a MT Ang-BfA besteht nicht.
Zwar liegen die in Nr. 7 I SR 2 a MT Ang-BfA genannten Voraussetzungen einer Weiterbildung auf Veranlassung und im Rahmen der Personalplanung der Klägerin hier vor. Die Ausbildung zur Hygiene-Fachkraft stellt für eine Krankenschwester eine Weiterbildung dar. Wie im Verlauf des Rechtsstreits unstreitig geworden ist, hat die Klägerin die Beklagte für die Weiterbildung zur Hygiene-Fachkraft bestimmt und damit diese Maßnahme veranlaßt. Diese Weiterbildung geschah auch im Rahmen des Personalbedarfs der Klägerin, da für die Weser-Rehabilitationsklinik in ... der Einsatz einer Hygiene-Fachkraft erforderlich gewesen ist.
Einem Rückzahlungsanspruch gemäß § 7 II SR 2 a MT Ang-BfA steht jedoch entgegen, daß die Weiterbildung zur Hygiene-Fachkraft für die Beklagte im Rahmen der Vergütungsordnung der Anlage 1 b nicht vergütungsrelevant ist.
Das Gericht schließt sich insoweit der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 06.09.1995, Az. 5 AZR 174/94 = BB 96, 959) an, nach der tarifliche Rückzahlungsregelungen für Fort- und Weiterbildungskosten zwar trotz erheblicher Abweichungen von den von der Rechtsprechung zur Zulässigkeit einzelvertraglicher Rückzahlungsvereinbarungen entwickelten Grundsätzen zulässig sind, sie jedoch einschränkend dahin auszulegen sind, daß sie nur solche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erfassen, die vergütungsrelevant sind, deren Durchführung also unmittelbar oder mittelbar zu einer höheren Vergütung führen kann.
Diese von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die insoweit gleichlautenden Regelungen des BAT, des Berufsgenossenschaftsangestellten-TV und des Knappschaftsangestellten-TV (weitere Urteile vom 06.09.1995, Az. 5 AZR 172, 618 und 744/94) entwickelten Grundsätze gelten auch für die Regelungen des MT Ang-BfA.
Nach dem Inhalt der Vergütungsregelungen der Anlage 1 b zum MT Ang-BfA ist die Weiterbildung zur Hygiene-Fachkraft für die Beklagte als Leitende Krankenschwester in der ... nicht vergütungsrelevant. Die Beklagte ist aufgrund der numerativen Aufzählung ihrer Tätigkeit in die Vergütungsgruppe KR VIII Fallgruppe 7 eingruppiert. Eine Höhergruppierung ist lediglich in die Vergütungsgruppe KR IX möglich und hat als Voraussetzung eine fünfjährige Bewährung in einer der in Vergütungsgruppe VIII Fallgruppen 1 bis 8 aufgeführten Tätigkeiten. Damit ermöglicht die Weiterbildung zur Hygiene-Fachkraft für die Beklagte bei einer entsprechenden Tätigkeit keine höhere Eingruppierung. Aus der Erläuterung Nr. 6 der Anlage 1 b ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dort ist lediglich bestimmt, daß die Wahrnehmung der Aufgaben einer Hygiene-Fachkraft beim Vorliegen der Voraussetzungen mit zum Aufgabenbereich einer Leitenden Krankenschwester gehört. Dies hat jedoch keine vergütungsrechtlichen Auswirkungen. Insbesondere bleibt die Beklagte auch dann in der Vergütungsgruppe KR VIII Fallgruppe 7 eingruppiert, wenn ihr die Aufgaben einer Hygiene-Fachkraft nicht übertragen sind, was etwa dann der Fall sein kann, wenn diese Aufgaben einer anderen Angestellten übertragen sind.
Dem entspricht auch die Erklärung der Klägerin, daß sie bei Kenntnis von einem möglichen bevorstehenden Ausscheiden der Beklagten eventuell eine andere Angestellte für die Weiterbildung zur Hygiene-Fachkraft vorgesehen hätte.
Die Beklagte ist jedoch aus dem Gesichtspunkt einer entsprechenden ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, der Klägerin die geleisteten Lehrgangskosten in Höhe von DM 1.875,- zu erstatten, §§ 812, 818 II BGB.
Die Klägerin hat die Leistung der Übernahme der Lehrgangskosten sowie die Freistellung der Beklagten für die Lehrgangsteilnahme unter Fortzahlung des Gehalts ohne rechtlichen Grund erbracht, da die Voraussetzungen für eine eventuelle Rückzahlungspflicht bei vorzeitigem Ausscheiden gemäß Nr. 7 SR 2 a MT Ang-BfA nicht vorgelegen haben und die Klägerin insoweit erkennbar keine anderweitige und damit übertarifliche Leistung hat erbringen wollen.
Dem Bereicherungsanspruch steht die Vorschrift des § 814 BGB nicht entgegen, da die Klägerin irrtümlich angenommen hat, im Rahmen der Regelungen der Nr. 7 SR 2 a MT Ang-BfA zu handeln.
Der von der Beklagten wegen Unmöglichkeit einer Herausgabe der erlangten Lehrgangsteilnahme gemäß § 818 II, III BGB zu leistende Wertersatz beschränkt sich jedoch auf die von der Klägerin auf gewendeten Kosten der Lehrgangsteilnahme. Hinsichtlich der Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung und der Übernahme von Reisekosten steht einer Ersatzpflicht entgegen, daß die Beklagte insofern nicht mehr bereichert ist.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 288 II, 286 BGB, 92 I ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 II Nr. 1 ArbGG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt DM 25.015,30.