Landgericht Hannover
Beschl. v. 24.10.2007, Az.: 20 T 82/07

Zahlungsanspruch auf Ausgleich von Mietrückständen aus einer Patronatserklärung; Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei fehlender Glaubhaftmachung einer Forderung; Anforderungen an die Erschütterung einer Glaubhaftmachung

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
24.10.2007
Aktenzeichen
20 T 82/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 54586
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2007:1024.20T82.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 22.08.2007 - AZ: 909 IN 728/07 -6-
nachfolgend
BGH - 19.06.2008 - AZ: IX ZB 228/07

...
hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
am 24.10.2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ... und
die Richterin ...
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Das Verfahren wird der Kammer zur Entscheidung übertragen, §568 S. 2 ZPO.

  2. 2.

    Auf die sofortige Beschwerde vom 11.09.2007 wird der Beschluss des Amtsgerichts Hannover, Insolvenzgericht (909 IN 728/07 - 6 -), vom 22.08.2007 aufgehoben.

  3. 3.

    Das Amtsgericht Hannover, Insolvenzgericht, wird angewiesen, unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Landgerichts Hannover neu zu entscheiden und hierbei von seinen Bedenken bezüglich der Glaubhaftmachung einer der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zustehenden Forderung abzusehen.

  4. 4.

    Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird ebenfalls dem Amtsgericht Hannover, Insolvenzgericht, übertragen.

Gründe

1

I.

Mit Schriftsatz vom 26.07.2007 beantragte die Antragstellerin bei dem Amtsgericht Hannover, Insolvenzgericht, über das Vermögen der Antragsgegnerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen (Bl. 1, 4 ff. d.A.).

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der ... die aufgrund Mietvertrags vom 04.05.1998 (Bl. 7 ff. d.A.) an ... vermietet ist. Im Zeitraum September 2006 bis Juli 2007 entstanden Mietrückstände in Höhe von 1.530.030,97 €, die durch teilweise Aufrechnung auf 1.469.538,94 € reduziert wurden.

3

Am 05.10.1998 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine sog. Patronatserklärung (Bl. 20 d.A.). Die Antragsgegnerin erklärte, dafür einzustehen, dass die ... ihre mietvertraglichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Antragstellerin jeweils fristgerecht und vollumfänglich erfülle.

4

Die Antragstellerin ist der Ansicht, ihr stehe aus der Patronatserklärung ein direkter Zahlungsanspruch gegen die Antragstellerin auf Ausgleich der auf Seiten der ... bestehenden Mietrückstände zu, den die Antragsgegnerin aufgrund Überschuldung nicht erfüllen könne.

5

Die Antragsgegnerin hinterlegte mit Schriftsatz vom 30.07.2007 (Bl. 106 ff. d.A.) eine "Schutzschrift" bei dem Amtsgericht Hannover. Sie ist der Meinung, aus der Patronatserklärung ergebe sich allenfalls ein Zahlungsanspruch der ..., nicht jedoch der Antragstellerin. Für den Fall, dass ein Direktanspruch bestünde, wäre die Erklärung nach den Grundsätzen einer verbotenen Einlagenrückgewähr im Sinne des§57 AktG nichtig. Zudem berief sich die Antragsgegnerin auf eine seitens der ... mit Schreiben vom 20.07.2007 (Bl. 126 f. d.A.) erklärte Aufrechnung mit Ansprüchen aus abgetretenem Recht in Höhe von über 7 Millionen Euro.

6

Die Antragstellerin bestritt diese Gegenforderung aufgrund des fehlenden Nachweises einer lückenlosen Abtretungskette, insolvenzrechtlicher Genehmigungen sowie erforderlicher Vertretungsbefugnisse (Bl. 159 d.A.) und berief sich auf das mit der ... & Co. KG für einen solchen Fall mietvertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot (Bl. 12 d.A.). Für den Fall, dass der - bestritten - abgetretene Anspruch gegen sie geltend gemacht werden solle, erhob sie ferner im Hinblick auf eine potentielle Gefährdung ihrer Liquidität eine Stundungseinrede gem. Ziff. 19 Nr. 5 ihres Gesellschaftsvertrages (Bl. 159 i.V.m. Bl. 173 d.A.). Der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch sei daher nicht fällig.

7

Die Antragstellerin erhob gegen die Antragsgegnerin Klage im Urkundsprozess auf Zahlung eines Betrages von 814.323,33 €. Das Verfahren wurde vor dem Landgericht Hannover zum Aktenzeichen 23 O 67/07 geführt. Mit Vorbehaltsurteil vom 26.09.2007 wurde die Antragsgegnerin zur Zahlung verurteilt. Die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren wurde ihr vorbehalten (Bl. 231 ff. i.V.m. Bl. 243 d.A.).

8

Mit Beschluss vom 22.08.2007 (Bl. 196 f. d.A.) wies das Amtsgericht Hannover, Insolvenzgericht, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Glaubhaftmachung einer der Antragstellerin zustehenden Forderung als unzulässig zurück. Der Antragsgegnerin sei es gelungen, die Ausführungen zum Bestand einer solchen Forderung zu erschüttern.

9

Der Beschluss wurde der Antragstellerin zugestellt am 28.08.2007 (Bl. 200 d.A.). Mit am 11.09.2007 per Telefax vorab bei dem Amtsgericht Hannover eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag erhob die Antragstellerin hiergegen sofortige Beschwerde (Bl. 247 ff., 205 ff. d.A.).

10

Das Insolvenzgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab, sondern legte die Sache auf der Grundlage des Beschlusses vom 13.09.2007 dem Landgericht zur Entscheidung vor (Bl. 213 f. d.A.).

11

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig gem. §§6 Abs. 1, 34 Abs. 1 InsO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Sie hat auch mit den aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkungen Erfolg.

12

Die Antragstellerin hat das Bestehen einer Forderung gegen die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht gem. §§14 Abs. 1 InsO, 294 ZPO.

13

Die Patronatserklärung vom 05.10.1998 begründet einen direkten Zahlungsanspruch gegen die Antragsgegnerin. Ausweislich Abs. 3 der Erklärung soll die Antragstellerin berechtigt sein, "Ansprüche" aus der Erklärung abzutreten. Die Antragsgegnerin wiederum verzichtet auf Einreden und Einwendungen aus dem Grundverhältnis sowie auf die Einrede der Vorausklage. Derartige Vereinbarungen machen nur Sinn, wenn die Möglichkeit einer direkten Klage gegen die Antragsgegnerin geschaffen werden soll. Die Patronatserklärung ist ersichtlich an die gesetzlichen Vorschriften zur Bürgschaft angelehnt, die zweifelsfrei von einem Direktanspruch gegen den Bürgen ausgehen.

14

Dieses Verständnis der Patronatserklärung und damit das Bestehen der geltend gemachten Forderung werden belegt durch das der Klage im Urkundsprozess stattgebende Urteil im Verfahren 23 O 67/07.

15

Der Antragsgegnerin ist es nicht gelungen, diese Glaubhaftmachung zu erschüttern. Dies würde einen schlüssigen, substantiierten und in sich widerspruchsfreien Vortrag der Antragsgegnerin voraussetzen, den sie nicht erbracht hat.

16

Soweit sich die Antragsgegnerin auf eine Unwirksamkeit der Erklärung gem. §57 AktG beruft, hat sie dessen Voraussetzungen weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer bezüglich der fehlenden Darlegung auf die Ausführungen des Landgerichts Hannover, 23 O 67/07, in seinem Urteil vom 26.09.2007, dort S. 8, Bezug (Bl. 238 d.A.), denen sie sich nach umfassender Würdigung des Sachverhalts anschließt.

17

Auch mit der seitens der Antragstellerin gem. §19 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages erhobenen Einrede mangelnder Fälligkeit sowie mit dem im Grundverhältnis mit der ... vereinbarten Aufrechnungsverbot, dessen Voraussetzungen von der Antragstellerin substantiiert aufgezeigt und urkundlich belegt wurden, setzt sich die Antragsgegnerin nicht auseinander.

18

Ob und ggf. in welchem Ausmaß die Einwände der Antragsgegnerin letztendlich berechtigt erhoben werden, wird im Nachverfahren zur Hauptsache zwischen den Parteien zu klären sein. Insoweit ist es nicht Aufgabe des Insolvenzverfahrens, eine Endentscheidung über streitige Forderungen zu treffen. Entscheidungsmaßstab im Insolvenzverfahren ist die Glaubhaftmachung einer Forderung bzw. die Erschütterung derselben. Letzteres ist der Antragsgegnerin nicht gelungen. Insbesondere vermochte sie nicht schlüssig darzulegen, weshalb der im Verfahren 23 O 67/07 von der Antragstellerin erstrittene und als Urkunde zur Glaubhaftmachung eingereichte Titel zu Unrecht ergangen sein soll.