Landgericht Hannover
Urt. v. 19.02.2007, Az.: 21 O 88/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 19.02.2007
- Aktenzeichen
- 21 O 88/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 60626
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2007:0219.21O88.06.0A
Verfahrensgang
Fundstelle
- IR 2007, 114-115
Tenor:
Unter Abweisung der Klage im übrigen wird festgestellt, dass der Beklagten kein weiterer Anspruch auf ein Entgelt für die Gasversorgung zusteht, das folgende Preise übersteigt.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Höhe des von ihnen an die Beklagte zu zahlenden Entgeltes für die Belieferung mit Gas.
Die Kläger sind Verbraucher an den im Tenor bezeichneten Stellen in Hannover. Sie beziehen seit Jahren Gas von der Beklagten. Grundlage der vertraglichen Beziehungen und Versorgung sind die Allgemeinen Gastarife, Grundpreis II der Beklagten.
Die Kläger beanstandeten die Billigkeit der von der Beklagten verlangten tariflichen Entgelte und forderten sie auf, ihre diesbezügliche Kalkulation offen zulegen ... unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Die Beklagte berechnete den Klägern folgende Bruttopreise für die Gaslieferung:
Datum Grund-/Messpreis Arbeitspreis kWh
01.09.2004 144, 002 € 4,16 ct.
ab 01.10.2004 172, 803 € 4,34 ct.
ab 01.10.2005 172,80 € 5,00 ct.
ab 01.11.2006 172,80 5,72 ct.
ab 01.01.2007
(MWSt.Erhöhung) 177,27 5,87 ct.
Die Beklagte lehnte die Offenlegung ihrer Kalkulation und den Nachweis der Billigkeit der von ihr verlangten Entgelte gem. § 315 BGB ab.
Die Kläger tragen vor, sie hätten erhebliche Zweifel an der Billigkeit der von der Beklagten verlangten Entgelte. Diese seien übersetzt. Die Beklagte gehöre zu den teuersten Anbietern in der Region. Gas, welches aufgrund von langfristigen Lieferbeziehungen bezogen werde, sei bis zu 50 % teurer als auf dem freien Handelsmarkt.
.....
Die Kläger seien auch berechtigt, die gestaltende Festlegung der Gaspreise insgesamt zu verlangen und nicht gehalten, die Billigkeit der jeweiligen Preiserhöhungen überprüfen zu lassen. Ausgehend von einer vermutlichen Preisüberhöhung von 30 % der jeweils verlangten Entgelte seien sie berechtigt, die Feststellung der jeweils zu zahlenden Tarifentgelte im Falle des Nichtdurchgreifens des Hauptantrages zu verlangen.
Die Kläger sind der Auffassung, sie seien berechtigt, eine Festlegung der Gaspreise für den nicht verjährten Zeitraum zu verlangen, weil ihnen insoweit ein Rückforderungsanspruch gem. § 812 BGB zustehe. Eine Verwirkung ihres Forderungsrechts sei nicht eingetreten.
Die Beklagte trägt vor, die Anträge der Kläger seien nicht zulässig.
Die von den Klägern dargelegten Anhaltspunkte für unangemessene Tarife lägen nicht vor. Bei einem Vergleich der Beklagten mit anderen Versorgern sei u.a. die höhere Kostenbelastung (z.B. Konzessionsabgabe) der Beklagten als Versorgerin einer Großstadt zu berücksichtigen. Die Beklagte schneide bei einem bundesweiten Vergleich der Gasversorger hervorragend ab und liege deutlich unterhalb des teuersten Anbieters. Ein Vergleich mit Gaspreisen am freien Markt hinke, weil die Netzdurchleitungsentgelte aufgeschlagen werden müssten und eine jederzeitige Netzdurchleitung nicht sicherzustellen sei.
....
Selbst wenn die Billigkeit gem. § 315 BGB zu überprüfen sei, könne und dürfe dies nicht im Wege der Offenlegung der Kalkulation durch die Beklagte erfolgen. Maßstab sei üblicher und richtiger Weise ein wettbewerbsorientierter Vergleichspreis mit den anderen Gasversorgungsunternehmen. Da die Preise der Beklagten im Vergleich zu anderen nach Art und Größe vergleichbaren Unternehmen im unteren Bereich lägen, sei keine Unbilligkeit feststellbar.
Auch bei Vornahme der Kostenkontrolle sei festzustellen, dass Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle nur die Preiserhöhung nicht aber der ursprüngliche Preis sein könne. Dieser sei frei vereinbart worden.
......
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und mit dem wirtschaftlich dem Hauptantrag entsprechenden Hilfsantrag teilweise erfolgreich.
I.
Die von den Klägern begehrte Gestaltung des Rechtsverhältnisses der Parteien bezüglich der in den jeweils genannten Zeiträumen zu zahlenden Entgelte ist zulässig. Die Kläger als zahlungspflichtige Schuldner haben ein berechtigtes Interesse daran, dass durch Urteil die Höhe ihrer Zahlungsverpflichtung für die Parteien bindend festgelegt wird. Die Kläger müssen sich nicht darauf verweisen lassen, die Billigkeit des Gastarifes entweder nach Zahlungsverweigerung ihrerseits in einem von der Beklagten möglicherweise gegen sie angestrengten Rechtsstreit einredeweise überprüfen und festlegen zu lassen oder der Beklagten zunächst die tariflichen Entgelte vollständig zu zahlen und sie dann ggf. zurückzufordern. Streitgegenstand der Klage ist damit entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich die Überprüfung der Billigkeit der zum Stichtag vorgenommen Preiserhöhungen, sondern die Billigkeit der Entgelte insgesamt, wie es sich nach den jeweiligen Preiserhöhungen darstellt.
II.
Den Klägern steht grundsätzlich ein Anspruch aus § 315 BGB auf Festsetzung des billigen Entgeltes zu.
1.
Der auf § 315 BGB gestützte Anspruch ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits grundsätzlich durch die Regelungen insbesondere in § 19 Abs. 4 Satz 4 GWB oder § 6 EnWG a.F. ausgeschlossen. Ein zwingender Gesetzesvorrang der kartell-rechtlichen Regelung besteht nicht (anders Kühne NJW 2006, 654 f). Allein der Umstand, das über § 33 GWB aufgrund der Ausgestaltung des § 19 GWB als Schutzgesetz zivilrechtliche Ansprüche durch den Verletzten geltend gemacht werden können, führt nicht zu einem Vorrang des Kartellrechts. Vielmehr haben § 19 GWB und § 315 BGB sehr unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich den Missbrauch von Marktmacht bzw. die vertragliche Einräumung eines durch die Regelungen des Energierechts konkretisierten Leistungsbestimmungsrechts, die zu einem Nebeneinander der Anwendbarkeit der Normen führen müssen (vgl. BGH KZR 36/04 Urteil vom 18.10.2005, Säcker RdE 2006, 65, 70 [BGH 18.10.2005 - KZR 36/04]; Markert RdE 2006, 137.
Ein Vorrang des Kartellrechts ist auch dann nicht zu bejahen, wenn lediglich eine analoge Anwendung des § 315 BGB im Raume steht, weil durch § 19, 33 GWB eine Regelungslücke geschlossen worden sei (so Säcker, Markert a.a.O.) LG Karlsruhe RdE 2006, 135. Die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 315 BGB ist nicht bereits im Zusammenhang mit der Fragestellung nach einem Gesetzesvorrang zu beantworten. Denn die energie-wirtschaftlichen Regelungen konkretisieren die Billigkeit des zu verlangenden Entgeltes, Die kartellrechtlichen Gesichtspunkte bleiben bei einer energiewirtschaftlichen und damit Nachprüfung nach § 315 BGB unberührt (§ 6 Abs. 1 EnWG a.F.). Die kartell-rechtlichen Bestimmungen verfolgen lediglich die Zielsetzung, Missbrauch/Nachteile zu verhindern, die sich aus fehlendem oder beschränktem Wettbewerb ergeben. Hingegen geht es im Rahmen des § 315 BGB darum, die einer Vertragspartei zustehende Rechtsmacht, die möglicherweise mit Marktmacht korrespondiert aber nicht muss, dem Vertragsinhalt einseitig zu bestimmen, zu überprüfen und ggf. einzugrenzen. Das bedeutet im Ergebnis, dass gleich, ob es um die Prüfung von Netzdurchleitungsentgelten (vgl. dazu BGH a.a.O.) oder um die Entgelte für Gaslieferungen geht, die kartellrechtlichen und die sonstigen zielgerichteten Prüfungen grundsätzlich voneinander unabhängig sind und es keinen Gesetzesvorrang mit dem Vorrang des Kartellrechts gibt, auch wenn einige Gesichtspunkte bei beiden Anspruchsgrundlagen gleichermaßen Bedeutung erlangen können (vgl. BGH a.a.O. Rdz. 28, BGH KZR 8/05 Urteil vom 07.02.2006 Rdz. 24, BGH KZR 17/02 Urteil vom 28.06.04 Rz. 9 für den umgekehrten Fall der Nichtverdrängung des Kartellrechts durch § 6 Energiewirtschaftsgesetz, OLG Karlsruhe 7 U 194/06 Urteil vom 28.06.2006).
2.
Den Klägern steht ein Anspruch auf Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB auch inhaltlich zu. Die Parteien haben vertraglich ein Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten vereinbart.
Die Kläger werden von der Beklagten, die die Grundversorgung der Bevölkerung in ihrem Versorgungsgebiet sicherzustellen hat, auf der Grundlage des allgemeinen Tarifes (Grundpreis II) versorgt. Mit dieser vertraglichen Beziehung der Parteien findet die AV Gas V Anwendung. Nach § 4 der AV Gas V stellt die Beklagte Gas zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen zur Verfügung. Gem. § 4 Abs. 2 AV Gas V werden Änderungen nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam. Aufgrund dieser Regelungen steht der Beklagten mithin ein einseitiges Bestimmungsrecht bezüglich der Lieferbedingungen zwischen den Parteien zu. Verhandlungen darüber sind nicht möglich.
3.
Im Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagten ein vertragliches Leistungs-bestimmungsrecht eingeräumt ist. Denn jedenfalls steht den Klägern ein Anspruch aus analoger Anwendung des § 315 BGB zu.
§ 315 BGB ist jedenfalls auf Leistungserbringungen im Bereich der Daseinsvorsorge anwendbar, auf die die andere Vertragspartei, der Kunde, angewiesen ist, ihm also hinreichende Möglichkeiten des Ausweichens auf Alternativen der Bedarfsdeckung fehlen, sei es durch andere Anbieter, sei es durch Ersetzen mittels anderer Ressourcen.
Die Beklagte erbringt als Gasversorgerin Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge.
a)
Eine Substitution der Leistungen der Beklagten ist für einen Kunden nicht möglich. Ein Ausweichen auf den von der Beklagten selbst angebotenen "Tarif" Gas Fix mit einer Jahrespreisbindung ist für tariflich belieferte Gaskunden keine hinreichende Alternative. Wollte man diesen als Substitution ansehen, so würde dies dazu führen, dass jeder Versorger es in der Hand hätte, den Kunden die Überprüfung der Billigkeit des allgemeinen Tarifs abzuschneiden, indem ein etwas günstigerer aus freien Stücken zu wählender Tarif zusätzlich angeboten wird. Dies könnte missbräuchlichem Verhalten des Versorgers Tür und Tor öffnen, weil er es in der Hand hätte, seine möglicherweise übersetzte Leistungsbestimmung durch eigenes Verhalten zu schützen.
Eine Versorgung durch einen anderen Gasanbieter ist im Stadtgebiet Hannover nicht möglich. Die Beklagte trägt selbst zu konkurrierenden Anbietern lediglich vor, ein großer Sondervertragskunde ... beziehe Gas von dem Konkurrenten .... Bereits dieser Vortrag macht deutlich, dass eine Versorgungsalternative für Kleinmengenbezieher nicht gegeben ist, weil es kein flächendeckendes Angebot im Versorgungsgebiet der Beklagten für jeden Tarifkunden gibt. Der weitere Vortrag der Beklagten, es habe sich im vorigen Jahr eine Initiative zur Organisation des anderweitigen Bezuges gebildet, ist unerheblich. Es gibt keine bestehenden Angebotsalternativen.
b)
Anders als die Beklagte meint, ist aus der Entscheidung des OLG München (vgl. Urteil vom 19.10.2006 U(K) 3090/06) zur Fernwärmeversorgung nicht abzuleiten, dass grundsätzlich austauschbare Energien zur Wärmegewinnung wie Öl, Gas, Strom, Fernwärme, alternative Energieträger (z.B. Pellets), jedenfalls bei der erstmaligen Anschaffung der Wärmeerzeugungsanlagen miteinander konkurrierten und wegen der fehlenden Preisdifferenzierung von Alt- und Neukunden für die Kunden ein relevanter Wettbewerbspreis zwischen diesen Energieträgern vorhanden sei. Diese Entscheidung, die nach Auffassung der Kammer bereits grundsätzlichen Zweifeln unterliegt (anderer Ansicht auch OLG Karlsruhe a.a.O.) ist jedenfalls nicht dahingehend zu verallgemeinern, dass immer und überall ein wesentlicher Wettbewerb zwischen den Energieträgern besteht. Nicht erkennbar ist, dass im Versorgungsgebiet der Gasversorgung durch die Beklagte relevanter Wettbewerb mit der Fernwärme besteht. In weiten Teilen steht Fernwärme nicht zur Verfügung. Die Beklagte ist in ihrem Gasversorgungsgebiet wesentlicher Betreiber der Fernwärmeversorgung. Konkurrenzdruck durch eigenen Betrieb der unterschiedlichen Geschäftszweige, wie er zwischen verschiedenen Anbietern bestünde, erscheint nicht realistisch. Strom zur Wärmeerzeugung einzusetzen, ist wegen der damit verbundenen üblicherweise deutlich höheren Kosten unwirtschaftlich und wird lediglich in besonderen Anschlusssituationen zum Einsatz kommen. Alternative Energieträger wie Solarenergie, Erdwärme, Pellets sind auf dem Energiemarkt von untergeordneter Bedeutung und spielen bei der Preisbildung für Gas und Heizöl keine Rolle. Sie werden erst dann für einen Verbraucher interessant und wettbewerbsfähig, wenn die fossilen Energieträger Öl und Gas im Preis deutlich steigen, erzeugen selbst aber keinen relevanten Wettbewerbsdruck auf diese Energie-träger. Mithin verbleibt es an einer denkbaren Substitution und einem Wettbewerb zwischen Öl und Gas. Da aber bekanntermaßen, die Sinnhaftigkeit und Berechtigung wird gerade auch von der Beklagten ins Feld geführt, der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt ist, also eine Ölpreiserhöhung oder -senkung immer auch zu einer etwa gleichlaufenden Änderung des Gaspreises führt, ist ein relevanter Wettbewerb bei den Auswahl der vermeintlich austauschbaren Energieträger nicht gegeben. Insoweit ist die zudem zweifelhafte Frage der Einheitlichkeit eines Wärmemarktes vorliegend nicht zu entscheiden.
4.
Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat zu den Parametern, die zur Festsetzung des von ihr verlangten Entgeltes geführt haben und damit zur Billigkeit des von ihr verlangten Preises nicht bzw. nicht hinreichend vorgetragen.
Zur Überprüfung der Billigkeit und Angemessenheit des verlangten Entgeltes sind im wesentlichen zwei verschiedene Ansätze denkbar. Zum einen kann auf die Üblichkeit des Preises bei vergleichbaren Sachverhalten abgestellt werden. Zum anderen kann eine Kostenkontrolle mittels Nachvollziehen der konkreten Kalkulation durchgeführt werden.
a)
Da vorliegend die grundsätzlich vorzugswürdige Vergleichsmarktbetrachtung ausscheidet, kann die Billigkeit trotz damit verbundener Probleme und Nachteile nur mittels einer Kostenkontrolle durchgeführt werden.
aa)
Eine Überprüfung der Entgelte unter dem Aspekt der Üblichkeit für vergleichbare Leistungen setzt zwingend voraus, dass die Beklagte als Gasversorgerin in Hannover auf dem Absatzmarkt und ggf. auch ihr langfristiger Lieferant E.ON auf der Beschaffungsseite wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt sind und sich infolge des Drucks Preise im Wettbewerb bilden können. Daran fehlt es. Wie bereits ausgeführt, ist die Beklagte in ihrem Versorgungsgebiet einziger Lieferant von Gas an Tarifkunden. Wettbewerber, auch nur potentielle, sind nicht vorhanden. Die Gaspreise sind keinem relevanten Kostendruck ausgesetzt. Wie ebenfalls bereits ausgeführt, sind alternative Energieträger im Vergleich zur Wärmeversorgung durch Öl bzw. Gas ohne wettbewerbliche Relevanz. Da sich zudem zwischen Gas und Öl infolge der Preiskopplung auf der Beschaffungsseite kein kostenorientierter Wettbewerb bilden kann, scheidet eine Betrachtung unter dem Blickwinkel der üblicherweise im Versorgungsgebiet der Beklagten zu zahlenden Entgelte aus.
bb)
Eine Vergleichsbetrachtung unter Berücksichtigung regional oder bundesweit von Gasversorgern verlangter Preise scheidet ebenfalls aus. Zum einen ist nicht auszuschließen, dass die Gaspreise bundesweit systematisch überhöht sind (vgl. auch OLG Karlsruhe a.a.O). Dafür kann der fehlende bzw. stark eingeschränkte Wettbewerb auf der Lieferantenseite sprechen. Wie die Beklagte selbst ausführt, ist es kaum wirtschaftlich, sowohl L (OW) oder auch H (IGH) Gas zu beziehen, weil beide Gassorten nicht gemeinsam in ihr Netz gebracht werden können, die Konvertierung mit erheblichem Aufwand verbunden ist bzw. An- und Verkauf der Gassorten wirtschaftlich sehr risikoreich ist. Zudem wird Hannover im wesentlichen durch die L-Gasleitung der E.ON versorgt. E.ON ist zugleich Gaslieferant der Beklagten. Somit stößt es ebenfalls nach dem Vortrag der Beklagten auf erhebliche Schwierigkeiten, anderweitig ggf. günstiger beschafftes Gas mit der gebotenen Versorgungssicherheit in das Versorgungsgebiet der Beklagten zu transportieren.
Weiter ist eine systematische Erhöhung jedenfalls der Netznutzungsentgelte, die bundesweit im wesentlichen einheitlich nach der VV II plus kalkuliert werden, nicht auszuschließen. Dafür spricht immerhin, dass die Netzagentur die von der Beklagten beantragten Netzentgelte im Oktober 06 nicht in vollem Umfang genehmigt hat.
Schließlich reklamiert die Beklagte selbst strukturelle Unterschiede zwischen einzelnen Versorgern. Zu berücksichtigen seien in Großstädten höhere Konzessionsabgaben, teurere Baukosten pro Meter/Netzlänge im Vergleich zu kleineren Kommunen. Von Belang kann in diesem Zusammenhang auch die jeweilige Anschlussdichte, sein die in den Städten je nach Verdichtung der Bebauung unterschiedlich ist. Sind mithin aufgrund örtlicher Besonderheiten erhebliche Gewichtungen vorzunehmen, die preisrelevant sein können, scheidet eine Vergleichsmarktbetrachtung unter Einbeziehung aller deutschen Versorger ebenfalls aus.
b)
Einer damit im Ergebnis zwangsläufigen Überprüfung der Angemessenheit der von der Beklagten verlangten Entgelte über eine Kosten-/Gewinnkontrolle kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, es fehle insoweit an normativen Grundlagen zur Kostenermittlung; diese seien aber, wie das Schaffen der unverzichtbaren betriebswirtschaftlichen Konkretisierungen in den Netzentgeltverordnungen zur Regulierung der Netzentgelte zeige, zwingend erforderlich.
Eines derartigen normativen Rahmen bedarf es nicht, wie die ebenfalls laut höchst-richterlicher Rechtsprechung gem. § 315 BGB vorzunehmende Überprüfung der Netzentgelte vor der Novellierung des Energierechts im Jahre 2005 zeigt (vgl. BGH a.a.O.). Maßstab der Überprüfung der Billigkeit gem. § 315 BGB sind demnach u.a. die Konkretisierungen in § 6 EnWG a.F. und nicht zwingend erforderliche betriebswirtschaftliche Vorgaben. Der Gesetzgeber der 1998 vorgenommenen Liberalisierung des Energiewirtschaftsbereiches hatte sich entschieden, lediglich generalklauselartige Regelungen vorzugeben und darauf gehofft und vertraut, dass sich Wettbewerb mit der Folge kostenorientierter vergleichsmarktrelevanter Preise einstellen werde. Dieses Vertrauen ist erkennbar enttäuscht worden, so dass der Gesetzgeber der Novellierung 2005 eine staatliche Regulierung mit der Vorgabe von Prüfungskriterien normiert hat. Nichts desto weniger ist die Judikative trotz der dürftigen und wenig hilfreichen Prüfungskriterien aufgerufen, dem grundsätzlichen Anspruch auf Überprüfung der Billigkeitsentgelte der einseitigen Leistungsbestimmung Geltung zu verschaffen.
Die Beklagte kann gegenüber der durchzuführenden Kostenkontrolle nicht einwenden, dass bei der danach erforderlichen Offenlegung ihrer Kalkulation wesentliche Geschäftsgeheimnisse in die Hände Unbefugter gelangen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet werde. Zwar ist der Beklagten grundsätzlich darin zuzustimmen, dass die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ein legitimes Anliegen ist (vgl. VerfG 1 BVR 2087/03 U.v.14.3.2006), dessen Beachtung sie grundsätzlich beanspruchen kann. Indes führt dies nicht zu einem Ausschluss der Kostenkontrolle anhand der von der Beklagten vorzulegenden Kalkulation ihrer Gaspreise. Vielmehr wird die Kammer ggf. im Rahmen der Vorlage der Kalkulation auf der Basis eines vereinzelten Vortrages der Beklagten zu prüfen und zu entscheiden haben, inwieweit die Kläger Einsicht in die vorzulegenden Unterlagen erhalten kann. Regelungen für vergleichsbare Sachverhalte finden sich dazu denkbarer Weise bei der Überprüfung von Vergabeentscheidungen oder im Spruchverfahrensgesetz.
c)
Die Beklagte hat die sie treffende Darlegungs- und Beweislast zur Bestimmung der billigen Entgelte nicht erfüllt.
Zur Überprüfung der Kosten- und Gewinnkalkulation der Beklagten ist es erforderlich, dass die Beklagte ihre Kalkulation offenlegt, detailliert die Berechtigung einzelner Ansätze erläutert und insbesondere die jeweiligen Positionen mit Unterlagen belegt. Dem ist die Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung seitens des Gerichts im Januar, Juli und November 2006 im Parallelverfahren 21 O 83/05 sowie in diesem Verfahren im August 06 nicht nachgekommen. Unter Aufrechterhaltung ihrer abweichenden, aber nicht tragfähigen Rechtsauffassung hat sie zunächst versucht, die Berechtigung der Preiserhöhung mittels Testaten ihrer Wirtschaftsprüfer zu belegen. Ungeachtet des Umstandes, dass lediglich die Parameter für die Preiserhöhung, nicht aber die vermeintliche Berechtigung des geforderten Gesamtpreises testiert und damit der Streitgegenstand nicht beachtet wurde, sind die Testate ungeeignet, eine Kostenkontrolle zu ermöglichen. Wollte man Testate als ausreichend ansehen, hieße dies, die Kontrolle in die Hand eines von dem zu kontrollierenden Unternehmen beauftragten, bezahlten und von ihm informierten Sachverständigen zu geben. Diese teils in anderem energierechtlichen Zusammenhang vorgegebene Kostenkontrolle ist gesetzlich in § 315 BGB nicht vorgesehen. Vielmehr obliegt die inhaltliche Kontrolle der Angemessenheit und Billigkeit dem Gericht (vgl. BGH a.a.O., Bundesverfassungsgericht a.a.O.).
Auch die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 03.01.2007 gemachten Angaben mit den eingereichten Unterlagen sind völlig unzureichend, eine Kostenkontrolle durchzuführen.
Zum einen sind die Angaben zu den Preisänderungen durch den Lieferanten E.ON für die Kalkulation zwar bedeutsam, aber nur ein Element. Wie bereits ausgeführt, ist eine Kostenkontrolle des jeweils verlangten Preises vorzunehmen. Dazu gehört, dass alle Kostenansätze dargelegt werden. Die Beklagte kann nicht damit durchdringen, sich auf die Darlegung der jeweiligen Erhöhungen eines Teils ihrer Kosten zu beschränken. Denkbar ist, dass die Beklagte bei den übrigen Positionen der Kalkulation unangemessene Ansätze vorgenommen hat und diese schlicht fortschreibt. Denkbar ist auch, dass wesentliche Änderungen bei den übrigen nicht von der Preiserhöhung des Lieferanten betroffenen Kostenpositionen vorhanden sind, die nicht oder nicht vollständig angemessen berücksichtigt werden. Dass es solche Änderungen geben muss, folgt daraus, dass die Beklagte vorträgt, sie sei in der Lage gewesen, einen Teil der Gaspreiserhöhung des Lieferanten E.ON nicht an den Kunden weiterzugeben. Wenn trotzdem die Umsatzerlöse und der Gewinn der Beklagten ausweislich ihrer allgemein zugänglichen Veröffentlichungen im Internet steigt, stellt sich die möglicherweise berechtigte Frage nach Kostensenkungen, die nicht an den Gaskunden weitergegeben wurden.
Zum anderen beschränkt sich die Beklagte in ihrem schriftsätzlichen Vortrag darauf, den Kostenbestandteil "Netznutzungsentgelt" lediglich unter Angabe seiner Berechnungsmethode unter Sachverständigenbeweis zu stellen. Beweis ist jedoch erst dann zu erheben, wenn dem Beweis zugängliche Tatsachen vorgetragen sind. Daran fehlt es vollkommen. Die Berechnungen sind ohne detaillierte Angaben der zugrundeliegenden Kostenpositionen nebst Unterlagen inhaltsleer.
5.
Da die Beklagte ihre Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 315 BGB nicht erfüllt hat, ist eine sachgerechte inhaltlich fundierte Bestimmung der angemessenen Entgelte gem. § 315 BGB durch die Kammer nicht möglich; der Hauptantrag der Kläger geht mithin ins Leere.
Die Verletzung der sie treffenden Verpflichtung kann die Beklagte jedoch nicht dahingehend privilegieren, dass die Klage daran scheitert. Vielmehr ist die fehlende prozessuale Mitwirkung zu sanktionieren. Die Beklagte ist entsprechend dem in der Klage geäußerten und mit dem Hilfsantrag zum Ausdruck gekommenen Interesse der Kläger, die eine Preisüberhöhung von bis zu 30 % für denkbar halten, zu untersagen, ein höheres Entgelt als 70 % des zu den jeweiligen Zeitpunkten geltenden tariflichen Entgeltes zu verlangen. Mithin war festzustellen, dass ein 70 % des Tarifpreises übersteigendes Entgelt, gleich ob Arbeits- oder Grund-/Messpreis der Beklagten nicht zusteht.
Jedoch ist die Klage der jeweiligen Kläger erst ab dem Monat erfolgreich, in dem sie sich erstmals gegen das von der Beklagten verlangte Entgelt durch Widerspruch und Ausbringen eines Vorbehaltes gewendet haben. Rückforderungsansprüche für davor liegende Zeiträume können die Kläger nicht geltend machen, weil diese verwirkt sind. Ungeachtet nicht eingetretener Verjährung eines Rückforderungsanspruchs können die Kläger auch nicht die Rückerstattung und Feststellung des ggf. zu zahlenden geringeren Entgeltes für die jeweils vor dem Vorbehalt liegenden Zeiträume verlangen.
Bei der Entscheidung der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verwirkung steht nach Auffassung der Kammer nicht die analoge Anwendung des § 32 Abs. 2 AV Gas V im Vordergrund. Vielmehr ist die Verwirkung aufgrund der Besonderheiten der vertraglichen Beziehung, der Leistungserbringung der Beklagten als allgemeiner Versorgerin und den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben zu bejahen.
Verwirkung tritt dann ein, wenn ein Recht über längere Zeiträume nicht geltend gemacht wird und besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer sich der eigentlich Verpflichtete berechtigtermaßen darauf einrichten durfte, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht geltend machen. Vorliegend beziehen die Kläger aufgrund langjähriger Geschäftsbeziehung Gas von der Beklagten. Sie haben bis zu dem jeweiligen Widerspruch die Preisbestimmungen der Beklagten unbeanstandet gelassen. Aus dem Rechtsgedanken des § 315 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz BGB, der bei zeitlicher Verzögerung ein Klagerecht gibt, ist abzuleiten, dass eine zeitnahe Klärung des geschuldeten billigen Entgeltes vorgenommen werden kann und soll. Daher konnte sich die Beklagte darauf einrichten, von ihrem jeweiligen Vertragspartner würden entsprechend jahrelanger Übung die von ihr bestimmten Entgelte akzeptiert.
Hinzu kommt, dass die Beklagte aufgrund ihrer besonderen Situation als Trägerin der Grundversorgung ein besonders schützenswertes Vertrauen in Anspruch nehmen kann. Die Beklagte hat zwar grundsätzlich ein vertragliches Leistungsbestimmungsrecht. Dieses Bestimmungsrecht übt sie aber nicht in jedem Einzelfall individuell gegenüber jedem Kunden aus, sondern kalkuliert pauschaliert das von der Gesamtheit im Versorgungsgebiet zu entrichtende Entgelt und legt es per Tarif auf den jeweiligen Vertragskunden um. Wollte man jedem Vertragskunden das Recht einräumen, unbillige Entgelte in nicht verjährter Zeit von der Beklagten zurückzuverlangen, ohne zuvor die Beklagte davon in Kenntnis gesetzt zu haben, könnte dies ggf. zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen bei der Beklagten führen. Während der jeweilige einzelne Kunde lediglich vergleichsweise geringe Beträge ggf. zurückverlangen könnte, korrespondieren aufgrund des der Beklagten obliegenden Massengeschäftes damit bei ihr umfangreiche Verbindlichkeiten. Die Beklagte war mangels Kenntnis von einem - flächendeckenden - Forderungsbegehren ihrer Kunden nicht gehalten gewesen, Rückstellungen zu bilden, so dass ein Aussummieren der einzelnen kleinen Einzelkundenbeträge sehr schnell die Liquidität, den Bestand der Beklagten und damit im Ergebnis auch die Versorgungssicherheit im Versorgungsgebiet der Beklagten gefährden könnte. Im Ergebnis ist daher jedem einzelnen Kunden, der für sich genommen eine wirtschaftliche Gefährdung der nicht individuell vorgewarnten Beklagten nicht herbeizuführen vermag, wegen der Gleichbehandlung aller Einzelkunden der Beklagten und der sich daraus ggf. absehbaren Gefährdung die Einrede der Verwirkung entgegenzuhalten, soweit er die Beklagte nicht veranlasst hat, das aus seiner Vertragsbeziehung individuell abzuleitende Risiko zu bewerten und bei der Unternehmensführung zu berücksichtigen.
Somit ist die Klage der einzelnen Kläger erst ab dem jeweiligen Monat der Widerspruchseinlegung/Vorbehaltsausbringung mit dem Inhalt der Feststellung des berechtigtermaßen zu verlangenden 70-prozentigen Tarifes begründet und im übrigen abzuweisen.