Landgericht Hannover
Urt. v. 07.02.2007, Az.: 12 S 71/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 07.02.2007
- Aktenzeichen
- 12 S 71/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 60615
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2007:0207.12S71.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 06.07.2006 - AZ: 418 C 4466/06
- nachfolgend
- BGH - 05.03.2008 - AZ: VIII ZR 80/07
In dem Rechtsstreit
...
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ..., den Richter am Landgericht ... und die Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.07.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 559,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.02.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 56 %, die Beklagte 44 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 992,96 €; Wert der Beschwer für die Klägerin: 433,11 €; Wert der Beschwer für die Beklagte: 559,85 €.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Nachzahlung von Nebenkosten für die Jahre 2001 bis 2004 von der Beklagten, die Mieterin einer Wohnung der Klägerin war.
Hinsichtlich der einzelnen Positionen und der Errechnung des streitgegenständlichen Betrags wird Bezug genommen auf die jährlichen Nebenkostenabrechnungen (Bl. 22 ff dA).
Der mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin unter dem 11.10.1999 geschlossene Mietvertrag verhält sich bezüglich der Nebenkosten in § 4 unter Ziffer 2 wie folgt:
"Neben dem Mietzins gemäß Ziffer 1. werden anteilig sämtliche nachstehenden Betriebskosten i.S. von Anlage 3 zu § 27 II BV umgelegt ..."
Durch die dann folgende Aufstellung der einzelnen Nebenkostenpositionen verläuft ein diagonaler Strich von links unten nach rechts oben, auf dem steht: "siehe Zusatzvereinbarung".
In dieser heißt es unter Ziffer 2:
"In Ergänzung der in § 4 Abs. 2 des Mietvertrages vorgesehenen Regelung der Nebenkosten gilt folgendes:
zu zahlen."
Mit Urteil vom 06.07.2006 hat das Amtsgericht Hannover die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass etwaige Nachzahlungsansprüche der Klägerin für Nebenkosten jedenfalls nicht fällig seien, da die von der Klägerin erstellten Abrechnungen nicht den vertraglichen Vereinbarungen des Mietvertrages entsprächen. Unter 4.2 des abgeschlossenen Mietvertrages werde zwar auf § 27 II BV hingewiesen und es sei eine Vorauszahlung angekreuzt, jedoch seien die nachfolgenden Einzelpositionen gestrichen und statt dessen auf eine Zusatzvereinbarung hingewiesen.
Diese nehme wiederum Bezug auf 4.2 des Mietvertrags, der Betriebskosten ebenso anspreche wie Vorauszahlungen für Entwässerung, Wasser und allgemeinen Stromverbrauch, Heizkosten, Treppenhausreinigung und die Gemeinschaftsantennenanlage.
Diese mietvertragliche Regelung sei ausgehend vom Empfängerhorizont eines Durchschnittsbetrachters dahin zu verstehen, dass die ursprüngliche, im schriftlichen Mietvertrag enthaltene Regelung durch die Zusatzvereinbarung ersetzt worden sei. Nur die in der Zusatzvereinbarung angesprochenen Positionen könnten in einer Abrechnung zugrunde gelegt werden, anders würden die Streichungen und die Zusatzvereinbarung keinen Sinn machen.
Selbst wenn man dieser Auslegung nicht folge, so sei die mietvertragliche Regelung hinsichtlich der Betriebskosten widersprüchlich, was zu Lasten der Klägerin als Ausstellerin des Vertrages ginge.
Mit der am 28.09.2006 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren weiter und stützt sich insbesondere auch auf § 556 Abs. 3 BGB, der ihrer Ansicht nach die Beklagte mit denkbaren Einwendungen gegen die Art der Nebenkostenerstellung oder den Abrechnungsschlüssel präkludiert.
Die Zusatzvereinbarung habe im Übrigen eine Ergänzung des 4.2 des Mietvertrags dargestellt. Die im Mietvertrag aufgeführten Nebenkosten seien nicht durchgestrichen, sondern der Verweis auf die Zusatzvereinbarung unterstrichen worden.
Die Beklagte wehrt sich gegen die Berufung mit der Ansicht, eine Präklusion sei mangels ordnungsgemäßer Abrechnung nicht eingetreten. Sie behauptet zudem, zumindest die Abrechnung des Jahres 2004 sei von ihr innerhalb der Jahresfrist ordnungsgemäß beanstandet worden.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf das amtsgerichtliche Urteil und auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden und in der Sache zum Teil erfolgreich.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Nachzahlung von Nebenkosten zu, da diese durch die geleisteten Vorauszahlungen nicht ausreichend gedeckt waren. Der Anspruch besteht aber nicht in der eingeklagten Höhe, da der geltend gemachte Betrag Positionen enthält, die gemäß der allein maßgeblichen Zusatzvereinbarung pauschal mit 80 DM monatlich abgegolten werden sollten.
Auf die Beklagte waren lediglich die in der getroffenen Zusatzvereinbarung erwähnten Positionen umgelegt, nicht dagegen alle generell umlagefähigen Nebenkosten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist für einen verständigen unbefangenen Betrachter ein diagonaler Strich durch die Aufstellung der Nebenkosten in § 4 des Mietvertrages nicht anders als ein Durchstreichen zu werten. Das hat zur Folge, dass § 4 Ziffer 2 des Mietvertrags sowie die dort enthaltene Bezugnahme auf Anlage 3 zu § 27 der Berechnungsverordnung durch die Zusatzvereinbarung nicht ergänzt, sondern diese ersetzt wurde.
Es ist mithin aufgrund Auslegung des § 4 des Mietvertrags in Verbindung mit der Zusatzvereinbarung davon auszugehen, dass nur diejenigen Betriebskosten gesondert geltend gemacht werden konnten, die in der Zusatzvereinbarung aufgelistet wurden. Eine andere Auslegung lässt auch insbesondere der Übertrag des zu zahlenden Nebenkostenbetrags in Höhe von 259,77 DM von der Zusatzvereinbarung in den Mietvertrag nicht zu.
Eine nach der Rechtsprechung zulässige pauschale Bezugnahme auf Anlage 3 zu § 27 der zweiten Berechnungsverordnung, der alle umlagefähigen Nebenkosten umfasst, enthält § 4 gerade nicht. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die Zusatzvereinbarung 80,00 DM für "Betriebskosten" ansetzt.
Die insoweit missverständliche Regelung ist so auszulegen, dass - sonstige - Betriebskosten in Höhe von 80 DM zu der monatlich zu entrichtende Grundmiete pauschaliert abgegolten werden sollten.
Nur die übrigen, im Einzelnen aufgeführten weiteren Positionen waren gesondert abzurechnen. Dies ergibt sich daraus, dass nur bei diesen sich die Formulierung nachgeordnet findet: "einer Vorauszahlung von". Ferner hätte es angesichts dessen, dass die übrigen aufgelisteten Positionen genau bezeichnet wurden, für die Annahme einer gesonderten Abrechnung auch einer Konkretisierung der Bezeichnung "Betriebskosten" bedurft. Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, geht die Unklarheit der Regelung zu Lasten der Klägerin als Verwenderin der Vertragsbedingungen. Der regelmäßig monatlich fest zu zahlende Betrag betrug damit 630 DM, hinzu kamen die in der Zusatzvereinbarung konkret aufgeführten Nebenkostenpositionen, die jährlich abzurechnen waren.
Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung errechnet sich daher aus der für das Jahr geleisteten Vorauszahlungen abzüglich 12 × 80 DM bzw. nach dem Umrechnungskurs der Deutschen Bundesbank 40,90 €, d.h. 490,84 €, da diese pauschal monatlich hätten gezahlt werden sollen. Von dieser Summe werden dann die einzeln in der Zusatzvereinbarung aufgeführten Positionen abgezogen.
Dies ergibt für das Jahr 2001 folgende Rechnung:
Für das Jahr 2002 ergibt sich folgende Rechnung:
Für das Jahr 2003 ergibt sich folgende Rechnung:
Für das Jahr 2004 ergibt sich folgende Rechnung:
Es besteht daher insgesamt ein Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung in Höhe von 559,85 €.
Hinsichtlich der übrigen in den Abrechnungen aufgeführten Positionen ist die Beklagte mit ihren Einwendungen gegen die Abrechnung auch nicht ausgeschlossen. Zwar ist der Berufungsführerin insoweit Recht zu geben, als eine Frist nach § 556 Abs. 3 S. 5 BGB grundsätzlich in Gang gesetzt wurde, da es sich bei den erstellten Abrechnungen um formal ordnungsgemäße Abrechnungen handelte. Die Klägerin legte jeweils gedanklich und rechnerisch nachvollziehbar die einzelnen Positionen sowie die Zusammenstellung des Gesamtbetrags dar. Aus den Aufstellungen gingen ferner der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, der auf die Beklagte entfallenden Anteil und der Abzug ihrer Vorauszahlungen hervor. Die Aufstellung der Positionen, die nach Auslegung des Mietvertrags nicht gesondert auf die Beklagte umgelegt werden sollten, betrifft nicht die formale Ordnungsgemäßheit der Abrechnungen, sondern ihren Inhalt. Die inhaltliche Unrichtigkeit verhindert aber nicht das Ingangsetzen einer Präklusionsfrist nach § 556 Abs. 3 S. 5 BGB.
Die Präklusion nach § 556 Abs. 3 S. 5 BGB scheitert aber hinsichtlich der nicht unter "Vorauszahlungsabrede erfassten Positionen (s.O.)" daran, dass die nicht als umlagefähig vereinbarten Nebenkosten hier bereits in dem monatlich pauschal zu entrichtenden Zahlbetrag enthalten waren. Bei Vereinbarung einer solchen sogenannten "Teilinklusivmiete", bei der die Vertragsparteien die Vorauszahlungen auf einen Teil der Nebenkosten beschränken und die übrigen anfallenden Nebenkosten mit dem regelmäßigen monatlichen Mietzins abgegolten sein sollen, ist für die inbegriffenen Nebenkosten nach § 556 Abs. 1 und Abs. 2 BGB keine Abrechnung vorgesehen. Dem Vermieter, der gleichwohl über diese Kosten abrechnet, fehlt hierfür daher die gesetzliche Grundlage, so dass der Mieter Einwände gegen derartige Ansätze auch noch nach Jahresfrist geltend machen kann (Langenberg, in: Schmidt-Futterer, 9. Auflage, 2007, Rn. 504).
Eine andere Ansicht, die den Mieter nach Ablauf der Präklusionsfrist ausnahmslos an die Abrechnung gebunden sehen will, ist abzulehnen, da der Mieter sonst doppelt mit bestimmten Positionen belastet werden könnte, sofern der Vermieter nur eine rechnerisch nachvollziehbare Kostenaufstellung erstellte.
Die Nebenforderung stützt sich auf §§ 247, 291 BGB i.V.m. § 696 Abs. 3 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO analog; 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Zulassung der Revision folgt aus § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.