Landgericht Hannover
Urt. v. 13.04.2007, Az.: 13 O 335/06
Anspruch auf Freistellung von einer anwaltlichen Honorarforderung; Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abtretung von Gebührenforderungen eines Rechtsanwalts zur Einziehung an eine anwaltliche Verrechnungsstelle
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 13.04.2007
- Aktenzeichen
- 13 O 335/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 54447
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2007:0413.13O335.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 134 BGB
- § 398 BGB
- § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO
- § 5 Abs. 2a ARB 2003
- § 1 Abs. 1 VVG
Fundstelle
- AGS 2007, 484-485 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Forderung aus Versicherungsvertrag
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2007
durch
die Richterin
...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Freistellung von zur Einziehung abgetretenen Rechtsanwaltsgebührenansprüchen.
Der Vater der Klägerin ist bei der Mecklenburgischen Versicherungsgesellschaft a.G., vertreten durch die Beklagte, mit einer Selbstbeteiligung von 150,- ? rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung zugrunde, in deren § 17 Abs. 7 es heißt: "Ansprüche auf Rechtsschutzleistungen können nur mit schriftlichem Einverständnis des Versicherers abgetreten werden."
Die Klägerin ist als am 10.07.2004 geborenes Kind mitversichert. Sie kam auffgrund eines groben Behandlungsfehlers der behandelnden Ärzte im Klinikum zu 100 % schwerbehindert zur Welt. Sie beauftragte, vertreten durch ihre Eltern, die Rechtsanwälte mit der Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen. Die Beklagte erteilte am 26.06.2006 Deckungszusage dem Grunde nach und bat um Bezifferung. Dies erledigten die Rechtsanwälte am 30.06.2006. Die Gebühren der Rechtsanwälte wurden der Klägerin am 28.06.2006 mit 12.632,23 ? in Rechnung gestellt.
Rechtsanwalt arbeitet mit der Deutschen Anwaltlichen Verrechnungsstelle (AnwVS) zusammen, die wiederum mit der ... kooperiert. Dazu tritt der Rechtsanwalt seine Honoraransprüche an die ... ab und diese zahlt den Rechnungsbetrag an den Rechtsanwalt. Die AnwVS produziert die Rechnung, versendet diese an den Rechnungsempfänger und übernimmt das Debitorenmanagement. Die Eltern der Klägerin wurden über dieses Verfahren informiert und erklärten sich am 11.09.2006 schriftlich damit einverstanden (Zustimmungserklärung, Bl 8 d.A.) und erteilten den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die Geltendmachung der Freistellungsansprüche aus dem Rechtsschutzversicherungsverhältnis Prozessvollmacht.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von der Rechnung der Deutschen Anwaltlichen Verrechnungsstelle AG Rechnungsnummer 0017-06-0127 vom 29.06.2006 durch Zahlung in Höhe von 12.482,23 ? an die Kontofreizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Klage sei nicht zulässig, weil die Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht wirksam bevollmächtigt seien. Die Abtretung der Gebührenansprüche der Rechtsanwälte an die sei wegen Verstoßes gegen das Abtretungsverbot des § 49 b Abs. 4 BRAO gemäß § 134 BGB nichtig. Im übrigen sei die Abtretung wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 7 ARB 2003 nicht wirksam. Die geltend gemachten Gebühren seien außerdem zu hoch und nicht fällig, weil die Schadensersatzansprüche der Höhe nicht nachvollziehbar dargelegt seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2007 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1.)
Die Klage wurde unter Vorlage einer ordnungsgemäßen Prozessvollmacht eingereicht. Die von der Beklagten erhobenen Einwände betreffen lediglich das Grundverhältnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten und der Klägerin, nicht jedoch die hiervon abstrakt zu beurteilende Wirksamkeit der Vollmacht.
2.)
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Freistellung von einer anwaltlichen Honorarforderung in Höhe von 12.482,23 ? nach § 1 Abs. 1 VVG i.V.m. § 5 Abs. 2 a) ARB 2003.
a)
Die Abtretung gemäß § 398 BGB der Gebührenansprüche der von der Klägerin beauftragten Rechtsanwälte an die zur Einziehung an die AnwVS ist wegen Verstoßes gegen das Abtretungsverbot des § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO i.V.m. § 134 BGB nichtig.
Nach § 49 Abs. 4 S. 2 BRAO ist die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an einen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten unzulässig, es sei, es liegen folgende Voraussetzungen kumulativ (nebeneinander) vor:
rechtskräftige Feststellung der Forderung
erfolgloser erster Vollstreckungsversuch
ausdrückliche schriftliche Einwilligung des Mandanten
Es entspricht herrschender Meinung (siehe Nachweise Landgericht Stuttgart, Urteil vom 28.02.2007, 13 S 304/06, Bl. 144 bis 155 d.A.) dass diese drei gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nebeneinander und nicht nur alternativ vorliegen müssen, was sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, nämlich dem Wort "und" ergibt. Das Landgericht Stuttgart - 13 S 304/06 - hat mit seinem beiden Parteien bekannten und in den Akten befindlichen Urteil vom 28.02.2007, umfassend, ausführlich und überzeugend begründet, dass der Wortlaut des § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO keine andere Auslegung zulässt, es sich nicht um einen "redaktionellen Fehler" des Gesetzgebers handelt, unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte von § 49 b Abs. 4 BRAO keine Auslegung gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes geboten ist und weder die Auslegung nach Sinn und Zweck des § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO noch die systematische Auslegung zu einem anderen Ergebnis führen. Es hat weiter überzeugend ausgeführt, dass die Vorschrift nicht verfassungswidrig ist. Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht vollumfänglich an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des in den Akten befindlichen Urteils (Bl. 148 bis 155 d.A.).
Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 01.03.2007, IX ZR 189/05) zu § 49 Abs. 4 BRAO ausgeführt hat:
"Der Rechtsausschuss des Bundestages und ihm folgend der Bundestag hatten die Absicht, eine Offenbarungsbefugnis des Zedenten gegenüber Rechtsanwälten zu schaffen. Dies kommt bereits in der oben unter a) zitierten Fassung des Entwurfs der Bundesregierung zum Ausdruck. Sie erklärt allein die Abtretung an nicht als Rechtsanwälte zugelassene Dritte für unzulässig, sofern nicht ausnahmsweise die dort genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Diese Regelung zwingt schon vom Wortlaut her zu dem Gegenschluss, dass die Abtretung an Rechtsanwälte demgegenüber keinen Beschränkungen unterworfen sein soll."
Daraus ergibt sich, dass auch der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass die Voraussetzungen des § 49 b Abs. 4 S. 2 BRAO nebeneinander vorliegen müssen.
Vorliegend gibt es lediglich eine schriftliche Zustimmungserklärung der Eltern bzw. eines Elternteils der Klägerin. Es fehlen jedoch sowohl rechtskräftige Forderungsfeststellung und als auch ein erster fruchtloser Vollstreckungsversuchs vor der Abtretung.
b)
Im übrigen steht einer Abtretung auch § 17 Abs. 7 ARB 2003 entgegen. Danach bedarf die Abtretung der Ansprüche auf Rechtsschutzleistungen dem schriftlichen Einverständnis des Versicherers. Eine solche Einverständniserklärung liegt hier unstreitig nicht vor.
Diese Klausel, die § 20 Abs. 1 ARB 75 mit dem Unterschied entspricht, dass es für die Abtretbarkeit von Rechtsschutzansprüchen nicht mehr auf die "Feststellung" des Versicherungsanspruchs ankommt, ist wirksam. Eine Abtretung kann lediglich dann zulässig sein, wenn es der Versicherungsnehmer Kaufmann und der Versicherungsfall für ihn ein Handelsgeschäft ist (Harbauer, Rechtschutzversicherung, 7 Aufl., 2004, § 20 ARB 75, Rdnr. 3., § 17 ARB 94/2000 Rdnr. 15 jeweils mit m.w.N.) Ein solcher Fall liegt hier auch nicht vor.
Die Klausel verstößt auch nicht gegen § 307 BGB, da sie den Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligt (Harbauer, a.a.O., § 20 ARB 75, Rdnr. 3 m.w.N). Im übrigen widerspricht das Abtretungsverbot auch nicht dem gesetzlichen Leitbild des § 399 BGB, da dieser ausdrücklich anordnet, dass die Abtretung auch durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen werden darf.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur (Harbauer, a.a.O., § 20 ARB 75, Rdnr. 3. m.w.N.) anerkannt, dass die Rechtsschutzversicherung sich durch die Gestaltung ihrer Versicherungsbedingungen vor einer Abtretung schützen darf, weil die Rechtssprechung die Abtretung der Forderung an einen Rechtsanwalt als grundsätzlich zulässig ansieht. Das Abtretungsverbot soll die Vernehmung des Versicherungsnehmers als Zeugen in Angelegenheiten des Versicherungsschutzes verhindern und sicherstellen, dass der Versicherer etwaige Abwicklungsfragen nur mit seinem Vertragspartner, dem Versicherungsnehmer, und nicht mit - möglicherweise mehreren - außenstehenden Dritten zu behandeln braucht.
3.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus§ 709 ZPO.