Landgericht Hannover
Urt. v. 22.11.2007, Az.: 8 O 281/06

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
22.11.2007
Aktenzeichen
8 O 281/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 60631
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2007:1122.8O281.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 19.09.2008 - AZ: 8 U 11/08

In dem Rechtsstreit

...

wegen Anspruch aus Versicherungsvertrag

hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 28.08.2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht Schulz, den Richter am Landgericht Schmidt und den Richter Dr. Damm

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits sowie die durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt die Klägerin.

  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Ersatz des ihr im Zusammenhang mit dem Einsammeln von Geldern durch Unternehmen der Heros-Gruppe entstandenen Schadens aufgrund eines Versicherungsvertrages des Transportunternehmens mit der Beklagten.

2

Die Klägerin schloss mit der Heros-Transport GmbH unter dem 21./24.11.1994 einen Geldtransport- und Geldentsorgungsvertrag (Anlage K1 - Anlagenband K I) sowie mit der N. GmbH einen Geldbearbeitungs- und Geldlagerungsvertrag (Anlage K 2 Anlagenband K I). Nach diesen Verträgen sollten die in den Filialen der Klägerin eingenommenen Gelder von den genannten Unternehmen abgeholt, in sog. Cash-Centern gezählt und zur Einzahlung bei der Bundesbank vorbereitet und sodann bei einer Filiale der Bundesbank eingezahlt werden.

3

Die Heros-Transport GmbH hatte bei der Beklagten eine Transportversicherung gemäß der Police 7265 (vgl. Anlagen K 59 Anlagenband K I) abgeschlossen. Diese Versicherung erfasste neben der Heros Transport GmbH weitere Unternehmen der Heros-Gruppe. Die Versicherung 7265 wurde sodann in eine Valorenversicherung gemäß der Police 7509 (Anlage K 4 Anlagenband K I) umgewandelt. Der Zeitpunkt der Vertragsänderung ist zwischen den Parteien streitig. Die eingeschaltete Versicherungsmaklerin, die M. GmbH, teilte mit Faxschreiben vom 26.11.2001 (Anlage B 19 - Bl. 766 d.A.) mit, die Deckung 7509 sei per 1.12.2001 in Kraft gesetzt. In einem Anschreiben der M. GmbH vom 16.07.2003 an die Klägerin (Anlage K 77 Anlagenband K I) wurde mitgeteilt, die Versicherung sei zum 1.12.2002 neu geordnet worden. In der der Klägerin übersandten Bestätigung der M. GmbH vom 17.05.2005 (Anlage K3 Anlagenband K I) ist eine Vertragsdauer "ab 1.12.2002" vermerkt.

4

Die Beklagte haftet gemäß dem Versicherungsvertrag neben weiteren (Mit-) Versicherern mit einer Quote von 62,5 %.

5

Nach Entnahmen eingesammelter Kundengelder durch Mitarbeiter der Herosgruppe seit den 90er Jahren war eine erhebliche Liquiditätslücke entstanden, die sich durch weitere Entnahmen und erwirtschaftete Verluste laufend vergrößerte. Die Verantwortlichen der Heros-Gruppe verheimlichten dies über mehrere Jahre, indem sie eingenommene Gelder nach dem Schneeballsystem mit Verzögerung an die Kunden auszahlten und die Fehlbestände durch bei anderen Kunden frisch eingesammelte Gelder ausglichen. Nach den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden entstand so ein Gesamtschaden von mehreren Hundert Millionen Euro.

6

Die eingesammelten Kundengelder wurden dabei zu weiten Teilen zunächst auf zwei Kundenkonten der Heros-Gruppe bei der Bundesbank eingezahlt und sodann nach Bedarf und Dringlichkeit an Unternehmen der Heros-Gruppe und an die Kunden weitergeleitet.

7

Am 17.02.2006 wurden führende Mitarbeiter der Heros-Gruppe verhaftet. Der Geschäftsführer der Heros Transport GmbH stellte am 20.02.2006 für diese und weitere Gesellschaften der Heros- Gruppe den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Bundesbank hielt auf dem Heros-Konto eingezahlte Gelder in Höhe von 140 Millionen Euro zunächst zurück und kehrte diese später weitgehend an die geschädigten Kunden aus, soweit deren Berechtigung festgestellt werden konnte. Die Klägerin zeigte den Schaden unter dem 24.02.2006 der M. GmbH an (Anlage K 15 Anlagenband K I). Mit Anwaltschreiben vom 7.04.2006 forderte sie die Beklagte zur Anerkennung ihrer Ersatzpflicht auf (Anlage K 19 Anlagenband K I).

8

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 8.01.2007 und 29.01.2007 die Anfechtung des Versicherungsvertrages erklärt (Anlage B 9 Anlagenband Bekl. und B 21 <Bl. 770 d.A.>).

9

Die Klägerin meint, die Beklagte sei entsprechend ihrer Haftungsquote zum Ersatz des ihr entstandenen Schadens sowie der vorgerichtlichen Anwaltskosten verpflichtet. Die in den Filialen der Klägerin eingesammelten Tageseinahmen vom 17. und 18.02.2006 in Höhe von 3 130 765,00 € und 718 760,00 € (vgl. Anlagenkonvolute K 46 und K 47 Anlagenordner) seien von Heros nicht an die Klägerin ausgekehrt worden. Vom Insolvenzverwalter seien diese Beträge nebst Zinsen zur Tabelle festgestellt worden (Anlage K 48 Anlagenordner).

10

Die Klägerin ist der Ansicht, der Versicherungsvertrag sei dahin auszulegen, dass die eingesammelten Gelder versichert gewesen seien, solange sie dem Zugriff der Heros-Gruppe unterlagen. Dies ergebe sich bereits aus der Gesamtschau des Versicherungsvertrages, der Versicherungsbestätigung vom 17.05.2005 und der abgeschlossenen Geldtransport- und Dienstleistungsverträge. Diese seien der Beklagten bekannt gewesen. Die Formulierung im Versicherungsvertrag (Ziffer 3.1 + 2 der Police 7509), nach der Versicherungsschutz bis zur Übergabe der Gelder an eine von dem Auftraggeber - hier der Klägerin - autorisierte Person bestehe, sei dahin zu verstehen, dass jeglicher Verlust bis zur Einzahlung auf einem Kundenkonto der Klägerin zu ersetzen sei. Der Ziffer 4 des Dienstleistungsvertrages mit der N. GmbH sei zu entnehmen, dass die eingesammelten Gelder auf das "Konto des Auftraggebers", mithin dem Kundenkonto - der Hausbank - der Klägerin bei der Bundesbank eingezahlt werden sollten. Lediglich für einige Cash-Center sei die Klägerin in Kenntnis gesetzt worden, dass eine Sammelüberweisung erfolge, ohne dass ein Pooling mit anderen Kundengeldern auf einem Heros-Konto erwähnt worden sei.

11

Die Klägerin hat zunächst einen Betrag von 2 405 953,10 € geltend gemacht. Nach weiteren Auszahlungen hat sie den Rechtsstreit in Höhe von insgesamt 362 713,60 € für erledigt erklärt.

12

Die Klägerin beantragt nunmehr,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2 043 239,55 € nebst

    Zinsen in Höhe von 5 % aus 2 405 953,10 € für den Zeitraum vom 22.03.2006 bis einschließlich 22.04.2006,

    Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

    aus 2 405 953,10 € für den Zeitraum vom 23.04.2006 bis einschließlich 14.07.2006

    aus 2 376 415,60 € für den Zeitraum vom 15.07.2006 bis einschließlich 3.08.2006,

    aus 2 265 690,60 € für den Zeitraum vom 4.08.2006 bis einschließlich 6.09.2006,

    aus 2 216 390,60 € für den Zeitraum vom 7.09.2006 bis einschließlich 18.09.2006,

    aus 2 199 349,97 € für den Zeitraum vom 19.09.2006 bis einschließlich 7.11.2006,

    aus 2 147 516,56 € für den Zeitraum vom 8.11.2006 bis einschließlich 28.12.2006 sowie

    aus 2 043 239,55 € seit dem 29.12.2006

    und vorgerichtliche Kosten in Höhe von 22 115,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

  2. sowie festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 362 713,60 € erledigt ist.

13

Die Beklagte und die Streithelfer beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

14

Die Beklagte meint, der Verlust der Gelder sei nicht von dem Versicherungsvertrag umfasst, weil dieser lediglich den Transport der Gelder bis zur Bundesbank, nicht aber die spätere Abzweigung von Giralgeld erfasst habe. Das Geld sei aber nicht auf dem Transportweg beiseite geschafft worden. Die Beklagte behauptet, der Klägerin sei bekannt gewesen, dass die Gelder auf einem Heros-Konto gesammelt und von diesem in Sammel-Überweisungen an die Klägerin ausgekehrt worden seien. Da dies über längere Zeit praktiziert worden sei, habe die Klägerin diesem Verfahren zugestimmt. Das Transportrisiko habe sich daher nicht verwirklicht.

15

Die Beklagte meint zudem, der Versicherungsvertrag sei durch die erklärte Anfechtung nichtig und könne daher nicht mehr Grundlage des geltend gemachten Anspruchs sein. Sie behauptet, der Vertrag sei zum 1.12.2001 auf die Valorenversicherung umgestellt worden. In diesem Zeitpunkt habe aber bereits - unstreitig - eine erhebliche Liquiditätslücke in Millionenhöhe bestanden, die über das Schneeballsystem vertuscht worden sei. Über diese Umstände hätten die Verantwortlichen der Heros-Gruppe die Beklagte arglistig getäuscht. Die Beklagte habe erst bei Zusammenbruch der Heros-Gruppe im Februar 2006 Kenntnis von dieser Täuschung erlangt, so dass die Anfechtung innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgt sei.

16

Schließlich bestreitet die Beklagte den geltend gemachten Schaden. Sie meint zudem, das Zusammenbrechen des von Heros betriebenen Schneeballsystems sei als einheitliches Schadenereignis zu werten, so dass bei einem entstandenen Gesamtschaden von 540 Millionen Euro an die Klägerin allenfalls ein Betrag von 34 500 € zu erstatten sei.

17

Die Klägerin meint, die Anfechtung sei bereits durch die Ziffer 13.4 der Versicherungspolice ausgeschlossen. Ein Anfechtungsgrund sei nicht gegeben, denn die Beklagte habe in Person des Zeugen S.... K.... von den Unregelmäßigkeiten bei Heros gehabt und sei durch großzügige Geschenke an den Zeugen S.... zum Stillhalten veranlasst worden. Zudem sei die Anfechtungserklärung ohne Beifügen der entsprechenden Vollmachten übersandt worden.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie der Streithelfer nebst Anlagen verwiesen.

19

Die Klage ist der Beklagten am 9.06.2006 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist unbegründet.

21

I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens aus dem Versicherungsvertrag der Heros-Transport-GmbH mit der Beklagten in Verbindung mit der in § 5 Nr. 1 des Transportvertrages vereinbarten Abtretung zu.

22

1. Dabei kann dahin stehen, ob die Aktivlegitimation der Klägerin allein aus der Abtretung der Ansprüche in § 5 Nr. 1 des Transportvertrages hergeleitet werden kann oder ob es einer Ermächtigung zur Klage durch die Versicherungsnehmerin (den Insolvenzverwalter) bedurfte. Da Zahlungen des Versicherers gemäß Ziffer 11.3.1. der Versicherungspolice mit schuldbefreiender Wirkung ohnehin nur an die Klägerin erfolgen können, dürfte von einer solchen Ermächtigung auszugehen sein.

23

2. Die von der Klägerin geltend gemachten Verluste stellen keinen Versicherungsfall im Sinne des Versicherungsvertrages zwischen der Heros Transport GmbH und der Beklagten dar. Durch den Versicherungsvertrag wurde lediglich das von der Heros Transport GmbH transportierte und von der N. GmbH bearbeitete Bargeld der Klägerin versichert (a.). Es ist jedoch auf dem versicherten Transportweg kein Bargeld der Klägerin entwendet worden (b.).

24

a) Die Valorenversicherung der Beklagten zu Gunsten der Unternehmen der Heros-Gruppe (Nr. 7509) erfasste lediglich den Verlust von Bargeld der Auftraggeber der Heros-Gruppe, nicht jedoch das "Abzweigen" der auf dem Heros-Konto bei der Bundesbank gesammelten Gelder der Klägerin zu anderen Zwecken.

25

aa) Dem Versicherungsvertrag ist nicht zu entnehmen, dass auch das auf dem Poolkonto gesammelte Giralgeld vom Versicherungsschutz erfasst sein sollte. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus den Ziffer 3.1. und 3.2. der Versicherungspolice, nach der Versicherungsschutz von der Übernahme der Gelder vom Auftraggeber der Versicherungsnehmer bis zur Übergabe bei einer vom Auftraggeber vorher bezeichneten Stelle an eine autorisierte Person gewährt wurde. Nach dem Wortlaut dieser Regelung und den weiteren Versicherungsbedingungen handelte es sich - im Kern - wie bei der Vorgängerversicherung 7265 um eine Transportversicherung, also eine Versicherung gegen die spezifischen Risiken des Transports von Wertgegenständen durch einen Dritten und der auf dem Transportweg erleichterten Zugriffsmöglichkeiten. Dies ergibt sich etwa aus den Regelungen über die in Abhängigkeit von dem Transportfahrzeug differierenden Höchstsummen und das Bürgersteigrisiko in Ziffer 4 der Police oder den Regelungen über die Verschollenheit in Ziffer 12. Dieses erhöhte (Verlust-)Risiko während des Transports entfiel jedoch durch die Einzahlung der eingesammelten Gelder bei der Bundesbankfiliale. Ab diesem Zeitpunkt war insbesondere die Entwendung von Geldern durch Einzahlungsbelege, Kontoauszüge und Überweisungsbelege nachprüfbar. Auch war nur einem eingeschränkten Personenkreis der Zugriff auf die Konten bei der Bundesbank möglich.

26

bb) Ein weitergehender Versicherungsschutz ist auch nicht einer "Bezugnahme" auf den Transportvertrag der Klägerin mit der Heros Transport GmbH zu entnehmen. Zwar erwähnt die Police in der Präambel, es seien Wertgegenstände im Gewahrsam von Heros oder eingesetzten Subunternehmern "während sämtlicher Transporte, Lagerungen, Bearbeitung und sonstiger vom Versicherungsnehmer vertraglich übernommenen Tätigkeiten" Gegenstand der Versicherung. Auch nimmt Ziffer 2.1.1.1 in gewisser Weise Bezug auf das Vertragsverhältnis zwischen Heros und der Klägerin, denn danach sind Schäden mitversichert, die durch frühere Mitarbeiter von Heros verursacht werden, "soweit Heros hierfür nach gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen dafür haftet". Aus diesen Formulierungen ist aber nicht abzuleiten, dass der Versicherungsschutz jede vertragliche Haftung der versicherten Unternehmen der Heros-Gruppe bis zur Auskehr der eingesammelten Gelder an die Klägerin umfasste. Aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers waren die in Ziffer 3 der Police niedergelegten Grenzen des Versicherungsschutzes auch insoweit zu beachten: Der Versicherungsschutz bezog sich danach auf versicherte Wertgegenstände bei Transport und im Gewahrsam der Versicherungsnehmer bis zur Übergabe an die autorisierte Person bei der vom Auftraggeber bezeichneten Stelle. Der unterschiedliche Ansatz der Regelungen - der Umfang des Versicherungsschutzes in Ziffer 2 und die zeitliche (und örtliche) Begrenzung des Versicherungsschutzes in Ziffer 3 - lässt eine erweiternde Auslegung der in Ziffer 3 bestimmten zeitlichen Grenzen aufgrund der Regelungen in Ziffer 2 nicht zu.

27

cc) Auch die Einbeziehung der FDD GmbH in den Kreis der mitversicherten Unternehmen der Heros-Gruppe und damit in den Versicherungsschutz bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Einbeziehung von Giralgeld in den Versicherungsschutz. Dabei kommt dem Umstand, dass diese Gesellschaft nicht zur Eintragung gelangt ist, keine Bedeutung zu. Selbst wenn die FDD GmbH Tätigkeiten im Bereich des Giralverkehrs ausgeführt haben sollte, so hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist es dem Vertrag zu entnehmen, dass die Einbeziehung der FDD GmbH zu einer Erweiterung des Versicherungsschutzes führen sollte. Es mag durchaus Gründe für die Einbeziehung der FDD GmbH in den Kreis der versicherten Unternehmen gegeben haben. Für den Versicherungsschutz waren jedoch die Bestimmungen des Versicherungsvertrages maßgeblich, so dass eine Mitversicherung der FDD GmbH nur in den Grenzen des Versicherungsvertrages - mithin für eine etwaige Mitwirkung bei dem Transport oder der Bearbeitung der Gelder bis zu Einzahlung bei der Bundesbank - gegeben war.

28

dd) Schließlich ergibt sich ein Versicherungsschutz bezüglich der eingezahlten Gelder nicht aus der von der Beklagten dargelegten Praxis des Poolverfahrens. Zwar mögen die Parteien insoweit konkludent den Transportvertrag sowie den Geldbearbeitungsvertrag erweitert haben (siehe unten b) bb)). Eine Änderung des Versicherungsvertrages würde aber - unabhängig von der vereinbarten Schriftform - eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien des Versicherungsvertrages voraussetzen. Für eine solche ist jedoch mit Substanz nichts vorgetragen. Selbst eine etwaige Kenntnis von dem Poolverfahren auf Seiten der Beklagten oder eine etwaige der Beklagten zurechenbare Kenntnis des Versicherungsmaklers hätte keine Erweiterung des Versicherungsvertrages zur Folge. Es fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass seitens der Beklagten auch für etwaige Giralgeldverluste Versicherungsschutz gewährt werden sollte. Eine entsprechende - konkludente - Zustimmung der Beklagten ist nicht ersichtlich.

29

ee) Auch wenn die Verantwortlichen der Heros-Gruppe im November 2005 versucht haben sollten, eine Einbeziehung der Giralgelder in die Exzedentenversicherung mit den Streithelfern abzuklären, lässt dies nicht den Schluss zu, dass die Parteien des Versicherungsvertrages davon ausgingen, dass mit dieser Einbeziehung eine Gleichstellung der XS-Versicherung mit der Valorenversicherung zu erreichen sei. Es ist insoweit nicht hinreichend dargelegt, dass die Vertragspartner der Valorenversicherung von einem solchen - erweiterten - Versicherungsschutz ausgingen.

30

b) Die Klägerin hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass die geltend gemachten Verluste vor der Einzahlung der eingesammelten Gelder bei der jeweiligen Filiale der Bundesbank eingetreten sind und daher vom Versicherungsschutz erfasst waren.

31

aa) Nicht zu folgen ist der Klägerin darin, es sei bereits eine schadensgleiche Vermögensgefährdung bei Abholung der Gelder in den Filialen der Klägerin durch die Heros-Gruppe erfolgt. Insbesondere kann - bezüglich des Versicherungsschutzes - nicht darauf abgestellt werden, die konkrete Gefahr des Zusammenbruchs der Firmengruppe und des Schadenseintritts auf Seiten der Klägerin habe bereits bei Abholung der Gelder bestanden. Versichert waren gemäß Ziffer 2.1. "Verluste und Schäden", die jedoch erst durch die anderweitige Verwendung der eingezahlten Gelder und damit zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem - wie unter a) ausgeführt - ein Versicherungsschutz nicht mehr bestand.

32

bb) Der geltend gemachte Verlust des eingesammelten Bargeldes ist auch nicht dadurch eingetreten, dass dieses nicht auf ein Kundenkonto der Klägerin oder ihrer Hausbank bei der Bundesbank, sondern auf ein Heros-Konto eingezahlt worden ist. Die "vom Auftraggeber bezeichnete Stelle" im Sinne von Ziffer 3.2. der Versicherungspolice war nach den Transport- und Geldbearbeitungsverträgen die Filiale der Bundesbank. "Autorisierte Person" war mithin der für den Empfang des Geldes zuständige Mitarbeiter der Bundesbank. Auch wenn Ziffer 4 des Geldbearbeitungsvertrages dahin auszulegen wäre, dass die Einzahlung "auf ein Konto des Auftraggebers" beinhaltete, dass das Geld auf ein Kundenkonto der Hausbank bei der Bundesbank einzuzahlen war, so geschah das davon abweichende Pooling der Gelder auf einem Kundenkonto der Heros-Gruppe mit Billigung der Klägerin. Soweit die Klägerin dazu vorgetragen hat, es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass die Gelder nicht über ein Bundesbank-Asservatenkonto (cpd), sondern über ein Heros-Konto an die Klägerin ausgezahlt wurden, fehlt dem Vorbringen angesichts des konkreten Vortrags der Beklagten die hinreichende Substanz. Unstreitig hat die Klägerin Sammelüberweisungen erhalten (vgl. etwa Tageskontoauszug vom 1.02.2006 - Anlage B 5), die ein Pooling der eingesammelten Gelder bei der Bundesbank voraussetzten. Zudem hat der Zeuge F.... bei seiner polizeilichen Vernehmung (Bl. 438ff d.A.) angegeben, es sei zwar zunächst vorgesehen gewesen, dass die Gelder der Klägerin auf das Konto der Deutschen Bank bei der Bundesbank eingezahlt würden. Das Verfahren sei jedoch durch mündliche Vereinbarung dahingehend geändert worden, dass die Gelder zunächst auf ein Bundesbankkonto der Heros-Gruppe eingezahlt und sodann durch die Viersener Zentrale auf das Konto der Klägerin überwiesen wurden. Mit dieser Verfahrensweise sei die Klägerin einverstanden gewesen. Diesen Angaben eines ihrer im Bereich der Finanzen führenden Mitarbeiters ist die Klägerin nicht substantiiert entgegen getreten. Soweit die Klägerin geltend macht, die Zustimmung sei nur dahingehend erfolgt, dass Gelder der Klägerin auf dem Heros-Konto gesammelt würden, nicht aber eine Vermengung mit Geldern anderer Auftraggeber der Heros-Gruppe erfolgte, mag vor dem Hintergrund der Angaben des Zeugen F.... bezweifelt werden, ob das Einverständnis der Klägerin in dieser Weise beschränkt war. Für die Frage des Versicherungsschutzes (Verlust von Bargeld) wäre jedoch eine solche Beschränkung nicht erheblich, denn insoweit ist entscheidend, dass die eingezahlten Gelder nicht bereits mit der Einzahlung der Gelder bei der Bundesbankfiliale (auf ein Kundenkonto) dem Zugriff der Heros-Verantwortlichen entzogen waren, sondern diese weiterhin darüber - über das Pool-Konto - verfügen konnten.

33

Vor diesem Hintergrund lag eine - vom Versicherungsschutz erfasste - Unterschlagung der transportierten und bearbeiteten Gelder bis zur Einzahlung auf das Heros-Poolkonto nicht vor. Mit dieser Einzahlung erfolgte noch keine widerrechtliche Aneignung der Gelder. Erst mit der Überweisung zu anderen Zwecken verfügten die Verantwortlichen der Heros-Gruppe widerrechtlich über die eingesammelten Kundengelder zu Lasten der Vertragspartner.

34

Dabei kommt es nicht darauf an, ob etwaige Überweisungsaufträge (Zahlscheine) bereits vor der Einzahlung der eingesammelten Gelder erstellt und bei der Bundesbank eingereicht wurden. Selbst solche Überweisungsaufträge konnten nur auf die mit Billigung der Klägerin auf dem Poolkonto eingegangenen Gelder Wirkung entfalten. Der Zugriff auf die Poolgelder war jedoch - wie unter a) ausgeführt - nicht versichert.

35

Die vom Zeugen F.... beschriebene Vertragsänderung des Transport- und insbesondere des Geldbearbeitungsvertrages war trotz des Schriftformvorbehalts möglich. Die Parteien konnten auch diesen Vorbehalt ohne schriftliche Vereinbarung abändern. Selbst wenn man aber eine Vertragsänderung verneint, so hat die Klägerin tatsächlich darin eingewilligt, dass die Gelder zunächst auf das Heroskonto eingezahlt wurden und damit über den versicherten Transportweg hinaus dem Zugriff der Heros-Gruppe unterlagen.

36

cc) Die Klägerin hat ferner den Verlust von Bargeld der Klägerin - vor der Einzahlung bei der Bundesbank - nicht hinreichend dargelegt. Der Umstand, dass auch am 17.02. und 18.02.2006 eingesammelte Gelder nicht bei der Bundesbank abgeliefert, sondern zu anderen Zwecken verwandt worden sind, genügt insoweit nicht. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann sich diese insoweit nicht auf den Vortrag beschränken, die hier geltend gemachten Gelder seien an die Mitarbeiter der Heros-Gruppe übergeben, jedoch nicht vollständig ausgekehrt worden. Da die Klägerin für das Vorliegen des Versicherungsfalls darlegungsbelastet ist, hat sie auch den Verlust der Gelder auf der versicherten (Transport-) Strecke bis zur Übergabe an die Bundesbankfiliale darzulegen, woran es vorliegend fehlt. Nach den von der Klägerin eingereichten Unterlagen, insbesondere der Mitteilung der Fa.E. & Y. (Anlagen K 72ff Anlagenband Kl. I) sind die bei den verschiedenen Cash-Centern am 17.02. und 18.02.2006 gesammelten und gezählten Gelder weitgehend bei der Bundesbank eingezahlt worden. Lediglich für das Cash-Center Irxleben (Magdeburg) ergibt sich ein erheblicher Fehlbetrag von etwa 3 Millionen Euro, denn der Summe der gezählten Gelder von etwa 4,1 Millionen Euro steht die Summe der eingezahlten Gelder von 1,1 Millionen Euro gegenüber. Da jedoch im Bereich Irxleben am 17.02.2006 lediglich 56 735,00 € (Anlage K 75) von der Klägerin gezählt worden sind, lässt sich nicht feststellen, dass dieser Betrag nicht in dem bei der Bundesbank eingezahlten Betrag von 1,1 Millionen Euro enthalten, sondern zuvor unterschlagen worden ist. Vor diesem Hintergrund steht bereits nach dem Vortrag der Klägerin nicht fest, ob und ggfs. welche Beträge bei den Filialen der Klägerin abgeholt, nicht aber bei der entsprechenden Bundesbankfiliale eingezahlt worden sind.

37

II. Ebenso wenig steht der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf die Verletzung einer Nebenpflicht der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag zu. Eine drittschützende Nebenpflicht zur Kontrolle der Versicherungsnehmerin und der mitversicherten Unternehmen ergab sich aus dem Versicherungsvertrag nicht. Es lag vielmehr im eigenen Interesse der Beklagten und ihrer Mitversicherer, dass Verluste von Kundengeldern soweit wie möglich unterblieben. Selbst wenn der Beklagten die Unregelmäßigkeiten bei Heros bekannt gewesen wären, so ergab sich daraus nicht die Pflicht, die Auftraggeber der Heros-Gruppe darüber zu informieren. Die Kunden selbst wurden durch verzögerte Auszahlungen darauf aufmerksam. Schadensmeldungen wurden im Übrigen regelmäßig kurzfristig wieder zurückgezogen. Eine Kenntnis von der erheblichen Liquiditätslücke und dem entwickelten Schneeballsystem oder gar ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten mit Verantwortlichen der Heros-Gruppe ist nicht dargelegt. Soweit die Klägerin auf die Freundschaft des Geschäftsführers der Heros-Transport-GmbH mit dem für die Beklagte tätigen Zeugen S.... und auf Zuwendungen an diesen verweist, lassen diese Umstände - etwa großzügige Geschenke - nicht den Schluss zu, dass der Zeuge in die "Machenschaften" der Heros-Gruppe eingeweiht war.

38

Das Vorbringen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 15.11.2007 gibt keine Veranlassung, in die mündliche Verhandlung wieder einzutreten.

39

III. Mangels eines begründeten Anspruchs auf Ersatz der entstandenen Vermögenseinbußen hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

40

IV. Soweit die Klägerin die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreit im Hinblick auf die bei der Bundesbank asservierten und nach Rechtshängigkeit ausgekehrten Gelder begehrt, ist die Klage ebenfalls unbegründet, denn ein Ersatzanspruch der Klägerin bestand aus den ausgeführten Gründen auch insoweit nicht.

41

V. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91,101 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Schulz
Schmidt
Dr. Damm