Landgericht Hannover
Urt. v. 23.10.2007, Az.: 32 O 67/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 23.10.2007
- Aktenzeichen
- 32 O 67/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 60633
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2007:1023.32O67.07.0A
In dem Rechtsstreit
...
hat die 32. Zivilkammer (7. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 02.10.2007 durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...,
den Handelsrichter ... und
den Handelsrichter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 8 000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Verfügungskläger nimmt den Verfügungsbeklagten wegen Wettbewerbsverstößen in Anspruch, nachdem ihn der Verfügungsbeklagte zuvor ebenfalls wegen Wettbewerbsverstößen in Anspruch genommen hat (Bl. 15-25 d.A., Anlage A 15). Beide Parteien beschäftigen sich mit dem Internethandel (insbesondere über ...) und bieten u.a. PC-Hardware an.
Am 31.07.2007 bot der Verfügungsbeklagte unter dem Suchkriterium "neu" einen Papierspeicher an (Bl, 26, 27 d.A.). Unter Zustand ist vermerkt: "Transportschaden, 1 × ausgepackt. Das Gerät ist optisch wie neu und technisch einwandfrei. Allerdings ist die Verpackung etwas beschädigt." Unten ist unter der Überschrift ‚Rechnung und Gewährleistung‘ vermerkt: "Sie bieten auf einen Restposten aus Kundenrücklauf. Es gelten die gesetzlichen Vorschriften über Mängelansprüche. Die Abbildungen müssen nicht den tatsächlichen Produkten entsprechen." Unter der Überschrift ‚Meine Richtlinien‘ wird folgende Formulierung verwandt: "Bei fehlenden oder kaputtgegangenen Kleinteilen ist fast immer eine gratis Nachsendung möglich." (Bl. 28 d.A.) Auf Seite 2 verweist der Verfügungskläger zum Versand auf folgendes: "Sobald der Kaufpreis inklusive Mehrwertsteuer auf dem angegebenen Konto gezahlt wurde, wird der Versand veranlaßt."
Am 03. Juli 2007 mahnte der Verfügungskläger im Rahmen der Antwort auf eine Abmahnung des Verfügungsbeklagten diesen wegen der Klausel zu fehlenden Kleinteilen ab (A 14).
Mit Schreiben vom 03.08.2007 (Bl. 36 ff.d.A.) wurde der Verfügungsbeklagte wegen der hier geltend gemachten Verstöße abgemahnt. Dieser lehnte eine Unterlassungserklärung unter dem 22.08.2007 ab (Bl. 40 d.A.). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ging am 14.09.2007 per Fax beim Gericht ein.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beschreibung "neu" dürfe bei Geräten, die sich nicht mehr in der Originalverpackung befinden, bzw. bereits einmal ausgepackt wurden oder benutzt wurden, nicht verwendet werden. Inwieweit die vom Beklagten angebotenen Geräte bereits benutzt worden seien, sei unklar, jedoch spreche die Bezeichnung Kundenrücklauf hierfür. Die Produktbeschreibung des Verfügungsbeklagten sei unklar, da lediglich in kleiner Schrift unten darauf hingewiesen werde, dass Abbildungen nicht dem Produkt entsprechen müssen. Die Zahlungsklausel begründe eine unzulässige Vorauszahlungspflicht, zudem sei der Liefertermin zu ungenau. Die Klausel zu fehlenden Kleinteilen erwecke den Eindruck, die gesetzlichen Gewährleistungsrechte seien eingeschränkt. Der Verfügungsbeklagte behauptet, die Klausel zur Lieferung habe er Anfang Juli zur Kenntnis genommen, jedoch habe er erst Anfang August von seinem Prozessbevollmächtigten erfahren, dass dies ein Wettbewerbsverstoß sein. Die Verstöße zu 1. und 2. habe er Ende Juli 2007 im Internet gefunden.
Der Verfügungskläger beantragt,
dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 25 000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten aufzugeben, im Geschäftsverkehr folgende Handlungen zu unterlassen:
- 1.
Geräte oder Produkte, welche sich nicht mehr in ihrer Originalverpackung befinden; bzw. schon einmal ausgepackt oder benutzt worden sind, als neu zu bezeichnen;
- 2.
in Produktbeschreibungen bei Verkäufen über ebay Fotos von den zu verkaufenden Geräten zu verwenden, welche nicht mit der zu verkaufenden Sache identisch sind, ohne den Kunden direkt unter dem Bild in drucktechnisch deutlicher Form darauf hinzuweisen, dass die Abbildung nicht der zu verkaufenden Sache entsprechen muss;
- 3.
im Rechtsverkehr mit Verbrauchern folgende Klausel oder ähnliche Formulierung zu verwenden: "Sobald der Kaufpreis inklusive Mehrwertsteuer auf dem angegebenen Konto gezahlt wurde, wird der Versand veranlasst."
- 4.
Im Rechtsverkehr mit Verbrauchern folgende Klausel oder ähnliche Formulierung zu verwenden: "Bei fehlenden oder kaputtgegangenen Kleinteilen ist fast immer eine gratis Nachsendung möglich."
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass die gesetzliche Dringlichkeitsvermutung aufgrund des zeitlichen Ablaufes widerlegt sei. Der von ihm angebotene Papierspeicher sei neu und unbenutzt und die Abbildung habe dem Produkt entsprochen. Der Hinweis zu fehlenden Kleinteilen sei unabhängig von der Gewährleistung und stelle eine "Selbstverpflichtung" dar.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Verfügungsgesuch ist hinsichtlich des Antrages zu 4. unzulässig, weil dem Verfügungskläger wegen einer Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ein Verfügungsgrund nicht zur Seite steht.
Durch die vorgenannte Vorschrift wird ein Verfügungskläger von der Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes entbunden und ihm die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen erleichtert. Diese gesetzliche Vermutung wird allerdings widerlegt, wenn ein Verfügungskläger über längere Zeit untätig bleibt. Damit gibt er nämlich zu erkennen, dass die Sache für ihn nicht so eilig ist. Welche Zeit ein Verfügungskläger verstreichen lassen kann, ist vom Einzelfall abhängig. Hinsichtlich des Antrages zu 4. ist hier von einer Selbstwiderlegung der Dringlichkeit auszugehen. Von dem Verstoß hat der Verfügungskläger bereits Anfang Juli erfahren. Er hat diesen Verstoß auch erkannt, was sich aus seiner eigenen Abmahnung vom 03.07.2007 ergibt. Die einstweilige Verfügung ist erst am 14.09.2007 beantragt worden. Durch das Zuwarten in einem Zeitraum von mehr als 2 Monaten hat der Verfügungskläger die Dringlichkeitsvermutung widerlegt.
Die weiteren Verstöße hat der Verfügungskläger erst Ende Juli/Anfang August 2007 erkannt. Zwar war ihm der vom Verfügungsbeklagten im Zusammenhang mit dem Antrag zu 3. verwendete Text ebenfalls bereits ab Anfang Juli bekannt, jedoch hat er insoweit glaubhaft gemacht, dass er die rechtliche Einordnung erst nach anwaltlicher Beratung Anfang August 2007 vornehmen konnte. Daher wird ihm vorher eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht vorzuwerfen sein. Hinsichtlich der Anträge zu 1. bis 3. hat der Verfügungskläger rund 6 Wochen bis Beantragung der einstweiligen Verfügung gewartet. Zwischen Ablehnung der Unterlassungserklärung und Antrag lagen 3 Wochen. Nach Auffassung der Kammer ist dieses Abwarten zwar bedenklich, jedoch nicht zu lang, um die Dringlichkeit zu widerlegen.
In der Sache haben die Anträge zu 1. bis 3. jedoch keinen Erfolg, weil Wettbewerbsverstöße des Verfügungsbeklagten nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht wurden.
Dem Verfügungsbeklagten ist nicht zu untersagen, Geräte als neu zu bezeichnen, die sich nicht mehr in der Originalverpackung befinden, bzw. schon einmal ausgepackt worden sind. Änderungen, Beschädigungen der Verpackung, führen allein nicht dazu, dass das darin befindliche Gerät nicht mehr neu ist. Entsprechendes gilt auch für das Öffnen der Verpackung. Wenn der Verfügungsbeklagte auf diese Dinge hinweist, wie es bei der beanstandeten Werbung geschehen ist, so ist ein Wettbewerbsverstoß nicht ersichtlich. Ob ein markenrechtlicher Verstoß vorliegt oder eine Kennzeichenverletzung, ist eine andere Frage. Dies kann aber dahingestellt bleiben, da sich der Verfügungskläger hierauf nicht berufen kann.
Dem Verfügungsbeklagten kann auch nicht untersagt werden, Geräte als neu zu bezeichnen, die schon einmal benutzt worden sind. Grundsätzlich wäre dies ein Wettbewerbsverstoß. Es fehlt jedoch jede Glaubhaftmachung, dass der Verfügungsbeklagte einen solchen Verstoß begangen hat. Zur konkret beanstandeten Werbung hinsichtlich des Papierspeichers hat der Verfügungsbeklagte dargelegt, dass dieser unbenutzt war. Allein durch den Zusatz im Angebot "optisch wie neu" oder den Hinweis auf Kundenrücklauf, kann nicht geschlossen werden, dass der Verfügungsbeklagte auch benutzte Geräte als neu anbietet.
Dem Verfügungsbeklagten ist auch nicht zu untersagen, bei den Produktbeschreibungen Fotos zu verwenden, die nicht mit der zu verkaufenden Sache identisch sich, wenn nicht direkt unter dem Bild hierauf hingewiesen wird. Es steht nämlich nicht fest, dass der Verfügungsbeklagte einen solchen Verstoß begangen hat.
Bei der beanstandeten Werbung hinsichtlich des Papierspeichers hat der Verfügungsbeklagte dargelegt, dass die Identität gegeben ist. Es steht nur fest, dass der Verfügungsbeklagte unten (kleingedruckt) einen Hinweis eingefügt hat, dass die Abbildungen nicht immer dem Produkt entsprechen. Nach Auffassung der Kammer reicht ein solcher (kleiner) Hinweis zumindest dann, wenn es sich um minimale Abweichungen handelt. Bei großen Abweichungen spricht dagegen einiges dafür, dass der Hinweis deutlicher sein muss. Jedoch steht für die Kammer nicht fest, dass der Verfügungsbeklagte tatsächlich Abbildungen mit großen Abweichungen veröffentlicht hat. Dies ergibt sich auch nicht aus der Anlage A 20, da sich hieraus gar keine Einzelheiten entnehmen lassen.
Auch hinsichtlich des Antrages zu 3. ergibt sich keine Unterlassungspflicht des Verfügungsbeklagten, ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG liegt nicht vor.
Die von dem Verfügungsbeklagte angegebene Lieferfrist ist gemäß § 308 Abs. 1, Nr. 1 BGB hinreichend bestimmt. Ein Zusatz "in der Regel", der tatsächlich zu unbestimmt wäre ( KG, NJW 2007, 2266 ff. [KG Berlin 03.04.2007 - 5 W 73/07]) ist nicht vorhanden. Der Verfügungsbeklagte teilt in seinen Angeboten mit, dass der Versand nach Geldeingang veranlasst wird. Dies bedeutet und ist auch so zu verstehen, dass der Verfügungsbeklagte im normalen Geschäftsgang nach Geldeingang die Lieferung unverzüglich zu veranlassen hat. Dies kann nicht beanstandet werden.
Auch die mit dieser Klausel verbundene Vorleistungspflicht des Kunden ist nicht wettbewerbswidrig. Ein Verstoß gegen §§ 307 Abs. 1, 2, Nr. 1 i.V.m. 320 BGB kann nicht angenommen werden (Hanseatisches OLG, NJW 2007, 2264 ff. [OLG Hamburg 13.11.2006 - 5 W 162/06]). Grundsätzlich sind auch gegenüber Verbrauchern Vorleistungsklausel zulässig, wenn für sie ein sachlicher Grund besteht und keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen. Im Fernabsatzgeschäft ist i.d.R. (Ausnahme: Abholung) eine Zugum-Zug-Leistung nicht möglich. Es stellt sich also die Frage, welche Partei mit der Vorleistungspflicht belastet wird. Die Gefahr einer Nichtzahlung durch den Käufer bzw. einer Nichtlieferung durch den Verkäufer dürfte gleich hoch sein. Der höhere Aufwand dürfte aufgrund des Versandes beim Verkäufer liegen. Daher ist eine Vorleistung des Käufers beim Fernabsatzgeschäft nicht zu beanstanden.
Da die Anträge unbegründet sind, bedarf es keiner Erörterung darüber, ob sie nicht zu weit gefasst sind.
Vorsorglich wird noch angemerkt, dass die Kammer auch hinsichtlich des Antrages zu 4. keinen Wettbewerbsverstoß sieht, da der Verfügungsbeklagte vorab ausdrücklich auf die gesetzliche Gewährleistung hinweist und die beanstandete Klausel einen Service verspricht, der unabhängig von der Gewährleistung besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Bei der Festsetzung des Streitwerts wurde die Bedeutung der Sache für den Verfügungskläger berücksichtigt sowie die Tatsache, dass es sich bei den Parteien eher um kleine Händler handelt. Bei jedem beanstandeten Verstoß wurde ein Betrag von 2 000,00 € berücksichtigt.