Landgericht Hannover
Beschl. v. 19.10.2007, Az.: 11 T 50/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 19.10.2007
- Aktenzeichen
- 11 T 50/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 60627
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2007:1019.11T50.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 30.05.2007 - AZ: 89 II 32/07
- nachfolgend
- OLG Celle - 08.02.2008 - AZ: 2 W 32/08
- BVerfG - 08.05.2008 - AZ: 1 BvR 645/08
In der Beschwerdesache
...
hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 20.06.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 30.05.2007 am 19. Oktober 2007 durch ... am Landgericht beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
- 2.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
- 3.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Der Präsident des Landgerichts Hannover hat für die regelmäßige Prüfung der Amtsführung des Beschwerdeführers gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 BNotO, bei der 700 Urkunden zu prüfen waren, durch Kostenrechnung vom 26.02.2007 eine Gebühr in Höhe von 600,00 € gemäß der Anlage I JVKostG Gebührenverzeichnis Nr. 662 von dem Beschwerdeführer erhoben. Gegen die Kostenrechnung hat der Notar Erinnerung erhoben, mit der er geltend macht, gegen die mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kosten im Bereich der Justizverwaltung und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (Nieders. GVBl 11/2006 vom 04.04.2006) für die regelmäßige Prüfung der Amtsführung der Notare eingeführten Gebühren bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Er hat im Wesentlichen ausgeführt, die Kontrolle der hoheitlichen Tätigkeit der Notare durch den Staat geschehe im Wesentlichen nicht zum Vorteil der Vermögensmehrung der Notare, sondern im Interesse der Rechtssuchenden. Bei den hierfür entstehenden Kosten handele es sich daher um einen staatlichen Aufwand für die Allgemeinheit, der daher durch Steuern finanziert werden müsse. Gebühren schöpften den Vorteil einer individual-dienlichen Leistung ab oder überwälzten einen individuell zurechenbaren Aufwand.
Das Amtsgericht Hannover hat die Erinnerung mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.05.2007 zurückgewiesen und ausgeführt, die Prüfung und Überwachung der Amtsführung gemäß § 93 BNotO durch die zuständige Aufsichtsbehörde diene sowohl dem einzelnen Notar durch rechtzeitige Aufdeckung und Behebung von Rechtsfehlern und damit zum Schutz vor Regressansprüchen, als auch der Ordnungsgemäßheit und Korrektheit der notariellen Amtsführung im Interesse der Allgemeinheit. Auch für einen beanstandungsfrei gebliebenen Notar entstünde durch die Überprüfung damit ein Vorteil, der bereits seine Beteiligung an den entstandenen Kosten rechtfertige. Verfassungswidrig sei der Gebührenansatz auch deshalb nicht, weil es sich bei der Notarprüfung um eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung handele, die der Gebührengesetzgeber, nämlich das jeweilige Bundesland, im Rahmen des ihm eingeräumten weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums mit einer Gebühr belegen dürfe ( BVerfGE 50, 217 [BVerfG 06.02.1979 - 2 BvL 5/76] ). Das Gericht habe auch keinerlei Anlass für die Annahme, die abgerechnete Gebührenhöhe verstoße gegen das Kostendeckungsprinzip, dies werde auch vom Erinnerungsführer nicht geltend gemacht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Notars, mit der er seine Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der erhobenen Gebühr vertieft: Er trägt im Wesentlichen vor, der Notar übe eine originär staatliche Aufgabe aus, bei der er der staatlichen Dienstaufsicht unterliege. Nach ständiger Rechtsprechung solle die Dienstaufsicht im Interesse der Rechtspflege, also im allgemeinen Interesse, die ordnungsgemäße Ausübung des Notaramtes sichern. Die Ansicht, die Dienstaufsicht erfolge auch im Interesse des beliehenen Notars, entbehre jeder Grundlage, denn die regelmäßige Prüfung durch die Notaraufsicht biete keine Gewähr dafür, nicht mit einem Haftungsprozess überzogen zu werden. Auch sei der Hinweis auf die regelmäßige Prüfung durch die Aufsichtsbehörden kaum als Verteidigungsmittel in einem Haftpflichtprozess tauglich. Soweit der Notar Vorteile aus der Aufsichtsmaßnahme ziehe, käme ihm dies als bloße Reflexwirkung der Amtshandlung zugute, ohne von ihm veranlasst zu sein.
Im Übrigen widerspräche es der grundgesetzlichen Finanzverfassung, wenn demjenigen, der eine staatliche Maßnahme nicht veranlasst habe und hieraus keinen zurechenbaren Nutzen ziehe, hierfür eine Gebühr in Rechnung gestellt werde. Die Bestimmung in Ziffer 6.6 der Anlage I zum Niedersächsischen Justizverwaltungskostengesetz widerspräche dem grundgesetzlichen Abgabensystem und bilde daher keine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Kostenrechnung. Die erhobene Aufsichtsgebühr falle nicht unter den herkömmlichen Gebührenbegriff, weil hiervon nur die Rede sein könne, wenn der Forderung ein verhältnismäßiger staatlicherseits zugewandter Nutzen in einem gleichsam synallagmatischen Verhältnis gegenüberstünde. Auch bei Zugrundelegung des erweiterten Gebührenbegriffs, wonach auch Kostenüberwälzungs- und Verleihungsgebühren denkbar seien, sei die Kostenerhebung nicht gerechtfertigt, da sie eine individuelle Kostenverantwortung des Belastenden erfordere. Die Abgabenregelung greife damit auch in die Berufsfreiheit der Abgabepflichtigen ein. Der Beschwerdeführer habe die öffentliche, Leistung, die der Gebührenforderung zugrunde liege, nicht individuell auf zurechenbarer Weise veranlasst, weil es sich nicht um eine Leistungs- Gegenleistungsbeziehung handele, sondern der Staat eine Leistung zumindest ganz überwiegend zu Gunsten der Allgemeinheit erbringe. Die Gebührenvorschrift sei zudem nicht hinreichend abgrenzbar, da § 93 BNotO neben einer regelmäßigen Prüfung auch zusätzliche Zwischenprüfungen und Stichproben ohne besonderen Anlass ermögliche. Es wäre daher in das Belieben der Behörde gestellt, durch wiederholte Prüfungen einen Gebührentatbestand auszulösen.
Die Beschwerde ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 JVKostG, § 13 JVKostO, § 14 Abs. 3 KostO zulässig, jedoch nicht begründet. Bedenken gegen die zutreffende Berechnung der Gebühr werden von dem Beschwerdeführer nicht vorgebracht und sind im Übrigen auch nicht ersichtlich. Der Kostenrechnung ist zu entnehmen, dass 700 Urkunden geprüft wurden. Gemäß Ziffer 6.6.2. der Anlage zu § 1 JVKostG fallen bei der regelmäßigen Prüfung der Amtsführung nach § 93 Abs. 1 S. 1 BNotO bei 400 bis 2000 in der Urkundenrolle zu notierenden Geschäften im Prüfungszeitraum die berechneten 600,00 € als Gebühren an.
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des der Gebührenerhebung zugrunde liegenden Gesetzes, bei deren Vorliegen nach Artikel 100 GG verfahren werden müsste, hat die Kammer nicht.
Die Gebühr für die Prüfung der Amtsgeschäfte der Notare greift nicht in die Berufsfreiheit des Notars ein. Zwar können Steuern und sonstige Abgaben das Grundrecht des Artikel 12 Abs. 1 GG berühren, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und - objektiv - deutlich eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfGE 13, 181 [BVerfG 30.10.1961 - 1 BvR 833/59] ). Dies trifft indes für die vorliegende Gebühr nicht zu. Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollen mit dieser die für die Prüfung der Amtsgeschäfte der Notare regelmäßig in der Justizverwaltung anfallenden Kosten auf die Notare jedenfalls teilweise abgewälzt werden. Der Gesetzgeber intendierte mit der Einführung der Gebühr nicht, den Entschluss zur Wahl oder zur Art der Ausübung des Notarberufes motivierend zu steuern. Auch objektiv hat die Gebühr - schon wegen ihrer geringen Höhe - eine solche berufspolitische Wirkung nicht ( BVerfGE 37, 1 ).
Die Abgabe ist daher an Artikel 2 Abs. 1 GG zu messen, ein zulässiger Eingriff setzt eine hierzu ermächtigende Norm voraus, die auch den übrigen an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Gleiches gilt, wenn man Artikel 12 Abs. 1 GG berührt sehen wollte.
Die fragliche Gebühr widerspricht dem grundgesetzlichen Abgabensystem nicht. Einen verfassungsrechtlich abschließend geprägten Gebührenbegriff gibt es nicht ( BVerwGE 95, 188 [BVerwG 03.03.1994 - 4 C 1/93]; BVerfGE a.a.O.). Als Gebühren werden allgemein öffentlich-rechtliche Geldleistungen angesehen, die aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und die dazu bestimmt sind, die Kosten der entsprechenden Leistungen ganz oder teilweise zu decken (BVerwGE a.a.O.). Dabei lässt das Grundgesetz dem Gebührengesetzgeber einen weiteren Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen will, welche Gebührenmaßstäbe und -sätze aufgestellt werden und ob und welche über die Kostendeckung hinausreichenden Zwecke angestrebt werden. Als Gebühr darf keine verdeckte Steuer oder eine verdeckte, die verfassungsrechtlichen Grenzen überschreitende Sonderabgabe eingeführt werden. Die fragliche Gebühr hält sich in diesen verfassungsrechtlichen Grenzen.
Der Charakter einer Gebühr wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die einer Gebührenpflicht unterworfene Leistung auch oder sogar in erster Linie aus Gründen des öffentlichen Wohls verlangt wird (BVerwGE a.a.O.). Mag auch das öffentliche Interesse an der Ausübung der Dienstaufsicht über die Notare überwiegen, so ist ein individuell zurechenbarer Vorteil durch die regelmäßige Überprüfung der Amtsgeschäfte des Notars nicht zu verkennen: Die Prüfung hinsichtlich der Einhaltung formaler Vorschriften beugt einer Inanspruchnahme des Notars aus Amtshaftung nach § 19 BNotO vor. Die Überprüfung der Einhaltung der Gebührenvorschriften der Kostenordnung liegt ebenfalls im Interesse des geprüften Notars, da es diesem gemäß § 140 KostO untersagt ist, geringere als die gesetzlichen Gebühren und Auslagen zu berechnen ( Landgericht Berlin, Beschluss vom 02.05.2007 - 82 T 277/06 ). Die präventive Wirkung der regelmäßig durchzuführenden Prüfungen dient im Übrigen auch der Aufrechterhaltung des Ansehens der Notare und liegt damit im Interesse eines jeden einzelnen Notars. An dieser Sichtweise ändert auch der Umstand nichts, dass die Dienstaufsicht dem Notar keine Rechtssicherheit gibt, nicht wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch genommen zu werden.
Die Gebühren werden dem Äquivalenz- und dem Kostendeckungsprinzip gerecht. Nach dem Äquivalenzprinzip darf zwischen Leistung und Gegenleistung kein Missverhältnis bestehen. Da sich im vorliegenden Fall der individuelle Nutzen des einzelnen Notars durch die regelmäßige Prüfung nicht in Geld messen lässt, muss sich die Bemessung der Gebühren allein an dem Kostendeckungsprinzip orientieren (Jachmann in von Mangold/Klein/Starck, Kommentar zum GG, 5. Auflage, Artikel 105 Rdnr. 13 a.E.). Die durch die regelmäßige Prüfung der Notare entstehenden Kosten übersteigen das Gebührenaufkommen nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Drucksache 15/2380) bleibt die Gebühr von 600,00 € pro Fall weit hinter den auf Grundlage der durchschnittlichen Kosten der einzelnen gebührenpflichtigen Amtshandlungen in den Jahren 1998 bis 2000 geschätzten Kosten von gut 2 000,00 € zurück. Da demnach die Gebühr deutlich unter den durchschnittlichen Verwaltungskosten der einzelnen Prüfung liegt, wird damit hinreichend das öffentliche Interesse an der Amtsprüfung berücksichtigt und außerdem eine zu hohe Belastung der Notariate vermieden.
Da die Gebühr dem Kostendeckungsprinzip folgt, stellt sie keine Steuer dar.
Unzutreffend ist die Ansicht des Beschwerdeführers, es sei in das Belieben der Behörde gestellt, durch wiederholte Prüfungen einen Gebührentatbestand auszulösen. Zwar ermöglicht § 93 BNotO neben der regelmäßigen Prüfung zusätzliche Zwischenprüfungen und Stichproben ohne besonderen Anlass. Das niedersächsische Gesetz sieht eine Gebühr jedoch nur für die regelmäßige Prüfung der Amtsführung vor, nicht aber für Zwischenprüfungen und Stichproben.
Da die zur Entscheidung stehenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung haben, wird die weitere Beschwerde zugelassen (§ 1 Abs. 1 S. 1 JVKostG, § 13 JVKostO, § 14 Abs. 5 KostO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 Abs. 1 S. 1 JVKostG, § 13 JVKostO, § 14 Abs. 9 KostO.