Landgericht Hannover
Urt. v. 28.11.2007, Az.: 10 O 25/07

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
28.11.2007
Aktenzeichen
10 O 25/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 60635
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2007:1128.10O25.07.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 25.09.2008 - AZ: 2 U 3/08 (E)
BGH - 23.04.2009 - AZ: IX ZB 246/08

In dem Rechtsstreit

...

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 14.11.2007 durch

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Entscheidung ergeht gebühren- und auslagenfrei. Im Übrigen trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger macht Ansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz geltend.

2

Mit Bescheid vom 10.10.1968 war ihm wegen eines durch Verfolgung erlittenen Schadens an Körper oder Gesundheit ein Anspruch auf Erstattung der Heilbehandlungskosten für das Leiden "Leichte psycho-reaktive Störung" bei Annahme einer verfolgungsbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (vMdE) von 10 % zuerkannt worden. Eine laufende monatliche Rente wurde abgelehnt.

3

Am 04.01.2006 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Attestes die Neufestsetzung einer Rente wegen Verschlimmerung der psychischen Leiden. Er begründete dies damit, dass sich das auf die Verfolgung zurückzuführende Leiden mit zunehmendem Alter und dem Hinzukommen von verschiedenen körperlichen Leiden stark verschlechtert habe. Das beklagte Land forderte die Krankenunterlagen des Klägers aus Israel an und ließ diese vom prüfärztlichen Dienst auswerten. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine Verschlimmerung der psychischen Beschwerden nicht festgestellt werden könne, weil sich aus den vorliegenden Unterlagen überhaupt keine psychische Störung erkennen lasse. Es lägen lediglich diverse organische Erkrankungen vor, deren genauer Beginn nicht festzustellen sei, die aber sicher eine MdE von 80 % begründen würden (s. ärztliche Stellungnahme vom 24.07.2006, Bl. E 321).

4

Das beklagte Land lehnte den Antrag auf Festsetzung einer Rente wegen Verschlimmerung mit Bescheid vom 16.01.2007 (Bl. E 699) ab. Hiergegen richtet sich die Klage.

5

Der Kläger behauptet, dass eine deutliche Verschlimmerung eingetreten sei. Selbst wenn sich dieses nicht aus den israelischen Krankenunterlagen ergebe, so hieße dies nicht, dass nicht tatsächliche Leiden vorhanden seien. Zum einen bekämen seelische Störungen von den Krankenkassenärzten in Israel nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit; psychische Leiden würden aus Kompetenz- und Zeitgründen nicht ergründet. Zum anderen schreckten Holocaustüberlebende bei seelischen Leiden mit einer vMdE von bis zu 50 % oft vor einer psychiatrischen Behandlung bzw. einer entsprechenden Behandlung durch ihren Hausarzt zurück. Im Übrigen sei heutzutage in der modernen Verfolgtenpsychiatrie anerkannt, dass eine schwere Verfolgung vor allem bei Kindern und Jugendlichen schwere Traumen hinterlasse, die mit zunehmendem Alter häufig verstärkt zum Ausdruck kämen. Aus diesem Grund sei die Einholung eines gerichtlichen Gutachtens erforderlich.

6

Der Kläger beantragt,

  1. den angefochtenen Bescheid aufzuheben und ihm für seinen verfolgungsbedingten seelischen Schaden eine laufende Rente zu gewähren.

7

Das ... beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

8

Es verweist auf die Begründung des ablehnenden Bescheides (Bl. E 699), der sich im Einzelnen mit den ärztlichen Stellungnahmen auseinander setzt bzw. auf ein vorangegangenes Schreiben vom 27.11.2006 (Bl. E 694) Bezug nimmt. Ergänzend verweist es darauf, dass schwere Verfolgung zwar unbestreitbar bei Kindern und Jugendlichen schwere Traumen zur Folge haben könne. Dies sei aber im Einzelfall nachzuweisen. Im Übrigen sei der Kläger bei Beginn der Verfolgung 1944 nicht mehr Kind bzw. Jugendlicher gewesen.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

10

Die Verwaltungsvorgänge ... lagen vor und waren Gegenstand ... der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist unbegründet.

12

Eine vMdE von nunmehr 25 % wegen eines seelischen Leidens, die gemäß § 31 Abs. 1 BEG Voraussetzung für die Gewährung einer Rente wäre, ergibt sich aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht. Unstreitig ist in den israelischen Krankenunterlagen - mit Ausnahme eines Schreibens des ... - keinerlei Hinweis auf eine psychische Erkrankung zu finden. Allein die Angaben des ... führen jedoch nicht dazu, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine Verschlimmerung des psychischen Leidens angenommen werden können, die eine neue Begutachtung des Klägers bzw. die Einholung eines "Obergutachtens" erforderlich machten. Denn die Diagnose des ... in dem Schreiben aus dem Jahr 2005 (s. Bl. E 136) "Angstneurose seit 01/1990" findet - wie auch der ... des ... festgestellt hat - weder in den sonstigen Krankenunterlagen noch in seinen eigenen früheren Aufzeichnungen eine Grundlage. So hat der Arzt in einem Attest vom 18.02.2002 (Bl. E 266) unter der Auflistung der "Aktiven Probleme" eine psychische Erkrankung in keiner Weise erwähnt. Dies steht in Übereinstimmung mit den sonstigen vielfältigen Krankenunterlagen, in denen lediglich organische Erkrankungen beschrieben sind. Aus dem Umstand, dass der Kläger viele Jahre in unterschiedlichster Behandlung war und kein Arzt es für notwendig befunden hat, ein psychisches Leiden aufzuführen, geschweige denn zu behandeln, muss daher geschlossen werden, dass ein solches Leiden tatsächlich nicht vorhanden war. Die im Jahr 1968 festgestellte vMdE von 10 % für eine "leichte psycho-reaktive Störung" dürfte vielmehr über die Jahre hinter den erheblichen körperlichen Beschwerden zurück getreten sein.

13

Der Kläger kann auch nicht mit dem Argument gehört werden, dass die israelischen Ärzte sein seelisches Leiden mangels Zeit oder Kompetenz nicht zur Kenntnis genommen hätten. Dies erscheint im Hinblick darauf, dass bereits im Jahr 1968 ein solches Leiden festgestellt wurde, kaum vorstellbar, zumal der Kläger bei unterschiedlichsten Ärzten in Behandlung war und diese über Jahre hinweg seine diesbezüglichen Klagen "überhört" haben müssten.

14

Soweit er einwendet, dass er die seelischen Leiden gar nicht angesprochen habe, weil er vor einer psychiatrischen Behandlung zurückgeschreckt sei, ist auch dies kaum vorstellbar. Denn der Kläger hat im Jahr 1968 und auch in der Zeit zuvor sowohl seine Leiden im Einzelnen geschildert als auch entsprechende Behandlungen in Anspruch genommen (vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen des ... in dem Schreiben vom 27.11.2006, Bl. E 695, die eigenen Angaben des Klägers in seinem Erstantrag, vor Bl. E 1, sowie das psychotherapeutische Attest vom 24.05.1964, Bl. E 52).

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 225 Abs. 1 BEG und § 91 Abs. 1 ZPO.