Landgericht Hannover
Urt. v. 23.07.2007, Az.: 20 O 9/07

Erfolgsaussichten einer Klage zur Geltendmachung von Schadensersatz wegen fehlerhafter Prozessführung aus eigenem und abgetretenem Recht; Ausgestaltung der Verjährung von Schadensersatzansprüchen

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
23.07.2007
Aktenzeichen
20 O 9/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 54432
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2007:0723.20O9.07.0A

In dem Rechtsstreit
...
hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2007
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landgericht Dr. ... und
der Richterinnen am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt mit der am 9.1.2007 per Fax bei Gericht eingegangenen Klage aus eigenem und abgetretenem Recht Schadensersatz wegen fehlerhafter Prozessführung.

2

Sie und ihr Ehemann, der Zeuge ... hatten am 16.11.2000 bei der Sparkasse Hannover für 100.000,00 DM Anteile (Preis je Stück 45,35 ?) am Fonds "DekaStruktur: 2 Chance Plus" gekauft. In der Folgezeit verringerte sich der Wert der Anteile deutlich, so betrug der Rücknahmepreis am 25.2.2003 18,70 ?. Wegen Verletzung des Beratungsvertrages hat der Zeuge ... die Sparkasse Hannover sowie deren Mitarbeiter Herrn ... auf Schadensersatz in Anspruch genommen - 20 O 289/02 LG Hannover -. Die hiesige Klägerin war in jenem Verfahren als Zeugin für das Beratungsgespräch benannt. Der Beklagte war mit der Prozessführung beauftragt. Nach Hinweis des Gerichts vom 29.10.2002, dass auch die hiesige Klägerin Vertragspartnerin der Sparkasse gewesen sei, wurde die Klage am 11.12.2002 auf der Aktivseite auf die jetzige Klägerin erweitert. Mit Beschluss vom 24.2.2003 wurden die dortigen Kläger darauf hingewiesen, dass sie nun keinen Zeugen mehr hätten, auf den sie sich zum Beweis für ihre Darstellung des Ablaufs und des Inhalts des Beratungsgesprächs berufen könnten. Nach erneutem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 15.5.2003 wurde die Klage der Eheleute ... wegen Beweisfälligkeit für eine Pflichtverletzung der Sparkasse aus dem Beratungsvertrag abgewiesen. Die Berufung wurde am 17.11.2003 nach Hinweis des Oberlandesgerichts, dass eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht komme, zurückgenommen.

3

Die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin meldeten Schadensersatzansprüche an, die der Beklagte jedenfalls am 29.12.2004 zurückwies (Bl. 68 d.A.). Am 23.12.2005 trat der Zeuge ... seine Ansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin ab (Bl. 31 d.A.). Mit Fax vom selben Tag beantragten seine jetzigen Prozessbevollmächtigten die Einleitung der Streitschlichtung bei der ... (Öffentliche Rechtsauskunfts- und Vergleichsstelle) in Hamburg. Mit Schreiben vom 27.6.2006 teilte der Beklagte der ... mit, dass er den Gütetermin am 11.7.2006 nicht wahrnehmen werde und bestritt Schadensersatzforderungen (Bl. 112 d.A.). Es wurde daher im Termin am 11.7.2006 das Scheitern des Güteverfahrens festgestellt (Bl. 35 d.A.). Die Klägerin begehrt im Wege des Schadensersatzes Zahlung des Betrages, den sie und ihr Ehemann für den Kauf der Fondsanteile in Höhe von 51.129,19 ? an die Sparkasse gezahlt hatten, und zwar Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile an dem Fonds Dekastruktur sowie entgangenen Zinsgewinn bei anderweitiger Anlage für den Zeitraum vom 30.11.2000 bis 30.11.2002 in Höhe von 5.112,92 ? und vom 30.11.2002 bis 31.12.2006 in Höhe von 5.325,96 ?.

4

Die Prozessführung durch den Beklagten sei fehlerhaft gewesen. Ein Fehler habe in der Klageerweiterung auf die jetzige Klägerin gelegen. Richtig wäre es gewesen, wenn die Klägerin ihre Ansprüche an ihren damals klagenden Ehemann abgetreten hätte. Aufgrund des gerichtlichen Hinweises hätte der Beklagte vor dem Termin raten müssen, eine der Klagen zurückzunehmen. Diesem Rat wären die Klägerin und ihr Ehemann gefolgt und der Ehemann hätte die Klage zurückgenommen und dieser hätte als Zeuge aussagen können. Damit hätte der Nachweis der fehlerhaften Anlageberatung durch die Sparkasse erbracht werden können. Im Vorprozess habe der Beklagte zudem nicht vorgetragen, dass der Klägerin und dem Zeugen ... nicht der Verkaufsprospekt, der letzte Rechenschaftsbericht sowie der letzte Halbjahresbericht zu dem Investmentfonds vor der Anlageentscheidung durch die Mitarbeiter der Sparkasse Hannover übergeben worden seien. Dies habe zu einer Beweislastumkehr geführt.

5

Schadensersatzansprüche der Klägerin und ihres Ehemannes seien auch nicht verjährt. Die Verjährung habe frühestens am 31.12.2003 zu laufen begonnen und sei frühestens zum 31.12.2006 geendet. Die Verjährung sei jedoch durch das noch im Jahr 2005 eingeleitete Güteverfahren gehemmt gewesen. Die Einreichung des Güteantrags sei dem Beklagten vor Mai 2006 bekannt gegeben worden. Verzögerungen seitens der Gütestelle könnten nicht zu Lasten der Klägerin gehen.

6

Die Klägerin beantragt,

  1. I.

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ? 61.568,07 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszins des BGB seit 1.1.2005 - Zug um Zug gegen Übertragung von 1.127,435 Anteilen am Investmentfonds DekaStruktur 2 Chance Plus, WKN 933745 auf den Beklagten - zu bezahlen.

  2. II.

    Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung gemäß vorstehender Ziffer l. im Annahmeverzug befindet.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er beruft sich auf Verjährung.

9

Im Übrigen bestreitet der Beklagte eine fehlerhafte Prozessführung seinerseits. Die Ursächlichkeit eines etwaigen Fehlers stehe nicht fest. Die Abtretung der Ansprüche des Zeugen ... an die Klägerin dürfte unzulässig sein. Im Übrigen liege ein Verstoß der Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht vor.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

11

Die Akten 20 O 289/02 LG Hannover lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist unbegründet.

13

Es kann letztlich dahinstehen, ob der Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zustehen (siehe dazu auch Seite 2 des Beschlusses der Kammer vom 10.5.2007 - Bl. 114 d.A. -), denn der Durchsetzung etwaiger Schadensersatzansprüche steht die Einrede der Verjährung entgegen.

14

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Verjährung nicht erst am 31.12.2003 begonnen. Der Beginn der Verjährungsfrist bestimmt sich nicht nach § 199 Abs. 1 BGB. Vielmehr ist § 51 b BRAO anzuwenden, der bis zum 14.12.2004 galt. Ist ein Anspruch gegen einen Rechtsanwalt vor dem 15.12.2004 entstanden und die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen, bestimmt sich gem. Art. 229 § 12 i.V.m. § 6 l 2 EGBGB der Beginn der Verjährung nach altem Recht. Nach § 51 b BRAO verjähren Schadenersatzansprüche aus einem Anwaltsvertrag binnen 3 Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in 3 Jahren nach der Beendigung des Auftrags. Hier ist ein etwaiger Anspruch spätestens entstanden, als die Klage auch nicht mehr teilweise ohne Zustimmung der damaligen Beklagten zurückgenommen werden konnte, also zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 15.5.2003. Ohnehin hätte nach Schluss der mündlichen Verhandlung keine Beweisaufnahme mehr erfolgen können. Danach trat Verjährung Mitte Mai 2006 ein. Die erst im Januar 2007 eingereichte Klage war verspätet.

15

Zwar gilt für die Verjährungshemmung bei einem Anspruch nach § 51 b BRAO für den Zeitraum nach dem 15.12.2004 die Vorschrift des § 204 BGB.

16

Indes hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan, dass dem Beklagten das Güteverfahren vor Eintritt der Verjährung bekannt gegeben worden ist bzw. wann die ... die Bekanntgabe des Güteantrags veranlasst hat und dass die Veranlassung "demnächst" erfolgt ist, so dass die Hemmung mit der Einreichung des Güteantrags erfolgt wäre. Die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB tritt spätestens ein, sobald die Bekanntgabe des Güteantrags veranlasst ist, der an den Schuldner adressierte Brief mit dem Güteantrag also beispielsweise von der Gütestelle zur Post gegeben ist. Dieses konkrete Datum hat die Klägerin nicht mitgeteilt. Sie hat lediglich vorgetragen, dass die Bekanntgabe vor Mai 2006 erfolgt sei. Diese Behauptung ist jedoch mangels Angabe eines konkreten Datums unzureichend. Insofern kommt weder eine Zeugen- noch eine Parteivernehmung des Beklagten in Betracht. Auch war der Klägerin keine Erklärungsfrist auf den Hinweis des Gerichts einzuräumen, dass nicht ausreichend vorgetragen sei, wann dem Beklagten der Antrag vor Mai 2006 bekannt geworden sei. Wenn die Klägerin dieses Datum, das aktenmäßig bei der Gütestelle festgehalten sein muss, bei der ... nicht abfragt, geht dies zu ihren Lasten. Im Anwaltsprozess sind auch ohne gerichtlichen Hinweis beweiserhebliche Daten konkret mitzuteilen.

17

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteverfahrens bereits vor Eintritt der Verjährung Mitte Mai 2006 erfolgt ist. Eine Bekanntgabe am 27.6.2006 (Schreiben des Beklagten an die ...) oder wenige Tage davor - der Beklagte hat im Termin den Güteantrag mit seinem Eingangsstempel vom 16.6.2006 vorgelegt -, also nach Eintritt der Verjährung, war verspätet.

18

Auch eine Veranlassung der Bekanntgabe "demnächst" mit der Folge, dass Hemmung der Verjährung bereits mit Einreichung des Güteantrags bei der ... eingetreten wäre, ist nicht hinreichend dargetan. Eine konkrete Darstellung fehlt. Schreiben der ... hat die Klägerin nicht vorgelegt (im Termin wurden Schreiben aus einem anderen Verfahren aus dem Jahr 2007 vorgelegt). Im vorliegenden Verfahren ist gerade nicht vorgetragen worden, wann die ... den Vorschuss erfordert und wann die Klägerin diesen gezahlt hat. Auch der Vortrag, einer der Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe wiederholt bei der ... angerufen und um umgehende Zustellung der Güteanträge, demzufolge auch anderer Güteanträge, gefordert, ist ohne Substanz. Ohnehin dürfte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannt gewesen sein, dass die ... gerade jeweils zum Jahresende mit Güteanträgen zwecks Hemmung der Verjährung überschüttet wird. Die Verzögerung bei der Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags war daher vorauszusehen. Es handelte sich nicht um eine vermeidbare Verzögerung im Geschäftsbetrieb der Gütestelle. Von einer Veranlassung "demnächst" kann daher nicht die Rede sein, eine Rückwirkung ist nicht anzunehmen.

19

Die Entscheidungen über die Nebenfolgen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.