Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 05.12.2008, Az.: 753 M 37776/08
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 05.12.2008
- Aktenzeichen
- 753 M 37776/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 46376
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2008:1205.753M37776.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 06.04.2005 - AZ: 533 C 18772/02
Fundstelle
- DGVZ 2009, 79-81
In der Zwangsvollstreckungssache
...
hat das Amtsgericht Hannover Abteilung 753 beschlossen:
Tenor:
Die Zwangsvollstreckung der Gläubiger aus der vollstreckbaren Erstausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Hannover vom 06.04.2005 (Az.: 533 C 18772/02) im Verfahren 21 DR II 1063/08 wird für unzulässig erklärt.
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den von der Schuldnerin erlangten Betrag in Höhe von 1 010,98 Euro an diese auszukehren.
Die Vollziehung dieser Entscheidung wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses oder einer anders lautenden Entscheidung im Rechtsmittelwege ausgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten tragen die Erinnerungsgegner.
Gründe
I.
Im Verfahren Amtsgericht Hannover 533 C 18772/02 wurde den Rechtsanwälten Wiegandt, Rockensüß und Kollegen durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.04.2005 ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Schuldnerin zugesprochen und ihnen am 16.06.2005 eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses erteilt.
Am 18.05.2007 beantragten die Gläubiger eine zweite vollstreckbare Ausfertigung gemäß § 733 ZPO mit der Begründung, die Erstausfertigung sei verlorengegangen. Mit Verfügung vom 24.09.2007 erteilte ihnen das Amtsgericht Hannover eine zweite vollstreckbare Ausfertigung und erklärte die Erstausfertigung zugleich für unwirksam.
Mit Schreiben vom 01.09.2008 gaben die Gläubiger dem Obergerichtsvollzieher Welf-Torsten Muschalek einen kombinierten Zwangsvollstreckungsauftrag für eine Mobiliarvollstreckung sowie zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (Verfahren 21 DR II 1063/08 des Obergerichtsvollziehers Muschalek). Da die Vollstreckungsversuche erfolglos verliefen, beantragte der Gerichtsvollzieher weisungsgemäß den Erlass eines Haftbefehls zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, den das Amtsgericht Hannover im Verfahren 783 M 30626/08 am 10.11.2008 erließ.
In dem anschließenden Verfahren 21 DR II 1593/08 beauftragten die Gläubiger den Obergerichtsvollzieher Muschalek mit Schreiben vom 13.11.2008 und unter Vorlage des Haftbefehls des Amtgerichts Hannover vom 10.11.2008 schließlich mit der Verhaftung der Schuldnerin zur zwangsweisen Durchsetzung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Im Rahmen dieses Verfahrens zahlte der Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin am 21.11.2008 einen Betrag von 1010,98 Euro (986,79 Euro Gesamtforderung der Gläubiger, 23,60 Euro Vollstreckungskosten).
Die Erinnerungsführerin behauptet, die Vollstreckung sei unzulässig, da bei den Vollstreckungsmaßnahmen "kein gültiger Titel" vorgelegen habe.
Sie beantragt daher,
- 1.
sämtliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers Muschalek "mit dem Titel vom 6.4.2005 - Erstausfertigung - für unzulässig zu erklären und die Zwangsvollstreckung endgültig einzustellen",
- 2.
"die Haftanordnung 783 M 30628/08 ... im Schuldnerregister vollständig rückgängig zu machen, weil ein wirkungsloser Titel vorgelegt wurde"
- 3.
sowie "ferner festzustellen, dass der Haftbefehl zu Unrecht ergangen ist",
- 4.
"den Gerichtsvollzieher anzuweisen, die bereits in bar gezahlten € 1010,98 unverzüglich an die Antragstellerin ... auszuzahlen".
Die Gläubiger beantragen,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Bei der Erteilung der Vollstreckungsaufträge sei nicht die für ungültig erklärte vollstreckbare Erstausfertigung sondern die Zweitausfertigung vorgelegt worden. Die Erstausfertigung sei verloren gegangen.
II.
Die Erinnerung gemäß § 766 Abs. 1 ZPO ist zulässig und begründet.
1.
Die Erinnerung ist nur hinsichtlich der Anträge zu 1. und 4. zulässig.
a)
Statthaft ist die Erinnerung nur, soweit die Schuldnerin beantragt, die Zwangsvollstreckung der Gläubiger aus der vollstreckbaren Erstausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses im Verfahren 21 DR II 1063/08 des Obergerichtsvollziehers Muschalek für unzulässig zu erklären und als Folge die Auskehrung des Geldbetrages in Höhe von 1 010,98 Euro verlangt. Nur insoweit ist die Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO nicht durch den spezielleren Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde (§ 793 ZPO) gegen den Haftbefehl verdrängt (Stöber in: Zöller, 27. Aufl. Köln 2009, § 901 Rdn. 13 m.w.N.).
(1)
Die Entgegennahme des Geldbetrages durch den Gerichtsvollzieher aufgrund freiwilliger Zahlung durch den Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin stellt eine der Erinnerung zugängliche Zwangsvollstreckungsmaßnahme und nicht lediglich eine dem Vollstreckungsverfahren vorgeschaltete Handlung dar. Das ergibt sich schon aus den §§ 757, 806b ZPO. ihre vollstreckungsrechtliche Grundlage findet die Entgegennahme des Geldbetrages in dem Auftrag zur Mobiliarvollstreckung (Verfahren 21 DR II 1063/08). Gegen die Art und Weise dieser Zwangsvollstreckung wendet sich die Schuldnerin.
(2)
Für den Antrag auf Feststellung, dass der Haftbefehl zu Unrecht ergangen ist (Antrag 3.), ist die Erinnerung gemäß § 766 ZPO nicht statthaft. Der Schuldnerin steht gegen den Haftbefehl die.sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO) zu.
(3)
Das gilt auch für Maßnahmen im Rahmen des Verhaftungsauftrags (Verfahren 21 DR II 1593/08). Diese stellen eine bloße Ausführung des Haftbefehls dar. Solange der Haftbefehl nicht aufgehoben ist, sind die Maßnahmen zur Ausführung des Verhaftungsauftrags - von der Sonderregelung des § 900 Abs. 4 ZPO abgesehen - nur im Rahmen der sofortigen Beschwerde gegen den Haftbefehl anfechtbar. Soweit der Antrag zu 1. sich auch auf das Verfahren 21 DR II 1593/08 bezieht, ist er daher nicht statthaft.
(4)
Auch die behauptete Eintragung der Schuldnerin im Schuldnerverzeichnis (Antrag 2) ist nur der sofortigen Beschwerde gegen den Haftbefehl (§ 793 ZPO) nicht aber der Erinnerung gemäß § 766 ZPO zugänglich (Stöber, a.a.O., § 901 Rdn. 14 m.w.N.).
b)
Die Schuldnerin behauptet einen formellem Mangel des Vollstreckungsverfahrens und ist damit auch erinnerungsbefugt. Ihre Behauptung, es sei kein gültiger Titel vorgelegt worden, ist bei verständiger Würdigung so zu verstehen, dass eine wirksame vollstreckbare Ausfertigung des Titels bei der Vollstreckungsmaßnahme nicht vorgelegen habe.
2.
Die Erinnerung ist auch begründet, da eine allgemeine Zwangsvollstreckungsvoraussetzung bei Durchführung des kombinierten Vollstreckungsauftrags und der Entgegennahme des Geldbetrages nicht vorlag. Die Vollstreckung aus einem Titel findet nämlich grundsätzlich nur auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels statt (§ 724 ZPO). Diese urkundliche Vollstreckungsvoraussetzung war vorliegend nicht gegeben.
a)
Zwar behaupten die Gläubiger, dass sie bei Erteilung des Auftrags zur Mobiliarvollstreckung und Abnahme der eidesstattlichen Versicherung vom 01.09.2008 die gültige Zweitausfertigung und nicht die für ungültig erklärte Erstausfertigung vorgelegt hätten.
Diese Behauptung wird jedoch wiederlegt durch die Eingangsstempel des Obergerichtsvollziehers Muschalek auf der Erstausfertigung, den Umstand, dass der Gerichtsvollzieher dem Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin nach Zahlung des Geldbetrages die Erstausfertigung überreicht hat (§ 757 ZPO) sowie die glaubhaften Bekundungen des Obergerichtsvollziehers.
Sowohl die vom Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin, im Original zur Akte gereichte vollstreckbare Erstausfertigung als auch die Kopien des Gerichtsvollziehers der Erstausfertigung weisen einen Eingangsstempel des Obergerichtsvollziehers Muschalek vom 04.09.2008, der mit dem kombinierten Vollstreckungsauftrag der Gläubiger vom 01.09.2008 übereinstimmt, sowie einen Eingangsstempel vom 17.11.2008, der mit dem Verhaftungsauftrag vom 13.11.2008 korrespondiert, auf. Dafür, dass die Gläubiger lediglich die ungültige Erstausfertigung vorlegten, spricht weiterhin die Stellungnahme des Obergerichtsvollziehers Muschalek, der dem Gericht als ausgesprochen gewissenhafter Gerichtsvollzieher bekannt ist. Dieser hat in seiner dienstlichen Stellungnahme bekundet, dass ihm lediglich die unwirksame Erstausfertigung vorgelegt worden sei.
b)
Der gerichtlichen Anweisung an den Gerichtsvollzieher, den Geldbetrag an die Schuldnerin auszureichen, können die Gläubiger auch nicht den "dolo agit"-Einwand des § 242 BGB analog entgegenhalten. Der Geldbetrag ist nämlich nicht sogleich und aufgrund der bloßen Existenz der wirksamen vollstreckbaren Zweitausfertigung an die Gläubiger auszukehren. Auch reicht nicht, dass sich aus den Prozessakten - auf Grund eines Vermerks gem. § 734 ZPO - ergibt, dass dem Gläubiger eine wirksame vollstreckbare (Zweit-)Ausfertigung des Titels erteilt worden ist. Dagegen spricht neben derh Formalismus des Vollstreckungsverfahrens insbesondere das Erfordernis, dass die vollstreckbare Ausfertigung im Vollstreckungsverfahren zum Nachweis, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen (noch) gegeben sind, vorgelegt werden muss (§ 724 ZPO).
Über die Frage, ob der bei dem Gerichtsvollzieher vorhandene Geldbetrag aufgrund der noch gültigen zweiten vollstreckbaren Ausfertigung bei dem Gerichtsvollzieher als Dritten im Sinne von § 809 ZPO erneut gepfändet werden kann, trifft das Gericht keine Entscheidung.
III.
a)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
b)
Die Entscheidung über die vorläufige Aussetzung der Vollziehung folgt aus §§ 570 Abs. 2 ZPO analog.