Amtsgericht Hannover
Urt. v. 02.09.2008, Az.: 483 C 9794/07
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 02.09.2008
- Aktenzeichen
- 483 C 9794/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 46370
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2008:0902.483C9794.07.0A
Fundstellen
- ZMR 2009, 808
- ZMR 2009, 151-152 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
wegen Erklärung dar Ungültigkeit von Beschlüssen
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 561 -
auf die mündliche Verhandlung vom 12.08.2008
durch den Richtet am Amtsgericht Dr. Löffler
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 13.06.2007 zu den Tagesordnungspunkten 7.1, Nr. 2007/5c), 2007/6c) und 2007/7c) werden für ungültig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung dreier Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung, durch welche eine Architektin mit der Einholung von Aufträgen hinsichtlich geplanter Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen beauftragt wurde.
Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung in der Wohnungseigentümergemeinschaft Am Schatzkampe 18-20, 30163 Hannover. Die Wohnungseigentümerversammlung fasste am 13.06.2007 zu TOP 7.1 drei Beschlüsse zur Vorbereitung von Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, wobei Beschluss Nr. 2007/5 die Sanierung der Fensterfugen, Beschluss Nr. 2007/6 die Sanierung der Gebäudetrennfugen und Beschluss Nr. 2007/7 die Dämmung der oberen Geschossdecke und der Kellerdecke betraf. Unter Punkt c) der Beschlüsse wurde jeweils Frau Dipl. Ing. Architektin S.... K.... mit der Einholung von mindestens 2 Angeboten und Erstellung eines Preisvergleichs beauftragt. Die Kosten der Architektin sollten hinsichtlich der Sanierung der Fenster max. 2 142,- € brutto, der Sanierung der Gebäudetrennfugen max. 595,- € sowie hinsichtlich der Dämmung max. 2 380,- € betragen und im Stundennachweis zu einem Stundensatz von 59,90 € brutto berechnet werden. Die Maßnahmen sollten aus der Rücklage finanziert werden, anteilig verteilt nach Wohnfläche.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beauftragung der Architektin widerspreche den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung. Er behauptet, es sei nicht notwendig, eine Architektin allein mit der Einholung von zwei Angeboten und der Erstellung eines Preisvergleiches zu beauftragen. Der Verwalter könne die Sanierungsmaßnahmen ebenso gut selbst vorbereiten. Schließlich handele es sich bei der Deutschen Annington um eine große Gesellschaft, die auch über einen technischen Dienst verfüge. Architektenleistungen, wie das Erstellen eines Leistungsverzeichnisses und Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens seien nicht beschlossen worden. Er ist zudem der Ansicht, die Abwicklung größerer Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen sei von dem Verwalter schon dem Vertrag nach geschuldet. Dieser sei gem. § 6 III des Verwaltervertrages verpflichtet, die Maßnahmen zur Sanierung der Fensterfugen und zur Dämmung der Geschossdecken gegen eine Vergütung von 5 % abzuwickeln. Hinsichtlich der Sanierung der Gebäudefugen könne er keine weitere Vergütung verlangen, da die Abwicklung von Instandsetzungsmaßnahmen unterhalb eines Auftragsvolumens von 15 000,- DM in der Verwaltervergütung enthalten sei. Demgegenüber sei für die beauftragte Architektin eine weit überzogene Vergütung vereinbart worden, die jeweils 7,48, 13 und 5,9 % der Auftragssumme betrage. Das Missverhältnis ergebe sich insbesondere daraus, dass die Architektin lediglich zur Einholung von 2 Angeboten verpflichtet sei, während der Verwalter die vollständige Begleitung der Maßnahmen bis zu ihrem Abschluss schulde.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Verwalter beschränke sich überwiegend auf die Wirtschaftsverwaltung. Zwar gehöre eine technische Abteilung zu dem Gesamtkonzern, diese habe aber nichts mit der Wohnungsverwaltung zu tun. Sie ist der Ansicht, in § 6 III des Verwaltervertrages sei lediglich ein Sonderhonorar für den Mehraufwand vereinbart, welchen der Verwalter anlässlich einer Baumaßnahme zu erbringen habe, wie zusätzliche Korrespondenz, Telefonate, umfangreichere Vorbereitung der Eigentümerversammlung. Die Honorarvereinbarung gelte dagegen nicht für die technische Abwicklung einer Baumaßnahme. Das Honorar für die Architektin sei ferner angemessen. Hierzu behauptet sie, die Abrechnung solle auf Stundenbasis zu einem durchschnittlichen Stundensatz erfolgen, wobei die Architektin zugesagt habe, dass sich die Kosten einschließlich der Erstellung eines Leistungsverzeichnisses und der Ausschreibung der Aufträge in dem beschlossenen Rahmen halten würden. Sie ist der Ansicht, ein Mehrheitsbeschluss sei gem. §§ 22 I 2 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG zulässig gewesen, da die beschlossenen Maßnahmen den Kläger nicht beeinträchtigten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 13.06.2007 zu Tagesordnungspunkt 7.1, Nr. 2007/5c), 2007/6c), 2007/7c) widersprechen einer ordnungsgemäßen Verwaltung und werden für ungültig erklärt.
Der Begriff der ordnungsgemäßen Verwaltung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Inhalt für den jeweiligen Einzelfall nach der Verkehrsanschauung zu ermitteln ist (Jennißen, WEG, § 21, Rn. 36; Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, § 21, Rn. 28). Zu seiner Konkretisierung können die §§ 14 Nr. 1, 15 II, III, 21 III, IV, V und 22 WEG herangezogen werden. Eine ordnungsgemäße Verwaltung liegt danach vor, wenn sie der Beschaffenheit des Gemeinschaftseigentums und dem objektiv zu verstehenden Gemeinschaftsinteresse aller Wohnungseigentümer dient (Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, § 21, Rn. 28; Jennißen, WEG, § 21, Rn. 36; Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. 2003, § 21, Rn. 63). Dies ist grundsätzlich aus Sicht eines wirtschaftlich und vernünftig denkenden Betrachters zu beurteilen (Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, § 21, Rn. 28; Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. 2003, § 21, Rn. 64). Allerdings kommt der Wohnungseigentümergemeinschaft hinsichtlich der Frage, ob eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Nieden- führ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, § 21, Rn. 28; Jennißen, WEG, § 21, Rn. 37, 76; Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. 2003, § 21, Rn. 65). Vertretbare Entscheidungen innerhalb dieses Rahmens sind hinzunehmen, auch wenn das Gericht sie nicht in jeder Hinsicht für notwendig und zweckmäßig erachtet (Jennißen, WEG, § 21, Rn. 37).
Im Rahmen der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums muss nicht nur die Entscheidung, ob eine Instandsetzungsmaßnahme erfolgen soll, sondern auch deren konkret beschlossene Umsetzung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (Jennißen, WEG, § 21, Rn. 75). Dies ist der Fall, wenn die beschlossenen Maßnahmen sich bei einer an den konkreten Bedürfnissen und Möglichkeiten der Gemeinschaft ausgerichteten Kosten-Nutzen-Analyse und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als vertretbar erweisen ( BayOLG, NZM 2002, 532 (532); Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, § 21, Rn. 59; Jennißen, WEG, § 21, Rn. 65; Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. 2003, § 21, Rn, 64). Vorliegend erfolgte die Beauftragung der Architektin in Umsetzung der zuvor getroffenen Instandhaltungsbeschlüsse und sollte den Beschluss über die Vergabe der Arbeiten unmittelbar vorbereiten. Bei Analyse von Kosten und Nutzen war diese Maßnahme jedoch nicht mehr vertretbar, da sie nicht unerhebliche Kosten in Höhe von jeweils 7,48, 13 und 5,9 % der Bausumme verursacht, den Interessen der Wohnungseigentümer- gemeinschaft aber eher nachteilig ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat sich vorliegend verpflichtet, die beauftragte Architektin für Leistungen zu bezahlen, die grundsätzlich zu den originären Aufgaben des Verwalters gehören. Dieser ist gem. § 27 I Nr. 2 WEG verpflichtet, für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums zu sorgen. Ist Instandsetzungsbedarf festgestellt, muss er eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über das weitere Vorgehen vorbereiten (Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 3. Aufl. 2007, § 27, Rn. 15). Zu diesem Zweck muss er die voraussichtlichen Kosten der Maßnahmen ermitteln (Jennißen, WEG, § 27, Rn. 23; Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. 2003, § 27, Rn. 52). Da ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Auftragsvergabe der Rechtsprechung zufolge jedoch nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, wenn zuvor mehrere Alternativ- oder Konkurrenzangebote eingeholt und geprüft wurden ( BayOLG, NJW-RR 1989, 1293 [BayObLG 27.07.1989 - BReg 2 Z 68/89]; WuM 1996, 651 (652); NJW-RR 1999, 307; NZM 2000, 512 (513); NZM 2002, 564 (566); Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, § 21, Rn. 63; Jennißen, WEG, § 21, Rn. 77; Merle, in: Bär- mann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. 2003, § 21, Rn. 65), ist der Verwalter in jedem Fall gezwungen, eine ausreichende Zahl von Angeboten und Kostenanschlägen einzuholen. Demgegenüber muss die beauftragte Architektin dem Beschluss zufolge lediglich zwei Vergleichsangebote einholen, um ihre vertraglichen Leistungen zu erbringen. Angesichts des nicht unerheblichen Volumens der Instandsetzungsarbeiten hinsichtlich der Fensterfugen sowie der Geschossdämmung reicht dies jedoch nicht aus. Denn die späteren, auf der Grundlage von lediglich zwei Vergleichsangeboten getroffenen Beschlüsse über die Vergabe der Sanierungsaufträge würden nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.
Die Beauftragung einer Architektin war vorliegend auch nicht aus dem Grunde notwendig, dass der Verwalter aufgrund fehlenden technischen Sachverstandes nicht in der Lage gewesen wäre, selbst Vergleichsangebote einzuholen. Jedenfalls ist dies nicht hinreichend vorgetragen. Im Gegenteil hat die Verwalterin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass ihr Unternehmen über einen technischen Dienst verfüge, der zwar nicht der Wohnungsverwaltung, aber dem Gesamtkonzern der Deutschen Annington angehöre. Sie. bestätigte ferner, dass Mitarbeiter dieses Dienstes bereits vor Ort gewesen seien und an der Erstellung des Sanierungsplanes mitgewirkt hätten. Im Übrigen wäre eine fehlende Sachkenntnis der Verwaltung hinsichtlich der Beschlüsse zur Sanierung der Fensterfugen und der Gebäudetrennfugen auch fern liegend, da es sich um überschaubare, klar umris- sene Maßnahmen handelt, die in regelmäßigen Abständen durchzuführen sind. Wie aus dem Begehungsbericht hervorgeht und auch von der Beklagten ausdrücklich vorgetragen wurde, beträgt die Haltbarkeit von dauerelastischen Fenster- und Gebäudedehnfugen etwa 3-5 Jahre, weshalb die Verwaltung - auch durch die Betreuung anderer Objekte - zumindest über eine ausreichende Erfahrung verfügen müsste, um Fachfirmen zur Abgabe von Angeboten auffordern zu können. Zwar könnten hinsichtlich der Dämmung die Fähigkeiten eines Architekten erforderlich sein. Vorliegend wurden aber gerade keinerlei Architektenleistungen, wie etwa die Planung, Erstellung eines Leistungsverzeichnisses oder Ausschreibung der Arbeiten beschlossen. Auch unter Beschluss Nr. 2007/7c) ist keine Rede davon, dass zunächst eine Planung der Arbeiten erfolgen müsse, bevor Angebote eingeholt werden könnten.
Die Unwirtschaftlichkeit der Beauftragung der Architektin ergibt sich ferner daraus, dass sich der Verwalter im Vertrag verpflichtet hat, größere Instandsetzungsarbeiten ab einem Volumen von 15 000 DM selbst gegen eine Vergütung in Höhe von 5 % der Auftragssumme abzuwickeln. Entsprechend hätte er die Abwicklung der Sanierung der Fensterfugen sowie der Dämmung zu einer Vergütung von 5 % der Bausumme vor- nehmen müssen. Für die Abwicklung der Sanierung der Gebäudetrennfugen hätte er sogar keine zusätzliche Vergütung beanspruchen können, da Aufträge unterhalb der genannten Schwelle im Umkehrschluss von der Verwaltervergütung abgedeckt sind. Zwar schuldet der Verwalter nicht die Leistungen eines Architekten oder Bauleiters und hätte in diesem Fall einen Fachmann beauftragen können (Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, § 27, Rn. 17; Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. 2003, § 27, Rn. 53). Derartige Leistungen waren jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht Gegenstand des Beschlusses. Übertragen wurde allein das Einholen von Angeboten sowie Erstellen eines Preisvergleiches. Ferner hätte der Verwalter, wenn er selbst tätig geworden wäre, die Vergütung für die gesamte Betreuung der Maßnahmen, nicht allein für das Einholen von Angeboten und die Erstellung eines Preisvergleichs erhalten.
Der Verwalter konnte sich seiner gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtung, die erforderlichen Angebote einzuholen, vorliegend auch nicht mit der Begründung entziehen, dass er sich lediglich auf die Wirtschaftsverwaltung beschränke. Dies ist schon dem Gesetz nach nicht möglich, da Instandsetzung und Instandhaltung gem. § 27 I WEG zu den Kardinalpflichten des Verwalters zählen. Im Übrigen hat auch die Rechtsprechung bereits ausdrücklich entschieden, dass der Verwalter die Wohnungseigentümer nicht darauf verweisen darf, dass es ihre Sache sei, Vergleichsangebote einzuholen ( OLG Köln, ZMR 2004, 148 [OLG Köln 02.04.2003 - 16 WX 50/03]; Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, § 21, Rn. 63).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 708 Nr. 11, 711 ZPO.