Amtsgericht Hannover
Urt. v. 31.03.2008, Az.: 484 C 10329/07

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
31.03.2008
Aktenzeichen
484 C 10329/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 46393
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2008:0331.484C10329.07.0A

Fundstellen

  • NZM 2008, 690-691 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZMR 2008, 743-745 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit

...

wegen Ungültigerklärung von Beschlüssen

hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 484 -

durch den Richter am Amtsgericht ...

auf die mündliche Verhandlung vom 18.03.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.06.2007 zu TOP 10 wird für ungültig erklärt.

  2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. Der Kläger hat 54 %, die Beklagten 46 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  5. Den Parteien bleibt nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist als Eigentümer der Wohnung Nr. 34 ATP im Hause Strousbergstr. 12 B in Hannover Mitglied der Eingangs erwähnten Wohnungseigentümergemeinschaft.

2

Gemäß Einladung vom 12.06.2007 (Bl. 3 d.A.) fand am 30.06.2007 eine ordentliche Eigentümerversammlung statt. In der Versammlung wurde u.a. zu TOP 6 die erneute Bestellung der Firma Haus & Grund Immobilien-Service GmbH in Hannover zur Hausverwaltung ab dem 01.01.2008 beschlossen. Zu TOP 7 wurde beschlossen, dass die Gemeinschaft Mitglied des Interessenverbandes Haus & Grund Hannover e.V. werden soll. Zu TOP 10 wurde ein Beschluss über den Fassadenanstrich und die Finanzierung gefasst. Wegen der Einzelheiten wurde auf die Versammlungsniederschrift (Bl. 5f d.A.) Bezug genommen.

3

Der Antragsteller hält diese Beschlüsse für rechtswidrig. Er ist der Auffassung, die Mitgliedschaft bei ... sei weder kostenneutral noch bringe es der Gemeinschaft einen Nutzen. Auch sieht er eine Interessenkollision aufgrund der Verwaltung durch.... Er verweist auf das Verfahren des Amtsgerichts Hannover 70 II 619/06, mit dem das Amtsgericht Hannover durch Beschluss vom 29.09.2006 eine Mitgliedschaft der Gemeinschaft bei dem Interessenverband Haus & Grund als Maßnahme erachtete, die dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung nicht entspräche (Bl. 37f d.A.). Er bestreitet (noch) mit Schriftsatz vom 16.08.2007 (Bl. 13f d.A.), dass die Satzung der Haus & Grund e.V. mittlerweile geändert und die Änderung in das Vereinsregister eingetragen worden sei. Er ist der Auffassung, nur Eigentümer könnten Mitglied beim Interessenverband Haus & Grund e.V. werden. Hinsichtlich der Neubestellung der ... sieht er sich getäuscht im Hinblick auf die angebliche Kostenneutralität. Den Beschluss über den Fassadenanstrich hält er für zu unbestimmt und nicht ausreichend. Ein Anstrich sei angesichts der mit Gutachten der Architektin ... gegebenen Substanzmängel (Bl. 65f d.A.) nicht ausreichend. Auch widerspräche die beschlossene Maßnahme den Vorgaben der Energiesparverordnung. Weiterhin hält er diesen sowie den vorrausgegangenen Beschluss zu TOP 9 in der Eigentümerversammlung vom 29.07.2006 (Bl. 35 d.A.) angesichts gegebener Unbestimmtheit für nichtig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die übrigen schriftsätzlichen und mündlichen Ausführungen des Antragstellers Bezug genommen.

4

Der Antragsteller beantragt

  1. die Beschlüsse zu TOP 6, 7 und 10 der Wohnungseigentümerversammlung vom 30. Juni 2007 für ungültig zu erklären.

5

Die Beklagten beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Im Hinblick auf die amtsgerichtliche Entscheidung vom 29.09.2006 verweisen sie auf das betreffende Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Hannover 4 T 66/06. Dort habe sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2007 veranlasst gesehen darauf hinzuweisen, dass im Falle einer Satzungsänderung die Kompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft bestehen dürfte, einen Beschluss zum Beitritt der Gemeinschaft in den Interessenverband ... zu fassen (Bl. 27 d.A.). Im Hinblick auf die mittlerweile vorgenommene Satzungsänderung verweisen sie auf das Protokoll der Mitgliederversammlung des Vereins ... vom 21. Mai 2007 zu TOP 7 (Bl. 30 d.A.) sowie auf den Eintragungsvermerk im Vereinregister vom 21.05.2007 (Bl. 32 d.A.). Der Zweck des Beitritts für die Gemeinschaft bestünde genau wie für jeden anderen Eigentümer, insbesondere in einer Rechtsberatung. Die Mitgliedschaft sei kostenneutral. In der mündlichen Verhandlung hat Herr U.... erklärt, dass die Kosten im ... in Höhe von jährlich 257,60 € von der Haus & Grund Immobilien-Service GmbH getragen würden. Eine Interessenkollision sehen die Beklagten nicht. Insbesondere bei einem Konflikt der Gemeinschaft mit der Hausverwaltung stünde es dieser frei, andernorts, z.B. einem Rechtsanwalt, Rechtsauskünfte einzuholen. Hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses über den Fassadenanstrich bezweifeln sie das Rechtsschutzbedürfnis und verweisen ausdrücklich auf die Bestandskraft des Beschlusses zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 29.07.2006. Weiterhin bestreiten sie die in dem Gutachten Daum vorgebrachten Mängel mit Nichtwissen und verweisen darauf, dass die Gebäude über eine Dämmung verfügten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die übrigen schriftsätzlichen und mündlichen Vortag der Beklagten Bezug genommen.

7

Im übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen. Die Akte Amtsgericht Hannover 70 II 61/06 hat vorgelegen und war auch Inhalt der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

8

Die gemäß §§ 43 Ziff. 4 und 46 Abs. 1 S. 1 WEG zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

9

Die Beschlüsse zu TOP 6 und 7 der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.06.2007 widersprechen nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 As. 3 WEG, dagegen der Beschluss zu TOP 10.

10

1.

Soweit die Wohnungseigentümer in der Versammlung die Mitgliedschaft im Verein Haus & Grund Hannover e.V. zu TOP 7 beschlossen haben, begegnet dies keinen rechtlichen und tatsächlichen Bedenken. Dem steht auch nicht für die vorausgegangene Entscheidung des Amtsgerichts Hannover vom 29.09.2006 entgegen.

11

Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war bereits die sogenannte Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes durch Beschluss vom 02.06.2005 (in: ZMR 2005, 547 [BGH 02.06.2005 - V ZB 32/05]) anerkannt und ist mittlerweile im Rahmen der Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes mit Wirkung ab dem 01.07.2007 in § 10 Abs. 6 WEG kodifiziert. Eine substantielle nachvollziehbare Begründung, warum die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht Mitglied im Verein Haus & Grund werden konnte, ergibt sich tatsächlich aus der erwähnten Entscheidung des Amtsgerichts Hannovers nicht. Deshalb ist das Landgericht Hannover im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu den zutreffenden Überlegungen gelangt, dass grundsätzlich keine Bedenken dagegen bestehen, dass die Gemeinschaft Mitglied in diesem Verein wird, vorausgesetzt, die Satzung des Vereins werde wirksam geändert. Zwar geht das Landgericht davon aus, dass es sich bei der Gemeinschaft lediglich um Sondervermögen handele. Hierauf kommt es jedoch angesichts der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht an. Die Satzungsänderung und die entsprechende erforderliche Eintragung haben die Beklagten nachgewiesen. Die geänderte Satzung sieht nunmehr als ordentliche Mitglieder auch teilrechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaften ausdrücklich vor.

12

Nach den überzeugenden Ausführungen des Vertreters ... der Hausverwaltung Haus & Grund Immobilien-Service GmbH kostet die Mitgliedschaft der Gemeinschaft dem Verein Haus & Grund nichts und ist mithin kostenneutral. In Rede stehen hier sowieso nur 256,60 € für alle Wohnungseigentümer im ganzen Jahr. Soweit in dem Beschluss zu TOP 5 das Verwalterentgelt auf 15,00 € netto bestimmt wurde im Gegensatz zu dem vorherigen Entgelt von 14,50 € netto der Erstbestellungszeit, kann hierin keine versteckte Übernahme der Kosten für die Mitgliedschaft für die Gemeinschaft gesehen werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine normale Kostensteigerung.

13

Soweit der Kläger Nutzen und Zweck der Gemeinschaft im Verein Haus & Grund e.V. bezweifelt, kann dies nicht überzeugen. Vielmehr verweisen die Beklagten zutreffend darauf, dass, wie für jeden Eigentümer, die Mitgliedschaft im Verein ....den Nutzen einer umfänglichen Rechtsberatung mit sich bringt. Eine Interessenkollision dadurch, dass einerseits die Gemeinschaft von der ... verwaltet wird und andererseits die Rechtsberatung durch den Verein... erfahren soll, ist ebenfalls insbesondere für die Fälle nicht ersichtlich, dass es zu Konflikten zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Hausverwaltung kommt. Denn im Rahmen des Selbstorganisationsrechts der Wohnungseigentümer steht es diesen im Rahmen ihres Ermessens frei, gerade für solche Fälle anderswo, insbesondere bei einem Rechtsanwalt, kompetenten Rechtsrat zu suchen. Die meisten Rechtsprobleme, die insbesondere die Finanzverwaltung und technische Verwaltung betreffen, unterliegen aber im Hinblick auf eine Rechtsberatung durch den Verein Haus & Grund e.V. kein Bedenken im Hinblick auf eine Interessenkollision mit der Hausverwaltung.

14

2.

Damit begegnet auch der Beschluss zu TOP 6 keinen rechtlichen und tatsächlichen Bedenken.

15

Nach dem Vorstehenden scheidet eine Täuschung über die Kostenneutralität bzw. einer Beitragspflicht aus.

16

3.

Dagegen war der Beschluss zu TOP 10 über den Fassadenanstrich und dessen Finanzierung für ungültig zu erklären, weil dieser Beschluss zu unbestimmt ist und damit jedenfalls den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG widerspricht. Denn aufgrund der Versammlungsniederschrift ist nicht mit genügender Klarheit erkennbar, was genau beschlossen wurde.

17

a)

Die Anfechtung begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeit keinen Bedenken. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist für Anfechtung ist gegeben. Ein Vergleich mit der Anfechtung von sogenannten Negativ-Beschlüssen scheidet aus, da hier zweifelsfrei kein Negativ-Beschluss vorliegt. Denn ein Negativ-Beschluss hat immer zum Inhalt die Ablehnung eines Beschlussantrages. Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich hier um einen angeänderten Zweitbeschluss, so dass der Anfechtung auch nicht die Bestandskraft des Beschlusses zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 29.07.2006 entgegen stehen kann. Die Gemeinschaft hat ausweislich des Versammlungsprotokolls in dem Bewusstsein entschieden, dass über "diesen Tagesordnungspunkt neu zu beschließen" ist.

18

b)

Nach allgemeiner Meinung unterliegen Stimmabgaben der Wohnungseigentümer in der Wohnungseigentümerversammlung als Willenserklärungen den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen (Jennißen, WEG, vor §§ 23 - 25 Red.-Nr. 41). Damit gelten auch die §§ 133 und 157 BGB. Für die damit zulässige und erforderliche objektivierte Auslegung von Beschlüssen als Gesamtakt mehrer Willenserklärungen der Wohnungseigentümer ist in erster Linie auf die Dokumentation in der Versammlungsniederschrift abzustellen. Durch eine solche Auslegung muss ermittelt werden, ob ein Beschluss genügend bestimmt ist. Denn ein Beschluss muss genügend bestimmt sein, weil er nach § 10 Abs. 4 s. 1 WEG auch gegen Sonderrechtsnachfolger wirkt. Ist ein Beschluss unbestimmt, kommt sogar seine Nichtigkeit in Betracht. Ein bloße Anfechtbarkeit ist anzunehmen, wenn ein Beschluss widersprüchlich ist, aber noch eine durchführbare Regelung erkennen lässt und der Beschluss also auf seiner Unbestimmtheit nicht "beruht" (a.a.O. Rd.-Nr. 145). Der hier fragliche Beschluss zu TOP 10 basiert auf dem vorherigen Beschluss zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 29.07.2006. Bereits darin war die Fassadensanierung nebst Finanzierung beschlossen worden. Im Nachhinein hat sich jedoch herausgestellt, dass die veranschlagten Kosten hierfür weitaus höher ausfallen dürften, nämlich statt zunächst geplanter ca. 30 000,00 € nunmehr ca. 48 000,00 €. Selbst wenn man die Auffassung vertritt, die Vorlage von zwei weiteren Angeboten und die Verständigung über die Farbe begründe noch keine Unbestimmtheit mit der rechtlichen Konsequenz, dass eine Nichtigkeit des Beschlusses anzunehmen wäre, so bewegt sich jedoch eine solche offene Beschlussfassung angesichts des vorhergehenden bereits nicht ausreichenden Beschlusses nicht mehr im Rahmen der Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG. Denn eine solche offene und damit unbestimmte Beschlussfassung widerspricht dem Grundsatz, dass die Eigentümer bei einer Beschlussfassung über eine Instandhaltungsmaßnahme ein klares Bewusstsein über die Kosten haben müssen, da sie nur unter dieser Voraussetzung eine ermessenfehlerfreie Entscheidung im Rahmen ihres Selbstorganisationsrechts treffen können. Dies gilt insbesondere bei Maßnahmen bei dem hier vorliegenden größeren Kostenvolumen. Es hätte also vor dem endgültigen Beschluss über die Sanierung durch Vorlage aller Angebote mit genügender Sicherheit feststehen müssen, welche Kosten genau auf die Gemeinschaft zukommen werden, um damit überhaupt einen ordnungsgemäßen Beschluss auch über die Finanzierung fassen zu könne.

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4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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5.

Im Hinblick auf die erfolglose Anfechtung des Beschlusses zu TOP 7 wird gemäß § 511 Abs. 4 ZPO die Berufung zugelassen, da insoweit die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und der Kläger nicht mit mehr als 600,00 € beschert ist.