Amtsgericht Hannover
Urt. v. 15.08.2008, Az.: 511 C 6421/08

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
15.08.2008
Aktenzeichen
511 C 6421/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 46382
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2008:0815.511C6421.08.0A

Fundstelle

  • r+s 2009, 72-73 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit

...

wegen Leistung aus einem Reiserücktrittsversicherungsvertrag

hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung 511 -

auf die mündliche Verhandlung vom 08.08.2008

durch den ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen

  2. 2.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau am 01.08.2007 per Internet bei dem Reisebüro "..." eine Reise nach Mauritius für die Zeit vom 21.10.2007 bis zum 05.11.2007 zu einem Gesamtpreis von 1 220,- €. Im Reisepreis war eine Reiserücktrittsversicherung bei der Beklagten enthalten. Am 30.09.2007 hatte der Kläger den Reisepreis vollständig gezahlt.

2

Am 07.10.2007, einem Sonntag, wurde der 19-jährige Sohn des Klägers wegen des Verdachts, mehrere schwere Straftaten verübt zu haben, festgenommen. Er hat auch noch am gleichen Tag ein Geständnis abgelegt. Diese Tatsache hat den Kläger sowie seine Ehefrau gesundheitlich mitgenommen. Insbesondere aber erlitt der Sohn infolge der Entdeckung und der bevorstehenden Auswirkungen einen psychischen Zusammenbruch. Der Kläger sowie seine Ehefrau und sein Sohn begaben in hausärztliche Behandlung. Die Ehefrau begleitete den Sohn auch am 09.10.2007 zu einem Facharzt, der bei diesem einen psychopathogischen Befund für eine Funktionsstörung feststellte, die einer weiteren Behandlung bedürfe.

3

Auf die ärztlichen Atteste, insbesondere des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ..., (Bl. ... d.A.) wird Bezug genommen.

4

Am 14.10.2007 stornierte der Kläger seine gebuchte Reise und gab Krankheitsgründe an. Unter dem 15.10.2007 stellte das Reisebüro dem Kläger Stornokosten von 65 % des gesamten Reisepreises, also 739,- € in Rechnung.

5

Mit der Klage macht der Kläger gegenüber der Beklagten diese Stornokosten abzüglich seines Eigenanteils in Höhe von 20 % geltend. Er ist der Ansicht, dass er entsprechend den Reiserücktrittsversicherungsbedingungen zu Recht von der Reise zurückgetreten sei. Insbesondere trägt er vor, dass dieser Reiserücktrittsgrund in der Person seines Sohnes liegt, der vom Schutz der Reiserücktrittsversicherung mit umfasst werde und am stärksten erkrankt sei.

6

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 634,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.06.2008 zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

8

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein Reiserücktrittsgrund, der durch die bei der Beklagten geschlossene Versicherung abgesichert ist, nicht eingetreten sei. Die Argumentation des Klägers gegenüber der Versicherung habe ständig gewechselt. Zum Schluss habe man sich auf die Erkrankung des Sohnes berufen. Diese Erkrankung sei jedoch eine typische und absehbare Folge der schweren Straftaten, die dieser volljährige Sohn begangen habe. Im Übrigen trägt die Beklagte vor, dass der Reiserücktritt gegenüber dem Reisebüro zu spät erklärt worden sei. Der Rücktritt hätte schon am 07.10.2007 erklärt werden können.

9

Danach wären lediglich 35 % Stornokosten nach Ansicht der Beklagten entstanden, wovon der Kläger 20 % selbst als Eigenanteil zu tragen gehabt hätte.

10

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Parteivorträge wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist nicht begründet.

12

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Reiserücktrittsversicherungsvertrag keinen Anspruch auf Zahlung der Stornokosten abzüglich der 20 %igen Eigenbeteiligung.

13

Das Gericht brauchte im vorliegenden Fall zur Höhe keinerlei Ausführungen zu machen, weil der Rücktritt von der Reise am 14.10.2007 viel zu spät erfolgt ist. Der Rücktritt hätte am 07.10.2007 erklärt werden müssen, auch wenn es sich dabei um einen Sonntag gehandelt hat. In jedem Fall wären nicht Stornokosten in Höhe von 65 %, sondern maximal von 50 % entstanden.

14

Im vorliegenden Fall bestand jedoch dem Grunde nach schon kein Versicherungsschutz mit der vom Kläger gegebenen Begründung, weil das Gericht der Auffassung ist, dass es sich bei dem Zusammenbruch des Sohnes um keine unerwartete schwere Erkrankung im vorliegenden Fall handelt. Der Kläger selbst führt vornehmlich die Erkrankung seines volljährigen Sohnes ins Feld als Begründung für den Rücktritt. Allein für diesen liegt auch ein fachärztliches Attest vor, dass die Versicherungsbedingungen voraussetzen. Der Sohn zählt zwar zu den Personen, deren Erkrankung mit der Reiserücktrittsversicherung als Ursache für den Rücktritt abgedeckt sind. Das Gericht kann allerdings aufgrund der vom Facharzt ... festgestellten Diagnose nicht ohne weiteres schlussfolgern, dass es sich die Auswirkungen bei dem Sohn eine schwerere psychische Erkrankung darstellen. In jedem Fall ist das Gericht jedoch der Auffassung, dass hier keine unerwartete Erkrankung vorliegt. Dass ein junger Mann, der schwere Straftaten begeht, zusammenbricht, wenn er entdeckt wird, ist nichts Ungewöhnliches, und deswegen nicht unerwartet im Sinne des Buchstabe B, § 1 Nr. 1 Buchst. a) der Versicherungsbedingungen. Im Übrigen sehen die Bedingungen unter B § 1 Nr. 2b) vor, dass eine Leistungspflicht entfällt, wenn der Rücktrittsgrund vorsätzlich oder grob Fahrlässig herbeigeführt worden ist. Da die Erkrankung kausal auf den schweren Straftaten und deren Entdeckung beruht, sind die dem Reiserücktritt zugrunde liegenden Ursachen mindestens grob fahrlässig herbeigeführt worden. Der Kläger hat zu den schweren Straftaten, die der Sohn begangen hat, zwar nichts ausgeführt, sie jedoch als "mehrere schwere Straftaten" bezeichnet. Nach den Versicherungsbedingungen B § 1 Ziff. 1a) und Ziff. 2b) ist es jedoch nicht Sinn und Zweck, psychische Angstreaktionen nach der Entdeckung schwerer Straftaten, die bei einem jungen Mann auftreten, versicherungstechnisch abzusichern. Auch wenn der Kläger vortragen lässt, dass der Sohn nicht damit gerechnet hatte, dass er so reagiert, wenn er entdeckt wird, ist dies nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend. Es handelt sich nicht um eine unerwartete Reaktion bei einem 19-jährigen, der mehrerer schwerer Straftaten beschuldigt wird und diese auch gesteht.

15

Die Erkrankung seiner Frau ist nicht näher spezifiziert worden im Sinne einer "schweren" Erkrankung und auch nicht fachärztlich belegt.

16

Damit entfällt schon dem Grunde nach ein Versicherungsanspruch.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

18

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 11 i.V.m. § 711 ZPO.